Geldpolitik II

Tanz auf dem Vulkan?

Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe haben sich ausführlich mit den zusammenhängenden Themen Inflation und Geldpolitik beschäftigt und in gleich zwei Veranstaltungen ihre Sicht der Dinge dargestellt. So sei der im ersten Halbjahr festzustellende Anstieg der Verbraucherpreise zwar zur Hälfte auf Basiseffekte zurückzuführen und auch Änderungen im Warenkorb haben demnach ihren Anteil daran. Allerdings werden auch im zweiten Halbjahr Basiseffekte zu spüren sein. Dazu gesellen sich das Chaos in der weltweiten Container-Logistik, das durch die Havarie der Ever Given im Suezkanal verursacht und durch Corona noch verschärft wurde, und andere Nachfrage- und Angebotsverwerfungen durch die Pandemie. Wie Bloomberg berichtet waren Ende Mai 2021 die Preise für den Transport eines 40-Fuß-Containers von Asien nach Europa auf über 10 000 US-Dollar gestiegen, was einem Anstieg um 485 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Manche Einzelhändler in Deutschland warnen schon, dass sie kaum noch Waren bekommen und dass die Preise deutlich steigen werden.

Zudem steigen die Erzeugerpreise für industrielle Güter im hohen einstelligen Prozentbereich, unter anderem durch höhere Rohstoffpreise induziert. Somit ist in der zweiten Hälfte des Jahres in Deutschland weiterhin mit hohen Preissteigerungsraten für den Verbraucher zu rechnen - die Deutsche Bundesbank geht sogar von einer Teuerung um vier Prozent aus. Allerdings zeigen sich die Volkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe überzeugt, dass diese Effekte nur vorrübergehender Natur sein werden und sich die Inflation wieder auf einem niedrigeren Niveau einpendeln wird, das allerdings deutlich über dem Vorkrisenniveau liegen solle. Jedoch wenden die Volkswirte auch ein, dass eine "Beruhigung der Datenlandschaft" von den Corona-Ausschlägen erst in einem Jahr möglich sei und erst dann abschließend beurteilt werden könne, ob die Corona-induzierten Preissprünge eine nachhaltige Inflation in Gang gesetzt haben oder ob diese sich wie erwartet wieder abflacht.

Daher sehen die Experten auch einen Paradigmenwechsel gekommen. Weg von der lange diskutierten Frage "Deflation oder nicht?" hin zu der Frage "Inflation oder nicht?". Sie mahnen daher nicht ganz zu Unrecht an, dass es zu einer "frühzeitigen und sorgsamen Begutachtung der Preisgefahren" durch die Notenbanken kommen müsse. Die größte Gefahr für die Preisstabilität lauert daher auch in der Geldpolitik, die bekanntlich schon eine Weile das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrückt und damit nicht nur den Banken das Leben schwer macht.

Die Frage nach dem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik wurde intensiv diskutiert. Da zunächst erst die verschiedenen Asset-Ankaufprogramme beendet werden müssten, rechnen die S-Volkswirte frühestens 2024 mit Zinserhöhungen - keine gute Nachricht für Banken. Die aktuelle Strategieanpassung der Europäischen Zentralbank hin zu einem symmetrischen Inflationsziel von nun genau zwei Prozent macht zudem klar, dass die EZB auch bei einem Überschießen über diese Marke zunächst nicht reagieren wird.

Doch die Hüter der Preisstabilität sollten es dabei nicht zum sprichwörtlichen Tanz auf dem Vulkan kommen lassen. Wenn die Corona-Wolken verzogen sind und es sich tatsächlich andeutet, dass doch eine nachhaltigere Inflation in Gang gesetzt wurde, könnte ein zu langes Abwarten die Notenbank ihre stärkste Waffe kosten: die Glaubwürdigkeit. Dann würde es ganz schwer werden, eine davonrennende Inflation wieder einzufangen. Die Notenbanker sollten daher die Aufforderung ernst nehmen und ihre Augen sehr wachsam auf die Inflationsdaten richten.

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