Der schleswig-holsteinische Weg zur Gigabit-Gesellschaft

Erk Westermann-Lammers, Vorsitzender der Vorstands, Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel

Quelle: IB SH

Erk Westermann-Lammers, Vorsitzender der Vorstands, Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel - Nicht nur in den Ballungsräumen, sondern auch in den ländlichen Gebieten gute Voraussetzungen für künftiges Wachstum zu schaffen, gehört traditionell zu den erklärten Zielen der Regionalpolitik. Gerade die Versorgung mit einem schnellen Internet haben die Bundes- wie auch die Landespolitik auf der Agenda weit oben angesiedelt. Wenn der Autor an dieser Stelle für Schleswig-Holstein auch in der Fläche bis zum Jahre 2030 den Aufbau eines engmaschigen Glasfasernetzes anstrebt, stellt er keine kurzfristigen Kosten-Nutzen-Überlegungen an, sondern will möglichst gut für kommende Anforderungen an das Datenvolumen gerüstet sein. Bei der Umsetzung der Finanzierung baut er neben dem Bundesförderprogramm und der Unterstützung durch das Land auf eine Gruppe von Projektträgern aus der Region. (Red.)

Für die Versorgung mit schnellem Internet hat die Bundesregierung ein genaues Bandbreitenziel definiert, das flächendeckend erreicht werden soll: 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) bis 2018. Schleswig-Holstein setzt beim Breitbandausbau ganz bewusst auf eine zukunftsfähige Infrastruktur: Glasfaser. Dabei erhält man sich die Möglichkeit, wenn nötig auch größere Geschwindigkeiten zu erreichen. Und der Ausbau im Land kommt gut voran. Das liegt nicht zuletzt am gut funktionierenden Zusammenspiel der Institutionen. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), das Förderinstitut des nördlichsten Bundeslandes, unterstützt den Breitbandausbau seit mehr als zehn Jahren mit Beratung und Finanzierung und setzt so gezielt Entwicklungen in Gang.

Die Auslöser und die Folgen

Dem Fraunhofer Heinrich Hertz Institut zufolge steigen die Anforderungen an die Bandbreite und die Kapazität mit bis zu 100 Prozent jährlich. Als Bandbreitentreiber werden unter anderem die Schlagwörter 3D TV, Cloud Computing und Online Gaming genannt. Hinzu kommt die plakative Feststellung unter anderem vom bekannten Zukunftsforscher und Berater nationaler und internationaler Institutionen Jeremy Rifkin: "Das Internet der Energie wird kommen." Die Erzeugung von Strom erfolgt zunehmend dezentral, die Verteilung muss in einem solchen System vom und zum Verbraucher stattfinden - gesteuert über das schnelle Internet.

Es sind keine Grenzen des Wachstums des Datenvolumens absehbar. Einer Studie des IT-Unternehmens Cisco im Auftrag der OECD zufolge stieg das weltweite Internet-Datenvolumen von 200 000 Petabyte (Milliarden Megabyte) im Jahr 2009 auf 800 000 Petabyte im Jahr 2014. Das hat dazu geführt, dass viele Nationen Breitbandausbauziele definieren. Auch die Europäische Union hat in ihrer Digitalen Agenda 2010 ein Bandbreitenziel festgeschrieben: Bis 2020 sollen flächendeckend mindestens 30 Mbit/s verfügbar sein, für 50 Prozent der Haushalte und Unternehmen aber bereits mindestens 100 Mbit/s. Deutschland hatte sich 2009 vorgenommen, bis 2014 mindestens 75 Prozent der Bevölkerung mit mindestens 50 Mbit/s zu versorgen. Dem neuen Ausbauziel zufolge sollen bis 2018 flächendeckend 50 Mbit/s zur Verfügung stehen.

Die Breitbandstrategie Schleswig-Holsteins

Im Jahr 2016 hat die schleswig-holsteinische Landesregierung ihre Strategie aus dem Jahre 2013 einem externen Audit unterzogen und im Wesentlichen bestätigt gefunden. Wichtigste Punkte sind:

- Infrastrukturziel: flächendeckende Versorgung mit Glasfasernetzen bis 2030,

- Zwischenziel: kontinuierliche Optimierung der Grundversorgung,

- flächendeckende mobile Versorgung parallel zur stationären Versorgung,

- Überlegungen zu einem auch für Marktteilnehmer nutzbaren Landesnetz.

Dabei leisten die Akteure eine gemeinsame Kraftanstrengung: Das Wirtschaftsministerium stellt mit der verabschiedeten Breitbandstrategie, die den Glasfaserausbau vorsieht, die politischen und rechtlichen Weichen, koordiniert die Aktivitäten im Land, legt Förderrichtlinien fest und fördert in Einzelfällen mit Landesbürgschaften. Das Breitbandkompetenzzentrum als gemeinsame Einrichtung der kommunalen Landesverbände und des Wirtschaftsministeriums ist zentrale Koordinierungsstelle für die kommunalen Projekte. Die kommunalen Aufgabenträger ermöglichen die Vorhaben vielfach erst mit ihrem starken Engagement vor Ort. Die im Breitbandausbau tätigen Unternehmen einschließlich der Stadtwerke sind entscheidende Akteure. Die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern und andere sind wichtige Multiplikatoren. Die Hausbanken fungieren als Finanzierer vor Ort. Und die Investitionsbank Schleswig-Holstein als Förderbank mit einem Schwerpunkt auf Breitbandfinanzierungen ist starker Partner der Hausbanken.

Bedingungen für eine erfolgreiche Finanzierung

Zunächst ist ein Augenmerk auf die Zusammensetzung der Investition bei Glasfaserprojekten zu legen. Das Gros der Investitionen ist sehr langfristig (Betrachtungszeitraum 30 Jahre) angelegt und betrifft die Verlegung der Glasfasertrassen selbst. Diese als "Dunkles Netz" bezeichnete Infrastruktur (dunkel, weil nur die Voraussetzungen für das Senden eines Lichtsignals hergestellt werden, dieses aber noch nicht gesendet wird) stellt die größte Herausforderung dar und verschlingt etwa 75 bis 80 Prozent der Investitionskosten. Um Signale senden und empfangen zu können, wird aktive Technik benötigt (Laser, Schaltkästen, Übergabeboxen), die etwa nach acht bis zehn Jahren ersetzt werden müssen und die restlichen 20 bis 25 Prozent der Investitionskosten ausmachen. Im ländlichen Raum sind das durchschnittlich 3000 bis 3500 Euro pro Hausanschluss.

Ist die passive Infrastruktur verlegt und das aktive Netz geschaltet, braucht es einen Netzbetreiber, der Inhalte, die sogenannten "Dienste" liefert, also Internet, Telefon und Fernsehen. Nur diese Dienste sind es ja, die die Nutzer wirklich interessieren und für die sie bereit sind, zu zahlen. Durch diese differenzierte Darstellung wird deutlich, dass die Umsetzung nur bei sehr langfristiger Betrachtungsweise gelingen kann. Dafür braucht es entsprechend aufgestellte und ausgerichtete Projektträger auf der einen Seite und entsprechende Finanzierungsbedingungen auf der anderen.

Gruppen von Projektträgern

Stadtwerke-Vorhaben in Schleswig-Holstein stellen erfolgreiche Realisierungsmodelle für Breitbandvorhaben sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten dar. Auch mehrere privatrechtliche Projektgesellschaften schließen aktuell bereits erfolgreich viele Haushalte und Unternehmen an. Die Projekte werden teilweise in Bürgerbeteiligungsmodellen organisiert, zum Teil aber auch durch den Zusammenschluss von Betreibern von regenerativen Energieerzeugungsanlagen (Windparks, aber auch Biogasanlagen). Die Projekte unterschiedlicher Größenordnung sind durch ihre starke Regionalität geprägt.

Rein kommunale Zweckverbände, die im Rahmen einer öffentlich privaten Partnerschaft (ÖPP) den Bau passiver Glasfaser-Infrastrukturen finanzieren, schließen einen Pachtvertrag mit einer privatrechtlichen Gesellschaft ab, die nach einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag bekam und dann für Bau und Betrieb des passiven Netzes (des dunklen Netzes) auf Rechnung des Zweckverbandes verantwortlich ist. Die Gesellschaft baut und betreibt darüber hinaus das aktive Netz zunächst für eigene Produkte, stellt aber beides auch Dritten gegen Entgelte zur Verfügung. Dieses Betreibermodell wird häufig auch bei Inanspruchnahme umfangreicher Fördermittel des Bundes angewendet.

Bundesförderprogramm

Aus dem im Oktober 2015 gestarteten Bundesförderprogramm Breitband wurden bisher 15 Projekten von Gemeinden, Ämtern und Zweckverbänden in Schleswig-Holstein Fördermittel (Zuschüsse) in Höhe von 105 Millionen Euro bewilligt. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein unterstützt den Breitbandausbau der Kommunen und Verbände nicht nur durch Finanzierungsmittel, sondern im Rahmen ihres Produkts "IB.SH Fördermittelcheck" auch mit Hilfestellungen bei der Beantragung der Bundesfördermittel. Besonders positiv ist hier, dass in den ersten drei Aufrufen des Bundesförderprogramms Breitband kein Antrag aus Schleswig-Holstein abgelehnt oder in seiner Summe gekürzt wurde.

Im vierten Aufruf zum 28. Februar 2017 wurden weitere sechs Anträge von schleswig-holsteinischen Projektträgern eingereicht. Das beantragte Fördervolumen beläuft sich auf 36 Millionen Euro. Eine Bewilligung steht noch aus. Bei positiver Bescheidung wird sich der gesamte Förderbetrag auf 141 Millionen Euro belaufen. Mit diesen Mitteln aus dem Bundesförderprogramm Breitband werden in Schleswig-Holstein Investitionen von insgesamt 474 Millionen Euro ermöglicht. Knapp 100000 Haushalte und 10 000 Gewerbebetriebe und öffentliche Einrichtungen werden nach Abschluss der Maßnahmen über Glasfaser auf das schnelle Internet zugreifen können. Hierzu werden mehr als 12 000 Kilometer Glasfaser in Schleswig-Holstein verbaut.

Finanzierungsbedingungen

Die Förderbank finanziert gemeinsam mit den Hausbanken Breitbandvorhaben von kommunalen Kunden einschließlich Breitbandzweckverbänden, mehrheitlich öffentlich getragenen privatrechtlich organisierten Kunden (zum Beispiel Stadtwerken) und auch mehrheitlich oder komplett privat getragenen Unternehmen einschließlich Projektgesellschaften. Sie unterstützt die Kunden dabei, eine größtmögliche Transparenz über die Investitionsentscheidung zu erhalten. Bei Projektfinanzierungen wird die zu erwartende Liquiditätssituation des Kunden in einem eigens hierfür entwickelten und zertifizierten Berechnungs-Tool ermittelt und in unterschiedlichen Szenarien auf Stabilität getestet. Die Ergebnisse werden offen mit dem Kunden und den mitfinanzierenden Banken diskutiert und bilden die Grundlage für die Verhandlung der Finanzierungseckdaten.

Die Anfangsphasen von Breitbandnetzen sind besonders schwierig, weil die Kosten für Investitionen bereits anfallen, die Kunden wegen des Ausbaus und der Kündigungsfristen in bestehenden Verträgen aber erst nach und nach aufgeschaltet werden können und damit auch erst mit zeitlicher Verzögerung zahlen. Das Wirtschaftsministerium des Landes hat der Investitionsbank Schleswig-Holstein daher ein Sondervermögen zur Verfügung gestellt, aus dem unter anderem Zinssubventionsprogramme finanziert werden können. Die kapitalmarktorientierten Zinsen werden dadurch in den ersten fünf Jahren um 1,50 Prozentpunkte p. a. reduziert. Die Tilgung kann zu Beginn bis zu fünf Jahre ausgesetzt werden.

Vermittlungsfunktion

Seit Oktober 2014 wird das Produkt IB.SH Breitband-Förderdarlehen Kommunen angeboten, mit dem passive Netze mit bis zu 30 Millionen Euro je Vorhaben gefördert werden (bis zu 50 Prozent der Investitionskosten). Seit Juli 2015 gibt es auch das Produkt IB.SH Breitband-Förderdarlehen Unternehmen, mit dem aktive und passive Netze mit bis zu 10 Millionen Euro je Vorhaben gefördert werden (bis zu 50 Prozent der Fremdfinanzierungsmittel). Es zeigt sich, dass mithilfe des Förderdarlehens Projekte realisiert werden können, die ohne dieses kaum umgesetzt worden wären. Insgesamt spürt die Förderbank eine weiter steigende Nachfrage nach Breitbandfinanzierungen und konnte schon zahlreiche Projekte mitfinanzieren.

Die Investitionsbank Schleswig-Holstein handelt aber auch als Vermittlerin, die die verschiedenen Akteure zusammenbringt: Kommunen, Stadtwerke, Zweckverbände und private Breitbandgesellschaften, Kreditinstitute sowie die Politik und Verbände. Sie organisiert und besucht Veranstaltungen und Bankenworkshops, kümmert sich gezielt sowohl landes- als auch bundesweit um Netzwerkarbeit und bietet sich interessierten Banken als Informationsdrehscheibe an. Einmal im Jahr findet der Runde Tisch Breitband im Hause der IB.SH statt, zu dem auf gemeinsame Einladung mit dem Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein mit allen Breitbandakteuren des Landes offen über Geschafftes und noch Notwendiges diskutiert wird. Alle Teilnehmer des Runden Tisches Breitband haben die Breitbanderklärung des Landes unterschrieben und sich darin freiwillig zu den Zielen der Breitbandstrategie des Landes bekannt.

Die Förderbank entwickelt Prozess-Standards und Instrumente. Sie bietet also Beratung und Weiterentwicklung des Themas und arbeitet mit der Landesregierung und den übrigen Akteuren direkt in Arbeitskreisen zusammen.

Diverse Projekte zwischen Nord- und Ostsee befinden sich derzeit in der Umsetzung. Das Investitionsvolumen allein der aus den Programmen der Investitionsbank Schleswig-Holstein zu fördernden Projekte beträgt rund 500 Millionen Euro. Hinzu kommen die aus dem Bundesprogramm zu fördernden Projekte, die nach aktuellen Zahlen ein Investitionsvolumen von rund 474 Millionen Euro haben. In Schleswig-Holstein können sich nach dem Breitbandatlas der Bundesregierung 75 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 Mbit/s durchs Internet bewegen. Beim Glasfaserausbau liegt Schleswig-Holstein im Länder-Ranking auf Platz zwei. Der bereits erreichte Ausbaustand von jedem vierten Haushalt mit einem verfügbaren Glasfaseranschluss (im Bundesdurchschnitt etwa jeder 14.) wird sich in den kommenden Jahren rapide weiter erhöhen. Er ist die Grundlage für eine nachhaltige, positive wirtschaftliche Entwicklung des Landes und entspricht exakt der Digitalisierungsstrategie der Landesregierung.

Engmaschiges Glasfasernetz unumgänglich

Landesregierung, Breitbandkompetenzzentrum und die Förderbank flankieren die Entwicklung weiterhin und arbeiten eng zusammen, um dem Markt Möglichkeiten zu eröffnen, in unterschiedlichen Varianten den Glasfaserausbau zu realisieren und die Breitbandwende zu schaffen. Die konkrete Umsetzung der in der Breitbandstrategie festgeschriebenen Ziele erfordert Kreativität und ein hohes Maß an Engagement. Es zeigt sich aber deutlich, dass sich dieser Aufwand lohnt. Denn schon heute sprechen Experten von der Notwendigkeit, eine Gigabit-Gesellschaft zu werden - die in anderen Bereichen angestrebten 50 Mbit/s Bandbreite erscheinen als kaum ausreichend. Betrachtet man ergänzend den angestrebten Ausbau des 5G-Netzes, das unter anderem die Grundlage für die Umsetzung der Zukunftsvision des autonomen Fahrens darstellt, sind sich alle Experten einig, dass ein flächendeckendes und engmaschiges Glasfasernetz unumgänglich ist. Zwischenschritte in anderen Technologien sind nach Auffassung der Förderbank, aber auch der Marktakteure und Wissenschaftler, volkswirtschaftlich teurer.

Es ist gut erkennbar, dass sich der schleswig-holsteinische Weg bewährt hat. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein erfüllt damit auch weiterhin erfolgreich eine klassische Förderaufgabe im Bereich der Kommunal- und Infrastrukturfinanzierung.

Erk Westermann-Lammers , Vorsitzender des Vorstands , Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel
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