Organbestimmungen nach § 15 KWG - Neuregelungen durch das Risikoreduzierungsgesetz

Nikolaus Demmelmair, Foto: Alex Staudinger Photography (München)

Ende 2020 trat das Risikoreduzierungsgesetz in Kraft. Damit sind laut den Autoren auch Verschärfungen bei den Regelungen für Kontrakte mit Organen eingeführt worden, um Interessenkonflikte besser zu vermeiden. Zunächst klären Demmelmair/Schmidt im Beitrag die Frage, welche Geschäfte unter die Organkreditbestimmungen fallen, da der unbestimmte Rechtsbegriff der Auslegung bedürfe. Im Anschluss befassen sie sich mit der Berechnung des Volumens entsprechender Organgeschäfte. Demnach obliege es den Banken, mangels Vorgaben interne Regelungen zum Geschäftsvolumen zu treffen. Weiterhin wird die Frage erörtert, wie sich der betroffene Personenkreis um Organe verändert. Die Autoren fordern schließlich klare Definitionen, um Governance-Probleme für die Beteiligten zu vermeiden. Wichtig wären auch Klarstellungen zu datenschutzrechtlichen Fragen bei den Abfragen von notwendigen Daten. (Red.)

Mit Inkrafttreten des Risikoreduzierungsgesetzes per 29. Dezember 2020 sind einige deutliche Verschärfungen bei den Regelungen für Kontrakte mit Organen eingetreten, um etwaigen Interessenkonflikten bei diesen stärker Rechnung zu tragen. Zum einen erfolgte in Umsetzung des in Art. 88 Abs. 1 CRD V definierten Begriffs der verbundenen Parteien eine spürbare Ausdehnung des betroffenen Personenkreises, zum anderen wurden die durch die Organbestimmungen erfassten Transaktionen auf "Geschäfte" der Institute ausgeweitet. Letzteres diente laut Regierungsbegründung dazu, Grundsatz 20 der Baseler Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht3) mit den zentralen Kriterien 2 und 3 in Verbindung mit Fußnote 74 vollständig einzuhalten. Nachfolgende Ausführungen geben über die Neuregelungen einen ersten Einblick und erörtern damit verbundene offene Fragestellungen.

Erfasste Transaktionen

Die Umsetzung der oben genannten Fußnote 74 aus Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) 230 erfolgte durch den Gesetzgeber in § 15 Abs. 6 KWG. Demnach gelten nun für den in § 15 Abs. 1 S. 1 KWG genannten Personenkreis für Geschäfte des Instituts, die keine Kredite im Sinne von § 21 Abs. 1 KWG sind sowie für Ausbuchungen von Forderungen die Beschlussfassungspflichten sowie die Anforderungen an die Marktmäßigkeit nach Abs. 1 S. 1 - 4, die Bagatellgrenzen nach Abs. 3, die Möglichkeiten zur nachträglichen Beschlussfassung und Vorratsbeschlussfassung nach Abs. 4, die Ausweitung auf Gruppen verbundener Kunden nach § 19 Abs. 3 sowie die Ausnahmen für öffentliche Haushalte nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 entsprechend den bisherigen Regelungen für Kredite. Ausgehend von den unterschiedlichen Begrifflichkeiten für Geschäfte und Kredite werden im Folgenden die damit verbundenen Erfassungs- und Abgrenzungsprobleme betrachtet.

Eine Definition des Begriffs der "Geschäfte" für Zwecke des § 15 KWG enthält das KWG nicht, sodass dieser unbestimmte Rechtsbegriff der Auslegung bedarf. Nach der Regierungsbegründung zählen zu den Geschäften unter anderem Dienstleistungsgeschäfte, Käufe und Verkäufe von Vermögensgegenständen, Bauverträge und Ausbuchungen. Gemäß Fußnote 73 BCBS 230 umfassen Geschäfte (im Englischen "transactions") mit verbundenen Parteien bilanzwirksame und außerbilanzielle Kreditengagements sowie Dienstleistungsverträge, Käufe und Verkäufe von Vermögenswerten, Bauverträge, Leasingverträge, Derivativgeschäfte, Ausleihungen und Ausbuchungen.

Ein Abgleich zeigt, dass die in der Regierungsbegründung genannten Beispiele nur teilweise mit den Beispielsfällen aus BCBS 230 korrespondieren. Unter Zugrundelegung der Beispiele in der Regierungsbegründung ist wohl unstrittig, dass Bau- und Leasingverträge unter die neuen Organkreditbestimmungen fallen. Anders als in Fußnote 74 BCBS 230 gefordert, fallen jedoch die Derivativgeschäfte auch nach der Neufassung des § 15 KWG nicht unter die von den Organkreditbestimmungen genannten Geschäfte. Dies ergibt sich daraus, dass für die Organkreditregelungen weiter der enge Kreditbegriff nach § 21 KWG maßgebend ist und der Organkreditbegriff explizit nicht auf den weiten Kreditbegriff nach § 19 KWG ausgedehnt wurde. Mit anderen Worten: Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass einige oder alle Kredite i. S. d. § 19 KWG durch die Organbestimmungen erfasst werden sollen, wäre entweder der Kreditbegriff in § 21 Abs. 1 KWG erweitert worden oder der Kreditbegriff nach § 19 KWG auf die Organkreditbestimmungen nach § 15 KWG ausgedehnt worden. Diese Sichtweise wird auch dadurch untermauert, dass die in Fußnote 27 genannten Derivativverträge in der Regierungsbegründung - obwohl sie in BCBS 230 beispielhaft genannt - bewusst nicht genannt werden.

Organgeschäfte und Organkredite

Diese Negativabgrenzung beantwortet jedoch weiterhin nicht, was unter dem Begriff der "Geschäfte" zu verstehen ist, allerdings finden sich ähnliche - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Transparenz geschaffene - Regelungen in IAS 24 und § 285 Nr. 21 HGB. Nach dem in EU-Recht übernommenen IAS 24.9 wird dort ein "Geschäftsvorfall" definiert als eine "Übertragung von Ressourcen, Dienstleistungen oder Verpflichtungen (...), unabhängig davon, ob dafür ein Entgelt in Rechnung gestellt wird". Ähnlich definiert das IDW Rundschreiben HFA 33 zur Auslegung der nach § 285 Nr. 21 HGB erforderlichen Anhangsangaben in Tz. 4 als Geschäfte alle "Rechtsgeschäfte und andere getroffene Maßnahmen. Diese betreffen üblicherweise eine entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder Nutzung von Vermögensgegenständen, die Einräumung von Krediten oder die Erbringung von Dienstleistungen. Es handelt sich mithin um alle Transaktionen rechtlicher und wirtschaftlicher Art, die sich auf die gegenwärtige und künftige Finanzlage eines Unternehmens auswirken können".

Nach dieser Definition fallen letztlich ein Großteil der in § 1 Abs. 1, 1a KWG definierten Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte der Banken, wie zum Beispiel auch das Einlagengeschäft, das Depot- B-Geschäft oder das Vermittlungsgeschäft unter die Regelung des § 15 Abs. 6 KWG, aber auch der Abschluss von Cateringverträgen oder gewährte Zuschüsse. Seitens der DK wird vorgeschlagen, diese Geschäfte vom Anwendungsbereich des § 15 auszunehmen. Dies mag insbesondere bei klassischen Retail-Dienstleistungsgeschäften mit Standardprovisionssätzen sicher nachvollziehbar sein, es verbleibt aber dann die Frage einer adäquaten Abgrenzung zu großvolumigen Immobilienvermittlungsgeschäften oder Einlagengeschäften, bei denen durchaus die Gefahr von Interessenkonflikten entstehen kann, wenn diese mit nahestehenden Personen durchgeführt werden. Der Kernunterschied zwischen den Regelungen nach § 15 Abs. 6 KWG und § 285 Abs. 1 Nr. 21 HGB liegt weniger in der Definition der Geschäfte, sondern darin, dass nach § 285 HGB von den dadurch betroffenen Unternehmen nur "wesentliche" nicht marktmäßig zustande gekommene Geschäfte im Anhang anzugeben sind und zudem Geschäfte mit bestimmten Konzerngesellschaften ausgenommen sind. Analog hierzu wäre eine adäquate Lösung weniger in der Definition des Geschäftes, sondern in sachgerechten Bagatellgrenzen zu suchen.

Neben Geschäften werden durch die neuen Organkreditbestimmungen auch "Ausbuchungen von Forderungen" genannt. In der Rechnungslegung sind Forderungen auszubuchen, wenn sie erloschen sind, was durch Erfüllung, Aufrechnung oder Erlass erfolgen kann. Ebenfalls auszubuchen sind uneinbringliche Forderungen. In der englischen Fassung von BCBS 230 wird der Begriff "write off" genannt, worunter man die Ausbuchung uneinbringlicher Forderungen fasst. Allerdings ist mit der Ausbuchung wohl weniger ein Interessenkonfliktpotenzial verbunden, da die Ausbuchung letztlich nur handelsrechtlichen Maßstäben geschuldet ist. Unter dem Gesichtspunkt etwaiger Interessenkonflikte ist daher eher der Verzicht auf Forderungen aus Krediten oder Geschäften zu verstehen.

Berechnung des Volumens

Im Anschluss an eine Definition der Geschäfte ist die Berechnung des Volumens von Organgeschäften nach § 15 Abs. 6 KWG zu betrachten. Mangels Vorgaben obliegt es den Instituten, adäquate interne Regelungen zum maßgeblichen Geschäftsvolumen zu treffen, auch um die Frage nach der Nutzung der in § 15 Abs. 3 KWG genannten Bagatellgrenzen zu beantworten. Dabei kann teilweise auf die Regelungen in § 12 GroMiKV (Großkredit- und Millionenkreditverordnung) - wie beispielsweise zum Barwert von Leasingverträgen - zurückgegriffen werden. Hinsichtlich der anzusetzenden Laufzeit wird in der Regel auf die maximale Laufzeit unter Berücksichtigung von Kündigungsmöglichkeiten abzustellen sein. Bei den auf ein Jahr befristeten Vorratsbeschlüssen ist implizit nur auf das einjährige Geschäftsvolumen abzustellen. Bei Provisionsgeschäften wie im Wertpapiergeschäft, bei denen das Institut nur Durchleitender ist, ist es sinnvoll, lediglich auf das Provisionsvolumen und weniger auf das Umsatzvolumen abzustellen.

Der § 15 Abs. 6 KWG lässt Interpretationsspielraum, wie die Bagatellgrenze nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 KWG, nach der bei einem Volumen unter einem Prozent der anrechenbaren Eigenmittel keine Beschlussfassung erforderlich ist, zu handhaben ist. So wäre es vertretbar, dass die Bagatellgrenze einerseits für Kredite nach § 21 KWG und andererseits - zusätzlich - für Geschäfte Anwendung findet. Denkbar wäre aber auch, Kredite und Geschäfte im Hinblick auf die 1-Prozent-Regel zusammenzuaddieren. Für die erste Variante spricht der klare Wortlaut der Regelung ("gilt entsprechend"), für die zweite Variante sprechen die Basler Regelungen, die unter Geschäfte sowohl Kredite wie auch Dienstleistungen fassen, sich aber letztlich so nicht im Wortlaut des KWG wiederfinden.

Bei Personenorganverhältnissen ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 - 5 und Nr. 12 KWG die Anwendung der 1-Prozent-Bagatellgrenze für Institute ausgeschlossen, jedoch besteht für den eingeschränkten Kreis der Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten und deren Partnern, Kindern sowie Eltern keine Beschlussfassungspflicht, wenn das Volumen unter einem Jahresgehalt liegt. Dabei gilt die Jahresgehaltsgrenze separat für jede in § 15 Abs. 3 Nr. 2 genannte Person. Von größerer Bedeutung ist bei Personenorganverhältnissen die Möglichkeit der Vorratsbeschlussfassung nach § 15 Abs. 4 S. 6 KWG.

Keine nachträgliche Beschlussfassung

Analog zu den Krediten kann demnach auch für bestimmte Geschäfte und Arten von Geschäften eine Beschlussfassung im Voraus, längstens bis zu einem Jahr, gefasst werden. Ein ganz allgemein gehaltener Beschluss, dass man zum Beispiel einen bestimmten Betrag an die in § 15 Abs. 4 genannten Personen für Geschäfte aller Art verwenden darf, wäre nicht zulässig. Nicht möglich ist bei Personenorganverhältnissen eine nachträgliche Beschlussfassung für Geschäfte, dies ist gemäß 15 Abs. 4 S. 4 KWG nur bei Unternehmensorganverhältnissen möglich. Vom Vorratsbeschluss nach § 15 Abs. 4 KWG zu unterscheiden ist jedoch die Einräumung eines internen Limits für einen bestimmten Kunden oder Gruppe verbundener Kunden, was auch bei Unternehmensorgankrediten möglich ist.

In Zusammenhang mit den Bagatellgrenzen spielt auch die Regelung in § 19 Abs. 3 KWG, nach der sich die Organbestimmungen auf die gesamte Gruppe verbundener Kunden ("GvK") nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR beziehen, eine bedeutsame Rolle. Dies hat zur Folge, dass bei Vorliegen eines Organ-Tatbestands i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 KWG zu einem einzelnen Glied der Gruppe auch die Kredite oder Geschäfte mit anderen Unternehmen oder Personen der GvK den Organregelungen unterliegen, also gleichsam "infiziert" werden.

Dadurch erhöht sich zum einen der Kreis der den Organbestimmungen betroffenen Personen, zum anderen entstehen dadurch in einigen Fällen sogenannte "Mischverhältnisse", bei denen sowohl ein Personen- als auch ein Unternehmensorganverhältnis vorliegt.

Beherrscht beispielsweise ein Aufsichtsrat A das Unternehmen X und ist er gleichzeitig Geschäftsführer bei dem Unternehmen X, so liegt sowohl ein Unternehmensorganverhältnis zu X aufgrund § 15 Abs. 1 Nr. 7 und 9 KWG vor als auch ein Personenorganverhältnis zu A nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 KWG und darüber hinaus ein Personenorganverhältnis zu X, da zwischen A (Nr. 3) und X ein Beherrschungsverhältnis und damit eine GvK nach § 19 Abs. 3 KWG besteht. Laut Auslegung der BaFin hat dies zur Folge, dass bei derartigen Mischverhältnissen die bei Unternehmensorganverhältnissen bestehenden Ausnahmen, insbesondere die Bagatellgrenze in Höhe von ein Prozent der anrechenbaren Eigenmittel, nicht angewandt werden kann, weil das Unternehmensorganverhältnis durch das Personenorganverhältnis überlagert wird. Anders verhält es sich dagegen laut Auffassung der Literatur hinsichtlich der bei Unternehmensorganverhältnissen möglichen nachträglichen Beschlussfassung, da nur dadurch die Pflicht nach § 15 Abs. 5 KWG zur vorzeitigen Rückzahlung des Organkredits vermieden wird. Allerdings sieht die Regelung für Geschäfte in Abs. 6 eine analoge Verpflichtung zur Rückgängigmachung von Geschäften nicht vor.

Änderungen beim Kreis der erfassten Organverhältnisse

Waren bislang nur Ehe- oder Lebenspartner sowie minderjährige Kinder von Geschäftsleitern, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten sowie von Aufsichtsorganen als Organverhältnisse definiert, so werden durch die Änderung im Risikoreduzierungsgesetz nun alle Kinder sowie auch die Eltern dieses Personenkreises erfasst. Eine erhebliche Ausweitung ist daneben durch die Änderung in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und Nr. 9 KWG erfolgt. In Nr. 7 wird das Organverhältnis ausgedehnt auf Unternehmen, bei denen nicht nur die Leitungsebene des Instituts, sondern auch deren Lebenspartner, Kind oder Elternteil bei einem Unternehmen gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsorgans der juristischen Person oder Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft oder Partner einer Partnerschaft (s. § 15 Abs. 1 S. 1 HS. 2 KWG) ist. In Nr. 9 werden künftig nicht nur Unternehmen erfasst, bei denen der Vorstand des Instituts eine bedeutende Beteiligung hält, sondern nun auch Unternehmen, bei denen ein Prokurist, Handlungsbevollmächtigter, ein Mitglied des Aufsichtsorgans oder deren Lebenspartner, Kind oder Elternteil eine bedeutende Beteiligung an dem Unternehmen halten oder persönlich haftender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Partner einer Partnerschaft sind.

Neu ist auch der Begriff der bedeutenden Beteiligung in den Organbestimmungen in Nr. 9. Bestand bislang ein Organverhältnis nur bei Vorliegen einer Kapitalbeteiligung von 10 Prozent, so ist nun bereits bei Vorliegen einer bedeutenden Beteiligung nach § 1 Abs. 9 KWG ein Organverhältnis gegeben. Als bedeutende Beteiligung gilt nach § 1 Abs. 9 KWG eine qualifizierte Beteiligung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR, also beim dauerhaften Halten eines unmittelbaren oder mittelbaren Kapitalanteils oder Stimmrechtsanteils von 10 Prozent oder bei Vorliegen eines maßgeblichen Einflusses. Dabei erfolgt die Berechnung eines mittelbaren Kapitalanteils in der Regel nach dem sogenannten Multiplikationsverfahren, während mittelbar gehaltene Stimmrechtsanteile nur über Tochterunternehmen vermittelt werden. Eine Definition eines maßgeblichen (im englischen "significant") Einflusses enthält die CRR nicht, jedoch kann hier beispielhaft auf die Indizien in Art. 12 des Entwurfs der EBA-Leitlinien zur Konsolidierung zurückgegriffen werden.

Organgeschäfte müssen wie Organkredite grundsätzlich zu marktmäßigen Bedingungen abgeschlossen werden. Zur Marktmäßigkeit hat sich die BaFin bereits bei Einführung dieses Erfordernisses mit Schreiben vom 9. Juni 2004 (BA 13-233-1/2003) geäußert. Letztlich soll ein Institut bei Organkrediten oder Organgeschäften die (selben) Maßstäbe ansetzen, die es ansetzen würde, wenn der Kreditnehmer keine enge Verbindung zum Institut hätte; insofern ist bei Standardprodukten mit einem bestehenden Preis-/ Leistungsverzeichnis generell von der Marktmäßigkeit auszugehen. Falls ein Kredit zu nicht marktmäßigen Konditionen gewährt wird, kann die zuständige Aufsichtsbehörde nach § 15 Abs. 1 S. 6 KWG eine Unterlegung durch Eigenkapital anordnen. Für nicht zu marktmäßigen Konditionen abgeschlossene Geschäfte ist diese Sanktion nicht vorgesehen.

Interne Governance umfasst Interessenkonflikte

Gemäß § 25c Abs. 1 KWG und § 25d Abs. 1 KWG werden an die Geschäftsleiter und Aufsichtsorgane von Instituten besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit gestellt, die insbesondere beim Vorliegen von Interessenkonflikten gefährdet sein kann. Verwaltungsoder Aufsichtsorgane müssen nach § 25d Abs. 6 KWG die Geschäftsleiter auch im Hinblick auf die Einhaltung der einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen überwachen. Dies erfordert nach Tz 6 ff. der Leitlinie zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhaber von Schlüsselfunktionen einen hohen Grad an Unabhängigkeit. Um diese Unabhängigkeit und die damit möglichen Interessenkonflikte näher zu betrachten, ist es erforderlich, zunächst eine Abgrenzung zur Unvoreingenommenheit vorzunehmen.

Unvoreingenommenheit stellt nach Tz. 80 der EBA/GL/2017/12 ein Verhaltensmuster dar, die insbesondere Leitungsorgane und Aufsichtsorgane betreffen. Demnach sollen sich diese "aktiv für ihre Aufgaben einsetzen und in der Lage sein, bei der Erfüllung ihrer Funktionen und Verantwortlichkeiten ihre eigenen vernünftigen, objektiven und unabhängigen Entscheidungen und Urteile zu fällen". Dagegen bedeutet Unabhängigkeit nach Tz. 81, dass "ein Mitglied eines Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion keine aktuellen oder früheren Beziehungen oder Verbindungen jedweder Art zum CRD-Institut oder seiner Geschäftsleitung in jüngster Vergangenheit hat oder hatte, die das objektive und ausgewogene Urteil des Mitglieds beeinflussen und die Fähigkeit des Mitglieds, Entscheidungen unabhängig zu treffen, beeinträchtigen könnten". Es bietet sich daher an, diese Anforderungen mit den Anforderungen nach § 15 KWG in Einklang zu bringen, um die Unabhängigkeit eines Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans zu gewährleisten.

Nach Tz. 94 ff. der EBA Guideline zur Internen Governance EBA/GL/2017/11 hat ein Institut die Risikokultur konsequent umzusetzen. Hierzu gehört unter anderem auch, die Governance zu berücksichtigen. Die Interne Governance umfasst auch den Umgang mit Interessenkonflikten. Interessenkonflikte von Geschäftsleitern oder Aufsichtsorganen können dann gegeben sein, wenn persönliche Umstände oder die eigene wirtschaftliche Tätigkeit geeignet sind, die jeweilige Person bei ihrer Leitungstätigkeit zum Wohle des Instituts oder in ihrer Kontroll- und Überwachungsfunktion zu beeinträchtigen.

Ein nicht durch § 15 Abs. 1 und 6 KWG erfasster Interessenkonflikt kann beispielsweise gegebenenfalls dann bestehen, wenn ein Institut nicht durch § 21 KWG erfasste Kredite an nahestehende Personen vergibt oder in nicht unwesentlichem Umfang Transaktionen zu nicht marktmäßigen Konditionen mit Personen tätigt, die nicht in § 15 Abs. 1 KWG gelistet sind, beispielsweise mit Geschwistern oder Partnern in einer Lebensgemeinschaft oder mit ehemaligen Lebenspartnern, nicht ehelichen Lebenspartnern oder mit Spezialfonds, in denen nahestehende Personen oder Unternehmen in erheblichem Umfang investiert sind. Bei vertraglich gebundenen Vermittlern oder anderen Vermittlern, die in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Institut stehen, sieht die Bundesanstalt beispielsweise stets eine Unvereinbarkeit mit einer gleichzeitigen Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans.

Liegen Konflikte vor, die sich auf Einzelkonstellationen wie Kredite an den Vorstand oder das Aufsichtsorgan beschränken, führte dies bislang hinsichtlich der Beschlussfassungspflichten zumindest bei den Vorständen zu einem temporären Ausschluss im Rahmen der geforderten Beschlussfassung. Mit § 15 Abs. 1 S. 2 KWG wurde nun explizit geregelt, dass Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, weder an der Fassung der Beschlüsse noch an deren Vorbereitung mitwirken dürfen. Ein Interessenkonflikt i. S. d. § 15 KWG ist unter anderem dann anzunehmen, wenn der rechtliche Auslöser für das Organverhältnis in der Person des jeweiligen Geschäftsleiters oder Aufsichtsorgans liegt. Das heißt, ein Aufsichtsorgan darf nicht bei der Beschlussfassung mitwirken bei Transaktionen des Instituts mit ihm, seinem Partner, seinen Kindern oder seinen Eltern sowie wenn diese eine bedeutende Beteiligung halten oder als persönlich haftende Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft oder Partnerschaft agieren. Aufgrund dieses explizit im Gesetz verankerten Mitwirkungs- und Beschlussfassungsverbots ist von einem zuverlässigen Vorstand oder Aufsichtsrat eine starke Mitwirkungspflicht auch dahingehend gegeben, das Institut zu informieren, wenn sich die Verhältnisse bei nahestehenden Personen oder nahstehende Unternehmen ändern.

Wie oben dargestellt, können nach § 15 Abs. 4 S. 6 KWG i.V.m. Abs. 6 bei Personenorganverhältnissen für bestimmte Kredite und Geschäfte und Arten von Krediten und Geschäften sogenannte Vorratsbeschlüsse gefasst werden, die damit auch Kredite und Geschäfte an Vorstände und Aufsichtsorgane umfassen. Da es nicht um konkrete Kredite und Geschäfte geht, ist in diesen Fällen auch noch nicht von einem Interessenkonflikt auszugehen, sodass sowohl Vorstand und Aufsichtsorgan bei den jährlich zu fassenden Vorratsbeschlüssen mitwirken dürfen beziehungsweise sogar müssen.

Reichweite der Mitteilungspflicht

Das Kreditinstitut ist somit angehalten, Interessenkonflikte zu identifizieren. Hier kann sich das Institut einer Abfrage bei einem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan bedienen. Die Mitteilung erstreckt sich auf Ehegatten, Kinder sowie Unternehmen nahestehender Angehöriger. Dem Institut wird dabei grundsätzlich empfohlen, regelmäßig eine Abfrage nach § 15 Abs. 1, 6 KWG vorzuhalten, um auch die Unabhängigkeit der Kontrollinstanz sicherzustellen. Wie oben dargestellt, ist im Rahmen der Anforderung an die Zuverlässigkeit auch eine mögliche Mitteilungspflicht vonseiten des Vorstands oder Aufsichtsorgans zu bejahen, spätestens dann, wenn diese im Rahmen einer Entscheidung erkennen, dass sie einem Interessenkonflikt unterliegen.

Governance und Datenschutz

Informationen über nahestehende Personen sowie nahestehende Unternehmen sind aber auch unter datenschutzrechtlichen Anforderungen näher zu betrachten. Die Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zum Regierungsentwurf des Risikoreduzierungsgesetzes liefert hierzu einen ersten Hinweis. Aus Sicht des DK würde sich ein "unauflösliches Spannungsfeld mit datenschutzrechtlichen Anforderungen" ergeben. Im Rahmen der Umsetzung des Risikoreduzierungsgesetzes fand jedoch diese Anregung keine Berücksichtigung. Somit stehen Institute in einem Spannungsfeld zwischen Organmitgliedern und der vollständigen Beschaffung von relevanten Daten, wie beispielsweise Daten zu deren Kindern und Eltern sowie deren Beteiligungsverhältnissen.

Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten unter entsprechenden Voraussetzungen rechtmäßig. Die Verarbeitung von Daten ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO dann rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der Verantwortliche unterliegt. Nach Schulz kann eine rechtliche Verpflichtung ein eigenständiger Erlaubnistatbestand zur Datenverarbeitung sein. Für lit. c) ist nach Schulz eine Rechtspflicht objektiven Rechts Voraussetzung. Eine nach dem geltenden Recht bestehende Verpflichtung im Sinne des lit. c) könnte somit eine Risikominimierungspflicht nach §10 Abs. 2 KWG darstellen. In § 15 KWG findet sich - anders als in § 10 Abs. 2 KWG - zwar keine entsprechende konkrete Rechtspflicht, gleichwohl dürfte Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO einschlägig sein. Zur endgültigen Klärung hat die DK um eine Abstimmung der Bankenaufsicht mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz gebeten; unabhängig davon ist für die praktische Anwendung und in Ermangelung einer Rechtsprechung oder Kommentierung eine generelle Anwendung der Einholung einer Einwilligungserklärung nach Art. 7 DSGVO zu empfehlen; davon unbenommen bleibt in jedem Fall die Informationspflicht nach Art. 14 DSGVO. 

Mit der Erweiterung der Beschlussfassungsregeln hinsichtlich des Personenkreises und der erfassten Transaktionen fand unter dem Gesichtspunkt der Governance sicherlich eine notwendige Anpassung der Beschlussfassungspflichten und der Anforderungen an die Marktmäßigkeit von geschäftlichen Transaktionen statt. Gleichwohl sind unter dem Blickwinkel der Bestimmtheit der Regelungen klare Definitionen für alle Beteiligten notwendig, um für alle Beteiligten Governance-Problematiken zu vermeiden. Unter dem Aspekt der Proportionalität bestehen zwar bislang in § 15 Abs. 4 KWG Bagatellgrenzen, jedoch wäre - ähnlich wie in § 285 Nr. 21 HGB - de lege ferenda eine Einengung auf "wesentliche" Geschäfte naheliegend, was gegebenenfalls durch zusätzliche Bagatellregelungen im Rahmen des FISG nachgeholt werden könnte. Ferner wären neben einer klaren Definition der Geschäfte in § 21 KWG auch Klarstellungen zu datenschutzrechtlichen Anforderungen und Grenzen sinnvoll.

Dieser Beitrag gibt die Meinung von Nikolaus Demmelmair wider und stellt nicht notwendigerweise den Standpunkt der Deutschen Bundesbank dar.

Fußnoten

1) Richtlinie (EU) 2019/878 vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU (CRDV).

2) BT-Drucks. 19/22786, S. 158.

3) Basler Ausschuss für Bankenaufsicht vom September 2012, nachfolgend BCBS 230.

4) Vgl. Kleinert. In Beck/Samm/Kokemoor, § 21 Rn. 56 ff.

5) Nicht gemeint sind wohl Geschäfte i. S. d. Art. 2 Del. VO (EU) 1187/2014 vom 2.10.2014.

6) Zum Gleichlauf der nahestehenden Unternehmen und Personen nach HGB und IAS s. Regierungsbegründung BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 72.

7) Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 der Kommission vom 3. November 2008.

8) Vgl. Fragenkatalog der Deutschen Kreditwirtschaft zu den geänderten Regelungen über Organkredite (§ 15 KWG) vom 11.12.2020.

9) Vgl. Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz 4.3.5.7.

10) Vgl. BT-Drucks. 19/24044: Begründung des Finanzausschusses, der den Aufwand durch den Rückgriff auf Vorratsbeschlüsse vertretbar hält, S. 246.

11) Vgl. Bitterwolf. In: Reischauer/Kleinhans, § 15 Rn. 27.

12) Vgl. Bitterwolf. In: Reischauer/Kleinhans, § 15 Rn. 27a unter Verweis auf Demmelmair. In: Beck/ Samm/Kokemoor, § 15 Rn. 91 zu § 15 und Auerbach/ Adelt. In: Schwennicke/Auerbach, § 15 Rn. 77.

13) Vgl. EBA-Leitlinien 2017/15 vom 14.11.2017; Demmelmair. In: Beck/Samm/Kokemoor, § 19 Rn. 183 ff., Demmelmair: Die Großkredit-, Millionenkredit- und Organkreditvorschriften. S. 277 ff. sowie zu den Auswirkungen im Organkreditbereich S. 415 ff.

14) Vgl. Schreiben BAK I-3-233-1/97 vom 23.11.1999.

15) Vgl. Schreiben BAK I-3-234-2/86 vom 17.9.1986 sowie BAK I - 3-233-1/97 vom 23.11.1999, hierzu anderer Auffassung Bitterwolf. In: Reischauer/Kleinhans, § 15 Rn. 4a.

16) Zum Begriff der qualifizierten Beteiligung; vgl. von den Steinen. In Beck/Samm/Kokemoor, § 2c Rn. 36 ff.; Demmelmair. In: Beck/Samm/Kokemoor Art. 89 Rn. 11 ff. sowie zum Begriff der erfassten Beteiligungen Rn. 18 ff. mit Darstellung der Abweichungen zwischen dem deutschen Begriff der "Beteiligung" und den englischen Begriffen der "participation" beziehungsweise der "holding".

17) Vgl. BaFin BA 14 - FR 2423-2017/0002 v 3.3.2017 an die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft und Finanzdienstleistungswirtschaft sowie Gemeinsame Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor (JC/GL/2016/01).

18) EBA-Konsultation (EBA/CP/2017/20) zur Konkretisierung der Anforderungen an die aufsichtliche Konsolidierung vom 9. November 2017.

19) Vgl. Fischer, WM 2018, 1124 ff.

20) Vgl. Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB vom 29.12.2020. Rn. 124 ff.; Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB vom 29.12.2020, Rn. 109 ff.

21) Vgl. Schmidt, Christoph/Reuse, Svend: Ansatz zur Prüfung einer adäquaten Risikokultur nach Ma-Risk 6.0. Vorstellung eines Quantifizierungsmodells als Basis für eine risikoorientierte Prüfung. In: Zeitschrift Interne Revision, 53 (05), 2018, S. 220 - 231.

22) Vgl. EBA/GL/2017/12.

23) Vgl. Schmidt, Christoph/Reuse, Svend: Ansatz zur Prüfung einer adäquaten Risikokultur nach Ma-Risk 6.0. Vorstellung eines Quantifizierungsmodells als Basis für eine risikoorientierte Prüfung. In: Zeitschrift Interne Revision, 53 (05), 2018, S. 220 - 231.

24) Vgl. EBA GL/2017/11 Rn. 103 ff.

25) Vgl. Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB vom 29.12.2020. Rn. 126, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB vom 29.12.2020, Rn. 110 ff.

26) Vgl. Kleinert. In Beck/Samm/Kokemoor, § 25d Rn. 29 mit Verweis auf § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie Anl. 2 a zur Anzeige nach § 5b Abs. 3 AnzV.

27) Vgl. Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB. 19.12.2020. Rn. 129.

28) Vgl. Auerbach/Adelt. In: Schwennicke/Auerbach, § 15 Rn. 59, 64.

29) Vgl. Auerbach/Adelt In: Schwennicke/Auerbach, § 15 Rn. 71.

30) Vgl. BT-Drs. 19/22786

31) Vgl. Schulz. In: Gola, S. 209 f Rn. 39 ff.

32) Vgl. Kramer. In: Eßer, Kramer, von Lewinski, DSGVO BDSG, 7. Aufl. 2020, Art. 6 Rn. 48 ff.

33) Vgl. Bankenverband: BdB-Info: Organkredite. 15.2.2021. S. 2; DK Stellungnahme Organkredite Neufassung § 15 KWG. 8.2.2021, S. 4

34) Vgl. Hermannstädter, Proportionalität geht anders, www.profil.bayern/12-2020/rat/proportionalitaet-geht-anders/

35) Vgl. BR-Drucks. 9/21: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz - FISG).

Nikolaus Demmelmair Bundesbankdirektor, Regionalbereich Banken und Finanzaufsicht, Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung in Bayern
Dr. Christoph Schmidt Inhaber, One More Consulting, Viechtach
 
Nikolaus Demmelmair , Inhaber, One More Consulting, Viechtach
Dr. Christoph Schmidt , Inhaber, One More Consulting, Viechtach

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