Bankenregulierung

Zeit überreif für mehr Verhältnismäßigkeit

Gesetzgeber und Aufsicht in Europa müssen in der Finanzmarktregulierung ihren Kurs korrigieren. Denn die Flut neuer Regeln, die seit der Finanzkrise über die Banken hinweggerollt ist, schert die Institute viel zu oft über einen Kamm. In der Praxis führt das dazu, dass Regulierungsmaßnahmen Regionalbanken im Vergleich zu großen Instituten unverhältnismäßig stark belasten. Allein die von den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zu tragenden Bürokratiekosten haben sich auf mittlerweile 138 Millionen Euro im Jahr hochgeschraubt. So kann es nicht weitergehen. Die vielfältige deutsche Bankenlandschaft erfordert eine angemessene, faire und verhältnismäßige Regelsetzung - eine, die Größe, Geschäfts- und Risikomodell angemessen berücksichtigt. Anders gesagt: Die Zeit ist überreif für mehr Proportionalität - auch um Wachstum und Beschäftigung in der Realwirtschaft nicht zu gefährden. Denn aktuell bremsen die hohen Regulierungskosten den Eigenkapitalaufbau und jeder für Regulierungsmaßnahmen aufgewendete Euro kann nicht mehr thesauriert werden. Das Potenzial der Regionalbanken, Mittelstand und Verbrauchern mit Krediten zu versorgen, wird dadurch perspektivisch eingeschränkt.

Doch wie lässt sich Verhältnismäßigkeit herstellen? Wie können die Regeln auf ein für Regionalbanken verträgliches Maß gebracht werden? Der Genossenschaftsverband Bayern hat sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt und Handlungsempfehlungen in einem Positionspapier (www.gv-bayern.de/verhaeltnismaessige-regulierung) zusammengefasst. Erster Vorschlag: Erhebliches Vereinfachungspotenzial besteht im Beseitigen von überzogenen Offenlegungsvorschriften. Insbesondere die komplexen Anforderungen zur Veröffentlichung bestimmter Kennzahlen in einem Offenlegungsbericht - zusätzlich zum Jahresabschluss - schießen für Regionalbanken deutlich über das Ziel hinaus. So sollen Dutzende Einzelpositionen zu den Eigenmitteln gemeldet werden. Der Aufwand dafür steht bei kleineren Banken jedoch in keinem Verhältnis zum Nutzen. Denn Zielgruppe ihrer Berichte sind in der Regel Privatpersonen und keine institutionellen Investoren oder Ratingagenturen.

Zweiter Vorschlag: Der Wildwuchs bei den Meldevorschriften belastet kleinere Institute zunehmend und sollte auf ein vertretbares Maß gestutzt werden. Bürokraten mögen sich zwar daran erfreuen können, dass manche Firmenkredite demnächst einer vierfachen Meldepflicht unterliegen: im Rahmen des Großkreditmeldewesens, des Millionenkreditmeldewesens, der Kreditnehmerstatistik und der umstrittenen EZB-Datenbank Ana-Credit. Doch für Regionalbanker sind diese Anforderungen ein Ärgernis, weil sie erhebliche Kapazitäten binden, die nicht für das Kundengeschäft zur Verfügung stehen. Deshalb sollte der Aufwand durch eine einheitliche Meldesystematik und einheitliche Meldetermine deutlich reduziert werden. Dritter Vorschlag: Kennziffern, die sich nur schwer ermitteln lassen, aber keinen echten Mehrwert bieten, sind ein weiterer Streichposten. Die Liquiditätskennziffer NSFR zum Beispiel, die eine solide Finanzierungsbasis der Banken sicherstellen soll. Aufgrund ihrer Verbundangehörigkeit erhalten die Volks- und Raiffeisenbanken aber jederzeit ausreichend Liquidität über ihre Zentralbank. Sie sollten deshalb von der Meldung ausgenommen werden. Das gilt auch für die "Leverage Ratio", die bei den eigenkapitalstarken Kreditgenossenschaften lediglich überschaubaren Erkenntnisgewinn bietet.

Fazit: Die Gesetzgeber haben nach der Finanzkrise eine Regulierungswelle mit mehr als 400 Gesetzen und dazugehörigen Durchführungsbestimmungen losgetreten. Sie haben es jedoch versäumt, diese Regeln vorab auf Unzulänglichkeiten abzuklopfen. Neben Inkonsistenzen und Redundanzen zeigt sich nun zunehmend, dass die Vorschriften Regionalbanken oftmals völlig unverhältnismäßig belasten. Das muss korrigiert werden. Eine Gelegenheit dazu bietet unter anderem die von Brüssel geplante Überarbeitung der Regelwerke CRR und CRD IV. Ziel muss es dabei sein, Regionalbanken von Vorschriften zu befreien, die einen hohen Aufwand verursachen, aber keinen wesentlichen Beitrag zur Finanzstabilität leisten.

Dr. Jürgen Gros, Präsident, Genossenschaftsverband Bayern (GVB), München

Dr. Jürgen Gros , ehemaliger Präsident , Genossenschaftsverband Bayern e. V. (GVB), München
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