Wirtschaftsnobelpreis

Auktionen in Theorie und Anwendung

Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften würdigt Robert Wilson und Paul Milgrom von der Stanford University für "Fortschritte in der Auktionstheorie und Erfindung neuer Auktionsformate". Die beiden folgen William Vickrey und Roger Myerson, die 1996 beziehungsweise 2007 für Beiträge zur Auktionsforschung ausgezeichnet wurden. Bob Wilson und Paul Milgrom setzen sich dadurch von den früheren Preisträgern ab, dass sie über die theoretische Analyse hinaus neue Auktionsformate für die praktische Umsetzung entwickelt haben. Auktionen haben eine lange Tradition und wurden schon in Babylon 500 v. Chr. eingesetzt. Heute ist das Anwendungsspektrum sehr breit, vom Verkauf von Kunst und Antiquitäten bis zur öffentlichen und betrieblichen Beschaffung und der Vergabe von Telekommunikationslizenzen oder Fußballübertragungsrechten. Google generiert seine Milliardeneinnahmen überwiegend durch über Auktionen platzierte Werbung. Auch die Förderung erneuerbarer Energien wird inzwischen über Auktionen organisiert. Während anfangs in Auktionen einzelne Güter versteigert wurden, werden heutzutage auch mehrere Güter simultan in einer Auktion versteigert.

Eine Auktion ist eine Marktinstitution, die nach fest vorgegebenen Regeln Angebot und Nachfrage koordiniert. Sie wird relevant, wenn Wettbewerb um Güter ohne bekannten Marktpreis herrscht und wenn die Information über den Wert der Güter vor allem bei den Bietern liegt. Kunstwerke bei Sotheby's werden mit dem Ziel eines hohen Verkaufserlöses versteigert. Bei der Vergabe von Telekommunikationslizenzen steht meist die Effizienz, das heißt die den größtmöglichen Mehrwert generierende Aufteilung, im Vordergrund. Die Gewinnung von Information kann auch von Bedeutung sein, zum Beispiel über den Liquiditätsbedarf des privaten Sektors in den Refinanzierungstendern der Zentralbanken, welche auch der Signalgenerierung für Banken dienen. Um die Ziele zu erreichen, muss die Auktion geeignete Anreize für die Bieter setzen, Bieterentscheidungen ausreichend einfach halten, Manipulationsmöglichkeiten beispielsweise durch Anreize zur Wettbewerbszurückhaltung unterbinden und Informationsgenerierung über Preissignale während der Auktion ermöglichen.

Zu den klassischen Auktionsverfahren zählen die Englische Auktion, in der der Preis steigt bis nur noch ein Bieter den Preis akzeptiert und gewinnt, sowie die Ausschreibung oder Erstpreisauktion, in der jeder Bieter ein verdecktes Gebot abgibt, das höchste Gebot gewinnt und den Preis bestimmt. Vickrey begründete deren theoretische Analyse in den 1960er Jahren unter der Annahme sogenannter privater Werte (private values): Jeder Bieter weiß genau, was ihm das Gut wert ist.

Bob Wilson ergänzte diese Sichtweise um gemeinsame Werte (common values). Paul Milgrom stellte den Übergang zwischen den beiden Extremfällen her. In einer Situation mit gemeinsamen Wert hat das Gut für jeden Bieter denselben Wert, aber keiner weiß genau, wie hoch dieser ist. Der Wert eines Auftrags kann von zukünftigen Preisen abhängen, die keiner kennt, die aber für alle ähnlich oder gar gleich sind. Wird der Auftrag versteigert, droht der "Fluch des Gewinners": Selbst wenn die Bieter im Durchschnitt den Wert richtig schätzen, gewinnt in der Regel der Bieter, der den Wert am stärksten überschätzt und deshalb ein Gebot abgibt, das über dem tatsächlichen Wert des Gutes liegt und somit zu einem Verlust führt. Gemäß Bob Wilson muss man neben seiner Schätzung auch berücksichtigen, dass man im Fall des Zuschlags vermutlich derjenige ist, der den Wert am meisten überschätzt. Wer dies im Gebot berücksichtigt, entgeht dem Fluch des Gewinners.

Paul Milgrom hat erkannt, dass sich Auktionsverfahren darin unterscheiden, wie sie den Bietern dabei helfen, den Fluch des Gewinners zu vermeiden. In einer Englischen Auktion, in der ein Bieter den Ausstieg anderer beobachtet, kann er Rückschlüsse über deren Einschätzungen ziehen und sein Gebot auf mehr Information stützen als in einer Erstpreisauktion. Bessere Information reduziert das Risiko des Fluchs des Gewinners, sodass tendenziell aggressiver geboten werden kann. Auch der Auktionator kann den Informationsstand der Bieter zum Beispiel durch Gutachten verbessern. Da aggressivere Gebote den Auktionserlös erhöhen, ist es für ihn von Vorteil, ihm zugängliche Information den Bietern mitzuteilen.

Neben den theoretischen Beiträgen ehrt der Preis auch die Beiträge zur praktischen Umsetzung. Bereits die erste Versteigerung von Telekommunikationslizenzen 1994 in den USA haben die Preisträger mitgestaltet. Bei der Gestaltung dieser Mehrgüterauktion mit mehreren Bietrunden haben sie viele Details beachtet wie Aktivitätsregeln zur Eliminierung abwartenden Bietens oder Regeln zur Erschwerung manipulativen Verhaltens. Varianten ihrer Auktion wurden auch bei den deutschen Versteigerungen von Telekommunikationslizenzen eingesetzt. Seither hat sich insbesondere Paul Milgrom um die Entwicklung praktikabler Auktionsverfahren für zunehmend komplexe Situationen verdient gemacht. Die jüngste war eine Frequenzauktion 2017, bei der die Regierung USA-weit Frequenzspektrum-Lizenzen von Fernsehsendern zurückgekauft und an Firmen zur modernen Nutzung verkauft hat - wobei die gekauften oft lokalen Frequenzbündel zwischen Kauf und Rückkauf möglichst wertsteigernd in neue Frequenzbündel umgepackt wurden.

Die Preisträger haben nicht nur die Auktionsforschung entscheidend beeinflusst, sondern die gesamte theoretische Mikroökonomie. Von Wilsons Schülern erhielten neben Milgrom bereits Al Roth (2012) und Bengt Holmström (2016) Nobelpreise. Er ist Mitbegründer der Sicht des Ökonomen als Ingenieur, der Märkte aktiv gestaltet, was sich unter dem Begriff Marktdesign etabliert hat. Beide Preisträger lehren uns, was die grundlegenden Prinzipien einer zielgerechten Marktgestaltung sind und wie man die Herausforderungen der praktischen Umsetzung meistert.

Prof. Dr. Karl-Martin Ehrhart, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Dr. Marion Ott, ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim

Prof. Dr. Karl-Martin Ehrhart , Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Dr. Marion Ott , ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim
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