Proportionalität in der Regulierung - auch ein Thema für Privatbanken/Privatbankiers?

Dr. Hubert-Ralph Schmitt, Mitglied des Vorstands, Bank Schilling & Co AG, Hammelburg Wer den europäischen Einigungsprozess will und europäische Märkte im Auge hat, der darf sich aus Sicht des Autors nicht darüber wundern, dass der Weg dorthin auch oder gerade für die kleineren Banken einen erheblichen Anpassungsbedarf bedeutet. Zwar registriert der Autor für viele dieser Häuser aus allen drei Bankengruppen eine überproportionale Kostenbelastung bei der Anpassung an europäische Standards, eine Sonderbehandlung fordert er aber nur bedingt. Er plädiert lediglich dafür, das Instrument der Arbeitsgruppen im Dialog zwischen Aufsicht und beaufsichtigten Instituten wiederzubeleben, um in der praktischen Umsetzung des Aufsichtsrechtes zu vernünftigen Lösungen im Sinne des Proportionalitätsgedankens zu kommen. Im Übrigen vertraut er darauf, dass sich kleinere Häuser in ihrem Anpassungsverhalten als flexibel genug erweisen, sich durch Maßnahmen wie Auslagerung von aufsichtsrechtlichen Themen und/oder eine Spezialisierung auf bestimmte Marktsegmente im Bankenwettbewerb zu behaupten. Den kleineren Privatbanken bescheinigt er dabei gegenüber den Primärinstituten der Verbundgruppen gewisse Vorteile, weil erstere keinen Versorgungsauftrag haben. (Red.)

Amtsbekannt ist, dass wer A sagt auch B sagen muss - dies gilt auch für den europäischen Einigungsprozess. Allen Marktteilnehmern, auch den Privatbankiers, war es klar, dass der europäische Einigungsprozess die Vereinigung unterschiedlicher Rechtsnormen und Rechtskulturen notwendig macht und damit Anpassungsstress in den einzelnen Häusern ergeben wird. Dass nach der Finanzkrise 2008 das Füllhorn der Regulierungen über das Finanzgewerbe ausgeschüttet worden ist, mag sicherlich im Detail fremd wirken - ist jedoch zum Teil auch selbst verschuldet. Wenn in Europa die Anbieter von Finanzdienstleistungen - Banken - anders in der Größe und Proportionalität sind als in Deutschland, dann kann sich auch die Frage stellen: Muss sich der deutsche Markt dem europäischen Markt anpassen oder besteht hierzulande die Möglichkeit, eine Sonderrolle zu spielen?

Viele kleine und mittlere Banken

Im Gegensatz zu Resteuropa ist das Bankensystem in Deutschland "kleinteilig" aufgestellt. Viele kleine und mittlere Banken, seien es Privatbanken, Sparkassen oder Volksbanken, repräsentieren dies. Die Bankenregulierung, die auf europäischer Basis dargestellt wird, kennt eine solche Marktstruktur nicht. Ein Großteil der erlassenen Verordnungen, sei dies in Sachen Eigenkapital, Liquidität oder Risikokontrolle, basiert auf der Erfahrung im Wesen von großen Banken und ist eben nicht der deutschen Struktur angepasst. Schon aus diesem Grund trifft die Bürokratisierung alle Institute gleich - die Kosten sind in ihrer Größenordnung für kleine mittelständische Banken jedoch überproportional hoch.

Das Stakkato der Einführungen mag sicherlich in der Bankenbranche zu Unverständnis geführt haben: Die aufzubauenden technischen Umsetzungsmöglichkeiten haben sowohl von der Kostenseite wie auch der reinen Technik viele Häuser "an den Rand des Verdrusses" geführt. Die entstandene hohe Belastung durch die Regulatorik, ob dies reine Kosten sind oder auch einfach fehlende Manpower, werden sicherlich ihre Spuren im Bankenmarkt hinterlassen.

Hier haben private Banken gegenüber Sparkassen und Volksbanken ihren Marktvorteil. Sie können sich rein unternehmerisch flexibel dem Markt anpassen und sich im Zweifel entsprechend spezialisieren. Ein Versorgungsauftrag, wie er bei Sparkassen oder Genossenschaftsbanken vorliegt, gilt nun mal hier nicht. Die Digitalisierung, die dadurch entstehende neue Wettbewerbssituation, die wahrhaftig erst im Ansatz auf den gesamten Markt zukommt, gepaart mit der Kostenbelastung der Regulierung, bleibt aber auch vor den Privatbanken nicht stehen.

Höhere Eigenkapitalquoten

Kleine Privatbankiers und Privatbanken haben sicherlich, soweit sie ein kapitallastiges Geschäft betreiben, eine andere Ausgangsbasis als börsennotierte Bankunternehmen. Der Privatbankier, der seinen Kunden noch selbst bedient, den gibt es noch und der hat in der Vergangenheit und der wird in der Gegenwart in der Regel seine Kunden auch selbst erfolgreich bedienen. Neue Eigenkapitalvorschriften, die abzusehende Erhöhung der Tier-I-Quote wird jedoch auch diese Zunft zu schärferen Anpassungen zwingen. Häuser mit niedrigen Kapitalquoten werden in der Zukunft durch Ertrag und Thesaurierung wohl gezwungen sein, die Quoten entsprechend in den zweistelligen Prozentbereich zu erhöhen.

Es steht also die Entscheidung an, dass Tier I aus Eigenmitteln thesaurierend zu erhöhen oder zum anderen aus Gesellschafterkreisen von außen zuzuführen ist. Dies ist prinzipiell bei kleinen Banken möglich, die Gesellschafter sehen dies jedoch äußerst ungerne. Das mag also der Zunft nicht "schmecken" - ein realistischer Weg, daran vorbeizukommen ist jedoch aus Sicht des Autors kaum erkennbar.

MiFID, Basel II und III, Dokumentationspflichten und alles was so ist, sind der kostentreibende Faktor auch in der Zukunft. Das Aufsichtssystem wird ein Untertauchen von mittelständischen Banken sicherlich nicht zulassen. All diese Themen, seien sie sinnvoll oder nicht sinnvoll, sind mit Bürokratie verbunden und müssen wohl oder übel in den Häusern entsprechend dargestellt werden.

Ausweg gesucht

Wo ist also der Ausweg? Der Ausweg kann und ist ausschließlich einerseits im Geschäftsmodell der Spezialisierung und andererseits in der Auslagerung von verschiedenen Funktionen zu suchen. Die Spezialisierung von kleinen Banken ist sicherlich der interessanteste Lösungsweg. Ein Vollsortiment wird unter mittelständischen Banken immer weniger zu finden sein. Hier gilt es, dass was schon seit Jahren in dem Bereich der Banken gemacht wird: die Spezialisierung auf Kunden und Dienstleistungen. Es wird von vielen Häusern mit hohem Erfolg betrieben. Die Auslagerung spezieller Dienstleistungen ist ein weiterer Lösungsweg, die Kostenquote in den Griff zu bekommen, sei dies das klassische EDV-Thema, seien dies aber auch funktionstragende Ausgliederungen von aufsichtsrechtlichen Themen wie etwa Revision, Geldwäsche, Compliance. Auch hier sind die Erfahrungen in der Regel äußerst positiv.

Die Proportionalisierung des Aufsichtssystems kann damit sicherlich nicht in der Beachtung der Regulatorik, sondern ausschließlich in der Anwendung liegen. Dinge, die sich nun einmal für große Einheiten als sinnvoll erwiesen haben, könnten im mittelständischen Regulationszweck vielleicht völlig fehlen. Hier gilt die Forderung, Arbeitsgruppen, die in der Kommunikation zwischen Aufsicht und den Beaufsichtigten früher zu Erfolg geführt haben, heute wieder neu entstehen zu lassen. Diese Arbeitsgruppen waren äußerst effizient und haben daneben zu einer positiven Kommunikationsbasis geführt. Da Jammern prinzipiell nicht hilft, sollte das Augenmerk auf eine fruchtbare Diskussion zwischen Aufsicht und Betroffene gerichtet werden.

Eine unternehmerische Aufgabe

Die Herausforderung der Proportionalität ist sicher jedoch eine unternehmerische Aufgabe, die in jedem Haus zu lösen ist. Aufsicht, Kommunikation, Transparenz auf der einen Seite dürfen nicht täuschen, dass die eigentliche unternehmerische Aufgabe der ertragstechnische Erfolg ist, um eben die Aufgaben, die unausweichlich sind, entsprechend zu erfüllen, um einerseits Aufsicht und andererseits die Marktherausforderungen entsprechend meistern zu können. Seit vielen hundert Jahren haben kleine und mittelständische Banken als Schnellboot im Teich gegenüber den großen Tankern in Deutschland bewiesen, dass sie Erfolg hatten - es liegt an ihnen selbst, dass sie dies auch in der Zukunft haben.

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