Bundesgerichtshof

BGH-Bankensenat: Festhalten am "Darlehenszins-Dogma"

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Nach der stringenten AGB-Rechtsprechung des Bankensenats des BGH dürfen Kreditinstitute für ihre Darlehen "formularmäßig" nur laufzeitabhängige (Zins-)Vergütungen erheben. Andere Entgelt- und Gebührenabsprachen sind nur wirksam, wenn sie auch hinsichtlich des grundsätzlichen Anfallens ernsthaft mit dem Darlehensnehmer im Einzelfall ausgehandelt worden sind. Diese Linie ist inzwischen zum "Dogma" geworden, das die Kreditinstitute dazu zwingt, alle internen und externen Aufwendungen im Darlehensgeschäft in den Zins "einzupreisen" oder sie - der BGH toleriert das - in ein Disagio zu verlagern.

Rechtsgrundlage dieses "Dogmas" ist für den BGH § 307 Absatz 2 Ziffer 1 BGB. Diese Bestimmung erklärt eine AGB "im Zweifel" für unwirksam, wenn sie "mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist". § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB benennt als vertragstypisch und daher als "wesentlichen Grundgedanken" des Darlehensvertrags die Zahlung des "geschuldeten Zins". Daraus leitet der BGH ab, dass nicht als "Zinsen" geltende, insbesondere von der Laufzeit unabhängige formularmäßige Zahlungspflichten im Zweifel unwirksam sind. Sie würden den Kunden des AGB-Verwenders "entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (benachteiligen)".

Angesichts der stets wiederholten Bestätigung dieser Linie würde die Replik ergebnislos sein, dass § 488 BGB im Grunde nur ein (nicht notwendig vollständiges) "Gerüst" für den Darlehensvertrag bilde und dass die Verfasser des BGB dabei primär Privatdarlehen im Blick gehabt hätten, nicht aber das heutige bankmäßige Kreditgeschäft mit seinen zahlreichen Varianten. Urteile zu diesem Komplex erwecken insoweit manchmal Zweifel, ob das Gericht auch bedacht hat, wie das weitgehend standardisierte Bankgeschäft in der Praxis heute abläuft.

So zum Beispiel, wenn in dem jüngsten einschlägigen BGH-Urteil vom 5. Juni 2018 (XI ZR 790/16, abgedruckt unter anderm in ZIP 2018 S.1389) zur wirksamen Vereinbarung von Zinscap-Prämien verlangt wird, ein "Aushandeln (solcher Gebühren) könne nur angenommen werden, wenn die Bank den in ihren AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt hat mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen". Wie soll solches aber heute im standardisierten Mengengeschäft gelingen?

"Dogmagemäß" hat der BGH in dem genannten Urteil zugunsten eines Verbraucherverbandes entschieden, dass die von einer Bank in Darlehensverträgen mit variablem Zinssatz verwendeten Prämien- beziehungsweise Gebührenklauseln: "Zinscap-Prämie ...% Zinssatz p.a. ...% variabel - Bis zum ... beträgt der Zinssatz mindestens ...% und höchstens ...% p.a." sowie Zinssicherungsgebühr ...% Zinssatz p.a. ...% variabel - Bis zum ... beträgt der Zinssatz mindestens ...% p.a. und höchstens ...% p.a." gegenüber Verbrauchern unwirksam sind. Die Bank habe trotz Bereitschaft, über die Zins- ober- und -untergrenzen zu verhandeln, den Kerngehalt der streitigen Klauseln nicht zur Disposition gestellt beziehungsweise den Kunden Gestaltungsmöglichkeiten dazu eingeräumt. Es handele sich um "laufzeitunabhängige (Teil-)Entgelte für ein Darlehen, die dem Zins-Leitbild des § 488 Abs.1 Satz 2 BGB nicht entsprechen, das (nur) den Zins als Gegenleistung vorsehe. Zins in diesem Sinne ist aber - so der BGH - "nur die nach der Laufzeit des Darlehens bemessene gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung" für die Kapitalnutzung. Die Banken werden das "Dogma" des BGH nun auch bei nicht konkret voll ausgehandelten Zinscap-Prämien und Zinssicherungsgebühren akzeptieren und ihren Aufwand in den Zins einkalkulieren müssen. Auch hier gilt: "Karlsruhe locuta - causa finita! RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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