Blockchain

Immobilien-Tokens - Substanz bleibt entscheidend

Das Leben steckt bekanntlich voller Überraschungen, die mitunter auch noch höchst ironisch sind. Die Geschichte der Blockchain ist dafür ein Paradebeispiel. Denn als Satoshi Nakamoto, dessen Identität bis heute ein Rätsel ist, 2008 den Bitcoin erfand, tat er dies aus tiefem Misstrauen gegenüber dem bestehenden Finanzsystem und dessen Hauptakteuren, den Banken. Was er dabei nicht ahnen konnte, ist, dass es genau diese Banken sein würden, die seitdem die dem Bitcoin zugrunde liegende Blockchain-Technologie geradezu euphorisch erforschen, erproben und zur Anwendung bringen. Anstatt sie also überflüssig zu machen, verheißt die Technologie den Kreditinstituten scheinbar gänzlich neue Handlungs- und Wachstumsoptionen. Mit zu den jüngsten "Experimentierwiesen" gehört dabei die Tokenisierung von Immobilieninvestments, zu der nun die Hamburg Commercial Bank (HCOB) zusammen mit dem Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) erstmals eine Bestandsaufnahme vorgenommen hat.

Ihr vielversprechendes Fazit: "Die Tokenisierung von Immobilien auf Blockchain-Basis hat das Potenzial, den konservativen Immobilienmarkt zu revolutionieren." Denn mithilfe der Technologie ließen sich einerseits die Kosten für die Emittenten reduzieren, und andererseits - dank der Teilbarkeit in kleinste und handelbare Einheiten - deutlich mehr Anleger erreichen. Die Autoren um Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der HCOB, sowie Prof. Dr. Phi lipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Centers, halten aber auch fest, dass aus heutiger Sicht noch wichtige Voraussetzungen, beispielsweise digitale Grundbücher (im Idealfall ebenfalls auf Blockchain-Basis) und liquide Sekundärmärkte fehlten, um das gesamte Potenzial tokenisierter Immobilien auszuschöpfen. Grundsätzlich unterscheidet die Studie zwischen einer engen Definition der Tokenisierung, bei der die Immobilie selbst tokenisiert wird, und einer weiten Auslegung, die nachrangige Darlehen oder Wertpapiere umfasst, aus denen sich der Anspruch auf einen Teil des Cashflows einer Immobilie ableiten lässt, der tokenisiert oder digital verbrieft wird. Letztere Variante ist zumeist gemeint, wenn von tokenisierten Immobilien die Rede ist. Und interessanterweise spielt Deutschland - ansonsten ja nicht unbedingt für seine digitale Vor reiterrolle bekannt - an dieser Stelle ganz vorn mit. So stammen immerhin sechs der insgesamt 41 Unternehmen, die weltweit bereits Immobilien tokenisiert haben, aus Deutschland. Lediglich die USA weisen mit 13 Unternehmen eine noch höhere Aktivität auf. Lob gebühre laut Sandner an dieser Stelle der BaFin, die das Thema sehr aufgeschlossen begleite.

Genau diese Aufgeschlossenheit empfiehlt de la Rubia unterdessen auch Banken und Fonds. Vor allem für die Anbieter von traditionellen Immobilienfonds könnte seiner Einschätzung nach eine zunehmende Tokenisierung von Assets bedeuten, dass sich der Wettbewerb schon bald deutlich intensivieren wird. Denn im Idealfall winkten überdurchschnittliche Renditen bei geringeren Kosten. Auf der anderen Seite darf man bei Immobilieninvestments aber natürlich nie die Risiken außer Acht lassen. De la Rubia hat in diesem Zusammenhang insbesondere auch die vielen jungen Kleinanleger im Sinn, die seit Kurzem äußerst sorglos mithilfe sogenannter Non-Fungible Tokens (NFT) in digitale "Kunstwerke" investieren. "Tokenisierung sagt zunächst einmal rein gar nichts aus über die Qualität der zugrunde liegenden Immobilie", mahnt de la Rubia völlig zu Recht eine gründliche Due Diligence an. Da diese gerade der Generation Z aber nur schwer zu vermitteln sein dürfte, sollte das Motto am Ende vielleicht doch lieber weiterhin ganz klassisch "UniImmo" anstatt "BlockImmo" lauten.

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