Sparkassen auf dem Weg zum Ökosystem für gewerbliche Kunden

Andreas Schelling, Foto: Finanz Informatik GmbH & Co. KG

Der DSGV hat gemeinsam mit den Sparkassen, Regionalverbänden und Verbundpartnern eine neue Vertriebsstrategie für das Firmenkundengeschäft entwickelt. Diese ziele auf eine zukunftsorientierte Neuausrichtung des gesamten gewerblichen Firmenkundengeschäfts der Sparkassen-Finanzgruppe ab und soll dieses zum Wachstums- und Ergebnistreiber der Sparkassen machen. Die Strategie setze an zwei Enden an: den Ausbau des ertragreichen Geschäfts und der Effizienzsteigerung in weniger profitablen Bereichen. Wichtiger Bestandteil ist dabei laut Schelling die fortschreitende Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts. Dabei sollen die bisherigen Vertriebskanäle Filiale, Firmenkundenportal et cetera ausgebaut und vernetzt werden, um ein gewerbliches Ökosystem zu schaffen, das allen gewerblichen Kunden einen einfachen Zugang zu allen Banking-Leistungen der Sparkassen und der Verbundpartner ermöglichen soll. (Red.)

Die Bedeutung von Sparkassen und Landesbanken für die deutsche Wirtschaft hat sich einmal mehr in der Corona-Krise gezeigt. Beide Institutsgruppen finanzieren zu einem Großteil den deutschen Mittelstand. Über 40 Prozent der Corona-Hilfskredite der KfW wurden beispielsweise durch die Sparkassen ausgereicht. Der Präsident des Deutschen Sparkassen und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis, hat diese Rolle in einem Interview mit der Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt auf den Punkt gebracht: "Die erste Verteidigungslinie gegen die Krise waren die Hausbanken, die zu ihren Kunden standen."

Um dieser besonderen Verantwortung gegenüber gewerblichen Kunden gerecht zu werden, hat der DSGV gemeinsam mit den Sparkassen, Regionalverbänden und Verbundpartnern in der Sparkassen-Finanzgruppe die "Vertriebsstrategie der Zukunft Firmenkunden (VdZ FK)" entwickelt. Diese zielt auf die zukunftsorientierte Neuausrichtung des gesamten gewerblichen Kundengeschäfts der Finanz gruppe und macht dieses zum Wachstums- und Ergebnismotor für die Sparkassen.

Dazu setzt die VdZ FK an mehreren Hebeln an. Zum einen fördert die Strategie noch stärker das ertragreiche Geschäft mit den Firmen- und Unternehmenskunden. Zum anderen zielt sie auf eine deutliche Steigerung der Effizienz in weniger profitablen Bereichen. Für den Erfolg der Vertriebsstrategie ist es wesentlich, das Firmenkundengeschäft weiter zu digitalisieren und das Leistungsportfolio konsequent an den Bedürfnissen der gewerblichen Kunden auszurichten. Die weitere Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts erfolgt dabei primär durch den Ausbau und die Vernetzung der zentralen Vertriebskanäle: stationär in der Filiale, online über das Firmenkundenportal (FKP), telefonisch über das Business-Center und mobil über die Sparkasse Business App.

Abbildung 1: Zielbild Firmenkundenportal (FKP) Quelle: 2021 Finanz Informatik

Durchgängige Verantwortlichkeiten

Als Digitalisierungspartner der Sparkassen-Finanzgruppe nimmt die Finanz Informatik (FI) eine Schlüsselrolle bei der weiteren Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts ein und geht mit den Partnern im Verbund weitreichender in die Verantwortung als bisher. Anwendungen und Lösungen werden viel konsequenter auf die Anforderungen der Kunden in einer digitalen Welt ausgerichtet und schneller in den Markt gebracht. Der Digitalisierungspartner der Sparkassen und des Verbundes hat dazu zahlreiche Maßnahmen initiiert und ergriffen, um Standardlösungen zu entwickeln, die Kundennutzen und -erlebnis in den Mittelpunkt stellen. Zu diesem Zweck richtet die FI ihre internen Strukturen entlang der strategischen Leitlinien "Kunden begeistern", "Verbund stärken", "Dynamik steigern" neu aus.

Ausbau der medialen Vertriebskanäle im Firmenkundengeschäft

Diese und andere Maßnahmen sind eine wesentliche Grundlage, auf der die FI das digitale Angebot der Sparkassen mit Service- und Produktabschlussprozessen entlang der Kundenbedürfnisse weiter deutlich ausbauen wird. Das Übernehmen einer weitreichenden Verantwortung spiegelt sich aber nicht nur in den organisatorischen Veränderungen wider. Über messbare Ziele verknüpft die FI zukünftig ihren Erfolg mit dem der Sparkassen. Ein Beispiel: Aktuell nutzen rund 13 Millionen Sparkassenkunden regelmäßig die Internetfiliale und rund 12 Millionen die Sparkassen-App. Darunter sind auch viele gewerbliche Kunden. Von dieser guten Basis aus möchte die FI gemeinsam mit ihren Partnern im Verbund bis zum Jahresende weitere 1,5 Millionen aktive Onlinebanking-Kunden gewinnen. Dazu baut sie das Angebot in der Internetfiliale und Sparkassen-App weiter aus. Ein weiteres Ziel dabei: Bis Ende 2022 sollen die Sparkassen über die Internetfiliale beziehungsweise die Sparkassen-App eine Million Produktabschlüsse pro Monat generieren. Die Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts ist dabei eine weitere Säule, um dieses Ziel zu erreichen.

Beim Ausbau und der Vernetzung der Vertriebskanäle im Firmenkundengeschäft agieren die Sparkassen aus einer Position der Stärke heraus. In den Kanälen "Stationär" und "Business Center" sind die Institute mit dem roten "S" Marktführer. Der weitere Ausbau der medialen Vertriebskanäle für gewerbliche Kunden bietet Sparkassen die Chance, im Firmenkundensegment Effizienzen zu heben und Freiraum für qualifizierte Beratung zu schaffen. Dazu wird die FI den stationären Kanal künftig noch stärker mit den medialen Kanälen verzahnen und das Business-Center zunehmend als Vertriebs- und Servicekanal für gewerbliche Kunden etablieren.

Ausgangspunkt für die Onlineagenda

Bei der weiteren Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts übernimmt die FI Mitverantwortung im DSGV-Projekt "Firmenkundenportal" (FKP). Sie wirkt aktiv an der Entwicklung der strategischen Grundlagen für die bankfachlichen Anforderungen an die Technik und den Roll-out in die Sparkasse für die Lösungslandschaft FKP mit. Das Firmenkundenportal bildet den Ausgangspunkt für die Onlineagenda im gewerblichen Geschäft. Begleitend wird auch ein App-Kanal für gewerbliche Kunden aufgebaut und pilotiert.

Durch Ausbaustufen wird das FKP zu einem gewerblichen Ökosystem, das im Zielbild allen gewerblichen Kunden einen einfachen Zugang zu sämtlichen relevanten Banking-Leistungen der Sparkassen und ihrer Verbundpartner ermöglicht. Dazu gehören insbesondere die für gewerbliche Kunden relevanten Passiv- und Aktivprodukte, fallabschließende Services sowie Zahlungsverkehrsfunktionen, eine professionelle Nutzerverwaltung und die Kommunikation über das elektronische Postfach. Abgerundet werden diese Banking- und Service-Funktionen durch ergänzende Angebote wie etwa Finanzassistenten und Finance-Management-Lösungen.

Abbildung 2: Die Nutzerverwaltung auf Unternehmensseite Quelle: 2021 Finanz Informatik

Entwicklungsprämisse: Kunden begeistern

Die FI entwickelt das FKP unter der Prämisse, die Sparkassen und deren gewerbliche Kunden zu begeistern. Das bedeutet, dass die jeweiligen Kundenbedürfnisse bei den entscheidenden Überlegungen zu den Funktionen und den Leistungen des FKP im Vordergrund stehen.

Gewerbliche Kunden suchen smarte Lösungen für ihr Alltagsgeschäft. Konkret möchten sie ihre Liquidität sowie ihren Cashflow steuern und benötigen dafür die passenden Kontomodelle und Zahlungsverkehrsanwendungen. Um ihr Firmenvermögen zu verwalten, benötigen sie auch online einen direkten Zugriff auf die professionellen Wertpapier- und Assetmanagement-Angebote aus dem Verbund. Zur Absicherung ihrer Geschäftsrisiken müssen gewerbliche Kunden über das FKP auf die Leistungen der Versicherungspartner in der Sparkassen-Finanzgruppe zugreifen können. Wollen sie ihre finanzielle Handlungsfähigkeit wahren, können sie künftig über das FKP zum Beispiel Rahmenkredite und Avale online beantragen und ausschöpfen beziehungsweise für Investitionen auf Kreditfinanzierungs- und Leasingangebote ihrer Sparkasse fallabschließend zugreifen.

Die FI entwickelt das FKP als eine integrierte Plattformlösung für gewerbliche Kunden, die es in dieser funktionalen Breite und Tiefe am Markt derzeit nicht gibt. Die Plattform wird auf der einen Seite den Zugriff auf Zahlungsverkehrs- und fallabschließenden Online-Produktabschluss-Funktionen als auch auf relevante Service-Funktionen ermöglichen.

Attraktive Angebote für ertragsstarke Kundensegmente

Auf der anderen Seite wird das FKP perspektivisch auch den Zugang zu zahlreichen Mehrwertleistungen bieten. Aktuell sind dabei etwa die Einbindung der High Business App, einer App für gehobene Kundensegmente, der Sparkasse Business App, einer App für die Geschäfts- und Gewerbekunden, sowie des Buchhaltungsangebotes von Haufe-Lexware geplant. Auf diese Weise avanciert das FKP zum zentralen Online-Vertriebs- und Servicekanal für die gewerblichen Kunden der Sparkassen.

Mit ihrem aktuellen Omnikanal-Angebot für gewerbliche Kunden unterstützt die FI die Sparkassen also bereits mit maßgeschneiderten Lösungen für alle Firmenkundensegmente. Gewerbliche Kunden können hier vollständig digitale End-to-End-Serviceprozesse nutzen. Die Institute werden damit insbesondere im Massengeschäft weitgehend von Standardaufgaben, wie der Bearbeitung von einfachen Anfragen und Serviceanliegen, entlastet. Geschäfts- und Gewerbekunden profitieren zudem davon, diese Produkte und Services komfortabel und rund um die Uhr, teilweise fallabschließend, erledigen zu können.

Anstehende Investitionen zielen auf die weitere Automatisierung der Produktverkäufe und Services für Geschäfts- und Gewerbekunden, also das Massengeschäft im Firmenkundensegment, sowie den Ausbau des Funktionsumfangs des FKP für das gehobene Kundensegment. Insbesondere im oberen Gewerbekundensegment stellen Sparkassenkunden komplexere fachliche und technologische Anforderungen an die IT-Unterstützung, so zum Beispiel eine Nutzerverwaltung. Mit dem Nutzer- und Berechtigungsmodul (NBM) im FKP hat die Sparkassenorganisation ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Markt. Denn über dieses Modul können Unternehmer ihren Mitarbeitern spezifische Berechtigungen für nahezu alle Funktionen im Firmenkundenportal zuweisen. Dazu gehören etwa das elektronische Postfach für Firmenkunden und die Zahlungsverkehrsfunktionen. Aber auch Produktabschlüsse über das Vertriebs-Frontend der Sparkassen, OSPlus_neo, können via NBM an Mitarbeiter delegiert und entsprechend autorisiert werden. Das bezieht auch Verbundpartnerlösungen ein, was auch Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe wiederum den Verbund stärkt.

Einführungsunterstützung für Sparkassen

Die FI versteht sich als Digitalisierungspartner, der Standardanwendungen gemeinsam mit den Sparkassen und den Partnern im Verbund so entwickelt, dass sie schnell und bedarfsgerecht in der Breite zum Einsatz kommen. Dazu stimmt sie den Roll-out und die Einführung neuer Lösungen auf die Anforderungen der Institute ab. Um den Roll-out des FKP bedarfsgerecht zu gestalten und eine reibungslose Bereitstellung abzusichern, bindet die FI ihre Kunden intensiv ein. Aktuell läuft die Praxiserprobung, in der der Digitalisierungspartner mit den Instituten das ganzheitliche Einführungsvorgehen validiert, um eine hohe Qualität im Roll-out zu gewährleisten. Dabei erfolgt eine enge Verzahnung mit den wesentlichen Beteiligten im Verbund, also dem DSGV, den Regionalverbänden und der DSV-Gruppe. An der laufenden Praxiserprobung nehmen 30 Sparkassen aus allen Regionalverbänden teil.

Bereits während der Praxiserprobung wurde auch aufseiten der gewerblichen Kunden das Feedback zum FKP erhoben. Es überwiegen Rückmeldungen, die die intuitive User Experience hervorheben. Kommentare wie "gut und übersichtlich" sowie "verständlich und vertraut" stehen dafür beispielgebend. Andere Stimmen bezeichnen das NBM als "eine große Erleichterung" beziehungsweise begrüßen die Möglichkeit im FKP, auf digitalem Weg "Dinge selbst zu regeln". Diese positive Rückkoppelung vonseiten der Kunden zur Anwendung deckt sich mit der hohen Nutzungs- und Weiterempfehlungsbereitschaft der gewerblichen Kunden. Im Zuge der Kundenbefragung hat die FI interessante Impulse für Weiterentwicklungen und Verbesserungen erhalten. Ein Großteil dessen wird bereits kurzfristig umgesetzt.

Die Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts und damit der Ausbau der digitalen Vertriebskanäle ist eine wesentliche Säule zur Stärkung des ertragreichen Geschäfts mit den gewerblichen Sparkassenkunden. Das FKP avanciert dabei zum gewerblichen Ökosystem, das im Zielbild allen gewerblichen Kunden Zugang zu sämtlichen relevanten Banking-Leistungen der Sparkassen und ihrer Verbundpartner eröffnet. Basierend auf den Ergebnissen im DSGV-Projekt geht die FI bei der Entwicklung der Lösung FKP in die End-to-End-Verantwortung, entwickelt die Lösung entlang der Kundenbedürfnisse und führt die Anwendung in enger Abstimmung mit den Partnern im Verbund bei den Kunden ein.

Schnelle und agile Weiterentwicklung des Ökosystems

Mit dem FKP, insbesondere in Kombination mit dem NBM, werden Sparkassen in der deutschen Bankenwelt zum "First mover". Die Institute erhalten damit die Voraussetzungen, um ihre marktführende Stellung im stationären Bereich und im Business-Center auch über die medialen Kanäle zu erweitern.

Mit den weiteren Ausbaustufen des FKP bis Ende 2022 und erweiterten Funktionen der App-Lösung kommt das Zielbild eines gewerblichen Ökosystems für alle gewerblichen Kunden der Sparkassen in Sichtweite. Dann ergänzen Beyond-Banking-Angebote die Near-Banking-Lösungen. Dieses Leistungsspektrum hat das Potenzial, sowohl die Institute als auch ihre gewerblichen Kunden zu begeistern. Außerdem stärkt die Integration von Verbundpartnerangeboten in die Lösungslandschaft des FKP die Sparkassen-Finanzgruppe.

Als Digitalisierungspartner der Sparkassen und des Verbundes geht die FI dabei in die End-to-End-Verantwortung. Damit stellt sie sicher, dass das gewerbliche Ökosystem der Sparkassen auch auf Dauer schnell und agil weiterentwickelt wird. Denn Kundenbedürfnisse ändern sich in der digitalen Welt rasant und innovative Angebote wie das NBM werden schnell kopiert. Da ist es wichtig, dem Wettbewerb - und damit durchaus auch den Fintechs und Bigtechs - im Kerngeschäft der Sparkassen immer einen oder mehrere Schritte voraus zu sein. Denn schließlich geht es den Sparkassen sowie deren Kunden um mehr als nur ums Geld.

Andreas Schelling , Mitglied der Geschäftsführung , Finanz Informatik

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X