Kreditgenossenschaften I

An der Grenze

Übernahmen sind für die Frankfurter Volksbank wahrlich nichts Besonderes mehr. Vielmehr stehen sie seit Jahren quasi auf der Tagesordnung, um der Enge der Frankfurter City zu entfliehen. Annähernd zwei Dutzend waren es in den vergangenen fast dreißig Jahren. Nun schließen sich das mit einer Bilanzsumme von 12,3 Milliarden Euro deutlich größere Institut aus dem Rhein-Main-Gebiet und die 424-Millionen-Euro schwere VR-Bank Alzenau zusammen. Zunächst auf Kooperationsbasis, bevor dann im April 2021 den Eigentümern die Entscheidung zur Fusion vorgelegt werden soll. Spätestens Ende 2021 soll die Übernahme technisch vollzogen sein. So der Plan.

Ausgegangen ist diese jüngste Akquisition der Frankfurter Volksbank von den Unterfranken. Bereits seit Anfang dieses Jahres - also schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie - gingen die Alzenauer auf Partnersuche und klopften neben den Nachbarvolksbanken - was naheliegender wäre - auch bei der Vorstandschefin in Frankfurt, Frau Wunsch-Weber, an. Zu sehr lasten Niedrigzinsen, Regulatorik und Modernisierungsaufwand auf der VR-Bank Alzenau, wie die Vorstandsvorsitzende Sigrid Werner ausführte. Mit Frau Wunsch-Weber wurde schon in den ersten Gesprächen große Übereinstimmung festgestellt. Wie in den vielen Fusionen zuvor erprobt, soll die Integration sanft vonstattengehen. Dabei profitieren die übernommenen Häuser von der Stärke und Leistungsfähigkeit der großen Frankfurter Volksbank, behalten vor Ort aber weitgehend ihr eigenes Erscheinungsbild. Business as usual könnte man also meinen.

Und doch ist es dieses Mal ein kleines bisschen anders. Denn das Geschäftsgebiet der VR-Bank Alzenau erstreckt sich über die unterfränkischen Gemeinden Alzenau, Karlstein, Schöllkrippen und Kleinostheim, die allesamt zum Landkreis Aschaffenburg und damit Bayern gehören. Eine Fusion über Ländergrenzen hinweg ist für den genossenschaftlichen Sektor zumindest sehr ungewöhnlich. Als Entgegenkommen wird die Frankfurter Volksbank künftig im Rahmen einer Doppelmitgliedschaft sowohl wie bisher dem Genossenschaftsverband - Verband der Regionen und dem Bayerischen Genossenschaftsverband angehören. Immerhin konnte eine Sprungfusion vermieden werden, da der östliche Zipfel des Geschäftsgebietes der ehemaligen Volksbank Hanau sanft an den nordwestlichen der VR-Bank Alzenau stößt. Zwar werden die Nachbarbanken über den neuen "Großbanker" in ihrer Region nicht erfreut sein. Aber keine von diesen war groß genug, einen Zusammenschluss mit den Alzenauern selbst zu stemmen. Da blieb nur der Blick ins Rhein-Main-Gebiet. Überhaupt Größe: Eva Wunsch-Weber machte sehr bestimmt deutlich, dass die Heimat der Frankfurter Volksbank das Rhein-Main-Gebiet sei. Dieses sei klar umrissen, so die Vorstandschefin der nunmehr zweitgrößten echten Volksbank in Deutschland. Und auch auf die Frage der Gefahr der Größe für die so wichtige Regionalität hatte sie ein Antwort: Nähe sei ein gestaltbarer Faktor. So gebe es weder Privat- noch Firmenkundenvorstand in ihrem Haus, sondern jedes Vorstandsmitglied habe die Verantwortung für einen klar definierten Markt.

Trotz der selbst auferlegten regionalen Beschränkung wird dieser Zusammenschluss nicht der letzte für die emsige Frankfurter Vorstandschefin bleiben. Und er ist ein weiterer Beleg für die fortschreitende Konsolidierung innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe, die aktuell noch etwas mehr als 800 Institute zählt. Wie sagte ein Vertreter dieser Bankengruppe mal so schön: "Früher lud der Landrat ein und es kamen zehn Vorstandsvorsitzende der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Heute lade ich ein und es kommen acht Landräte."

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