Wirtschaftsgeschichte

Alles falsch gemacht?

Der preußische Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke schrieb im Jahr 1871 in seinem Werk "Über Strategie": "Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus." Extrapolieren könnte man daraus eine weniger kriegerisch anmutende Weisheit wie: "Wenige Pläne überstehen das erste Zusammentreffen mit einem schwerwiegenden Problem." So ließe sich auch der Tenor unter den Rednern auf einer Diskussionsveranstaltung der Bundesbank zum 31. Jubiläum der deutschen Währungsunion am 1. Juli 2021 zusammenfassen.

Bekanntermaßen waren die deutsche Wiedervereinigung und die damit zu stemmenden Prozesse ein etwas ruckartiges Vorhaben. Bereits am 1. Juli 1990, noch vor der rechtlichen Einheit, erfolgte die Währungsunion: Die Deutsche Bundesbank übernahm die Zuständigkeit für die bald ehemalige DDR und die Deutsche Mark ersetzte die DDR-Mark als gesetzliches Zahlungsmittel.

Ein schnelles Handeln war erforderlich, da durch die neu gewonnenen Freiheiten in Ostdeutschland eine massenhafte Abwanderung und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch befürchtet wurden. Erstere konnte abgefedert werden, letzterer trat aus verschiedenen Faktoren dennoch ein. Unter anderem entstanden durch den Wechselkurs von eins zu eins bei Löhnen wesentlich höhere Lohnstückkosten, sodass Exporte in den Westen sich stark verteuerten. Gleichzeitig wurden Verbindlichkeiten und Forderungen von Unternehmen im Verhältnis zwei DDR-Mark zu einer D-Mark umgestellt, was zu einer enormen Überschuldung führte und auf der schwachen Wirtschaft lastete.

Solche Faktoren hinterlassen ein eher negatives Bild der Implementierung der Währungsunion und ihrer Wechselkurse. Professor Dr. Richard Schröder, ehemaliger SPD-Fraktionschef in der letzten DDR-Volkskammer und Diskussionsteilnehmer, betonte, dass es keine Alternative zu einer solchen Umstellung gab. Trotz aller Vorwürfe sei die Entscheidung des Bundeskanzlers Helmut Kohl keine unüberlegte gewesen: Es galt, innen- wie außenpolitische, soziale und wirtschaftliche Interessen gegeneinander abzuwägen und die Entscheidung sei auf Basis verschiedener Faktoren gefallen. Beispielsweise hätte man den Arbeitern der DDR nicht vermitteln können, dass ihre Lebensarbeitszeit nur halb so viel wert wie diejenige westdeutscher Arbeiter gewesen wäre, so Schröder.

Auch in dieser Zeitschrift wurde in der Ausgabe 13/1990 kontrovers diskutiert, was die Auswirkungen sein würden. Der Ökonom Dr. Horst Gischer berief sich in seinen Vorhersagen darauf, dass es für derartige Situationen keine bewährten Modelle gegeben hätte und Schlussfolgerungen fast zwangsläufig vage bleiben müssten. Ähnliches wäre wohl über andere Herangehensweisen gesagt worden. Entgegen negativer Auslegungen fasst Schröder die getroffene Entscheidung pointiert zusammen: "Lieber mit ruinierter Wirtschaft die Einheit, als mit ruinierter Wirtschaft alleine dastehen!"

Kann nach 31 Jahren eine positivere Bilanz gezogen werden? Zumindest in Teilen nähert sich der Osten dem Westen an. Betrug der Unterschied des Bruttodurchschnittslohns pro Monat dem Bundesministerium für Wirtschaft zufolge im Jahr 1996 noch rund 23 Prozent, verkleinerte sich die Lücke bis ins Jahr 2020 auf rund 15 Prozent. Ein von Gehalt.de errechneter Unterschied in den Lebenshaltungskosten von fünf Prozent kompensiert dies nur teilweise. Positiv zu betrachten sind die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, denen zufolge die Beschäftigungsquote 2019 in Ostdeutschland mit 62 Prozent die Westdeutschlands mit 60,7 Prozent sogar überstieg.

Sicherlich war nicht alles gut an der Durchführung, aber das sich entwickelnde Wachstum und eine gesunde Beschäftigungsquote stehen als positive Indikatoren dafür, dass, so ruckartig die Währungsunion auch war, sie letztlich der richtige Schritt gewesen sein muss. So oder so ähnlich könnte in neun Jahren vielleicht auch ein Rückblick auf den Euro ausfallen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X