Urteil des Bundesgerichtshofs zu AGB-Änderungsklauseln - was Banken jetzt tun können

Marcel Hörauf, Foto: Mayer Brown LLP

Das Urteil hatte für großes Raunen und Sorgenfalten bei den Banken geführt: Am 27. April 2021 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Gebührenerhöhung ungültig sind, bei denen diese wirksam werden, wenn die Kunden nicht widersprechen. Das Gericht sieht darin eine faktisch einseitige Leistungsgestaltung, was die allgemeinen vertraglichen Grundprinzipien aushebeln würde. Die Autoren erläutern die Gründe des Urteils und stellen die Frage in den Raum, wie Banken künftig Gebührenerhöhungen oder AGB-Änderungen durchsetzen könnten. Eine Änderungsklausel müsse vom Umfang her klar formuliert und abgegrenzt sein und dürfe das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht erheblich verschieben. In allen anderen Fällen sei wohl eine Zustimmung des Kunden nötig. Bei der Frage der Rückerstattung von Gebührenerhöhungen weisen Hörauf und Scholl darauf hin, dass es eine Einzelfallprüfung benötige. Diese koste jedoch auch und es stelle sich die Frage in welchem Verhältnis dieser Aufwand zur Höhe der Rückerstattung stehe. (Red.)

Änderungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), welche ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Verbraucher-Bankkunden zu Änderungen der AGB und/oder Sonderbedingungen fingieren, sind nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. April 2021 unwirksam. Ein solches Instrument zur faktisch einseitigen Leistungsgestaltung hebele allgemeine vertragliche Grundprinzipien aus und benachteilige die Bankkunden unangemessen.

Urteil und Hintergrund

Die beklagte Bank verwendete im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Klauseln zu Änderungen ihrer AGB, wonach diese den Bankkunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten werden. Diese entsprechen im Wesentlichen den Bestimmungen über Änderungen für Geschäftsbedingungen, Sonderbedingungen und Entgelten gemäß Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen beziehungsweise den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen ((Preis-)Änderungsklauseln). Die Zustimmung des Bankkunden zu einer Vertragsänderung gilt danach als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht rechtzeitig vor dem geplanten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist die Bank den Kunden in ihren Änderungsmitteilungen (Angeboten) besonders hin. Der Bankkunde hat dann die Möglichkeit der Kündigung der Vertragsbeziehung.

Der BGH stellt in seinem Urteil zunächst fest, dass die von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) beanstandeten Klauseln vollständig der AGB-Kontrolle unterliegen. Dies soll auch gelten, soweit es um Zahlungsdienste-Rahmenverträge im Sinne des 675f BGB geht, also Verträge, für die das Gesetz selbst Konstellationen vorsieht, in denen die Zustimmung des Bankkunden zu einer Vertragsänderung als erteilt gilt, wenn dieser seine Ablehnung nicht rechtzeitig angezeigt hat (§ 675g BGB). Diese Norm, welche im Wege eines fingierten Konsenses - faktisch einseitige - Änderungen des Zahlungsdienste-Rahmenvertrages ermöglicht, sperrt die Anwendung der von den Gerichten vorzunehmenden Inhaltskontrolle (§ 307 BGB) gerade nicht. Sodann kritisiert er die Reichweite der Änderungsklauseln, die nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen zwischen der Bank und den Bankkunden mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden regele, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung einschließlich einer Änderung der Regelungen zu Zinsen und Entgelten und dem diesbezüglichen Änderungsklauseln selbst.

Gründe irrelevant

Die Änderungsklausel biete der Bank damit "eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten". Der Bankkunde müsse daher nicht für, sondern gegen die von dem Kreditinstitut gewünschte Vertragsänderung aktiv werden. Aus welchen Gründen (Lethargie, Desinteresse, intellektuelle Überforderung, Unbeholfenheit, Krankheit oder tatsächliches Einverständnis) der Kunde letztlich untätig bleibt, habe auf die Rechtswirkungen der Klausel keinen Einfluss.

Die Klausel liefe deshalb gerade gegenüber Kunden mit wenig Erfahrung und Praxis in Bankgeschäften auf eine einseitige, inhaltlich unbegrenzte Änderungsbefugnis der Geldinstitute hinaus. Mit ihr könnten unter anderem auch Gebühren ohne Einschränkung geändert werden. Die Bank erhielte damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen zwischen Bank und Bankkunde betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, sei ein Änderungsvertrag notwendig, der den Anfordernissen von § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB entspricht. Auch bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen vermögen kein anderes Ergebnis rechtfertigen, so der BGH.

Folgen und Handlungsoptionen für Kreditinstitute

Die Folgen für Kreditinstitute liegen auf der Hand: "Das hat das Potenzial, für die Banken richtig teuer zu werden", sagte der für die Bankenaufsicht zuständige Exekutivdirektor Raimund Röseler am 18. Mai 2021 auf der Jahrespressekonferenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Manche Banken verkündeten bereits, mit welchen Ertragseinbußen und Belastungen sie rechnen. Es stellt sich also für jede Bank, die dem Urteil zugrunde liegende oder ähnliche Klauseln gegenüber Verbrauchern verwendet, die Frage, wie sie künftige Gebührenerhöhungen beziehungsweise AGB-Änderungen durchsetzen kann.

Können AGB gegenüber Verbrauchern überhaupt noch vereinfacht über die Zustimmungsfiktion des Bankkunden geändert werden? Der BGH hat die Änderung von AGB durch eine Fiktionslösung nicht verboten. Er betont, dass dem legitimen organisatorischen Bedürfnis der Bank nach einer einfachen Vertragsabwicklung durch eine einschränkend-konkretisierende Formulierung einer Änderungsklausel Rechnung getragen werden kann. Bedenken, dass hierdurch Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit von Änderungsklauseln für die Kreditwirtschaft entstehen dürften, teilt der BGH nicht. Dies liege gerade im Verantwortungsbereich der Bank als AGB-Verwenderin. Eine vom Umfang her klar formulierte und abgrenzbare Änderungsklausel darf zudem das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht erheblich verschieben und muss den sonstigen AGB-rechtlichen Grundsätzen wie beispielsweise hinreichender Transparenz genügen.

In diesem Umfang dürften auch Gebührenanpassungsregelungen weiterhin denkbar sein. In allen anderen Fällen, zum Beispiel der Preiserhöhung einer vereinbarten Dienstleistung ohne Angaben von Gründen, dürfte nunmehr jedoch eine Zustimmung des Bankkunden erforderlich sein. Diese kann auf unterschiedlichen Wegen vom Kunden eingeholt werden, wobei sich natürlich insbesondere elektronische Lösungen wie Schaltflächen, etwa im Rahmen des Online-Bankings, anbieten.

Müssen Kreditinstitute nun von sich aus Entgelte zurückerstatten? Das lässt sich in dieser Allgemeinheit sicherlich nicht sagen. Zum einen muss der Kunde ein entsprechendes Verlangen zum Ausdruck bringen. Von sich aus ist die Bank auch nach dem Urteil nicht gehalten, Kunden auf Grundlage der Änderungsklausel abverlangte Gebühren zurückzuerstatten. Zum anderen dürften einige Banken ohnehin teils spezifischere Gebührenerhöhungsklauseln genutzt haben. Konkrete Vorgaben, welche Eingrenzungen bei der Verwendung von Preisanpassungsklauseln zu deren Wirksamkeit führen, macht der BGH gerade nicht. Hier wäre zunächst genau zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil auf die Wirksamkeit dieser Klauseln und etwaigen Rückerstattungsansprüchen der Kunden hat.

Einrede der Verjährung

Es ist ferner möglich, dass Entgelterhöhungen in der Vergangenheit durch (konkludente) Zustimmungen des Bankkunden Vertragsinhalt geworden sind, wobei hierfür nach dem Urteil recht hohe Maßstäbe gelten dürften, um dessen Wertungen nicht zu relativen (Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Änderungsklausel). Letztlich bleibt die Frage von Rückerstattungen eine Frage des Einzelfalles und sollte jeweils auch von den Kreditinstituten genau geprüft werden (auch vor dem Hintergrund des § 312 a Abs. 3 S. 1 BGB). Für die Bank kommt gegebenenfalls auch die Einrede der Verjährung in Betracht, denn auf Rückforderung von "zu viel" gezahlten Bankgebühren verjähren regelmäßig nach drei Jahren zum Jahresende. Da all diese Prüfungen trotz des Massengeschäfts im Zweifel Einzelfallprüfungen beinhalten, stellt sich je nach gefordertem Betrag die Frage, welcher Prüfungsaufwand im Bereich geringfügiger Rückerstattungen noch adäquat erscheint.

Für Banken wird sich im Verbrauchergeschäft vermehrt die Frage stellen, wie nach den genannten Vorgaben gegebenenfalls nicht faktisch einseitig per Zustimmungsfiktion abänderbare Preise und Gebühren ausgestaltet sein müssen, um längerfristig gewinnbringend zu sein. Auf Marktentwicklungen kann nach dem BGH-Urteil gerade nicht mehr kurzfristig ohne Weiteres mit einer Änderung der Bepreisung für Bankdienstleistungen reagiert werden. Zumindest wird der potenzielle Anteil der Kunden einer Bank, die einer Preiseinführung beziehungsweise -erhöhung für bestimmte zuvor kostenfreie oder günstiger bepreiste Bankdienstleistungen nicht zustimmen, erheblich höher liegen dürfen, als dies bislang bei der Fiktions beziehungsweise Widerspruchslösung der Fall war.

Andere Reaktionsmuster nötig

Muss ein Kreditinstitut noch die ausdrückliche Zustimmung ihrer Kunden zur Einführung oder Erhöhung von Preisen für Bankdienstleistungen einholen, gehen anders als zuvor Fälle von ausbleibenden Zustimmungen der Bankkunden nunmehr zulasten der Bank. Auch darf diese nur unter strengen Voraussetzungen die fortgesetzte Erbringung einer Dienstleistung von der Zustimmung des Bankkunden abhängig machen, etwa wenn sie aufgrund bestehender Vertragsbestimmungen den betreffenden Vertrag beziehungsweise Vertragsteil auch kündigen dürfte. Da ein solches faktisch zwanghaftes Einholen der Zustimmung des Bankkunden oftmals nicht in Betracht kommen dürfte, werden sich Banken auch andere Reaktionsmuster überlegen müssen, wie etwa das Anbieten von speziellen Vergünstigungen, Extraleistungen oder sonstigen Vorteilen an anderer Stelle.

Mittelfristig dürfte sich gleichwohl zeigen, dass Kreditinstitute auch nach dem BGH Urteil Möglichkeiten finden werden, Entgelte für ihre Leistungen zu verlangen beziehungsweis zu erhöhen. Dies dürfte Überlegungen einschließen, neue Produktevarianten zu entwickeln, für die ein gesondertes Entgelt vereinbart und verlangt werden kann. Im Übrigen ist zu beachten, dass das Urteil des BGH nicht nur als Richtschnur bei der Gestaltung von AGB im Verhältnis Kunde zur Bank, sondern auch für viele andere Branchen gelten dürfte. Die Wertungen des Urteils sind nämlich grundsätzlich übertragbar. Auch insofern werden mittelfristig Impulse bei der Gestaltung von AGB und Preismodellen von Dienstleistern aus anderen Branchen zu sehen sein.

Das Urteil des BGH schafft in vielen Bereichen der Änderungen von AGB mittels Zustimmungsfiktion Klarheit und dient als Richtschnur für die Ausgestaltung von Vertragsverhältnissen zwischen Banken und ihren (Verbraucher )Kunden. Offen lässt der BGH, inwieweit eine das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht nur unwesentlich betreffende Preiseinführung oder -änderung mittels Zustimmungsfiktion möglich bleibt. In der Praxis wird man sich auf neue Modelle der Gestaltung von AGB und Preismodellen gefasst machen müssen, nicht nur bei Banken.

Marcel Hörauf , Rechtsanwalt, Mayer Brown LLP, Frankfurt am Main
Dr. Patrick Scholl , Rechtsanwalt, Mayer Brown LLP, Frankfurt am Main

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