Nutzungsbasierte Finanzierungsmodelle für die Industrie 4.0

Prof. Dr. Anja Wiebusch, Foto: Matthias Pilch

Durch die intelligent vernetzten Produktionsanlagen der Industrie 4.0 entstehen neue Geschäftsmodelle, die aber auch hohe Investitionen bedingen. Laut Anja Wiebusch können Banken diesen Wandel mit innovativen Finanzierungsmodellen begleiten. Durch die fortschreitende Digitalisierung könnten die notwendigen Daten erfasst werden, um nutzungsabhängige Finanzierungsmodelle anbieten zu können. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Distributed-Ledger-Technologie. Der Vorteil einer nutzungsabhängigen Finanzierung für Unternehmen bestehe in der geringeren Kapitalbindung und Liquiditätsschonung. Als ein Beispiel für eine Anwendung erläutert die Autorin das Modell eines Pay-per-Use-Kredits. Hier könne die Kredittilgung in Zeiten hoher Auslastung höher sein als in Zeiten niedriger Auslastung. Dabei werde das Auslastungsrisiko zum Teil auf die Bank ausgelagert. Oder Unternehmen könnten auch gleich ein Asset-as-a-Service-Modell nutzen. Egal welche Modelle genutzt werden, es bieten sich für beide Seiten und auch für institutionelle Investoren Chancen. Vor allem die Unternehmen und Banken, die frühzeitig mitwirken, könnten sich hier Vorteile erarbeiten. (Red.)

In der Industrie 4.0 kommunizieren intelligent vernetzte Produktionsanlagen in Echtzeit miteinander, steuern Logistik- und Fertigungsprozesse, lösen Bestellvorgänge aus, liefern Daten für die Erstellung von Abrechnungen in die Buchhaltungssysteme und legen eigenständig Wartungsintervalle fest. Die digitale Transformation in der Industrie ermöglicht, Prozesse zu überwachen und zu analysieren, sodass die Auslastung von Anlagen besser prognostiziert werden kann. Dies ist die Grundlage für neue Geschäftsmodelle, die aber auch hohe Investitionen voraussetzen. Banken können durch innovative Finanzierungsmodelle diesen Wandel begleiten.

Bislang werden Anlagegüter hauptsächlich durch Investitionskredite oder Leasing finanziert. Die Corona-Krise zeigt jedoch mehr als deutlich, dass das Anlagevermögen in den Bilanzen die Kapitalbindung erhöht und zu finanziellen Schwierigkeiten führen kann. Dies insbesondere, wenn der Kapitaldienst oder Leasingraten fortlaufend zu vordefinierten Höhen und Fälligkeiten gezahlt werden müssen, die Produktion aber durch Engpässe in den Lieferketten oder Kurzarbeit zurückgefahren werden muss und die Maschinen nicht voll ausgelastet werden können. Darüber hinaus können seit der verbindlichen Einführung von IFRS 16 Leasinggegenstände nur noch in sehr begrenzten Ausnahmefällen außerhalb der Bilanz geführt werden. Diese Entwicklungen bewirken, dass Unternehmen durch fortlaufend hohe finanzielle Verpflichtungen in ihrer Liquidität beschränkt sind. Die hohe Kapitalbindung verlängert zudem die Bilanzen und verschlechtert die Bilanzkennzahlen (wie zum Beispiel die Eigenkapitalquote oder den Zinsdeckungsgrad).

Diese klassischen Finanzierungen kommen zudem den Bedürfnissen von Unternehmen, die sich im Transformationsprozess zur Industrie 4.0 befinden, nicht mehr nach. Diese Unternehmen sind an der bedarfsgerechten Nutzung der Maschinen interessiert und nicht mehr unbedingt am Eigentum. Durch die fortschreitende Digitalisierung können über Sensoren in den Anlagen, Cloudlösungen sowie entsprechende Schnittstellen in die Buchhaltungssysteme In- und Outputdaten erhoben und für alle beteiligten Akteure transparent verfügbar gemacht werden. Die Vernetzung ermöglicht es somit, Maschinendaten zu erfassen, um maßgeschneiderte nutzungsbasierte Finanzierungsmodelle für Unternehmen der Industrie 4.0 zu entwickeln und weitere Effizienzpotenziale zu heben. Unternehmen wie auch Finanzintermediäre, die solche Modelle zukünftig nutzen beziehungsweise anbieten, werden einen strategischen Wettbewerbsvorteil haben.

Abbildung 1: Auswirkung klassischer Finanzierungen auf die Bilanzen von Hersteller und Kunden Quelle: Anja Wiebusch

Anlagenfinanzierung heute und in der Zukunft

In der klassischen Anlagenfinanzierung stellen Banken sowohl den Anlageherstellern als auch deren Kunden Investitionskredite zur Verfügung, damit diese Maschinen für ihre Produktion erwerben können. Diese Anlagen und Kredite werden dann in der Bilanz der Unternehmen ausgewiesen und erhöhen die Anlageintensität sowie den Verschuldungsgrad der Unternehmen. Die Betriebe tragen darüber hinaus das Auslastungsrisiko allein, müssen das für die Finanzierung notwendige Eigenkapital selbst aufbringen und ein entsprechend gutes Rating vorweisen können, um attraktive Finanzierungskonditionen zu erhalten (siehe Abbildung 1).

Alternativ können Hersteller und Kunden Maschinen über Leasinggesellschaften finanzieren. Bis 2019 konnte bei entsprechender Vertragsausgestaltung das Anlagevermögen außerhalb der Bilanz geführt werden. Nach dem neuen Standard IFRS 16 sind geleaste Anlagen seit 2019 im Regelfall auf der Aktivseite mit dem Wert des Nutzungsrechts zu bilanzieren, während auf der Passivseite die Leasingverbindlichkeiten als Summe der Barwerte der zukünftigen Leasingzahlungen sowie des Barwerts der Zahlung am Ende der Leasinglaufzeit bilanziert werden müssen. Somit ergibt sich für Leasingverhältnisse ein ähnliches bilanzverlängerndes Bild wie in Abbildung 1 dargestellt.

Die Vernetzung von Anlagen ermöglicht nicht nur einen höheren Automatisierungsgrad in der industriellen Fertigung. Auch für den Finanzbereich der Unternehmen ergeben sich dadurch Potenziale für neue nutzungsbasierte Finanzierungsmodelle:

- Sensorik und Cloud-Technologien bieten weitreichende Möglichkeiten, die Maschinennutzungsdaten exakt und in Echtzeit zu erfassen und für Datenanalysen verfügbar zu machen.

- Der Einsatz von Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ermöglicht eine Speicherung von Transaktionen in einem Hauptbuch, welches in einem dezentralen Netzwerk unabhängiger Rechner gebildet wird. Die Transaktionen können dabei in Form von Informationsblöcken mithilfe kryptografischer Verfahren verkettet und im Rahmen von Konsens-Algorithmen überprüft werden. DLT bietet den Vorteil, dass die gespeicherten Daten unveränderlich und für alle Netzwerkteilnehmenden verifizierbar, transparent und sicher sind. 1)

- Mithilfe von Smart Contracts können Geschäftsprozesse vollständig automatisiert werden. Ein Smart Contract ist ein Programmcode, der die Erfüllung eines Ereignisses (Triggers) mithilfe einer Wenn-Dann-Logik überprüft und nach erfolgreicher Prüfung eine zuvor festgelegte Transaktion ohne menschliches Zutun auslöst. Werden Smart Contracts in DLT integriert, steuert dieser Code Prozesse innerhalb des Netzwerks.2)

- Die transparente und vollautomatisierte Informationsübermittlung in die Buchhaltungssysteme ermöglicht es, dass Rechnungen automatisch erstellt und die Zahlungen perspektivisch ohne menschliches Handeln von den Maschinen selbst ausgelöst werden. Derzeit fehlen noch die Standards, um Maschine-zu-Maschine-Zahlungen zu ermöglichen. Zahlungen müssen von autorisierten Personen im Rahmen einer Zwei-Faktor-Authentifizierung freigegeben werden. Diese Einschränkungen in der Automatisierung können durch die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) in näherer Zukunft gelöst werden.3)

Diese technischen Innovationen ermöglichen es den Unternehmen zukünftig, vermehrt auf nutzungsbasierte Finanzierungsmodelle umzusteigen, die die Kapitalbindung im Unternehmen reduzieren und die Liquidität schonen. Einige Banken entwickeln derzeit Prototypen, die die Auslastungs- und Finanzierungsrisiken von der Nutzungsseite verlagern.

Der Pay-per-Use-Kredit

Unternehmen mit stark saisonalem oder zyklischem Geschäft wünschen sich Finanzierungsmodelle, deren Raten von der Auslastung der finanzierten Maschinen abhängen. Die Kredittilgung kann in Zeiten einer hohen Maschinenauslastung höher sein, während in Zeiten geringerer Auslastung die Liquidität im Unternehmen durch geringere Kredittilgungen geschont wird. Einige Banken bieten Unternehmen bereits Pay-per-Use-Kredite an, deren Tilgung sich an dem jeweiligen Auslastungsgrad der Maschinen bemisst.

Voraussetzung dafür ist, dass die Nutzungsdaten der Maschinen durch eine Internet-of-Things-Anbindung (IoT) zentral erfasst und für die Kalkulation der Rate an die finanzierende Bank übertragen werden können. Diese Form der nutzungsbasierten Finanzierung ermöglicht den Unternehmen, ihre Liquidität in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu schonen und die Zahlungsverpflichtungen an die Leistungsfähigkeit des Unternehmens im Sinne eines Pay-as-you-earn-Ansatzes anzupassen. Das Auslastungsrisiko wird bei diesem Modell zum Teil auf die Bank verlagert. Zur Besicherung des Kreditengagements können die finanzierten Anlagen genutzt werden, wobei sich die Sicherungsübereignung der Maschinen anbietet, da diese durch ihre individuelle Kennzeichnung klar als Sicherheit identifizierbar sind und daher in Sicherungsübereignungsverträgen eindeutig bestimmt werden können.

Im Falle der Insolvenz des Kreditnehmers hat das Finanzinstitut aber nicht die Möglichkeit, die Anlagen zu verwerten, da hier nur der Insolvenzverwalter tätig werden kann.4) Darüber hinaus ist das Modell nicht beliebig skalierbar, da die Kreditsumme von dem Rating des Kreditnehmers abhängig ist. Die Erhöhung des Verschuldungsgrades setzt der Skalierung hier natürliche Grenzen, da zusätzliche Kreditaufnahmen zur Erweiterung der Geschäftstätigkeit die Bilanz belasten, Eigenkapitalquote senken und damit auch die zukünftigen Kreditaufnahmemöglichkeiten einschränken.

Bei einer Höherskalierung des Geschäftsmodells stößt der Pay-per-Use-Kredit somit an seine Kapazitätsgrenzen, da die Unternehmen die Anlagen immer noch in ihrer Bilanz führen. Die flexible Rückführung der Kredite kann zudem dazu führen, dass am Ende der Laufzeit noch eine Restschuld besteht, die dann durch eine hohe Schlussrate zurückgeführt oder durch eine entsprechende Laufzeitverlängerung kompensiert werden muss.

Datengetriebene Asset-as-a-Service Modelle

Die Transformation zur Industrie 4.0 sowie der Einzug der Blockchain-Technologie in die Geschäftsmodelle können zukünftig dazu führen, dass die Anlagen über eine entsprechende Sensorik und IoT-Anbindung verfügen, um Nutzungsentgelte direkt aus den Maschinendaten über Distributed-Ledger-Technologie und Smart Contracts zu ermitteln. Die Maschinendaten können so vollautomatisiert, transparent und sicher für die Abrechnung und das Reporting an die Buchhaltungssysteme weitergeleitet werden. Hersteller erhalten dadurch die Möglichkeit, die Anlagen und Maschinen ihren Kunden "as a service" zur Verfügung zu stellen. Die Anlagennutzer können die Maschinen nach Bedarf einsetzen und leisten hierfür kontinuierliche nutzungsabhängige Zahlungen. Der Hersteller stellt die Wartung und Reparatur der Anlagen sicher und generiert durch diesen Service weitere Cross- und Upselling-Möglichkeiten. Diese führen zu weiteren Einnahmen und einer Vertiefung der Geschäftsbeziehung zu den Kunden.

Anlagenbauer, die erste Erfahrungen mit Asset-as-a-Service-Modellen (AaaS) sammeln möchten, werden hierzu zunächst die Anlagen über die eigene Bilanz finanzieren, um einen ersten Testlauf zu starten und Erfahrungen zu gewinnen. Sollen AaaS-Modelle im Rahmen einer Skalierung verstärkt zum Einsatz kommen, können die Hersteller in einem nächsten Schritt darüber nachdenken, zusammen mit Banken den Asset Pool in eine Zweckgesellschaft auszulagern und dadurch eine außerbilanzielle Finanzierung zu realisieren.5) Die Gründung einer Zweckgesellschaft - auch häufig als Special Purpose Vehicle (SPV) bezeichnet - und die Auslagerung des Asset Pools haben den entscheidenden Vorteil, dass die operative Geschäftstätigkeit und das Eigentum an den Assets voneinander getrennt werden und im Insolvenzfalle die Finanzinstitute eigenständig über die Verwertung der Anlagen verfügen können.

Die Zweckgesellschaft erwirbt das Eigentum an dem Asset Pool, den der Hersteller an die Zweckgesellschaft verkauft und im Gegenzug den Kaufpreis erhält. Der Hersteller lagert so die Anlagen aus seiner Bilanz aus, sodass diese Off-Balance-Lösung eine Erhöhung des Finanzierungsvolumens und damit eine Skalierung des Geschäftsmodells ermöglicht. Grundsätzlich kann diese Lösung für alle Anlagen mit einem liquiden und transparenten Zweitmarkt für Gebrauchtanlagen umgesetzt werden. Nicht nur die Rechnungserstellung kann durch IoT-fähige Anlagen automatisch ausgelöst werden. Sobald die Möglichkeit programmierbarer Zahlungen geschaffen und weitere technische und regulatorische Hürden genommen sind, können Maschinen und Anlagen ohne menschliches Eingreifen Zahlungsvorgänge auslösen. Die damit einhergehende Senkung der Transaktionskosten wird es dann ermöglichen, auch Micropayments für geringfügige Anlagennutzungen effizient abzuwickeln.

Höhere Investitionsausgaben

Anlagenbauer, die ihre Maschinen ihren Kunden nicht mehr ausschließlich verkaufen, sondern im Rahmen von AaaS-Modellen anbieten wollen, werden in der Umsetzungsphase zunächst höhere Investitionsausgaben für die Implementierung der Technologie aufzuwenden haben. Darüber hinaus ist bei der Umstellung ihres Geschäftsmodells auch mit einem Umsatzeinbruch zu rechnen. Der Grund ist, dass sich die Anlagen in dieser Pilotphase noch in der Bilanz der Hersteller befinden und diese nicht mehr den Verkaufserlös für die Anlagen vorab in einer Summe erhalten, sondern nutzungsbasiert über den Lebenszyklus der Anlage.

Nach der Umstellungsphase und einer Anpassung der Geschäftsprozesse anhand der durch die Vernetzung gewonnen Maschinendaten werden die Prozesse durch den hohen Automatisierungsgrad jedoch sehr stark vereinfacht.

Das Geschäftsmodell wird wesentlich kostengünstiger und zielgerichteter zu betreiben sein, da anhand der gewonnenen Daten auch die Auslastung der Anlagen besser prognostiziert und koordiniert werden kann. Die Umsatzlücke wird durch das erhöhte Cross- und Upsellingpotenzial aus dem Geschäftsmodell auf längere Sicht kompensiert. Durch die Zurverfügungstellung bedarfsgerechter Services wird eine hohe Kundenbindung und damit eine strategische Positionierung im Wettbewerb erreicht. Im zweiten Schritt wird die Möglichkeit der Finanzierung und Auslagerung der Assets über eine Zweckgesellschaft bei einer Höherskalierung des Geschäftsmodells dazu führen, dass der Verkauf des Asset Pools die Liquidität und Bilanzkennzahlen des Herstellers wesentlich verbessert.

Strukturierung von Asset-as-a-Service Modellen

AaaS-Modelle bieten für das nutzende Unternehmen zahlreiche Vorteile. Die zu leistenden Zahlungen sind abhängig davon, inwieweit die Maschinen tatsächlich genutzt und Umsatzerlöse generiert werden, sodass das nutzende Unternehmen nicht mehr das Auslastungsrisiko allein zu tragen hat. 6) Die Versicherung der Anlagen sowie die Reparatur und Wartung liegt nicht mehr beim nutzenden Unternehmen, da es das Entgelt für den zur Verfügung gestellten Service einer funktionsfähigen Maschine entrichtet. Pioniere dieses Geschäftsmodells können so relativ schnell neue Kunden gewinnen, die diese Services ausprobieren wollen. AaaS ist für die Nutzer nicht nur wirtschaftlich interessant, sondern auch vor dem Hintergrund eines effizienten Umgangs mit endlichen Ressourcen im Sinne der Nachhaltigkeit. Maschinen und Anlagen werden von mehreren Unternehmen bedarfsgerecht genutzt und im Idealfall optimal ausgelastet.

Nach der Pilotphase verkauft der Hersteller seinen Maschinenpark an eine Zweckgesellschaft und erhält im Gegenzug den Kaufpreis für seine Anlagen. Er organisiert die Vermietung des Maschinenparks sowie die Reparatur und Wartung der Anlagen und erhält von seinen Kunden dafür eine nutzungsabhängige Servicegebühr kontinuierlich über die Nutzungsdauer der Anlagen. Einen im Rahmen der Vertragsausgestaltung zu definierenden Teil der Servicegebühr wird er für seine Dienstleistungen einbehalten, der Rest wird an die Zweckgesellschaft abgeführt.

Der Asset Pool in der Bilanz der Zweckgesellschaft wird über Eigenbeteiligungen des Herstellers (im Sinne eines First Loss Piece) und weiteres Fremdkapital von Banken und anderen institutionellen Anlegern, wie Versicherungen oder Fondsgesellschaften, eingebracht. Die Kapitalgeber werden aus der Summe der Servicegebühren nach dem Wasserfallprinzip bedient. Dies stellt sicher, dass (nach Abzug zu leistender Steuern und Zahlungen für die Dienstleister aus der Finanzierungsstruktur) zunächst die Fremdkapitalgeber bedient werden, bevor letztendlich der Hersteller bedient wird. Der Hersteller signalisiert dadurch seinen Geldgebern, dass er bereit ist, die ersten Verluste aus der Finanzierungsstruktur zu übernehmen. Daher wird er das Ziel verfolgen, eine möglichst gute Auslastung der Maschinen zu erreichen und diese bestmöglich zu warten, da er ansonsten als erster von Zahlungsausfällen betroffen sein würde.

Abbildung 2: Mögliche Strukturierung einer AaaS-Finanzierung Quelle: Anja Wiebusch

Diversifizierung der Portfolios

Dies ist ein wichtiges Signal an die Finanzierer. Die Strukturierung der AaaS-Finanzierung über eine Zweckgesellschaft bietet die Möglichkeit, das Auslastungsrisiko unter den finanzierenden Parteien zu streuen. Institutionelle Investoren können darüber hinaus das Modell zu einer Diversifizierung ihrer Portfolios nutzen. Das Datenmanagement für das AaaS-Modell wird von einem Technologieanbieter sichergestellt, die Strukturierung erfolgt über eine Bank, die idealerweise bereits im Verbriefungsbereich engagiert ist. Abbildung 2 verdeutlicht, wie ein AaaS-Finanzierungsmodell ausgestaltet werden könnte. Da die Strukturierung von AaaS-Finanzierungen über Zweckgesellschaften kostenintensiv und zeitaufwendig ist, lohnt dieses Modell - ähnlich wie bei Asset- Backed-Securities-Transaktionen - erst ab einem Finanzierungsvolumen im höheren zweistelligen Millionenbereich. Mittelständische Anlagenbauer können derartige Volumina nicht bieten. Eine Lösung für die Strukturierung könnten Multi-Seller-Transaktionen sein, bei denen die Anlagegüter verschiedener Unternehmen zu einem Portfolio gebündelt werden.

Wettbewerbsvorteil durch frühzeitige Mitwirkung

Darüber hinaus ist es mit einem höheren technischen Aufwand verbunden, jede im Asset Pool befindliche Anlage so zu vernetzen, dass alle benötigten Nutzungsdaten vollautomatisch erhoben und verarbeitet werden können. Daher muss bei der Konzeption erster AaaS-Finanzierungsmodelle genau analysiert werden, welche Anlagen in den Asset Pool aufgenommen werden sollten und welche Anlagenhersteller gegebenenfalls zu Multi-Seller-Strukturen sinnvoll zusammengefasst werden können.

Die Transformation zur Industrie 4.0 ist mit einem hohen Finanzbedarf verbunden. Die bisherige Diskussion der Geschäftsmodelle befasst sich jedoch in erster Linie mit der Schaffung der technischen Voraussetzungen und prozessualen Änderungen in der Produktion, die mit diesem Wandel einhergehen.

Anlagealternative für institutionelle Investoren

Wichtig ist, dass Unternehmen einen ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz verfolgen und auch die bevorstehenden Änderungen im Finanzbereich frühzeitig berücksichtigen. Die zunehmende Vernetzung von Anlagen ermöglicht es dabei, die Nutzungsdaten der Maschinen präzise zu erfassen und für nutzungsbasierte Finanzierungsmodelle, wie Pay-per-Use-Kredite und Asset-as-a-Service-Modelle nutzbar zu machen. Unternehmen und Banken, die hier frühzeitig mitwirken, können sich dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erarbeiten.

AaaS-Modelle bieten auch institutionellen Investoren im aktuellen Niedrigzinsumfeld die Möglichkeit, sich an den Finanzierungsstrukturen zu beteiligen, um attraktive Renditen zu erwirtschaften. Perspektivisch könnte dadurch eine neue Assetklasse entstehen.

Fußnoten

1) Vgl. Schacht, S., Lanquillon, C. (2019): Blockchain und maschinelles Lernen - Wie das maschinelle Lernen und die Distributed-Ledger-Technologie voneinander profitieren, Springer Vieweg, Berlin, S. 5.

2) Vgl. Wilken, R., Falk, R. (2019): Was sind Smart Contracts? in: Smart Contracts - Grundlagen, Anwendungsfelder und rechtliche Aspekte, Wilkens, R., Falk, R. (Hrsg.), SpringerGabler essentials, Wiesbaden. S. 9.

3) Vgl. Forster et al. (2021): Whitepaper - Der Zahlungsverkehr der Zukunft: Programmierbare Zahlungen im Bereich IoT, S. 6 ff.

4) Im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers hat die Bank lediglich ein Absonderungsrecht nach § 51 InsO, sodass die sicherungsübereignete Anlage nach § 166 InsO in die Insolvenzmasse fällt und die Bank erst aus dem Verwertungserlös nach Abzug der Kosten der Feststellung und der Verwertung nach § 170 InsO eine Zahlung erhalten würde.

5) Erste Pilotprojekte werden aktuell initiiert. Siehe hierzu: Der Treasurer (2021): Commerzbank erweitert Pay-Per-Use-Kredit. Zu finden unter: https://www.dertreasurer.de/news/finanzierung-corporate-finance/commerzbank-erweitert-pay-per-use-kredit-2017731/, (letzter Zugriff: 8. März 2022) Der Treasurer (2021): Deutsche Bank legt Pay-Per-Use-Kredit auf. Zu finden unter : https://www.dertreasurer.de/news/finanzierung-corporate-finance/deutsche-bank-legt-pay-per-use-kredit-auf-2018181/ (letzter Zugriff: 8. März 2022)

6) Die Modelle sehen häufig vor, dass der Nutzer eine bestimmte Mindestnutzung zusichert und unterschiedliche Gebührenmodelle für stärkere und wenig starke Nutzung vereinbart werden.

Prof. Dr. Anja Wiebusch , Institut für Rechnungswesen und Revision, Fachhochschule Kiel - University of Applied Sciences, Kiel

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X