Robotic Process Automation in VR-Banken - vom Zeichenbrett zum Erfolgsmodell

Thomas Schwendrat, Foto: AWADO Vertriebsberatung GmbH

Das Umfeld ist bekannt: Niedrige Zinsen, sinkende Erträge, hoher administrativer Aufwand, veränderte Kundenbedürfnisse und eine neue Qualität und Intensität des Wettbewerbs durch spezialisierte branchenfremde Konkurrenten. Die Folge: Banken und Sparkassen befinden sich in einem Transformationsprozess und müssen vor allem digitaler und effizienter werden. Eine wichtige Rolle können dabei kleine digitale Helfer im Rahmen der Robotic Process Automation spielen, die Prozesskosten senken und Mitarbeiter von klassischen Sachbearbeitungsaufgaben befreien. Laut einer BVR-Studie beschäftigen sich mehr als ein Drittel der Primärbanken mit dem Thema RPA, 14 Prozent setzen die Technik bereits ein. Der Vorteil: Der Einsatz von RPA erfordert keinen umfangreichen und damit aufwendigen und kostspieligen Eingriff in die IT-Systeme. Erfahrungen und Details dazu liefern die beiden Autoren. (Red.)

Egal, ob KMU, Behörde oder Bank - die Digitalisierung mit ihrer Transformation zu neuen Technologien treibt Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Kreditinstitute gleichermaßen um. Eine zentrale Rolle im digitalen Wandel wird oftmals der Robotic Process Automation (RPA - robotergestützte Prozessautomation) zugesprochen, die mit ihren vielfach zitierten Vorteilen und Mehrwerten in Artikeln und Studien Aufmerksamkeit auf sich zieht: Minimierung der Fehlerquote, Reduzierung der Prozesszeiten und -kosten, Qualitätssteigerung in Abläufen sowie Entlastung der Mitarbeiter bei zugleich höherer Kundenzufriedenheit.

In der genossenschaftlichen Finanzgruppe rückt RPA nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Gestaltung effizienter Betriebsmodelle in den Fokus der gemeinsamen Strategieagenda unter dem Dach des BVR. Regulatorik und Niedrigzins beanspruchen ganz offenkundig in einem Ausmaß die Kapazitäten in den Banken, die der Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells nicht zuträglich sein kann. Angesichts dessen rückt die Kostenoptimierung durch effiziente Prozesse immer mehr in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen. Große Potenziale bietet der Einsatz von Softwarerobotern für die Prozessautomatisierung, perspektivisch angereichert um künstliche Intelligenz. Die Awado Vertriebsberatung unterstützt die Genossenschaftsbanken mit der Identifikation von Anwendungsfällen und dem Aufbau der RPA selbst.

RPA verspricht viel. Aber was steckt hinter den Versprechen, den oft genug angepriesenen Eigenschaften des technischen Ansatzes? Welche Vorteile bietet Kollege Roboter (Bot), wenn er einen programmierten Workflow abarbeitet? Für die Umsetzung im eigenen Haus ist es zunächst notwendig, sich der Realität zu stellen und die "Blauäugigkeit" abzulegen. Denn die Komplexität von RPA darf nicht unterschätzt werden. Schnellschüsse sind zu vermeiden und die Einführung einer solchen Automation ist strukturiert und über die gesamte Bank vorzunehmen.

Abbildung 1: Gegenüberstellung von beziehbarer RPA-Software und direkter Programmierung im Einsatzfeld der Prozessautomatisierung Quelle: Awado Vertriebsberatung GmbH

Der Weg zum Umsetzungsmodell

Wenn es um RPA geht, kann es sein, dass man schon viel gehört hat, aber trotzdem noch vor einem Wald von vielen Fragezeichen steht. Eine Bank findet sich in einem komplexen Umfeld wieder, in dem eine Entscheidungsfindung in Sachen RPA schwerfällt - zum Beispiel im Hinblick auf den Softwareanbieter. An der Spitze der Anbieterwelle reitet UiPath, die Automatisierungssoftware, auf die auch im Verbund mit dem IT-Dienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken gesetzt wird. Daneben tummeln sich aber noch weitere Anbieter, wie zum Beispiel Automation Anywhere oder Blue Prism, die nicht ignoriert, sondern in die Überlegungen einbezogen werden sollten.

Neben diesen einschlägigen Softwarelösungen für RPA kann auch die Verwendung einer Programmiersprache wie Python eine Option sein. Die direkte Programmierung ermöglicht eine schnelle und kostenlose Erstellung von Code, der auch Masken und Anwendungen automatisieren kann, die den geläufigen Softwarelösungen die Grenzen aufweisen. Die Freiheit und die Geschwindigkeit durch den Einsatz einer Programmiersprache setzt aber entsprechende Kenntnisse voraus oder zumindest die Bereitschaft, sich diese anzueignen. In Abbildung 1 ist ein Vergleich der beiden Ansätze mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen dargestellt.

Nicht nur bei der Softwarelösung, sondern auch bei dem Ressourceneinsatz gilt es abzuwägen. Wie viele interne Mitarbeiterkapazitäten (MAK) sollen für RPA aufgewandt oder soll externe Unterstützung hinzugezogen werden? Aus der Kombination von verfügbaren Ressourcen und Ambitionsniveau ergibt sich eine Bandbreite in der Nutzung von RPA (siehe Abbildung 2), in der sich die einzelne Bank einordnet: ausgehend von der Unterlassung der Technologie über das vollständige Outsourcing hin zu einer teilweisen Auslagerung beziehungsweise Eigenumsetzung bis zur ganzheitlichen Abbildung innerhalb der Bank - mit der Lösung eines Anbieters oder in Form eigener Programmierungen.

Um eine Entscheidung für das "Ob und Wie" treffen zu können, bietet sich für das jeweilige Haus eine Vorstudie an, in der Informationen und Analysen zu Markt, Wettbewerb und Partnern zusammengetragen werden. Unter Berücksichtigung der eigenen Mittel und Ziele lässt sich anschließend ein Beschluss konsolidieren.

Kein Selbstläufer

Dass RPA das Heben großer Potenziale im Prozessumfeld ermöglicht, steht außer Frage. Aber RPA ist kein Selbstläufer und die Einführung nicht mit einem kurzen Schalter-Umlegen erledigt. Effizienzgewinne, Ausgleich des Fachkräftemangels oder technologischer Pioniergeist - die Begeisterung für die möglichen Vorteile kann für die technischen, organisatorischen, kommunikativen und rechtlichen Vorkehrungen blind machen. Die einzelnen Schritte der RPA-Einführung sind in Abbildung 3 illustrativ aufgeführt.

Zu Beginn sollten alle am RPA-Projekt direkt Beteiligten abgeholt werden. Ein Mix aus Kollegen der Fachbereiche und der IT bildet ein ideales Team für die Arbeit mit RPA an der Schnittstelle von Technik und Bankenwesen. Im Rahmen der Aufstellung des RPA-Teams ist die kapazitive Einbindung der einzelnen Mitglieder zu definieren und mit einem Rollenprofil zu hinterlegen. Während zum Beispiel bei Mitarbeitern aus den Fachabteilungen der Schwerpunkt eher auf der Identifikation von Prozessen mit Automationspotenzial und auf die inhaltlich korrekte Abbildung des Ablaufs vor der technischen Modellierung liegen kann, ist die Entwicklung und das Testen der Automationslösung Fokus der IT. Eine technische Affinität für Softwarelösungen sollte jedoch für die Aufnahme in das Team Grundvoraussetzung sein.

Daneben sind alle Mitarbeiter hinsichtlich der Einführung und Nutzung von RPA zu informieren und auf dem aktuellen Stand zu halten. So kann ein Newsletter die Belegschaft zu den neuesten Fortschritten des Bots abholen, welche Prozesse nun durch ihn übernommen werden können und wann der Einsatz im Echtsystem vorstellbar ist. Ein bankindividueller Name und ein Logo für den Bot, die aus den Reihen der Angestellten vorgeschlagen werden können, bieten die Möglichkeit, die kalte und technische Distanz zu den Mitarbeitern abzubauen. In der hausinternen Kommunikation ist zu betonen, dass die Entlastung der Mitarbeiter von zeitraubenden Tätigkeiten und nicht der Stellenabbau die eigentliche Triebfeder von RPA darstellt.

Aus organisatorischer Sicht erfolgt in einem ersten Schritt die Prozessauswahl: Anhand diverser Kriterien werden die für eine RPA infrage kommenden Prozesse identifiziert und priorisiert. Hierfür ist eine Transparenz der Prozesslandschaft notwendig, die über Auswertungen aus dem Kernbanksystem, Dokumentationen und Mitarbeiterbefragungen nachhaltig erreicht werden kann. Banken, die noch nicht über Erfahrungen mit RPA verfügen, sollten kritische und komplexe Prozesse zunächst meiden.

Für die ersten Betätigungen einer Bank in der Automatisierung bieten sich vielmehr insbesondere regelbasierte, wiederkehrende Aufgaben an, bei denen die Schritte (einschließlich Ausnahmen) eindeutig und gut verstanden sind. Für Banken mit wenig Erfahrung eignen sich darüber hinaus für eine erfolgreiche Automatisierung insbesondere solche Prozesse, die häufig auftreten und über standardisierte Inputs verfügen. Kriterien wie Anzahl und benötigte Prozesszeit (Mengentreiber und Zeitfresser) dienen einer Priorisierung der identifizierten Prozesse. Erst wenn das Haus bei diesen Projekten ausreichend Erfahrungen gesammelt hat, können auch kritische und komplexe Prozesse wie Pfändungsbearbeitung und Baufinanzierung angegangen werden.

Optimierung vor Automatisierung

Grundsätzlich sind alle Prozesse, und zwar inner- und außerhalb des Kernbanksystems, automatisierbar. Bevor ein bestehender Prozess automatisiert wird, sollte die Bank jedoch prüfen, wo er verbessert werden kann oder wie er geändert werden sollte. Andernfalls beschleunigt man lediglich bestehende Fehler. Somit sollte einer Prozessautomatisierung immer eine Optimierung vorangehen, bei der die Awado Vertriebsberatung mit ihrer bewährten Methodik unterstützen kann. Nicht zuletzt sollte sich die Bank Gedanken darüber machen, wie die Automation als Teildisziplin des Prozessmanagements aufbauorganisatorisch anzusiedeln ist und wie eine nachhaltige Integration in das Projektmanagement und die Ablauforganisation sichergestellt werden kann.

Auf Basis der Identifikation RPA-tauglicher Prozesse kann nun die Business-Case-Betrachtung finalisiert werden. In der Gegenüberstellung der Einsparpotenziale durch Automation und der einmalig sowie fortlaufend anfallenden Kosten spiegelt sich die Amortisation der RPA-Investition wider und erlaubt eine Entscheidungsfindung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Abbildung 2: Bandbreite in der Nutzung von RPA in Abhängigkeit von den Ressourcen und dem Ambitionsniveau eines Hauses (schematisch) Quelle: Awado Vertriebsberatung GmbH

Da an Hard- und Software keine ungewöhnlichen Anforderungen gestellt werden, bedeuten deren Bezug und Implementierung keine technische Herausforderung. Falls die Automatisierung durch bankeigene Ressourcen abgebildet werden soll, sind die Mitglieder des RPA-Teams entweder intern durch zum Beispiel frei zugängliche Tutorials oder durch externe Schulung in der Software zu befähigen. Weiterhin muss abgestimmt sein, wie die Zusammenarbeit bei der Programmierung ausgestaltet ist:

- Wie erfolgt die Aufteilung des zu automatisierenden Prozesses auf die einzelnen Programmierer?

- Wo und wie werden die Teillösungen abgelegt und zusammengeführt?

- Welche Nomenklatur ist bei der Bezeichnung von Variablen von jedem einzuhalten?

- Und wie erfolgt das Code-Review, um einen Missbrauch der Automation auszuschließen?

Automationen von Prozessen haben ein Verfallsdatum, müssen hinsichtlich ihrer Ausgestaltung fortlaufend hinterfragt und aufgrund von Änderungen in der automatisierten Umgebung, zum Beispiel Bezeichnung und Position von Feldern und Buttons, gewartet werden. Neben dem ständigen Pflegeaufwand besteht bei der Übernahme von vermeintlich fertig erstellten Automationen ein bankindividueller Anpassungsbedarf, da Häuser unterschiedliche Drittanwendungen, etwa im Falle des Bestandsverwaltungssystems für Pfändungen, nutzen.

Individuelle Anpassungen und ständiger Pflegeaufwand

Auch im Kernbanksystem erreicht die Automation von Masken keine 100-prozentige Stabilität. Trotz der optionalen Darstellung mancher Masken im sogenannten. "RPA-Modus" sind fehlerhafte Durchläufe des Bots in einschlägigen RPA-Softwarelösungen möglich. Zudem begibt man sich mit der Verwendung von Lösungen wie UiPath in die Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit der zur Verfügung gestellten Aktivitäten zur Automation einzelner Schritte oder bestimmter Anwendungen. Die Bots sind als technische User zu administrieren und benötigen wie ein menschlicher Mitarbeiter die für ihre Tätigkeiten notwendigen Kompetenzen. Zusätzlich muss man sich mit der Ausgestaltung der Workflows auseinandersetzen und zu einem hausinternen Konsens gelangen:

- Umgang mit Ausnahmen beziehungsweise Sonderfällen in einem Prozess und mit Fehlern in der automatisierten Abarbeitung,

- Layout bei der Modellierung einer Automation mit der Anordnung der einzelnen Schritte und der Navigation im Workflow in Abhängigkeit vom (Nicht-) Eintreten bestimmter Bedingungen,

- Notfallkonzept bei Ausfall der Bots, zum Beispiel in Form eines Kommentartextes, anhand dessen ein menschlicher Mitarbeiter zumindest im Kernbanksystem den Vorgang durchlaufen kann,

- Zugriff des Bots auf Anmeldedaten und anderen empfindlichen Angaben,

- Protokollierung der Tätigkeiten und der Ergebnisse von Prozessdurchläufen durch die Bots, um deren Nachvollziehbarkeit sicherzustellen.

Zudem sollte den RPA-Beteiligten bewusst sein, dass eine vollständige Automation eines Prozesses, die sämtliche Fälle und Konstellationen abdeckt, kaum effizient zu realisieren ist.

Abbildung 3: Schritte der Implementierung von RPA (bei vollständiger Abbildung durch interne Ressourcen) Quelle: Awado Vertriebsberatung GmbH

Für das Verproben der Workflows dient das Echtsystem, anfangs mit Testkunden, dann mit realen Kunden oder Fällen. In beiden Phasen des Testens kann vor dem "letzten Klick" (zum Beispiel Ende eines Assistenten) ein Abbruch in dem Workflow eingebaut werden, um das Einspielen in das juristische System zu vermeiden.

Sicherstellung einer revisionssicheren Datenverarbeitung

Wachsende Anforderungen an die individuelle Datenverarbeitung (IDV) und die Vorgaben der BaFin zur Nutzung dieser IDV machen eine revisionssichere Datenverarbeitung für die Banken immer schwerer. Um die revisionssichere Einführung von RPA zu ermöglichen und die interne Revision der Bank zu unterstützen, besteht die Möglichkeit, projektbegleitend die Awado WPG STBG hinzuzuziehen. Die notwendigen Dokumentationen werden somit genauso sichergestellt wie die Berücksichtigung im Internen Kontrollsystem (IKS) oder andere interne Richtlinien der Bank.

Nach Entwicklung des RPA-Prozesses und erfolgreicher Umsetzung im Rahmen eines Piloten steht einem Start der RPA-Lösung nichts mehr im Wege. Hierfür wird ein Betriebsmodell benötigt, das die Bots orchestriert, die zu erledigenden täglichen Aufgaben auflistet und priorisiert. Im laufenden Betrieb sollte man dem Kollegen Roboter immer mal wieder auf die Finger schauen: Wie häufig gibt es Abbrüche, das heißt, wie oft kommt der Bot nicht weiter? Wie verändern sich die Durchlaufzeiten des Prozesses, welche Anpassungen sind im Austausch mit diesem automatisierten Prozess vor- oder nachgelagert aufzunehmen?

Sicherlich gibt es für eine solche Erfolgsmessung auch die eine oder andere Kennzahl, um den Erfolg der RPA-Lösung zu messen. Hierzu ist es natürlich notwendig, die Zielsetzung der RPA-Implementierung konkret zu definieren und die Messbarkeit der Zielerreichung frühzeitig sicherstellen. In diesem Zusammenhang sind auch die wiederkehrend notwendigen Maßnahmen für Wartung/Service der RPA-Systeme zu berücksichtigen.

Sobald der erste Bot erfolgreich das Laufen gelernt hat, kann man das RPA-System der Bank mit weiteren Prozessen skalieren. Dabei ist darauf zu achten, dass immer wieder vorkommende Teilschritte in Bibliotheken abgelegt werden, um sie schnell verfügbar zu machen.

RPA ist nur der Anfang

Die aufgezeigten Möglichkeiten zur Nutzung von RPA, Softwarelösung eines Anbieters und direkte Codierung in einer Programmiersprache, müssen sich nicht ausschließen. UiPath und Co. ermöglichen einen sehr guten Einstieg in den RPA-Ansatz und in die Technik - auch für Nichtprogrammierer. Eigene Programme können darauf aufsetzen und parallel genutzt werden.

RPA ist aber nur der Anfang; die Anreicherung von RPA mit künstlicher Intelligenz die nächste Ausbaustufe. Wenn der Bot mit der Fähigkeit zum Denken ausgestattet wird, sind auch die Verarbeitung unstrukturierter Daten und die selbstständige Entscheidungsfindung für den technischen Helfer möglich. Ausschließlich Prozesse zu automatisieren, wäre aber zu kurz gedacht. Durch die Verknüpfung mit anderen modernen Ansätzen, zum Beispiel der flexiblen und adressatengerechten Bereitstellung aktueller Informationen unter dem Schlagwort des Business Intelligence, lässt sich die Welle der Digitalisierung noch weiter schlagen.

Thomas Schwendrat , Geschäftsführer, AWADO Vertriebsberatung GmbH, Neu-Isenburg
Max Eigner , Berater, AWADO Vertriebsberatung GmbH, Neu-Isenburg

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