Bankgeschichte

Macht, Vernunft und Engagement

Michael Altenburg, Foto: Studio Ecker

Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bank AG, Dr. Alfred Herrhausen, wurde am 30. November 1989 bei einem Sprengstoffattentat auf seinen Dienstwagen bei der Fahrt von seinem Haus in Bad Homburg zur Bank getötet.

Herrhausen war alles andere als ein typischer Banker. Er war ein Quereinsteiger, der als erfolgreicher Industriesanierer auf Fürsprache des Vorstandsprechers Friedrich Wilhelm Christians mit kaum 40 Jahren in den Vorstand der Deutsche Bank eingeladen wurde. Er folgte nach dem Aufstieg von Vorstandssprecher Wilfried Guth in den Aufsichtsratsvorsitz in dessen frühere Zuständigkeit für das Emissionsgeschäft und wurde zum Co-Vorstandssprecher neben Christians.

Seine neuen Aufgaben machten ihn auf die globale Dominanz der angelsächsischen und japanischen Banken aufmerksam. Als er sich im Mai 1988 als alleiniger Vorstandssprecher durchsetzte, leitete er eine radikale Umstrukturierung des bislang überwiegend vom inländischen Kreditgeschäft geprägten Deutsche Bank Konzerns ein mit der Zielsetzung, die zunehmend international vernetzten deutschen Unternehmen mit Finanz- und Beratungsdienstleistungen weltweit unterstützen zu können.

Damit überforderte er viele seiner Kollegen, die sich überwiegend im deutschen Kreditgeschäft hochgearbeitet hatten, sodass sich im 12-köpfigen Gesamtvorstand zunehmend Widerstände aufbauten. Auch bei seinem ursprünglichen Förderer Christians riss der Faden, als sich Herrhausen auf der Jahrestagung des IWF 1987 für einen Schuldenerlass gegenüber den ärmsten Ländern der Dritten Welt aussprach. Die amerikanischen Banken, damals überwiegend stärker in der Dritten Welt exponiert und weniger gut gepolstert als die Deutsche Bank, fühlten sich vorgeführt und angegriffen. Eine akute Bedrohungsstufe wurde mit dem wahrscheinlicher Werden einer Wiedervereinigung der beiden Deutschland erreicht: Eine mögliche Verdoppelung der wirtschaftlichen, politischen, militärischen und finanziellen Macht des deutschen Nachbarn war für Präsident Mitterand wie Premierministerin Thatcher ein Albtraum. Mächtige Feinde hatte Herrhausen also genug, auch in der Bank.

Er selbst scheint mit sich trotz heftiger Anfeindungen von Kollegen und Politikern im Reinen gewesen zu sein, was mit seinem Selbstverständnis von Pflicht und Verantwortung in einer Position außerordentlicher Macht zu tun hatte. Dieser Pflicht entsprach er mit Disziplin, Zuversicht und Entscheidungsbereitschaft. Das Bemerkenswerte war sein Bekenntnis zum Gemeinwohl in einem sehr radikalen, weltweiten Sinn, also zur Respublica und nicht zur Bottom Line der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Bank.

Das war für Herrhausen keineswegs ein Gegensatz, sondern Ergebnis des konsequenten zu Ende Denkens von wirtschaftlich-gesellschaftlichen Problemlagen und deren Lösung. Das klingt nach alternativloser, autistischer Expertokratie, die einen demokratischen Zielfindungs- und Kontrollprozess vollkommen erübrigt. In Wahrheit indessen traf für Herrhausen das Gegenteil zu, da er immer den Dialog auch mit den jeweiligen Vertretern konträrer Auffassungen suchte und bei Kritik und abweichenden Vorschlägen sehr geduldig und genau zuhörte. Er praktizierte und warb für den "herrschaftsfreien Dialog".

In jedem Fall bedeutet Engagement, sonst wäre es ja nicht nötig, Widerspruch gegenüber dem dominanten Mainstream und ist daher notwendig immer politisch - auch wenn unsere nur zu gut eingeschliffene Netzwerkdenke das Gegenteil nahelegt. Das setzt nicht nur vernünftiges, selbstständiges Denken bis zum Ende voraus, sondern auch Mut. Alfred Herrhausen war und bleibt noch heute für beides Vorbild.

Michael Altenburg, Luzern

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
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