Zentralbanken II

Gut gewählt

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Bei der grundsätzlichen Einteilung der Geldpolitiker wird gerne die Analogie von Tauben und Falken bemüht. Wobei die Tauben für eher expansiv ausgerichtete Geldpolitiker als Metapher stehen sollen und die Falken als Bild für die stabilitätsorientierten Geldpolitiker. Wie in der echten Fauna auch sind im Direktorium der Europäischen Zentralbank die Tauben in großer Zahl vorhanden, während man Falken nur (noch) sehr selten zu Gesicht bekommt. Am 20. Oktober 2021 gab der letzte wirkliche Falke im Direktorium der EZB, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, zum Schrecken vieler Akteure in der deutschen Finanzindustrie sein vorzeitiges Ausscheiden zum Jahreswechsel 2021/2022 bekannt. Genau zwei Monate später verkündete der neue Finanzminister Christian Lindner, ganz in bester Paradiesvogel-Trump-Manier gezwitschert via Twitter, dass sich die Ampel-Koalition auf Joachim Nagel als Nachfolger von Weidmann geeinigt hatte.

Nagel ist keine unbekannte Persönlichkeit in der Finanzbranche und vor allem auch nicht in der Bundesbank. Bereits von 2010 bis 2016 war das "Rotkehlchen" - Nagel hat das SPD-Parteibuch - bereits Mitglied des Vorstands. Im Anschluss war er bis 2020 im Vorstand der KfW-Bankengruppe und danach in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) tätig. Gleichzeitig haftet ihm der Ruf an, eher ein Falke als eine Taube zu sein. Damit schürt er Hoffnungen, die stabilitätsorientierte Politik der Bundesbank in guter Tradition fortzuführen. Dementsprechend fielen die Reaktionen der Bankenverbände positiv aus: "Die Ernennung von Joachim Nagel passt zur Rolle Deutschlands als 'Stabilitätsanker in Europa', wie sie die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat", merkte beispielsweise Christian Sewing in seiner Rolle als Präsident des BdB an. Auch BVR und DSGV ließen nicht lange mit erfreut klingenden Statements auf sich warten. Doch die Freude in Bankenkreisen dürfte eher der Erleichterung geschuldet sein, dass die geldpolitische Lage nicht noch schlimmer wird, denn einer echten Hoffnung auf eine Wende. Gerade die letzten Zinsbeschlüsse der Zentralbanker haben wieder gezeigt, dass ein Exit aus der expansiven Geldpolitik in der Eurozone keinen Mikrometer näher gekommen ist.

Bei aller Freude über die gelungene Personalie - was sie völlig zweifelsfrei ist! - beschleicht einen ein gewisser Fatalismus, dass auch ein Joachim Nagel nichts an der Geldpolitik der EZB ändern wird. Man muss sich ja auch nur einmal in Erinnerung rufen, warum Weidmann frühzeitig aufgegeben haben dürfte: Es wird eine gewisse Portion Verzweiflung dabei gewesen sein, dass trotz immer heftigerer Anzeichen von vermeintlich vorübergehender Inflation und jahrelangem Ankämpfen gegenüber zu laxer Geldpolitik sich nichts auch nur im Geringsten am wilden Treiben im "Taubenschlag" im Frankfurter Ostend, unter dem Sparer und Banken nun schon viele Jahre leiden, geändert hat. Es wird sich zeigen, ob Nagel mit der gleichen Ausdauer und Konsequenz wie Weidmann den Mahner im EZB-Direktorium geben kann oder ob er schon viel früher an seine Grenzen kommen wird. Zwar bekommt er im Gegensatz zu Weidmann Argumentationshilfe aus den USA und Großbritannien - allerdings sind die Währungsräume natürlich strukturell nicht mit der Eurozone vergleichbar, was leider wohl auch als Argument gegen einen Kurswechsel instrumentalisiert werden dürfte. So bleibt zu befürchten, dass sich weder für die Banken noch für die Sparer in absehbarer Zukunft etwas ändern wird.

Die Wahl von Nagel zeigt auch erneut das (noch) harmonische koalitionspolitische Zusammenwirken der Ampel. Schließlich konnte auch Lindner ohne Gesichtsverlust einem SPD-Kandidaten zustimmen.

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