Tief greifender Wandel in der Asset-Management-Industrie

Ralf Brenner Foto: SGSS

Regulatorik, Niedrigzinsumfeld und neue Technologien werden die Asset-Management-Industrie in den kommenden Jahren weitreichend verändern. Das ist das Ergebnis der Umfrage "Taking the Long View" von Société Générale Securities Services unter 100 Buy-Side-Experten. Zwei Trends zeichnen sich dabei im Besonderen ab: neue Technologien und die Regulatorik werden das Geschäft nach Meinung der Befragten in den nächsten Jahren am stärksten verändern. Aber auch das Niedrigzinsumfeld und der damit verbundene Gebührenwettbewerb beschäftigen die Branche. Der Autor stellt fest, längst reicht es nicht mehr aus, marginale Anpassungen vorzunehmen, vielmehr muss das gesamte Geschäftsmodell auf den Prüfstand gestellt und an dieses neue Umfeld angepasst werden. Große Wettbewerber sieht er durch ihre Kapazität, Gebühren zu senken und neue Techniken einzusetzen, dabei in der besseren Ausgangsposition, um Marktanteile zu gewinnen. Kleinere Akteure werden sich im Gegensatz dazu weiter spezialisieren müssen, um fehlende Größe oder Bekanntheit am Markt zu kompensieren (Red.)

Was bereitet Asset Managern und Vermögenseigentümern derzeit schlaflose Nächte? Welches sind die wichtigsten Trends bis zum Jahr 2025? Und wie will die Industrie darauf reagieren? Diesen und ähnlichen Fragen ist die Société Générale Securities Services (SGSS) in einer repräsentativen Umfrage unter 100 Senior Executives von 66 Unternehmen aus acht europäischen Ländern in offenen Interviews nachgegangen.

Umwälzungen stehen bevor

Davon waren 65 Prozent Asset Manager, 18 Prozent Institutionelle Investoren und 17 Prozent Real-Estate- und Private-Equity-Manager (RE/PE-Manager). 23 Prozent der Teilnehmer (im weiteren Text als große Asset Manager bezeichnet) verwalten mehr als 100 Milliarden Euro, 34 Prozent zwischen 15 und 100 Milliarden Euro und 43 Prozent unter 15 Milliarden Euro.

Dabei zeigte sich deutlich, dass wir in einer Welt dramatischer Umwälzungen leben. Selten hatten wir es mit so vielen Herausforderungen zu tun, die zu einem Game Changer für die Asset-Management-Industrie werden können. Und allen Befragten scheint klar zu sein, dass sie reagieren müssen, wenn sie langfristig überleben wollen. Zwei Trends zeichnen sich dabei ab: 84 Prozent der Befragten glauben, dass neue Technologien ein entscheidender Treiber ihrer künftigen Geschäftsstrategie sein werden. Und 82 Prozent sind der Ansicht, dass die Regulatorik ihr Geschäft am stärksten beeinträchtigt. Der Grund für Letzteres: Durch die strengeren regulatorischen Vorschriften, insbesondere durch MiFID II, sind die Kosten empfindlich gestiegen. Oder wie ein Studienteilnehmer sagt: "Die Regulatorik ist wie die globale Erwärmung. So wie der Klimawandel den natürlichen Lebensraum der Eisbären immer mehr bedroht, so bedroht die Regulatorik den der Asset Manager."

Herausforderungen der Branche

Aber auch das Niedrigzinsumfeld beschäftigt die Branche. 39 Prozent der Befragten gaben dieses als wichtige Herausforderung an, da es massiven Druck auf die erzielbaren Renditen ausübe und die Visibilität der Erträge einschränke. Rund 30 Prozent der RE/PE-Manager betonten zudem die Risiken der Zinspolitik: Sie befürchten, dass die dadurch erzeugte Liquiditätsflut zur Bildung von Spekulationsblasen beitragen und eine erneute Krise auslösen könne.

Der Brexit spielt für die befragten Executives nach deren Aussagen zum Zeitpunkt der Befragung kaum eine Rolle, was uns etwas überrascht hat. 66 Prozent stehen dem Brexit neutral gegenüber, 24 Prozent - hauptsächlich PE/RE - sehen Chancen und nur 9 Prozent nehmen Anpassungen vor oder werden Anpassungen vornehmen müssen. Die PE/RE-Akteure in Kontinentaleuropa sehen, wie erwähnt, sogar die Chancen eines Anstiegs ihrer Geschäftsaktivitäten, aber auch das Risiko von erhöhtem Wettbewerb in der Preisgestaltung ihrer Assets.

55 Prozent der Asset Manager erachten den Gebührenwettbewerb als Belastung für ihr Geschäft. Die Gründe: Die zunehmende Konkurrenz durch günstigere passive Produkte, der durch Institutionelle Investoren ausgeübte Margendruck sowie aggressive Gebührensenkungen durch große Asset Manager, die Marktanteile gewinnen wollen. Unter dem Strich bedeutet das steigende Kosten und erodierende Gewinnmargen.

Anpassungen an das neue Umfeld

Längst reicht es nicht mehr aus, marginale Anpassungen vorzunehmen. Vielmehr geht es darum, das gesamte Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen und es an dieses neue Umfeld anzupassen. Das betrifft bei den Asset Managern zum Beispiel die Vertriebsstrategie. 37 Prozent gaben an, die bestehenden Vertriebsstrukturen stärken zu wollen, andere nannten die Forcierung des Retail-Geschäfts oder die geografische Expansion als geeigneten Weg. Die Umsetzung soll bei 41 Prozent über Kooperationen im Vertriebsbereich erfolgen, für 25 Prozent sind bessere Kenntnisse über die Kundenbedürfnisse ein Schlüssel zum Erfolg. Soweit es den Investmentbereich betrifft, gaben 42 Prozent der Befragten an, ihre Investments künftig stärker diversifizieren zu wollen. Dabei stehen bei den Studienteilnehmern illiquide Anlagen und Kreditinvestments (27 Prozent) an erster Stelle, danach folgen Private Equity und Immobilien (12 Prozent).

Auch die Ausrichtung der Managementstrategie an ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) und kohlenstofffreien Investments gewinnt an Bedeutung. Bereits 45 Prozent der Studienteilnehmer haben ihre Beteiligungen an ESG-Kriterien ausgerichtet, für 39 Prozent ist dieser Bereich künftig ein Schlüsselthema. Unter den Asset Managern und Institutionellen Investoren haben sich 30 Prozent für ein starkes Engagement in diesem Bereich ausgesprochen und das Ziel ausgegeben, zu den Marktführern gehören zu wollen. ESG wird somit nicht als Diversifikation per se angesehen, aber bereits von fast der Hälfte aller Befragten als Thema erwähnt. Und jeder dieser Teilnehmer ist der Ansicht, dass er ESG-Kriterien in sein Vorgehen integrieren muss, insbesondere die PE/RE-Akteure.

Zudem wird der Markt, angesichts des Margendrucks, nicht so bleiben, wie er ist. Die kritische Größe scheint bei Asset Managern immer weiter zu wachsen. So wurde in den Interviews mehrfach eine Billion Euro an Assets under Management als Zielgröße genannt. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass 42 Prozent der befragten Asset- und RE/PE-Manager eine Konsolidierung erwarten, wobei mittelgroße Player am Markt besonders unter Druck stehen. Insgesamt wollen 37 Prozent einen Konsolidierungsansatz verfolgen, während für 36 Prozent Partnerschaften im Vordergrund stehen.

Outsourcing versus Inhouse

Von dem Wandel bleiben auch die operativen Abläufe nicht verschont. So erfordern die strengere Regulatorik, die stärkere Diversifikation oder die sich verändernden Kundenbedürfnisse neue Anforderungen an die IT-Plattformen und damit auch Investitionen. Die Digitalisierung wird mehr und mehr zu einem Eckpfeiler des Wandels in der Asset-Management-Industrie. Ein Weg darauf zu reagieren, ist das Outsourcen von Aufgaben, die nicht zu den Kernaktivitäten zählen. Für fast zwei Drittel der Befragten ist dies ein Schlüsselelement im Rahmen ihrer künftigen operativen Strategie, wobei dies für kleine Asset Manager (79 Prozent) und RE/PE-Manager (73 Prozent) besonders wichtig erscheint. Lediglich institutionelle Investoren bevorzugen überwiegend Inhouse-Lösungen, was auf die Sorge um die Datensicherheit zurückzuführen ist. Insgesamt wurden das Middle Office sowie das Reporting am häufigsten als neu auszulagernde Funktionen genannt.

Bei der Frage nach den wichtigsten operativen Treibern liegen die Digitalisierung und Nutzung neuer Technologien (27 Prozent) und die Industrialisierung der Prozesse (26 Prozent) ganz vorn. Davon versprechen sich die Befragten unter anderem effizientere operative Abläufe und eine Senkung der Kosten, aber auch mehr Flexibilität und Beweglichkeit sowie ein besseres Verständnis für die Kundenbedürfnisse. Damit gilt die Digitalisierung als der Treiber künftiger Geschäftsstrategien und als entscheidendes Schlüsselelement für die weitere Entwicklung. Während sich 48 Prozent dazu bekannt und Initiativen in diese Richtung gestartet haben sowie 9 Prozent mit Robo Advisors oder Robotic Process Automation bereits in der Testphase sind, wollen 43 Prozent noch abwarten, um die Nutzen-Kosten-Relation zu analysieren.

Fokus-Herausforderungen an die operative Strategie

Unbestritten ist zwar die Notwendigkeit, sich mit neuen Technologien wie Robo Advisory, Big Data, Blockchain, Distributed Ledger, Robotic Process Automation oder Künstlicher Intelligenz zu befassen. Auf die Frage, welche Technologien die Befragten künftig nutzen wollen, zeigte sich aber, dass die bessere Nutzung vorhandener Daten im Vordergrund steht. Dies gaben 39 Prozent der Studienteilnehmer an. Insgesamt 32 Prozent nannten den Bereich Robo Advisory als die künftig zu nutzende Technologie, an dritter Stelle folgte die Blockchain. In der gesamten Umfrage zeigte sich jedoch auch, dass noch viele Unklarheiten bezüglich konkreter Anwendungen dieser Technologien bestehen.

Ein Ergebnis der Studie ist auch, dass es für die Befragten kaum möglich erscheint, diese neuen Felder allein zu bearbeiten. Zwei Drittel der kleineren Asset Manager zielen auf Partnerschaften mit ihren bestehenden Dienstleistern ab oder installieren einen Chief Digital Officer, während größere Asset Manager Kooperationen mit Fintechs ins Auge fassen. Insgesamt gehen 32 Prozent davon aus, dass sie durch die Digitalisierung ihre operativen Abläufe effizienter gestalten können; dazu kommen Zusatznutzen beim Reporting und Unterstützung bei der Asset-Allokation. Und schließlich sollen auch die operative Risikoüberwachung sowie die Kenntnisse über die Kunden verbessert werden.

Neue Vertriebswege, Marktkonsolidierung und der Fortschritt der Digitalisierung dürften die Buy-Side-Industrie in den kommenden fünf Jahren drastisch verändern. Große Wettbewerber scheinen die beste Ausgangsposition zu haben, um Marktanteile zu gewinnen - schon alleine durch ihre Kapazität, Gebühren zu senken und neue Techniken einzusetzen. Um fehlende Größe oder Bekanntheit am Markt zu kompensieren, werden sich kleinere Akteure weiter spezialisieren; und mittelgroße Anbieter werden es zwischen diesen beiden Extremen schwer haben, sich zu behaupten.

Der mögliche Hebel durch den Einsatz neuer Technologien kann für kleinere Player ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Den einen sicheren Weg, um dauerhaft Wachstum in diesem sich verändernden Umfeld zu generieren, gibt es jedoch nicht. Und es scheint für die Studienteilnehmer klar zu sein, dass eine erfolgreiche Anpassung an dieses neue Umfeld ohne Partnerschaften oder professionelle Unterstützung von außen kaum möglich ist. Aus diesem Grund kann auch die Zusammenarbeit mit erfahrenen und global tätigen Wertpapierdienstleistern ein Schlüssel zum Erfolg sein.

Ralf Brenner Geschäftsführer und Head of Legal & Compliance, Société Générale Securities Services GmbH, München
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