Schuldscheindarlehen: Behandlung in der Restrukturierung

Andreas Jaufer Foto: A. Jaufer

Schon vor einigen Jahren haben die hiesigen Kreditinstitute den Schuldscheindarlehen ein gutes Marktpotenzial bescheinigt. Nicht zuletzt die DZ Bank und einige Landesbanken haben dieses Geschäftsfeld ausgebaut und pflegen dabei teils eine enge Zusammenarbeit mit Ortsbanken. Je stärker der Renditedruck aufseiten der Asset Manager wurde, gab und gibt es zudem reichlich Nachfrage der Kapitalsammelstellen. Dass dieses beliebte Instrument beileibe kein Selbstläufer ist, sehen die Autoren derzeit durch einige öffentlichkeitswirksame Restrukturierungsfälle bestätigt. Anders als bei Anleihen oder syndizierten Konsortialkrediten, so ihr Hinweis, gibt es bei Schuldscheindarlehen keine Mehrheitsklauseln und im Restrukturierungsfall muss die Zustimmung aller Schuldscheinhalter erreicht werden. Gerade zur Vorbeugung und Bewältigung möglicher Krisenfälle halten sie die Einschaltung von Spezialisten für wichtig. (Red.)

Schuldscheindarlehen sind in den vergangenen Jahren als Finanzierungsinstrument für den Mittelstand immer attraktiver geworden. Diese Entwicklung liegt insbesondere in den relativ einfach gehaltenen Kapitalmarktkommunikationspflichten und gestaffelten Refinanzierungs-/Fälligkeitsstrukturen begründet. Die jüngsten Dramen bei namhaften Unternehmen zeigen jedoch, dass ein Engagement in Schuldscheinen aus Investorensicht sehr gut überlegt und Ergebnis einer sorgfältigen Kreditanalyse sein sollte. Denn es gab und gibt keine "sicheren" Unternehmen. Im Gegenteil: Auch große Unternehmen können tief abrutschen. Dies zeigen Fälle wie der Möbelhändler Steinhoff, der britische Baukonzern Carillion oder das Recycling-Unternehmen Scholz in aller Deutlichkeit. Kommt es dann zum Restrukturierungsfall, können Schuldscheine sogar krisenverschärfend wirken. Sie haben das Potenzial, Banken aus Finanzierungen herauszutreiben und tragen somit im schlimmsten Fall zur Insolvenz bei.

Vergleichsweise lockere Informationspflichten

Worin liegen die Gründe dafür? Schuldscheindarlehen sind oftmals ähnlich breit gestreut wie Anleihen. Im Gegensatz zu diesen können sie jedoch nicht kurzfristig gehandelt werden. Zudem gibt es keine "Lenderlisten", also keine Übersicht über sämtliche Schuldschein-Halter. Dies führt dazu, dass eine organisierte Kommunikation, geschweige denn ein abgestimmtes Verhalten zwischen den Haltern der Schuldscheindarlehen erheblich erschwert wird, häufig sogar nicht möglich ist. Regulatorisch besteht kein Druck oder Anreiz, dies zu ändern, die Informationspflichten bei Schuldscheindarlehen sind vergleichsweise gering.

Anders als bei Anleihen oder syndizierten Konsortialkrediten gibt es bei Schuldscheindarlehen keine Mehrheitsklauseln, mit denen im Restrukturierungsfall eine absolute Mehrheit tiefgreifende Anpassungen des Darlehensvertrages zulasten aller Schuldscheinhalter auch außergerichtlich durchsetzen kann. Dies bedeutet, dass im Restrukturierungsfall die Zustimmung von 100 Prozent der Schuldscheinhalter erreicht werden muss - ein nahezu unmögliches Unterfangen, wenn man vergleicht, dass bei ebenfalls anonymen Anleihegläubiger-Versammlungen selten mehr als 50 Prozent der Anleihehalter mitstimmen.

Diese Problematik wird in vielen Fällen noch verschärft durch die heterogene Struktur der Investoren. Denn anders als bei syndizierten Konsortialkrediten oder klassischen stillen Unterbeteiligungen sind bei Schuldscheindarlehen neben der sogenannten "Lead-Arranger-Bank" noch eine Reihe von unerfahrenen internationalen Investoren neben Sparkassen und kleinen Genossenschaftsbanken involviert. Während letztere in der Krise zumindest noch in Richtung Lead-Arranger-Bank als Spitzeninstitut im Sparkassen- oder Genossenschaftsverbund blicken können und man der deutschen Sprache mächtig ist, fehlt es gerade bei internationalen Investoren aus Übersee schon an den sprachlichen Grundvoraussetzungen.

Von Brasilien über Mexiko nach Dubai, Singapur und China befinden sich mittlerweile mehr als 35 Prozent des Schuldscheinmarktes in ausländischer Hand - wie diese Investoren gerade mangels Sekundärmarkt ihre Risikopositionen bei leistungsgestörten Schuldscheinen managen wollen, ist bis auf anekdotische Stilblüten ein Rätsel.

Fehlende Erfahrungen bei einer Restrukturierung

Fest steht, dass weder die kleinen Sparkassen noch die internationalen Investoren die notwendige Erfahrung mitbringen, um an einer Restrukturierung verantwortlich mitzuwirken. Dieser komplexe Mix aus internationalen Haltern und unerfahrenen deutschen Kleinbanken wirkt in Kombination mit der hohen Zustimmungsschwelle von 100 Prozent im Restrukturierungsfall wie ein Brandbeschleuniger: Mangels Kontrolle über den Prozess und planbaren Stimmverhaltens greift wie zuletzt bei Steinhoff oder Scholz das Prinzip "Rette sich, wer kann". Um im Seefahrer-Bild zu bleiben: Gerade die heimischen Banken sehen es in solchen Situationen häufig als vorteilhafter an, als erster von Bord zu gehen und ins Rettungsboot zu gelangen, als (zu spät) zu dann niedrigeren Preisen in einer Massenpanik das Engagement beenden zu müssen oder gar nicht mehr aussteigen zu können.

Für Banken und andere Investoren käme es vor diesem Hintergrund eigentlich darauf an, ein Schuldschein-Engagement vor dem Einstieg besonders intensiv zu prüfen. Die Bereitschaft, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, scheint allerdings trotz der jüngsten Beispiele Carillion und Steinhoff bei vielen Investoren - gerade aus China - noch nicht sehr ausgeprägt zu sein. So erklärten kürzlich in einer Bloomberg-Umfrage rund 75 Prozent der befragten Schuldscheinanleger, ihr Engagement in Schuldscheinen noch weiter ausbauen zu wollen. Man muss nicht so weit wie die Financial Times gehen und im Zusammenhang mit Investitionen in Schuldscheindarlehen von "dummem Geld" sprechen, aber mehr Zurückhaltung und Sorgfalt sind auf jeden Fall für Investoren angebracht.

Hinweise auf zunehmende Risiken

Dies gilt umso mehr, als sich in den vergangenen Jahren besorgniserregende Trends abzeichnen, die der kritischen Entwicklung keineswegs Rechnung tragen, sondern das Risiko von Engagements sogar noch verschärfen:

Trügerische Ratings: Sparkassen gehören zu den größten Investoren in Schuldscheindarlehen. Umso mehr verwundert es, dass sie häufig nur oberflächliche Analysen der Kreditwürdigkeit durchführen. Stattdessen verlässt man sich darauf, dass das jeweilige Dachinstitut, welches oftmals im Verbund als Mandated Lead Arranger (MLA) auftritt, solide Arbeit geleistet hat. Hierbei wird aber vergessen, dass der MLA für die Arrangierung eine Gebühr erhält. In der Gesamtschau dient diese auch zur Dotierung von Risikovorsorgen, während die kleine Sparkasse nur die Darlehenszinsen erhält. Noch schlimmer ist es, wenn detaillierte Kreditanalysen zur Investmententscheidung durch schemahafte bankinterne Ratinganalysen des MLA substituiert werden - die Sparkasse am Ende der Kette wird zur Risiko-"Verladerampe", was wiederum das Pricing bei Schuldscheindarlehen verzerrt.

Kleinere Schuldscheinemissionen mit höherem Risiko: Prinzipiell gilt beim Investieren - je kleiner der Betrieb beziehungsweise Umsatz und Profitabilität, desto höher das Risiko, dass ein unternehmensspezifisches Ereignis oder eine Konjunkturdelle existenzbedrohend für solche Unternehmen werden können. Tatsächlich liegen die Risikoaufschläge bei kleineren Unternehmen - bei vergleichbarem Verschuldensgrad - deutlich höher als bei großen Dax-Konzernen. Letztere sind eigentlich als "Eisbrecher" seit der letzten Krise verstärkt als Emittenten von Jumbo-Schuldscheinen mit Emissionsvolumen über 1 Milliarde Euro in Erscheinung getreten und konnten für sich auch entsprechend günstige Konditionen erreichen.

Ähnlich dem deutschen Mittelstandsanleihemarkt werden Schuldscheine aber zunehmend auch von kleineren Unternehmen mit hohem Kreditrisiko begeben, die mit Emittenten hoher Bonität wie Metro, BMW oder Lufthansa wenig zu tun haben. Diese kleineren, bestenfalls "B" gerateten Emittenten begeben hochriskante Schuldscheine zu vollkommen unzureichenden Risikoprämien, oftmals auch als Teil einer unvollständigen, "scheibchenweisen" Refinanzierung, bei der sich das refinanzierende Bankenkonsortium den riskantesten Teil abnehmen lässt. Analog zum Emissionsboom bei Mittelstandsanleihen wittern auch neue Marktteilnehmer das Geschäft mit dem Schuldschein. So treten auch hier zunehmend Arrangeure in Erscheinung, die weder eine klassische Sparkassen- oder Genossenschaftszugehörigkeit haben, noch selbst einen Teil des Schuldscheins und damit Risiko aufs eigene Buch nehmen.

Einfluss auf Preisbildung und Platzierungsprozess

Die beiden genannten Effekte spiegeln sich auch in der Preisbildung von Schuldscheinen beziehungsweise dem Platzierungsprozess wider. Ohne die korrigierende Funktion eines relativen Bewertungsansatzes führen starre Bankratings auch zu starren Preisen. Die Preisbildung wird - ähnlich den weniger sinnvollen Emittentenratings bei Mittelstandsanleihen - vollkommen unabhängig von einer individuellen Kreditrisikoanalyse durchgeführt. Billiger (aus Unternehmenssicht) darf es natürlich immer werden, nur nicht zu teuer. Denn ein hoher Zinssatz verheißt landläufig auch hohes Risiko - ganz zu schweigen von Faktoren wie niedriger Verschuldungsgrad (im Verhältnis zum Unternehmenswert), Sicherheiten oder Covenants, die eine augenscheinlich niedrigere Kreditrisikoprämie rechtfertigen könnten.

Im Resultat stellen heute viele der zuletzt emittierten kleinen Schuldscheindarlehen die Kombinationen von vielen schlechten Eigenschaften dar: unbesicherte, langlaufende Instrumente mit niedrigem Zinssatz und keinerlei Investorenschutzklauseln. Wenn Schuldscheine traditionelle Bankfinanzierungen ersetzen, dann vielleicht doch, weil Banken zu diesen Konditionen gar nicht mehr finanzieren wollen und lieber helfen, die zukünftigen Ausfälle zu befeuern.

Bilaterale Struktur von Schuldscheindarlehen

Wie auch schon im Falle der Standard-Mezzanine-Vehikel oder der Mittelstandsanleihen mögen viele der Schuldscheinemissionen der letzten beiden Jahre noch ein wenig mehr Zeit haben, bis das Ausfallsrisiko virulent wird. Wenn dann der Restrukturierungsfall tatsächlich eingetreten ist, werden Bedeutung und Tragweite von Schuldscheindarlehen zunächst noch immer unterschätzt. In Kapitalstrukturen, in denen auch syndizierte Bankkredite oder bilaterale Bankverbindungen bestehen, werden Schuldscheindarlehen aufgrund der bereits angesprochenen geringeren Informationspflichten typischerweise erst dann ein Thema, wenn die Restrukturierung scheinbar bereits komplett abgestimmt ist.

Genau an diesem Punkt zeigt sich dann in zunehmendem Maße die Naivität klassischer Restrukturierungsexperten aus Banken, die sich unvermittelt einer unbekannten Zahl internationaler Schuldscheindarlehen-Halter gegenübersehen. Nicht selten gibt es dann ein böses Erwachen, weil die scheinbar doch schon sichere "überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Sanierung" letztlich an der fehlenden (wohlgemerkt 100 Prozent) Zustimmung der Schuldschein-Halter scheitert.

Ein Beispiel für die Komplexität und das Risiko von Schuldscheindarlehen bei Restrukturierungen ist die "Standstill"- Problematik: Dabei geht es darum, dass alle Gläubiger mit dem Unternehmen zusammenrücken und bis zur Lösung des Problems ihre Forderungen aus Finanzierungsverträgen erst einmal nicht einfordern. Solange keine Gläubigergruppe ausschert und kündigt, kann ein Gleichgewicht zwischen allen Parteien erzielt werden. Falls doch, so kann jeder einzelne Gläubiger durch Kündigung seines Instruments eine Kaskade an Kündigungen und letztlich eine unkontrollierte Insolvenz des Unternehmens auslösen.

Damit solche Standstills auch ad hoc funktionieren, ist es sinnvoll, dass die Rechte einzelner "Akkord-Störer" begrenzt ist. Während das deutsche Schuldverschreibungsgesetz bei syndizierten Bankkrediten, Anleihen oder auch High-Yield-Anleihen standardgemäß eine Fälligstellung/Kündigung durch einzelne Halter verbietet und auf nachweisbare Vertragsbrüche/Defaults abstellt, potenzieren Schuldscheindarlehen das Problem sogar noch.

Denn als bilaterales Darlehen kann jeder einzelne Schuldscheindarlehen-Investor einen eigenen, von anderen unabhängigen Darlehensanspruch gegen den Emittenten in Anspruch bringen. Dazu gibt das deutsche Recht bei Dauerschuldverhältnissen, zu denen auch Schuldscheindarlehen zählen, das Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund. Ein solcher liegt nach herrschender Lehre auch dann vor, wenn die Zahlungsfähigkeit des Emittenten auch nur gefährdet scheint - bei Konsortialkrediten oder klassischen Hochzinsanleihen liegen die erforderlichen Kapitalmehrheiten bei jeweils 67 Prozent und 50 Prozent.

Mehrheitsbindung als größtes Risiko

Die bilaterale Struktur von Schuldscheindarlehen führt zu einem weiteren Problem - der kaum koordinierbaren Erhebung von Sanierungsbeiträgen einzelner Gläubiger. Üblicherweise hilft es, wenn einzelne Gläubiger innerhalb ihrer Peergroup zumindest gleichbehandelt werden, ohne sich ständig fragen zu müssen, ob daraus für sie Nachteile erwachsen. Das daraus abgeleitete Vertrauen bindet die Gläubiger innerhalb einer Gruppe aneinander und verstärkt so die Fähigkeit zur Konsensfindung. Bei Schuldscheinen allerdings gibt es aufgrund der bilateralen Struktur keinerlei Restriktionen hinsichtlich der Gleichbehandlung zwischen den Schuldscheinhaltern.

So können bereits marginal unterschiedliche Fälligkeiten zu erheblichen Interessenkonflikten zwischen Schuldscheinhaltern führen. Ohne dass man sich mit einer "most favoured nations"-Klausel absichert, besteht auch keine Garantie dafür, dass der nächste Halter nicht einen kleineren Sanierungsbeitrag leisten muss oder mehr Zins- oder Gebührenkompensation erhalten kann. In diesem Informationsvakuum wird Kooperation beinahe unmöglich - analog dem "Gefangenen- Dilemma" aus der Spieltheorie ist "jeder gegen jeden" eine der wenigen verbleibenden, rationalen Verhaltensstrategien - mit potenziell desaströsen Auswirkungen auf die gesamte Kapitalstruktur.

Schwierige Restrukturierung

Das wohl größte Risiko bei Restrukturierungen von Schuldschein-Emittenten liegt in der fehlenden "Akkord-Störer"- beziehungsweise Mehrheitsbindung. Ähnlich deutschen Anleihen, die vor der Novelle des Schuldverschreibungsgesetzes im Jahr 2009 emittiert wurden, ist eine Änderung von Schuldscheindarlehens-Bedingungen vorerst an die Zustimmung jedes einzelnen Halters gebunden - und gegenüber anderen Kreditgebern immer nur durch Zustimmung von 100 Prozent, also sämtlicher Halter möglich.

Wenn man allerdings analog der Gefangenen-Dilemma-Problematik nicht davon ausgehen kann, dass sich alle an dieselben Kompromissvorschläge halten, rückt die Restrukturierung von Schuldscheinen im Gesamtkontext der weiteren Kapitalstruktur vom "Nebenkriegsschauplatz" geradezu zum - um im Bild zu bleiben - entscheidenden Schlachtfeld auf: ohne ausreichend wahrscheinliche Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen durch die Schuldscheinhalter fällt das gesamte Restrukturierungskonzept auseinander.

Fehlender Ordnungsfaktor

Am einfachsten wäre es, Schuldscheine gar nicht erst in der Restrukturierung "anzufassen" beziehungsweise im Fall einer Restrukturierung durch einen Insolvenzprozess neu zu ordnen. Genau das war vor der Novelle des Schuldverschreibungsgesetzes mit Anleihen passiert. Die zunehmende Komplexität von Kapitalstrukturen und die - aus Unternehmenssicht vollkommen sinnvolle - Diversifizierung des Finanzierungsmix lässt aber gerade in kleinen beziehungsweise mittelgroßen Kapitalstrukturen wenig Manövriermasse. Die schwierige Diskussion mit Schuldscheinhaltern wird leider noch immer viel zu oft aufgeschoben und entwickelt sich somit am Ende nur noch zum "Brandbeschleuniger".

Diese Herausforderungen sind alle nicht neu. Durch den wachsenden Handel mit Schuldscheindarlehen in Verbindung mit der zunehmenden Internationalisierung haben sich die Rahmenbedingungen aber nochmals verschärft. Während bei Restrukturierungen traditionell im Rahmen von (stillen) Unterbeteiligungen der Konsortialführer als Ordnungsfaktor agierte, zum Beispiel bei syndizierten Krediten, gibt es daher bei modernen Schuldscheindarlehen nun einen solchen Ordnungsfaktor nicht mehr. Kein Wunder also, dass angesichts dieser unübersichtlichen Konstellation, in der keiner dem anderen traut, gerade kleinere Institute zunehmend lieber frühzeitig verkaufen als bis zum Ende dabeizubleiben.

Einschaltung von Kreditfonds

Durch die niedrigen Zinsmargen werden Schuldscheindarlehen kaum Katalysator oder Treiber von Restrukturierungsdiskussionen sein. Problemfälle wie Carillion, bei denen der Verfall so schnell war, dass selbst eine Sanierung in der Insolvenz sofort ausgeschlossen wurde, dürften auch eher die Ausnahme als die Norm bilden. Im Emissionsboom der vergangenen Jahre, gepaart mit der abnehmenden Kreditqualität der Emittenten, ist der Haupttreiber für Restrukturierungen aus Fälligkeiten/Refinanzierungssituationen beziehungsweise Restrukturierungen zu sehen, ausgelöst durch unternehmensspezifische Umstände, die ihrerseits dann durch den Bruch von Finanzkennzahlen oder Vertragsbedingungen mit anderen Finanzierungsinstrumenten virulent werden - klassisches Kreditrisiko also. Obwohl Schuldscheinhalter für sich selbst oft nur einen kleineren Teil der Kapitalstruktur eines Unternehmens ausmachen, stellen sie die Anforderungen zur Sanierung solcher Unternehmen geradezu "auf den Kopf".

Was also ist zu tun? Die vertrauliche beziehungsweise bilaterale Natur von Schuldscheinen ist auch ein Segen. Statt einen allgemeinen Konsensus zu erzwingen, kann gerade durch frühzeitiges Handeln von Unternehmensseite hinter verschlossenen Türen eine Restrukturierung schrittweise erzielt werden. Nötig für eine solche strukturierte Vorgehensweise sind aber auch entsprechend flexible Gegenüber auf Investorenseite, denn ohne Verständnis für das Gesamtkonzept und die möglichen Prozessrisiken kann eine unbedachte Ansprache von Schuldscheinhaltern gerade die Panik und "Akkord-Störer"-Thematik auslösen, die es zu verhindern gilt.

Größere Handlungsfreiheit

Gefragt sind spezialisierte Kreditfonds, die eine Kombination aus Restrukturierungsexpertise, Teamstärke und ausreichend finanzielle Mittel mitbringen. Sie können bei Bedarf Unternehmen in Krisensituationen auch neues Kapital zur Verfügung stellen und haben die Möglichkeit, etwaige "Akkord-Störer" in Absprache mit dem Emittenten aus ihrem Engagement herauszukaufen.

Alternativ kann auch durch ein konzertiertes Vorgehen verhindert werden, dass andere Marktteilnehmer mit einer entsprechenden Motivation große Positionen anhäufen. Gleichzeitig bringen Kreditfonds auch die notwendige Investitions- beziehungsweise Halteperiode mit, um dem Unternehmen bis zur Fälligkeit als Partner zur Verfügung zu stehen. Gleichzeitig übernehmen Kreditfonds häufig die Rolle eines "Konsortialführers" und halten den Dialog mit anderen Gläubigergruppen, was sich nachhaltig zum Vorteil aller Halter auswirkt.

Mit beteiligten Kreditfonds erhalten angeschlagene Unternehmen auch einen Verbündeten jenseits der Hausbanken, welche das Geschäftsmodell verstehen und zugleich flexibel bei Rückzahlungsquoten und Zahlungsfristen sein können. So trägt ein entsprechender Kreditfonds entscheidend zu einem variablen Finanzierungsmix bei, der gerade im Restrukturierungsfall große Handlungsfreiheit ermöglicht und damit die Chance auf Teilrefinanzierungen deutlich erhöht. Dies zeigte sich beispielsweise beim Emittenten Scholz, bei dem ein Kreditfonds von Robus Capital neben Mediation zwischen Anleihegläubigern und Banken auch innerhalb der Schuldscheinhalter mehrmals "Akkord-Störer" aufgekauft und gleichzeitig dem Unternehmen neben Konsortialbanken frisches Kapital zur Verfügung gestellt hat.

Andreas Jaufer Geschäftsführer und Portfolio Manager, Robus Capital Management, London
Dr. Dieter Kaiser Geschäftsführer, Robus Capital, Frankfurt am Main

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