Wachstumsperspektive und Stabilität durch Verflechtung von Helaba und Sparkassen

Frank Nickel, Foto: Helaba

Während anderweitig die Diskussion um ein öffentlich-rechtliches Zentralinstitut pandemiebedingt pausiert wurde, zeigt die Helaba modellhaft, wie die Organisation der Sparkassen-Finanzgruppe landesübergreifend aussehen könnte. Frank Nickel hält die Zusammenarbeit der Sparkassen in Hessen, Thüringen, Nordrheinwestfalen und Brandenburg mit der Helaba für ein ausgewogenes Miteinander, bei dem alle Parteien profitieren. Sparkassen können die Kompetenzen und Dienstleistungen der Helaba über neue digitale Kanäle in ihr Geschäft integrieren und die Helaba kann auf eine breit gestreute Kundenbasis - Privat- oder Firmenkunden - innerhalb der Finanzgruppe zugreifen. Nickel sieht den Strukturwandel in der deutschen Kreditwirtschaft unaufhaltsam voranschreiten, ist aber davon überzeugt, dass das Geschäftsmodell seiner Landesbank im Verbund mit den Sparkassen sich auch weiterhin beweisen werde. (Red.)

Die Corona-Pandemie hat die gesamte Weltwirtschaft zurückgeworfen. Und auch Deutschland findet sich plötzlich in einer Rezession wieder. Nach einem mäßigen Rückgang bereits im ersten Vierteljahr des Jahres 2020 ist für das zweite Quartal mit einem deutlichen Einbruch der hiesigen Wirtschaftsleistung zu rechnen. Die Lockerungen der zur Eindämmung der Pandemie getroffenen Maßnahmen seit April ändern daran zunächst wenig.

Erst im zweiten Halbjahr kommt es nach unserer Analyse zu einem deutlichen Aufschwung. Trotzdem wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2020 nach Schätzungen der Helaba insgesamt um 4,2 Prozent schrumpfen, die einzelnen Branchen sind aber höchst unterschiedlich betroffen. Die deutsche Wirtschaft leidet zudem wegen ihrer starken Industrie- und Exportorientierung besonders unter der eingetrübten Weltkonjunktur.

Nach dem drastischen Rückgang der Industrieproduktion in diesem Jahr wird sich der Aufschwung voraussichtlich bereits 2021 in hohen Zuwächsen niederschlagen. Man muss jedoch kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass dieser Jahrhundertschock - trotz der vermutlich V-förmigen Konjunktur - die Bankbilanzen belasten wird.

Neben der Niedrigzinsphase und den steigenden Regulierungsanforderungen als Folge der Finanzkrise von 2008 wird die Corona-Pandemie den ohnehin hohen Wettbewerbsdruck in der deutschen Bankbranche zusätzlich verstärken. Dies wiederum beschleunigt insbesondere in Deutschland den Strukturwandel in der Finanzindustrie. Erste Anzeichen hierfür liegen bereits vor: Viele Banken verkünden in jüngster Zeit Einspar- und Restrukturierungsprogramme. Gleichzeitig bietet all dies aber gerade für die Finanzbranche bedeutende Chancen.

Verbundzusammenarbeit mit partnerschaftlicher Grundausrichtung

In keinem anderen europäischen Land ist die Wirtschaft seit der industriellen Revolution von einer so hohen Dichte an dezentralen, mittelständischen Unternehmen geprägt. Seit genauso langer Zeit fördern Sparkassen diese Entwicklung und stellen über die regionale Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen die Investitionstätigkeit in ihren Regionen sicher. Kommunen und Sparkassen bilden vor Ort eine Verantwortungsgemeinschaft. Sparkassen und Landesbanken sichern gemeinsam die Finanzierung des Mittelstands in Deutschland. Insgesamt wirkt der dezentrale Verbund von Sparkassen und Landesbanken in erheblichem Maße stabilitätsstiftend.

Der aktuelle wirtschaftliche Schock ist allerdings zu groß, um sich beruhigt zurückzulehnen. Dennoch kann man aus drei Gründen optimistisch sein, dass die derzeitigen Herausforderungen im Verbund von Sparkassen und Helaba bewältigt werden können.

Der erste Grund liegt in der intensiven Zusammenarbeit der Helaba mit den Sparkassen. Diese hat ihre Wurzeln in der traditionell sehr engen geschäftlichen und institutionellen Einbindung unserer Bank in die Sparkassen-Organisation. Um nachzuvollziehen, dass dies für eine Landesbank nicht selbstverständlich ist, lohnt sich ein Blick auf die Verbundhistorie. Um das Jahr 2003 verloren die Sparkassen und Landesbanken - angestrengt durch eine Wettbewerbsklage der Privatbanken in Brüssel - das vermeintliche Privileg der Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung.

In der Finanzkrise bewährtes Geschäftsmodell

Die Helaba und die Sparkassen in Hessen und Thüringen gestalteten als Reaktion auf diese Entwicklung die Verbundzusammenarbeit mittels eines Verbundkonzepts noch sehr viel intensiver und schlossen sich mit einer partnerschaftlichen Grundausrichtung zur Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen zusammen. Dieses Geschäftsmodell hat sich in der Finanzkrise 2008 bewährt und ermöglichte die im Jahr 2012 erfolgte Integration der "Verbundbank NRW". Seitdem ist die Helaba gesetzlich verankerte Zentralbank nicht nur in Hessen und Thüringen, sondern auch in den Ländern Brandenburg und Nordrhein-Westfalen und somit für 40 Prozent aller Sparkassen.

Diese unter den Landesbanken einzigartige Verbundstruktur und die gemeinsame Abstimmung der Zusammenarbeit in unseren Verbundgremien sind gute Voraussetzungen, um den Strukturwandel der Finanzwirtschaft gemeinsam zu bewältigen. Ziel ist es, die Marktposition der Gruppe nachhaltig zu behaupten und weiter auszubauen.

Grundlegender Wandel der Zentralbankfunktion

Kunden der Helaba erwarten nicht nur leistungsfähige Produkte und Dienstleistungen, sondern auch eine nachhaltige Unterstützung bei der Umsetzung des öffentlichen Auftrags. Auch hier lohnt sich ein Blick auf die Historie der Verbundzusammenarbeit, um zu verstehen, wie sich die Zentralbankfunktion im Laufe der Zeit wandelt.

Bereits 1953 mit der Gründung der Hessischen Landesbank Girozentrale durch den Zusammenschluss von Vorgängerinstituten wurde der Helaba auch namentlich die Girozentralbankfunktion - also die Funktion der Verrechnungsstelle für die hessischen Sparkassen im bargeldlosen Zahlungsverkehr - in die Wiege gelegt. Aus dieser anfänglichen Girozentralbankfunktion ist mittlerweile ein umfassendes Produkt- und Dienstleistungsspektrum im Zahlungsverkehr und im Kartengeschäft geworden, das die Helaba für die Sparkassen durchführt und weiterentwickelt. Für die Helaba bedeutet dies beispielsweise, dass sie

- durch die Abwicklung von kartenbasiertem Zahlungsverkehr für Sparkassen, Handelskunden und Payment-Service-Provider eine führende Position im Kartengeschäft erringen konnte,

- durch die Nutzung der Helaba von 80 Prozent der Sparkassen als zentralem Zugang zu internationalen Clearinghäusern und Zahlungsdienstleistern der führende Zahlungsverkehrsanbieter in der Sparkassen-Finanzgruppe ist und

- eine direkte Kontoverbindung zu Auslandsbanken in rund 50 Ländern auf allen Kontinenten für unsere Sparkassen vorhält sowie

- für die direkte Anbindung an die wichtigsten Euro-Clearingsysteme Target2 und EBA EURO 1 sorgt.

Auf Basis des Erreichten wird die Helaba bei der innovativen Produktentwicklung und bei der Begleitung von Zukunftsthemen (Paydirekt, Instant Payments, Digitalisierung) ebenso erfolgreich sein. Der Wandel der Zentralbankfunktion betrifft aber nicht nur den Zahlungsverkehr. Durch die Digitalisierung rückt die Helaba mit ihren Produkten näher an ihre Kunden heran. Zum einen kann sie Kunden über ihre Portale schneller und effizienter informieren, zum anderen integriert sie ihre Leistungen zunehmend über ihren zentralen IT-Dienstleister, die Finanz Informatik, in das Betriebssystem der Sparkassen.

Digitalisierung: Chancen im Verbund mit den Sparkassen wahrnehmen

Im Hinblick auf ihre Digitalisierungsinitiativen bestehen große Chancen für den Verbund von Helaba und Sparkassen - der zweite Grund, warum man optimistisch sein darf. Mit der Internetfiliale der Sparkassen sowie mit der Sparkassen-App hat die Sparkassen-Finanzgruppe mehrfach prämierte und als Testsieger ausgezeichnete Kundenschnittstellen realisiert, die für die Kunden einen erheblichen Mehrwert schaffen.

Die Helaba unterstützt diese digitalen Vertriebskanäle, indem sie sich mit ihrem Produktangebot in diese integriert. Im Sorten- und Edelmetallhandel kann der Kunde mittlerweile per App oder Internetfiliale zum Beispiel Sorten für den Urlaub oder die Geschäftsreise kurzfristig in der gewünschten Stückelung zu sich nach Hause bestellen. Weitere Beispiele für die Verzahnung sind das Zertifikategeschäft und das Research, welches den Sparkassen über die Online-Kanäle zur Weiterleitung an ihre Kunden bereitgestellt wird.

Der persönliche Kontakt zu Kunden - ob Sparkassen oder Mittelstandkunden - ist ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells, in diesen Zeiten aber schwierig umzusetzen. Auch hier gilt es, die Chancen der Digitalisierung schnell und effektiv zu nutzen. Deshalb hat die Helaba Sparkassen und Mittelstandskunden bereits im Mai dieses Jahres zu einem digitalen Roundtable eingeladen, der äußerst positive Resonanz fand. Ein weiteres neues digitales Format in der Kundenbetreuung sind Broadcasts für Sparkassen. Dieses Videoformat dient den Sparkassen dazu, sich über aktuelle Themen des Auslandsgeschäfts zu informieren.

Um neue Wege zu den Kunden zu erschließen, investiert die Helaba in digitale Prozesse und Plattformen wie zum Beispiel Komuno. Als Tochtergesellschaft der Helaba Digital bietet Komuno eine digitale Plattform für Kommunalkredite für Sparkassen und Kommunen. Auf Komuno schreiben Kommunalkunden Investitions- und Liquiditätskredite effizient sowie revisionssicher aus.

Erleichterte Risikosteuerung für Sparkassen

Darlehensgeber beantworten die Kreditanfragen mit rechtsverbindlichen Angeboten direkt auf der Plattform. Komuno ist somit die prozessoptimierte Antwort auf die aktuellen Trends am Kommunalkreditmarkt. Der Vertrieb bei Städten und Gemeinden erfolgt gemeinsam mit der Sparkasse, um die Bindung zwischen Kommune und Hausbank im Sinne eines partnerschaftlichen Ansatzes zu stärken.

Auch im Firmenkundengeschäft soll möglichst ohne Medienbrüche mit den Sparkassen zusammengearbeitet und sich damit deutlich effizienter im Verbund aufgestellt werden. Im partnerschaftlichen Metageschäft unterstützt die Helaba die Sparkassen im Kreditgeschäft mit Firmenkunden. Als Marktführer im Metakreditgeschäft hat sie ihre etablierten Metaplus-Prozesse digitalisiert und weiter verbessert. Mit Metaplus Digital werden die Prozesse für die Sparkassen standardisiert. Gleichzeitig wird die Risikosteuerung für Sparkassen erleichtert.

Neben dem Kundengeschäft erwarten Sparkassen heute aber auch, dass ihre Landesbank sie im immer komplexer werdenden Eigengeschäft und beim Bilanzstrukturmanagement unterstützt. Gerade in Zeiten einer sich abkühlenden Konjunktur und zunehmenden Gewinnwarnungen auf Unternehmensseite sowie steigenden Insolvenzraten sind effiziente Risikosteuerungsinstrumente für die im mittelständischen Firmenkreditgeschäft starken Sparkassen enorm bedeutsam. Auch hier unterstützt die Helaba mit einer Reihe von innovativen Produkten und Dienstleistungen wie zum Beispiel dem Kreditpooling oder der Immobilienkreditsyndizierung.

Im Rahmen des Kredit-Baskets übertragen Sparkassen mittels Kreditderivaten Adressenausfallrisiken großer gewerblicher Kreditengagements auf ein Portfolio und erwerben im Gegenzug anteilig das diversifizierte Portfolio. Etwaige Ausfälle bei den Kreditrisiken müssen somit nicht von der einzelnen Sparkasse getragen werden, sondern verteilen sich als kleine Beträge auf alle investierenden Sparkassen.

Der Sparkassen-Kreditbasket XVI (S-KB XVI 2019) konnte am 14. Mai 2020 wie seine beiden Vorgängerpools mit dem sogenannten zweiten Einbringungstermin aufgestockt werden. 115,3 Millionen Euro zusätzliches Absicherungsvolumen, verteilt auf 56 Adressen, erhöhten den Gesamtpool auf 712,2 Millionen Euro. 32 Sparkassen nutzten die Möglichkeit, mittelständische Kreditrisiken gegen Ausfälle abzusichern - die Gesamtteilnehmerzahl stieg dabei auf 83, sodass der Rekord aus dem Jahr 2017 eingestellt wurde.

Kreditpooling und Immobilienexpertise

Die Sparkassen hatten die Absicherungsentscheidungen für den Aufstockungstermin bereits vor der Corona-Pandemie getroffen und konnten sich nun bestätigt sehen. Auch die bereits angekündigte diesjährige Kreditpooling-Transaktion S-KB XVII 2020 wird stark nachgefragt. Sie wird einen weiteren bedeutsamen Beitrag zur Stabilität der Betriebsergebnisse der teilnehmenden Sparkassen im Umfeld des schwersten Wirtschaftseinbruchs der jüngeren Zeit leisten.

Seit einigen Jahren verstärkt die Helaba die Zusammenarbeit mit Sparkassen auch im Syndizierungsgeschäft. Sparkassen können sich im Rahmen ihres Kreditmanagements einfach und effizient an gewerblichen Immobilienfinanzierungen der Helaba beteiligen und ihr Kreditportfolio diversifizieren. Der Bereich Immobilienkreditgeschäft bietet innerhalb eines strukturierten Rahmens das Produkt Immo-Kredit Plus über das Sparkassenportal an.

Den dritten Grund für verhaltenen Optimismus ist die Aufstellung der Bank. Die Helaba hat eine gute Marktposition, ihre Eigenkapitalausstattung ist komfortabel, sie genießt das Vertrauen der Kunden und ist fest in die Sparkassen-Finanzgruppe eingebunden. Damit all das auch in Zukunft so bleibt, hat die Helaba bereits Mitte vergangenen Jahres frühzeitig aus einer Position der Stärke heraus ein umfassendes Effizienz- und Wachstumsprogramm initiiert.

Erhalt und Ausbau der Qualität

Mit dem Projekt Scope stellt sie sich zukunftssicher auf, um weiter qualitativ wachsen zu können. Ferner möchte sie durch attraktive Produkte und Dienstleistungen ihre Position als die Verbundbank der Sparkassen-Finanzgruppe ausbauen. Die unumkehrbare Einbindung in die Sparkassen-Finanzgruppe ist ein wesentlicher Teil des erfolgreichen Geschäftsmodells der Helaba.

Wie tiefgreifend das Veränderungsprojekt Scope ist, lässt sich intern beispielsweise an der Verringerung der Zahl der Positionen der ersten Führungsebene um über 50 Prozent veranschaulichen. Auf der Marktseite führt die Zusammenfassung von Produkt- und Vertriebsverantwortung in größeren Einheiten zu einer höheren Effizienz.

So werden nun im Vorstand erstmals die Zuständigkeiten für die beiden Kundengruppen Sparkassen und Mittelstand zur Erhöhung der Schlagkraft in einem neuen Verantwortungsbereich zusammengeführt. Stärkere Kundenorientierung (Time-to-Market) und die Erhöhung der Schlagkraft des Vertriebs durch substanzielle Verbesserung der Front-to-Back-Ratio werden in diesem Geschäftsfeld Vorteile bringen.

Gegen den Strukturwandel gewappnet

Gleichzeitig wird durch Scope der notwendige Handlungsspielraum für Investitionen in weiteres Wachstum identifiziert und gewonnen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Abrundung der Produktpalette im Firmenkundengeschäft. Seit Anfang des Jahres ist die Helaba über ihre Tochter Frankfurter Bankgesellschaft mehrheitlich an der IMAP M&A Consultants AG beteiligt.

Die IMAP ist das führende Mergers & Aquisitions-Beratungshaus für den deutschen Mittelstand. Ziel der Beteiligung ist es, Sparkassen und Unternehmern auch in Ausnahmesituationen wie Verkauf, Zukauf oder Restrukturierung ein hervorragendes Lösungsangebot innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe zu ermöglichen.

Der Strukturwandel in der deutschen Kreditwirtschaft wird durch die Corona-Pandemie derzeit erheblich beschleunigt. Obgleich die Rahmenbedingungen herausfordernder denn je erscheinen, wirkt die Sparkassen-Finanzgruppe genauso wie in der Finanzkrise gesamtwirtschaftlich stabilisierend. Den Strukturwandel wird sie durch ihre Digitalisierungsinitiativen gut bewältigen.

Entscheidend für die Kreditwirtschaft wird allerdings sein, dass die Zahl der krisenbedingten Insolvenzen vor allem im deutschen Mittelstand begrenzt werden kann. Die Hilfsprogramme auf Bundesund Länderebene, die die Helaba teilweise umsetzt, erhöhen die Wahrscheinlichkeit hierfür deutlich.

Frank Nickel Mitglied des Vorstands, Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Frankfurt am Main
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