Vollendung von Basel III - neue Verfahren zur Ermittlung der RWA

Thilo Kasprowicz Foto: KPMG

Die Umsetzung der Basel-III-Reformen und die damit einhergehenden Änderungen der Ansätze zur Berechnung risikogewichteter Aktiva (RWA) bedeuten aus Sicht der Autoren für Banken nicht nur Aufwand bei der Umsetzung, sondern insbesondere auch mit weitreichenden Herausforderungen und strategischen Implikationen. Insgesamt registrieren sie eine stärkere aufsichtsrechtliche Konzentration auf die Machbarkeit und Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle von Banken, insbesondere in Europa. Die Aufforderung an die Banken, gründlich über ihre eigene Zukunft nachzudenken, sehen sie durchaus in Einklang mit den eigenen Bemühungen der Banken, ihre Profitabilität, ihre Führung, ihre Kultur und ihr Risikomanagement zu verbessern. (Red.)

Nach Jahren intensiver Diskussion wurde im Dezember 2017 die Einigung zur Vollendung der Basel-III-Reformen verkündet. Die damit einhergehende Reform der Ansätze zur Berechnung risikogewichteter Aktiva (RWA) ist für Banken nicht nur mit Aufwänden bei der Umsetzung, sondern auch mit weitreichenden Herausforderungen und strategischen Implikationen verbunden. Durch die Reform, die von einigen auch "Basel IV" genannt wird, werden sich für viele Geschäftsmodelle Auswirkungen ergeben, unabhängig davon, ob Banken aktuell interne Modelle oder Standardansätze nutzen.

Verstärkte Komplexität der Regulierung

In den letzten 30 Jahren zeigt sich bei der Evolution von Basel I zu Basel IV eine verstärkte Komplexität der Regulierung. Dies hat für die Banken eine Vielzahl regulatorischer Restriktionen bei der Geschäftsausweitung zur Folge. Zahlreiche Steuerungskennziffern bezüglich Kapital, Liquidität und Verschuldung sind in der Banksteuerung zu berücksichtigen. Nach der Gestaltung des Nachkrisen-Basel-III- Rahmens im Jahr 2010 verfolgte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht zuletzt das Ziel, einen Kompromiss zwischen Einfachheit, Risikosensitivität und Vergleichbarkeit der Kapitalansätze zu erzielen.

Mit Basel IV strebt der Ausschuss eine weitere Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Bankensystems an. Unmittelbar nach der Finanzkrise lag der Fokus zunächst auf der Stärkung von Qualität und Quantität der Eigenkapitalbasis und somit auf dem Zähler der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalquote. Ebenso waren neben verschiedenen Kapitalpuffern die Einführung einer Verschuldungsgrenze und zweier neuer Liquiditätsstandards (Liquidity Coverage Ratio und Net Stable Funding Ratio - LCR und NSFR) zentrale Aspekte von Basel III.

Mit der Vollendung von Basel III lag der Schwerpunkt auf dem Nenner der Kapitalquote - den Eigenkapitalanforderungen und der Bemessung der Risikopositionen einer Bank insbesondere im Kredit-, Markt-, Kontrahenten- und operationellen Risiko der Säule 1. Zudem wird es eine bis zuletzt in ihrer Höhe kontrovers diskutierte Kapitaluntergrenze (Output- Floor) für die Begrenzung von Entlastungseffekten interner Modellanwender geben. Für das operationelle Risiko und das sogenannte CVA-Risiko werden interne Modelle sogar nicht mehr zugelassen.

Während neue Vorschläge für die RWA-Ermittlung bei Markt- und Kontrahentenrisiken sowie Verbriefungen schon in den letzten Jahren vorgelegt wurden, wird der methodische Rahmen nunmehr auch für Kredit-, CVA- und operationelle Risiken und die Verschuldungsgrenze (Leverage Ratio) abgerundet. Darüber hinaus hat der Baseler Ausschuss zeitgleich ein Diskussionspapier zum Umgang mit Forderung an Staaten, Zentralbanken und sonstige öffentliche Stellen veröffentlicht, welches jedoch nur den Auftakt einer noch ausstehenden tiefgreifenden Diskussion darstellt.

Senkung der RWA-Variabilität als Ziel

Die Finalisierung der Nachkrisenreformen des Baseler Ausschusses zielt letztlich darauf ab, die Variabilität der RWA über die Banken hinweg zu reduzieren und gleichzeitig an einem risikosensitiven Rahmenwerk festzuhalten.

Zu unterscheiden sind hier akzeptierte Variabilitäten aufgrund einer risikosensitiveren Abbildung unterschiedlicher Geschäfts- und Risikoprofile und solche, die aufgrund unterschiedlicher Auslegungen und Umsetzungen der Vorgaben unbeabsichtigt sind.

Zunächst kann die Variabilität der RWA durch risikobasierte Faktoren erklärt werden. Diese werden als wünschenswert angenommen, da sie mit einem risikosensitiven Rahmenwerk harmonieren. Der größte Teil der Variabilität kann durch solche Faktoren erklärt werden. Dies sind unter anderem der relative Anteil von verschiedenen Aktivposten, die Zusammensetzung der Aktiva innerhalb der einzelnen Forderungsklassen, individuelle Produkt- und Kundenstrukturen, unterschiedliche Marktbedingungen, der generelle regulatorische Rahmen sowie die zugrunde liegenden Geschäfts- und Risikostrategien.

Jedoch zeigten internationale und europäische Studien auch, dass Unterschiede, die sich aus unterschiedlichen Bankpraktiken und methodischen Entscheidungen sowie Abweichungen in der Regulierung und Aufsichtspraxis ergeben, die beobachtete Variabilität der RWA erheblich beeinträchtigen.

Diese praxisbezogenen Faktoren stellen eine vielfältige Gruppe dar und gelten als problematisch. Der Baseler Ausschuss sowie die europäischen Bankenaufseher vertreten zwar grundsätzlich die Auffassung, dass interne Modelle zur Schätzung der RWA in den letzten Jahren ihre Validität bewiesen haben und schlagen vor, bei risikosensitiven Kapitalquoten zu bleiben. Der Baseler Ausschuss ist dennoch der Meinung, dass Abweichungen, die sich aus solchen praxisbezogenen Faktoren ergeben, das Vertrauen in risikosensible Kapitalquoten untergraben und so zu einer Grundsatzdiskussion über interne Modelle geführt haben.

Vertrauensbildende Maßnahmen

Das Vertrauen soll durch verschiedene vorgeschlagene Maßnahmen wieder hergestellt werden. Dazu gehört in Europa insbesondere der Review aller internen Modelle durch die EZB beziehungsweise EBA in den nächsten Jahren (TRIM). Die Standardsetzer verfolgen dabei einen mehrdimensionalen Ansatz zur Reduzierung der übermäßigen RWA-Variabilität.

Der Ansatz umfasst alle drei Säulen des Baseler Akkords:

- Säule-1-Standards: Entwicklung von aufsichtsrechtlichen Vorschlägen zur Verbesserung der standardisierten, nicht modellbasierten Ansätze zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen, die auch die Grundlage für Untergrenzen (Floors) und Benchmarks bilden, Überprüfungen von Modellierungspraktiken, die Bereitstellung zusätzlicher Leitlinien und die Überprüfung der Kalibrierung der Leverage Ratio als nichtrisikosensitiven "Backstop";

- Säule-2-Überwachung: Anwendung harmonisierter Leitlinien für eine einheitliche Zulassung und Überwachung interner Modelle, Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Umsetzung der Maß nahmen durch die Überwachung der Ergebnisse von Analysen zur RWA- Variabilität;

- Säule-3-Offenlegungsstandards: signifikante Stärkung der Offenlegungsanforderungen im Zusammenhang mit Risikogewichten (sowohl bei Standardansätzen als insbesondere auch bei internen Modelle), um mehr Vergleichbarkeit und Transparenz zu erzielen.

Nach Inkrafttreten von Basel III - umgesetzt in Europa durch die CRR - wurden bereits neue Baseler Vorschläge unter anderem zum Umgang mit Markt- und Kontrahentenrisiken sowie Verbriefungen und der NSFR vorgelegt. Diese sind in Europa entweder bereits umgesetzt oder Gegenstand der Konsultation einer CRR II. Das im Dezember 2017 verabschiedete Reformpaket beinhaltet dagegen vor allem die Überarbeitung der Kapitalansätze für Kredit-, CVA- und operationelle Risiken sowie Anpassungen an der Leverage Ratio.

Kreditrisiken

Die veröffentlichten Anpassungen zielen zunächst auf eine höhere Risikosensitivität des Standardansatzes (KSA) ab. Dem Ziel wird vor allem durch die differenzierte Behandlung der Forderungsklassen Rechnung getragen. Dabei erfolgt nicht mehr nur die Differenzierung nach der Art des Schuldners sondern auch nach dem Zweck der Finanzierung. Eine gesonderte Behandlung erhalten gedeckte Schuldverschreibungen, Spezialfinanzierungen und Forderungen an kleine und mittlere Unternehmen. Gegenüber den vorherigen Konsultationen ist der Baseler Ausschuss der Kreditwirtschaft in zahlreichen Aspekten entgegengekommen. Gegenüber dem Status quo der Regulierung bedeutet dies für viele Banken jedoch weiterhin eine Schlechterstellung.

Im Einzelnen werden die Forderungsklassen an die IRBA-Forderungsklassen angeglichen und diverse Risikogewichtsspannen und -ermittlungsmethoden angepasst. Zum Beispiel bei nicht extern gerateten Institutspositionen kann dies eine deutliche Erhöhung der Risikogewichtung zur Folge haben. Ferner wird die Forderungsklasse Unternehmen zukünftig in herkömmliche Unternehmensforderungen und Spezialfinanzierungen aufgeteilt. Für Spezialfinanzierungen gelten deutlich höhere Risikogewichte als bislang. Die resultierenden Risikogewichten variieren zwischen 20 Prozent und 150 Prozent bei Vorliegen eines Emissionsratings. Andernfalls werden die Forderungen in Abhängigkeit von der Art der Spezialfinanzierung und gegebenenfalls des Stadiums bei Projektfinanzierungen mit einem Risikogewicht zwischen 80 Prozent und 130 Prozent gewichtet.

Weitreichende Veränderungen sind bei der Behandlung von Immobilienfinanzierungen vorgesehen. Hier kann im Wohn- und Gewerbebereich weiterhin eine Art Splitting-Verfahren angewendet werden, wenn die Rückzahlung des Kredites nicht allein von einem Cashflow der Immobilie abhängig ist. Ansonsten kommt dem Loan to Value (LTV) besonderes Gewicht zu. Zur Berechnung der LTV-Quoten wird auf den noch ausstehenden Kreditbetrag und den vorsichtig ermittelten Immobilienwert zurückgegriffen. In Abhängigkeit von der LTV-Quote kann gegenüber den bestehenden Regelungen für Wohn- (aktuell 35 Prozent auf den besicherten Teil) und Gewerbeimmobilien (aktuell 50 Prozent) insgesamt eine Erhöhung der Risikogewichte eintreten. Dies hängt vom Ausmaß der Besicherung und vom Kreditnehmer ab.

Die Anwendbarkeit externer Ratings wurde nun zwar nicht abgeschafft, wie zunächst vorgeschlagen, sondern angepasst und um eine sogenannte Due-Diligence-Anforderung ergänzt. Diese verpflichtet die Institute, externe Ratings vor Verwendung intern zu validieren und mit angemessener Sorgfalt mindestens jährlich zu überprüfen, ob diese das tatsächliche Risiko widerspiegeln. Zwar ist die Notwendigkeit interner Kreditrisikoeinschätzung nicht neu und bereits seit Längerem in den MaRisk verankert, jedoch gab es bislang keinen zwingenden Zusammenhang zur regulatorischen Eigenkapitalanforderung im KSA der Säule I.

Einschränkung des IRB-Ansatzes

Der Baseler Ausschuss hat den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) einer grundlegenden Revision unterzogen. Die erste Änderung betrifft die Einschränkung des Anwendungsbereiches auf bestimmte Forderungsklassen. Sowohl der Basis-IRB als auch Fortgeschrittenen-IRB dürfen nicht mehr auf Beteiligungen angewendet werden. Für Forderungen an Banken und andere Finanzinstitute sowie große Unternehmen darf nur noch der Basis-IRB anwendet werden. Die zweite wichtige Änderung besteht in der Einführung von Untergrenzen (Input-Floors) auf Parameterebene für die noch zulässigen IRBA-Forderungen insbesondere in Bezug auf die Ausfall- und Verlustquoten bei Privat- und Unternehmenskunden.

Eine dritte Änderung besteht in qualitativen Vorgaben unter anderem für die Aspekte Zuverlässigkeit der Modellschätzungen, Anwendung von Rating-Systemen, Nutzung von Daten, Reduktion der RWA-Schwankungen sowie die Angleichung nationaler Sonderregelungen.

Neben diesen Änderungen, die analog dem KSA gegenüber der Konsultation von vielen Erleichterungen geprägt sind, sind die bereits erfolgten neuen Vorgaben der EBA an die IRBA-Anwender zu nennen. Sie führen bereits heute zu umfassenden organisatorischen, prozessualen und methodischen Arbeiten am IRBA. In vier Phasen wurden auf europäischer Ebene bereits detaillierte Anforderungen an die IRB-Zulassungsverfahren, die Ausfalldefinition, die Parameterschätzung sowie die Kreditrisikominderung erlassen oder geplant. Diese sind bis Ende 2020 umzusetzen und sollen einen europäischen Beitrag zur Wiederherstellung von Vertrauen in die Anwendung interner Modelle leisten.

Reduktion auf einen Ansatz bei operationellen Risiken

Beim operationellen Risiko wird ein neuer Standardansatz, der für mehr Vergleichbarkeit der RWA sorgen soll, alle bisher bestehenden Ansätze zur Berechnung der Kapitalanforderungen aus operationellen Risiken ersetzen. Die Verwendung des auf einem internen Modell basierenden fortschrittlichen Messansatzes (AMA) soll entfallen. Die Berechnung der relevanten Eigenkapitalanforderungen setze sich zukünftig aus dem Geschäftsindikator und einer internen Verlustkomponente zusammen.

Nach dem neuen Ansatz erfolgt die Berechnung eines neuen Geschäftsindikators additiv aus einer Zins, Leasing- und Dividendenkomponente, einer Dienstleistungskomponente und einer Finanzkomponente. Die Ertragssituation einer Bank soll so differenzierter erfasst werden. Im Gegensatz zur Berücksichtigung eines Dreijahresdurchschnitts der Nettoertragsgrößen, wird in den neuen Standardansatz der Dreijahresdurchschnitt jeder einzelnen Ertragskomponente eingehen. Somit wirken sich negative Ergebnisse nicht mehr günstig auf die Eigenkapitalanforderungen aus.

Neben dem Geschäftsindikator wird für große Institute noch eine Verlustkomponente zur Steigerung der Risikosensitivität definiert, die in einem Multiplikator für interne Verluste mündet. Der Verlustmultiplikator wird aus den institutsspezifischen, historisch beobachteten Verlustdaten operationeller Risiken errechnet. Hierbei wird von den Instituten grundsätzlich eine zehnjährige Verlusthistorie gefordert. Auch an diesem Rahmen haben sich gegenüber der Konsultation zahlreiche Erleichterungen ergeben. Zudem hat der nationale Aufseher das Ermessen, auf die Verlustkomponente zu verzichten.

Höhere Komplexität auch im Standardansatz für CVA-Risiken

CVA-Risiken umfassen negative Änderungen der Wiederbeschaffungskosten bei Derivaten, wenn sich zum Beispiel die Bonität des Kontrahenten ändert. Das neue Rahmenwerk hierfür sieht zwei Ansätze vor, den Basisansatz (BA-CVA) und den Standardansatz (SA-CVA). Die Berechnung der Eigenkapitalanforderung nach dem BA-CVA erfolgt nach einer standardisierten Formel mit dem ausfallbedrohten Betrag für Kontrahentenrisiken sowie der effektiven Restlaufzeit als Eingangsgrößen. Während BA-CVA ähnlich wie der bisherige Standardansatz einen konservativ kalibrierten und verhältnismäßig einfach umzusetzenden Ansatz darstellt, handelt es sich bei dem SA-CVA um einen auf Sensitivitäten und einem Varianz-Kovarianz-Modell basierenden Ansatz. Seine Verwendung setzt eine Abnahme durch die Aufsicht voraus.

Im Vergleich zum BA-CVA wirkt sich der SA-CVA entlastend auf die Kapitalunterlegung für CVA-Risiken aus. Insbesondere für Banken, deren Derivategeschäft materiell durch die Unterlegung aus CVA-Risiken betroffen ist, empfiehlt es sich, die Anwendung dieses Ansatzes in Erwägung zu ziehen. Da für CVA-Hedges im SA-CVA keine Einschränkungen auf Produkttypen vorgegeben werden, entstehen Möglichkeiten einer Optimierung der Kapitalanforderung im Einklang mit der ökonomischen CVA-Steuerung. Da SA-CVA im Kontext des risikoartenübergreifenden "Output-Floor" als Standard ansatz und nicht als internes Modell geführt wird, wird eine Kapitalersparnis im Vergleich zum BA-CVA nicht begrenzt.

Nur Banken mit einem Derivatevolumen von nicht mehr als 100 Milliarden Euro können auf beide Ansätze verzichten und stattdessen für CVA-Risiken den Betrag aus dem Standardansatz für Kontrahentenrisiken ansetzen.

Umstrittene Untergrenze

Kapitaluntergrenze (Output-Floor): Um die Vergleichbarkeit der Kapitalanforderungen zu gewährleisten, wird nicht nur die Verwendung interner Modelle auf bestimmte Bereiche eingeschränkt. Allen Banken, die interne Verfahren nutzen, wird außerdem auferlegt, dass die Kapitalanforderungen auch nach dem jeweiligen Standardansatz zu ermitteln sind. Die Gesamtkapitalunterlegung wird dabei über einen Output-Floor an die Standardansätze gekoppelt. Diese Untergrenze stellt sicher, dass die RWA bei Nutzung interner Modelle zukünftig einen bestimmten Prozentsatz, der sich nach den Standardansätzen ergebenden Kapitalanforderungen, nicht unterschreiten. Dies bedeutet de facto eine Begrenzung der RWA-Entlastungsmöglichkeiten durch die Verwendung interner Modelle.

Die Festlegung der Höhe der Untergrenze schien in den Verhandlungen über einen Kompromiss lange einer Einigung im Wege zu stehen. Letztere wurde von den europäischen Bankenaufsehern zuletzt mit dem damit verbundenen Festhalten an einem international akzeptierten Ordnungsrahmen höher gewichtet als ein gegebenenfalls niedrigerer Floor. Nach einer Übergangsregelung zwischen 2022 und 2027 wird der Output-Floor bei 72,5 Prozent liegen. Dies bedeutet, dass die maximale Ersparnis durch interne Modelle auf 27,5 Prozent der Kapitalanforderungen nach Standardansätzen beschränkt ist. Im Falle von Instituten, die von der umfassenden Nutzung interner Modelle Gebrauch machen, ist zu erwarten, dass sich die Gesamtkapitalanforderungen somit spürbar erhöhen.

Herausforderungen für die Banken

Das geplante Reformpaket soll einheitlich zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Dies gilt auch für die zuletzt wieder eröffnete Diskussion über die Behandlung der Marktrisiken im Handelsbuch. Nahezu alle Methoden zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen von Risiken verändern sich sowohl bei Standardverfahren als auch internen Modellen.

Die stärkere Ausrichtung auf die Risikosensitivität der Ansätze wird sich unmittelbar auf die Produkte, Portfolios und auch Geschäftsfelder der Institute auswirken. Dabei müssen sowohl Handelsaktivitäten als auch Prozesse überdacht und neu gestaltet werden. Weiterhin stellen die neuen Ansätze auch eine Herausforderung an das Datenmanagement und die IT-Architektur dar.

Höhere Kapitalanforderungen

Insgesamt ist zu erwarten, dass die überarbeiteten Standards die RWA vieler Banken erhöhen. Dennoch hängt das konkrete Ausmaß stark von institutsindividuellen Faktoren wie dem Geschäftsmodell beziehungsweise der Kunden- und Forderungsstruktur ab. Somit kann ein zusätzlicher Kapitalbedarf nicht pauschal abgeleitet werden, sondern nur auf Basis individueller Auswirkungsanalysen ermittelt werden. Auswirkungsanalysen des Baseler Ausschusses beschränkten sich auf Kredit- und operationelle Risiken und eine Auswahl internationaler Großbanken.

Auswirkungen sind vor allem bei Banken zu erwarten, die interne Modelle zur Berechnung des Kreditrisikos nutzen, wenn für diese der Fortgeschrittenen-IRBA beschränkt oder durch strengere Parameter und Floors für Input-Parameter angepasst werden muss. Vor dem Hintergrund, dass interne Modell nicht mehr auf alle Portfolios angewendet werden können, sind bei Banken weiterhin auch die Zusammensetzung der Portfolios sowie deren Preisgestaltung zu überprüfen. Die regulatorischen Eigenkapitalkosten werden sich teilweise deutlich verändern und zu einer angepassten Geschäftssteuerung unter Risiko-/Ertragsaspekten führen.

Auch Anwender des Kreditrisikostandardansatzes mit starker Ausprägung des Geschäfts mit Gewerbeimmobilien, Spezialfinanzierungen oder nicht extern gerateten Instituten können negativ betroffen sein. Hier werden Banken die konkrete Produktausgestaltung hinsichtlich beispielsweise der Besicherung oder letztlich den Abbau nichtstrategischer Portfolios überprüfen müssen. Banken, die derzeit von der Verwendung des AMA für operationelle Risiken profitieren, sowie Banken mit hohen Kosten für Verlustfälle im Privat- und Firmenkundengeschäft in den letzten Jahren werden zukünftig auch durch den neuen Standardansatz für operationelle Risiken betroffen sein.

Implementierungskosten

Neben der Auswirkung auf die Kapitalanforderungen wird auf die Banken eine Reihe von Aufwänden für die Umsetzung der neuen Standards zukommen. Dies betrifft unter anderem:

- Weiterentwicklung interner Modelle zur Einhaltung der neuen Standards, insbesondere bei erheblich geänderten Modellvorschriften, sowie Umsetzung zahlreicher prozessualer und struktureller Anforderungen im Bereich der Kredit- und Marktrisiken;

- Sicherstellung, dass korrekte Daten fristgerecht zur Verfügung stehen, damit Banken in der Lage sind, die notwendigen Berechnungen nach den neuen Standards durchzuführen (unter anderem deutlich detailliertere Daten zu Krediten, Kreditnehmern und Sicherheiten);

- Entwicklung neuer oder überarbeiteter Meldesysteme und Prozesse, um die erforderlichen Berechnungen durchzuführen - unter anderem für Banken, die einen modellbasierten Ansatz anwenden, um ebenfalls parallel zu berechnen, wie ihre Kapitalanforderungen unter dem Standardansatz wären.

Weitere aufsichtsrechtliche Anforderungen

Bei der Lösung dieser Implementierungsprobleme werden Banken zudem noch weitere, damit verknüpfte Projekte berücksichtigen müssen, wie zum Beispiel die Maßnahmen der Banken zur Umsetzung der Anforderungen an eine bessere Risikodatenaggregation, der besseren Datenqualität und Überleitbarkeit von Daten sowie weitere Infrastrukturprojekte zu Daten und Technologien im Rahmen weiterer Automatisierung und Standardisierung. Banken werden die erforderlichen Ressourcen zur Erfüllung all dieser Implementierungsanforderungen in den nächsten Jahren einplanen und in einem integrierten Zeitplan berücksichtigen müssen.

Neben den zu erwartenden höheren Kapitalanforderungen und aus Basel IV resultierenden Implementierungskosten müssen Banken auch weitere aufsichtsrechtliche Änderungen in ihrem breiteren Zusammenhang berücksichtigen. Selbst wenn Banken nun in der Lage sein sollten, vor dem Hintergrund höherer aufsichtsrechtlicher Sicherheit zu planen, führt die Vielschichtigkeit parallel verlaufender Prozesse dennoch zu erheblichen Kosten und hoher Komplexität.

So hat die EU-Kommission das Reformpaket zur CRR II/CRD V im November 2016 auf den Weg gebracht, um diese Standards - voraussichtlich nicht vor Ende 2020 - umzusetzen. Dies betrifft bereits Teile der RWA-Kalkulation, aber auch Anforderungen an Großkredite, NSFR, Leverage Ratio und das Vorhalten berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten im Rahmen des Abwicklungsregimes. Ferner stehen Banken sich ständig ändernde quantitative und qualitative Stresstestanforderungen bevor, eine kontinuierlich steigende Anzahl tatsächlicher und potenzieller Makroaufsichtsmaßnahmen sowie die ständige Weiterentwicklung von Kapital- und Liquiditätsanforderungen der Säule II (SREP).

Weiterhin werden Verhaltens- (Conduct) und andere Anforderungen zur Begrenzung nichtfinanzieller Risiken gegenüber Kunden und Gegenparteien in Privat- und Firmenkundenmärkten verschärft. Dies betrifft in vielen Ländern strengere Regeln zu Geldwäsche und Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung, strengere Standards zum Marktmissbrauch und neue Vorschriften zu Offenlegung und Verkaufspraktiken im Privatkundengeschäft. Aufsichtsbehörden messen der Corporate Governance, dem Management von Zinsänderungsrisiken und der Risikokultur von Banken eine wesentlich größere Bedeutung bei. Diese Themen sind neben dem Outsourcing Schwerpunkte der jüngsten MaRisk-Novelle.

Über die Zukunft nachdenken

Es gibt außerdem auch eine stärkere aufsichtsrechtliche Konzentration auf die Machbarkeit und Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle von Banken, insbesondere in Europa. Es ist noch nicht absehbar, welche aufsichtsrechtlichen Maßnahmen dies letztlich zur Folge haben wird, aber fordern die Aufsichtsbehörden (sowie Anteilseigner und Marktanalysten) zunehmend von den Banken, gründlich über ihre eigene Zukunft nachzudenken. Ein Teil des Drucks von Aufsichtsbehörden steht im Einklang mit den eigenen Bemühungen der Banken, ihre Profitabilität, ihre Führung, ihre Kultur und ihr Risikomanagement zu verbessern, und könnte einige überfällige Strategieänderungen beschleunigen. Die Überprüfung der Folgen von Basel IV ist hierzu nur ein wichtiges Element.

Thilo Kasprowicz Partner, Financial Services Regulatory, KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main
 
Dr. Jenny Poschmann Manager, Financial Services Regulatory, KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main

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