Transformation gestalten - der KfW-Beitrag zu einer nachhaltigen und klimagerechten Zukunft

Dr. Günther Bräunig, Foto: KfW Bankengruppe (Thorsten Futh)

Die vergangenen Monate inmitten der Corona-Pandemie haben laut dem Vorsitzenden des Vorstands der KfW verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit, Resilienz und Zukunftsfähigkeit untrennbar miteinander verbunden sind. Die Corona-Konjunkturpakete von Bundesregierung und EU-Kommission würden deshalb darauf setzen, nicht nur die Wirtschaft in Europa wieder anzukurbeln, sondern gleichzeitig auch den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft voranzubringen. Insofern ist es laut Dr. Bräuning für die Kreditanstalt für Wiederaufbau heute wichtiger denn je, ihr Engagement in Sachen "Sustainable Finance" weiter auszubauen. Es gelte, die wirtschaftlichen Chancen der Transformation in Richtung Klimaneutralität in Wert zu setzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der Strukturwandel sozial gerecht ablaufe. Der Autor weist darauf hin, dass die Förderbank des Bundes den Anspruch habe, dafür Verantwortung zu übernehmen. (Red.)

Europa soll bis 2050 klimaneutral werden. Dazu müssen Treibhausgasemissionen deutlich reduziert und alle dann noch verbleibenden Restemissionen kompensiert werden. Deutschland unterstützt dieses ehrgeizige Ziel, unter anderem mit dem Ende 2019 verabschiedeten Klimaschutzprogramm. Der Förderbank KfW kommt darin eine wichtige Rolle zu. Sie soll nicht nur Vorreiter fördern, die innovative treibhausgasneutrale Technologien entwickeln, sondern den Klimaschutz auch in der Breite weiter voranbringen, beispielsweise im Stromsektor oder im Gebäudebereich.

Mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und dem Pariser Klimaabkommen hat die Staatengemeinschaft im Jahr 2015 einen verbindlichen internationalen Rahmen für nachhaltige und auf Klimaschutz ausgerichtete Politik gesetzt. Die konkrete Umsetzung dieser internationalen Ziele hat 2019 mit dem European Green Deal und dem deutschen Klimaschutzprogramm 2030 wichtige Meilensteine erreicht. In Deutschland umfassen die geplanten Maßnahmen unter anderem eine CO2 -Bepreisung, vielfältige Fördermaßnahmen und gesetzliche Standards, um die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken (im Vergleich zum Jahr 1990). Der hohe Stellenwert dieser Klimaziele wird auch in der Corona-Krise deutlich: Trotz des historischen Konjunktureinbruchs bleibt Klimaschutz auf der politischen Agenda und findet Eingang in die umfangreichen Konjunkturprogramme.

Aus KfW-Sicht ist dabei von besonderer Bedeutung, dass das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung auch die "Weiterentwicklung der KfW zur transformativen Förderbank zur Unterstützung der Transformation von Wirtschaftssektoren und Finanzmarkt für eine THG-neutrale Zukunft" beinhaltet. Die Begriffe "Transformation" und "Transition" bestimmen aktuell maßgeblich die Diskussionen um Strategien und Instrumente für eine nachhaltige und klimagerechte Zukunft. Was ist hierunter genau zu verstehen?

Weichenstellung in Richtung Treibhausgasneutralität 2050

Eine Transformation bezeichnet tief greifende strukturelle, paradigmatische Veränderungen, die gleichermaßen technologische, infrastrukturelle, wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Dynamiken umfassen können. Ausgelöst werden Transformationsprozesse unter anderem durch neue technische Möglichkeiten (zum Beispiel industrielle Revolution, künstliche Intelligenz) und Veränderungen im Umfeld (besonders weitreichend der Klimawandel). Die damit verbundene Nachfrage nach neuen Lösungen bietet den Ausgangspunkt dafür, dass sich Innovationen aus einzelnen Nischen herausentwickeln und in der Transformation von Wirtschaft (zum Beispiel Fotovoltaik im Energiesektor) und Gesellschaft (zum Beispiel soziale Medien) zu tragenden Säulen werden.

Typischerweise gewinnen Transformationsprozesse im Zeitablauf an Intensität und gehen mit gesellschaftspolitischen Konflikten einher. Verlauf und Erfolg hängen deshalb wesentlich davon ab, ob sich im Zuge der Transformation eine gesamtgesellschaftlich akzeptierte Zukunftsvision herausbildet. Die wirtschaftlichen und sozialen Chancen müssen dazu in den Mittelpunkt gestellt, Interessengegensätze zwischen Stakeholdern konstruktiv gemanagt und sogenannte "Modernisierungsverlierer" wirksam in ihrer Weiterentwicklung unterstützt werden.

Bis die tief greifenden Veränderungen am Markt beziehungsweise in der Gesellschaft etabliert sind, spielen deshalb in der Übergangsphase transitionale Politiken und Technologien eine wichtige Rolle. Transitionalen Politiken kommt dabei unter anderem die Aufgabe zu, soziale Härten abzumildern und zukunftsfähige Beschäftigungsalternativen zu schaffen, um alle gesellschaftlichen Gruppen mitzunehmen beziehungsweise die Transition sozial gerecht zu gestalten ("Just Transition"). Im Hinblick auf die angestrebte Treibhausgasneutralität 2050 hat die Bundesregierung beispielsweise Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger beschlossen, mit denen die schrittweise Erhöhung des CO2 -Preises abgefedert werden soll. Mit ähnlichem Ziel setzt der European Green Deal auf einen Just-Transition-Mechanismus, um Regionen zu unterstützen, in denen sich der Strukturwandel zunächst nachteilig auswirkt. Mit der Corona-Krise gewinnen gerade solche Gerechtigkeitsaspekte an Bedeutung, zumal die notwendigen Veränderungen letztlich nur gelingen können, wenn die Menschen hinter den Klimazielen stehen.

Transitionale Technologien sind beispielsweise Gebäudesanierungen nach KfW-Effizienzhaus-Standards, die zwar noch gewisse Restemissionen implizieren, aber andererseits in der Übergangsphase signifikante Treibhausgaseinsparungen ermöglichen. Transformativ sind hingegen Passivhäuser oder auch "grüner" Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird, weil die dabei genutzten Technologien mit der angestrebten Treibhausgasneutralität bereits heute vollständig vereinbar sind.

Internationale Kraftanstrengung erforderlich

Die Bundesregierung bekennt sich unter anderem mit dem deutschen Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 dazu, Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen. Um die Erderwärmung gemäß Pariser Klimaabkommen auf deutlich unter 2 °C (beziehungsweise möglichst auf 1,5 °C) zu begrenzen, muss Treibhausgasneutralität bis 2050 aber weltweit erreicht werden. Entsprechend der etablierten Net-Zero-Definition für Treibhausgasneutralität erfordert dies, die weltweiten Wirtschaftsaktivitäten weitgehend zu dekarbonisieren und alle verbleibenden anthropogenen Treibhausgasemissionen durch Senken (zum Beispiel Aufforstung) oder Speicher (zum Beispiel Carbon Capture and Storage, CCS) so auszugleichen, dass sie in der Nettobetrachtung bei null liegen.

Wie aus den global weiter ansteigenden Treibhausgasemissionen ersichtlich, bedarf es heute mehr denn je einer starken klimapolitischen Steuerung und wirksamer Anreizmechanismen. Vor diesem Hintergrund betont die Bundesregierung mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030, dass öffentliche Förderbanken bei der Finanzierung der klimafreundlichen Transformation sowohl in Deutschland als auch international eine herausragende Rolle spielen.

Transformative Energien

Die KfW hat als transformative Förderbank den Anspruch, die langfristigen Klimaziele der Bundesregierung sowohl im eigenen Finanzierungsportfolio abzubilden, als auch für das Gelingen der Transformation insgesamt Verantwortung zu übernehmen. Neben der Unterstützung für eine "Just Transition" und der Förderung treibhausgasneutraler Technologien gehört dazu, den Klimaschutz gerade auch in den Branchen voranzubringen, die bisher nur unzureichende Treibhausgasminderungen erzielt haben und deshalb im Hinblick auf die Pariser Klimaziele von entscheidender Bedeutung sind.

Transformative Technologien, die direkt zur angestrebten Treibhausgasneutralität beitragen, wird die KfW verstärkt fördern. Neben Investitionen in Forschung und Entwicklung gehören dazu vor allem treibhausgasneutrale Technologien und Geschäftsmodelle, die bereits Marktreife erreicht haben und zur weiteren Marktdurchdringung geeignete Finanzierungen benötigen (zum Beispiel "grüner" Wasserstoff).

Carbon-Lock-In-Effekte vermeiden

Auch transitionale Technologien - die zwar noch gewisse Treibhausgasemissionen verursachen, aber für die erfolgreiche Gestaltung der Übergangsphase eine zentrale Rolle spielen, wird die KfW weiterhin fördern (zum Beispiel klimafreundliche Antriebsformen). Gerade in Deutschland wird es darauf ankommen, auch die Branchen zu unterstützen, die beim Klimaschutz vor besonderen technologischen und finanziellen Herausforderungen stehen. Transitionale Technologien bieten diesen Wirtschaftszweigen die Chance, sowohl Treibhausgasemissionen als auch Kosten einzusparen und darüber hinaus ihre technologische Zukunftsfähigkeit zu sichern. Entscheidend ist dabei, auf die besten verfügbaren Technologien zu setzen und langfristige Carbon-Lock-in-Effekte zu vermeiden.

Treibhausgasintensive Technologien, die weder mit der langfristig angestrebten Treibhausgasneutralität vereinbar noch für die Übergangsphase erforderlich sind, werden hingegen ausgesteuert (zum Beispiel Kohlekraftwerke, siehe die seit 2019 gültige KfW-Ausschlussliste).

Ausgehend von ihrem breiten gesetzlichen Förderauftrag wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau daneben selbstverständlich auch weiterhin Finanzierungen bereitstellen, die außerhalb treibhausgasintensiver Sektoren erfolgen und insofern auch nicht primär nach Klimaschutzgesichtspunkten zu steuern sind (zum Beispiel Bildungsfinanzierung). Die möglichst gerechte Ausgestaltung der Übergangsphase kann ebenfalls Finanzierungen umfassen, die außerhalb treibhausgasintensiver Sektoren zu verorten sind, aber zum Gelingen der klimafreundlichen Transformation insgesamt beitragen (zum Beispiel Infrastrukturförderung in früheren Kohleregionen).

Als transformative Förderbank haben wir darüber hinaus eine tragende Rolle in der vorausschauenden Begleitung von Marktentwicklungen, um die damit verbundenen Chancen gezielt in Wert zu setzen. Ein Beispiel dafür ist die neue KfW-Klimaschutzoffensive für den Mittelstand, die deutsche Mittelständler seit März 2020 dabei unterstützt, sich frühzeitig auf die zukünftigen EU-Nachhaltigkeitsanforderungen für den Finanzmarkt auszurichten (EU-Taxonomie).

Wichtiger Austausch

In den Anstrengungen zur Steigerung des Finanzsektorbeitrags für die nachhaltige und klimagerechte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft kommt überdies dem Austausch zwischen Finanzmarktakteuren, Realwirtschaft und Politik eine wichtige Funktion zu. Dies erfolgt beispielsweise im Green and Sustainable Finance Cluster Germany (GSFCG), dessen Gründungsmitglied die KfW ist, im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung und in der EU Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG, künftig EU Platform on Sustainable Finance). Die KfW wird sich innerhalb solcher Dialogforen und Arbeitsgruppen auch weiterhin intensiv engagieren.

Als transformative Förderbank unterstützt die KfW die Nachhaltigkeits- und Klimaziele von Bundesregierung, EU und internationaler Staatengemeinschaft. Den Weg in eine treibhausgasneutrale Zukunft gestaltet sie aktiv mit, um den Transformationsprozess voranzubringen, die damit verbundenen Chancen in Wert zu setzen und gerade auch im Kontext der Corona-Krise zu einer gerechten Ausgestaltung beizutragen. Als einer der weltweit größten Klimaschutzfinanzierer und Wegbereiter in Sachen "Sustainable Finance" steht die KfW Finanzierungsinstituten, Unternehmen und Politik als engagierter Ansprechpartner zur Verfügung.

Dr. Günther Bräunig Vorsitzender des Vorstands, KfW Banken gruppe, Frankfurt am Main
 
Dr. Günther Bräunig , Vorsitzender des Vorstands, KfW Banken gruppe, Frankfurt am Main
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