Redaktionsgespräch mit Herbert Hans Grüntker

"Die Aufgabenteilung zwischen Landesbanken und Sparkassen muss noch konsequenter vorangetrieben werden"

Herbert Hans Grüntker, Vorsitzender des Vorstands, Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, Frankfurt am Main

Bei allem Vertrauen in die richtige strategische Aufstellung seines Haus verweist Herbert Hans Grüntker im Redaktionsgespräch auf unausgeschöpftes Potenzial im Auslandsgeschäft sowie im Private Banking und setzt generell auf qualitatives Wachstum in Nordrhein-Westfalen. Mit Blick auf eine mögliche Intensivierung der Zusammenarbeit von Sparkassen und Landesbanken wie auch Letzterer untereinander registriert der Vorstandsvorsitzende der Helaba noch zusätzliches Optimierungspotenzial. Wenn alle Teile der Wertschöpfungskette, die nicht direkt mit dem Kundengeschäft zusammenhängen, mit einer stärkeren Arbeitsteilung effizienter gestaltet werden, sieht er die Gruppe insgesamt gefestigt und nebenbei noch ihre Argumentationsbasis gegenüber der Aufsicht gestärkt. Die immer wieder aufflackernde Konsolidierungsfrage im Landesbankensektor hält er angesichts der Aktivitäten der vergangenen zehn Jahre für ein gut gepflegtes Vorurteil und verweist darüber hinaus auf die Gestaltungshoheit der verantwortlichen Träger. Speziell in der Unternehmensfinanzierung bescheinigt er der Sparkassenorganisation eine passende Aufstellung für die dezentrale deutsche Wirtschaftsstruktur. (Red.)

Herr Grüntker, was macht die Helaba derzeit besser als Eintracht Frankfurt?

Man sollte immer einen längeren Zeitraum betrachten. Da gab es bei Eintracht Frankfurt deutlich bessere Zeiten und es wird auch wieder bessere Zeiten geben. Dann sind die Helaba und die Eintracht wieder im Gleichklang und beide Leuchttürme für Frankfurt.

Wir drücken die Daumen. Wie beurteilen Sie das Abschneiden Ihres Hauses in der Spielzeit 2015?

2015 war für die Helaba ein Jahr, mit dem wir durchweg zufrieden sein können. Mit einem Ergebnis von 596 Millionen Euro vor Steuern konnten wir fast an das bisherige Rekordjahr 2014 heranreichen. Nach Steuern ist das Ergebnis sogar höher als im Vorjahr.

Wie begann die neue Saison?

Das Kundengeschäft läuft weiterhin gut, die Kapitalmärkte sind aber sehr volatil.

Sie hatten also alles in allem gute Startbedingungen?

Ich kann mich nicht beklagen. Ich führe ein gut aufgestelltes und stabiles Haus.

Überraschungen dürfte es für Sie aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit ohnehin kaum gegeben haben?

Da ich das Privileg genießen durfte, fast acht Jahre lang als Gast an allen Vorstandssitzungen und an allen Sitzungen des Risikoausschusses der Helaba teilzunehmen, wäre es sehr erstaunlich, wenn es nun für mich noch Überraschungen geben würde.

Welche Segmente der Bank machen Ihnen derzeit besondere Freude, wo gibt es eventuell an der ein oder anderen Stelle noch Feinjustierungsbedarf?

Diese Bank hat ein erfolgreiches Geschäftsmodell, das sich bewährt hat. Es ruht auf den bekannten drei Säulen: der Geschäftsbank, der Verbundbank und der Förderbank. Die Geschäftsbank verzeichnete in den vergangenen Jahren durchweg eine sehr erfreuliche Entwicklung. Das Gleiche können wir auch über die Verbundbank und die Entwicklung der Verbundquoten sagen. Die Helaba hat seit 2012 die Verbundbankfunktion für mehr als 160 Sparkassen, das entspricht 40 Prozent der öffentlich-rechtlichen Primärinstitute in Deutschland. Und trotz der bereits erfreulichen Entwicklung gibt es immer noch weitere gute Möglichkeiten, die Zusammenarbeit mit den Sparkassen zu intensivieren und diese Säule noch stärker zu machen, als sie momentan schon ist. Die Wirtschafts- und Infrastrukturbank hatte 2015 ebenfalls ein sehr erfolgreiches Jahr.

Was das Portfolio betrifft, muss ich mir momentan also keine akuten Sorgen machen. Unabhängig davon darf aber nie vergessen werden, dass man stetig am Profil des Geschäftsmodells arbeiten sollte. Dies gilt insbesondere in Zeiten, in denen Wachstum aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen nicht die einfache Lösung sein kann.

Wo sehen Sie konkrete Wachstumschancen im Verbundgeschäft?

Zunächst im Geschäftsgebiet Nordrhein-Westfalen: Nach dem Ausscheiden der WestLB aus dem Markt, sind wir prädestiniert dafür, deren Rolle des Platzhirsches zu übernehmen. Hier liegen vor allem Möglichkeiten für qualitatives Wachstum, denn die Chancen auf rein quantitatives Wachstum sind für den gesamten Bankensektor, wie bereits erwähnt, begrenzt.

Anders als in anderen Konstellationen ist die Wirtschafts- und Infrastrukturbank in Hessen Teil der Landesbank: Ist diese Struktur ein Stück weit Träger des Erfolgs?

Ein integriertes Geschäftsmodell, das von allen Beteiligten gestützt wird, hat auf jeden Fall seine Vorteile. Denn so wird die Förderbank nach den Kriterien einer Bank geführt und gesteuert. Davon profitiert die WI Bank. Die Förderprogramme, die auf den Weg gebracht werden, zeigen entsprechende Nachfrage und positive Wirkung. Und auch der wirtschaftliche Erfolg kann sich im Vergleich mit den anderen Instituten sehr gut sehen lassen.

Hat der politische Einfluss auf öffentlichrechtliche Banken in den vergangenen Jahren zugenommen, abgenommen oder ist er unverändert geblieben?

Diese Frage kann ich nur für die Helaba beantworten. In der Zusammenarbeit mit den politischen Akteuren ist hier ein hohes Maß an Sachorientierung und Vertrauen gegeben. Das hat der Helaba in all den Jahren sehr gut getan.

Kritiker sagen, die Helaba sei zu immobilienlastig, wo irren diese?

Blickt man aus großer Höhe auf die nackten Geschäftszahlen, zeigen sich zwei Dinge: Zum einen liefert das Geschäftssegment Immobilien mit fast 40 Milliarden Euro den Großteil unseres Kundenkreditgeschäfts. Zum anderen trägt dieses Segment maßgeblich zum Ergebnis dieser Bank bei. Daraus könnte man auf den ersten Blick schließen, wir seien sehr immobilienlastig.

Man darf bei dieser Betrachtung aber nicht vergessen, dass das Portfolio an Immobilienkrediten sehr ausgewogen und diversifiziert ist. Dies bezieht sich auf die Diversifikation zwischen den verschiedenen Teilmärkten wie Wohnen, Retail, Büro und Logistik, zwischen großen und kleineren Ausleihungen und zwischen Inland und Ausland. Zum anderen stammt ein erklecklicher Teil des Ergebnisses von unserer Tochter GWH Wohnungsgesellschaft mbH Hessen, die seit 1924 am Markt ist und aktuell rund 48 000 Wohnungen verwaltet. Das ist ein sehr stabiles Geschäft. Der zweite, genauere Blick lohnt sich also.

Ich halte die Position der Helaba im Immobiliengeschäft für eine Stärke unseres Hauses. Wir zählen zu den Marktführern und das ist eine komfortable Position.

Das heißt, Sie brauchen keinerlei Bedenken wegen ungünstiger Preisentwicklungen bei Immobilien generell in Ballungszentren oder dem Rhein-Main-Gebiet im Speziellen zu haben?

Wie gesagt, unser Portfolio ist stark diversifiziert. Und auch bei der Risikobetrachtung und der Beleihungspolitik haben wir in den vergangenen Jahren keine Abstriche gemacht, diese sind nach wie vor sehr konservativ.

Spüren Sie, dass Geschäft durch Ihre strikte Risikopolitik zu anderen, weniger stringenten Wettbewerbern abwandert?

Nein, denn wir sind Marktführer, wir sind in den Märkten sehr gut vernetzt und wir können Transkationen schnell und zuverlässig abwickeln. Das sind echte Assets. Mit diesem Know-how-Vorsprung können wir größtenteils kompensieren, was Wettbewerber auf der Konditionenseite, sei es preislich oder bei den Risikoanforderungen, anbieten.

Glauben Sie generell, dass Banken aufgrund der niedrigen Zinsen gezwungen werden, höhere Risiken einzugehen? Jens Weidmann hat jüngst solche Befürchtungen geäußert.

Hier kann ich nur für unser Haus sprechen, und wir nehmen keine Abstriche an unserer Risikoeinstellung vor.

An anderer Stelle, im Auslandsgeschäft, wird die Helaba sehr gelobt. Welche Bedeutung hat dieses Segment inzwischen für Ihr Haus wie für die ganze Sparkassen-Finanzgruppe?

Dies ist ein gutes Beispiel für die funktionierende Zusammenarbeit von Landesbanken und Sparkassen und ein Geschäftsfeld mit sehr viel Potenzial. Die Aufgabe ist es, gemeinsam den insgesamt niedrigen Marktanteil der Sparkassen-Finanzgruppe im Auslandsgeschäft auszubauen. Die Sparkassen haben die Kundenkontakte. Darauf müssen effiziente Prozesse aufsetzen und daraus müssen sinnvolle Produkte und Lösungen für die Kunden resultieren. Die notwendige Skalierung und Effizienz kann ein zentraler Dienstleister am besten darstellen. Dafür kooperiert die Helaba unter anderem mit der Bank of New York Mellon und den 25 Großsparkassen sowie den Sparkassen im Verbundgebiet. Am Ende des Tages entscheidet der Kunde, welches Angebot er annimmt.

Sie sprechen von einem zentralen Dienstleister: Wie ist das für die Zukunft angedacht, können sich auch andere Landesbanken diesem Projekt anschließen?

Ich sprach von einem zentralen Dienstleister für unsere 164 Sparkassen mit insgesamt 40 Prozent Marktanteil. Da haben wir derzeit genug zu tun und ausreichendes Potenzial, Marktvolumen zu gewinnen. Natürlich freue ich mich, wenn unsere Leistungsfähigkeit auch von Sparkassen außerhalb unseres Verbundgebietes wahrgenommen wird.

Viele Banken dünnen derzeit ihre Korrespondenzbankennetze aus, gibt es derartige Überlegungen auch bei der Helaba?

Unser Korrespondenzbankennetz ist deutlich kleiner als das der großen internationalen Banken. Da besteht keine unmittelbare Notwendigkeit, das Netz auszudünnen. Insgesamt ist das Thema aber durchaus heikel für die Kreditwirtschaft, da in bestimmten Regionen die Aspekte der Compliance eine zunehmende Herausforderung darstellen.

Machen Sie die starke Stellung der Helaba im Verbundgeschäft und Ihre eigenen Erfahrungen zu einem gefragten Ansprechpartner in der Sparkassen-Finanzgruppe?

Ich fühle mich nicht vernachlässigt und bin nicht unzufrieden.

Wo sehen Sie mit Blick auf die Herausforderungen für die S-Finanzgruppe Handlungsbedarf?

Erstens ist die dezentrale Aufstellung der Sparkassen-Finanzgruppe eines ihrer Kernmerkmale, das einen starken Wettbewerbsvorteil mit sich bringt. Das dezentrale Unternehmertum vor Ort und die Betreuung der Kunden in der Region sind und bleiben Kern unseres Erfolgs. Aber die Gruppe merkt auch, dass sie bei einigen Fragestellungen, die sich gerade aus dem aktuellen Umfeld ergeben, mit ihrer dezentralen Aufstellung an Grenzen stößt. Es müssen also zentrale Lösungen gefunden werden. Paydirekt ist ein aktuelles Beispiel. Auch die bei der Sparkassen Rating und Risikosysteme GmbH angedockten Steuerungskreise Rating und Banksteuerung, die Sparkassen bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen unterstützen, zeigen, dass es gute und richtige zentrale Antworten gibt.

Zweitens wird sich die Zusammenarbeit von Sparkassen und Landesbanken verändern. Die Aufgabenteilung muss noch konsequenter vorangetrieben werden. Die Stärke der Sparkassen ist die Kundenbetreuung vor Ort. Alle Teile der Wertschöpfungskette, die nicht direkt mit dem Kundengeschäft zusammenhängen, müssen hingegen sehr effizient gestaltet werden. Die Gruppe sollte noch einmal genau analysieren, ob in diesem Sinne die Arbeitsteilung bereits optimal ist. Der Sparkassensektor fordert gegenüber der Aufsicht zu Recht die konsequente Anwendung des Prinzips der Proportionalität. Hauptargument ist, dass sich das Geschäftsmodell einer Primärbank substanziell vom Geschäftsmodell einer großen Geschäftsbank unterscheidet. Auch unter diesem Gesichtspunkt macht eine stärkere Aufgabenteilung zwischen Primärinstituten und Verbundeinrichtungen Sinn - die Effizienz wird erhöht und die Argumentationsbasis gegenüber der Aufsicht gestärkt.

Dem Eindruck nach ist die Stimmung bei den öffentlich-rechtlichen Primärinstituten schlechter als die Lage, denn die Zahlen für 2015 sind in der Regel sehr ordentlich. Trotzdem wachsen die Sorgen: Wie beurteilen Sie die Lage und wie kann ein Haus wie die Helaba da helfen?

Ich darf konkretisieren: Die Stimmung ist schlechter als die aktuelle Lage. Das zeigt aber doch nur, dass sich die Institute bereits heute intensiv mit künftigen Herausforderungen beschäftigen. Und das ist gut so. Denn eine länger anhaltende Niedrigzinsphase sorgt dafür, dass letztendlich die Kernfunktion der Sparkassen, granular Gelder anzunehmen und in ihrem Geschäftsgebiet wieder als Kredite in den Wirtschaftskreislauf zurückzugeben, immer schwieriger, wenn nicht gar unmöglich wird. Primärbanken sind klassische Intermediäre. Der Preis, den sie für diese Leistung bekommen, ist der Zins. Wenn nun aber die Preisbildungsfunktion des Zinses nachhaltig außer Kraft gesetzt wird, stellt dies das Geschäftsmodell infrage und lässt die Kollegen mit gewisser Besorgnis in die Zukunft schauen. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam die Effizienz von Prozessen zu erhöhen und weitere Ertragspotenziale zu erschließen.

Wie viel Schuld daran hat die Europäische Zentralbank mit ihrer unkonventionellen, wenn nicht gar falschen Geldpolitik?

Als EZB-Präsident Mario Draghi 2012 sagte "Whatever it takes", dachten alle, dass dies nun den Staaten in Südeuropa die notwendige Luft zum Atmen verschaffe und die Zeit gebe, um die notwendigen Reformen umzusetzen. Heute müssen wir feststellen: Diese Phase ist weitgehend ungenutzt verstrichen. Von daher ist heute ein Ende der Niedrigzinsphase nicht in Sicht. Und eins muss uns klar sein: Je länger diese außergewöhnliche Situation andauert, umso schwieriger wird der Ausstieg. Es wird viel über "Forward Guidance" der EZB gesprochen, an diesem Punkt des Exitszenarios fehlt sie völlig.

Trotzdem müssen die Häuser gegensteuern und tun dies mit Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen. Erträge zu steigern ist schwieriger, denn Volumenzuwächse sind nicht unendlich möglich und die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft ist nach wie vor in den meisten Häusern sehr groß: Wie kann die Helaba helfen, die Provisionseinnahmen zu erhöhen?

Die Potenziale im Provisionsgeschäft sind groß, aber es bleibt festzuhalten, dass selbst das Heben des gesamten Potenzials die Rückgänge aus dem zinstragenden Geschäft nicht wird kompensieren können. Wo liegen Potenziale? Ein Thema haben wir bereits angesprochen, das ist das Auslandsgeschäft. Das zweite Feld ist das Private Banking. Dies unterstützt die Helaba mit der Frankfurter Bankgesellschaft.

Ihr Vorgänger hat vergangenen Herbst Überlegungen in Richtung eines möglichen Zusammenschlusses mit der Deka Bank geäußert, mit der die Helaba auf manchen Geschäftsfeldern fröhlich konkurriert? Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Ob einzelne Häuser zusammenfinden, ist in erster Linie eine Sache der Träger. Wenn die Träger zu der Auffassung gekommen sind, dass ein Zusammenschluss eine belastbare Option sei, werden sie das Management des betreffenden Institutes beauftragen, diese belastbare Option auszuarbeiten. Zu Ihrer konkreten Frage: Die Gremien der Helaba haben dem Vorstand bislang keinen Auftrag erteilt.

Hat das Thema Konsolidierung der Landesbanken innerhalb der Sparkassen-Organisation den gleichen hohen Stellenwert wie in der Öffentlichkeit?

Es ist ein gut gepflegtes Vorurteil, dass es im Landesbankensektor keine Konsolidierung gibt. Aber es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein gut gepflegtes Vorurteil von der Wirklichkeit widerlegt werden kann: Die Sachsen-LB ist von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen worden. Die Landesbank Rheinland-Pfalz agiert heute als Rheinland-Pfalz Bank ebenfalls unter dem Dach der LBBW. In Düsseldorf gab es mal eine der größten Banken Deutschlands. Das gesamte Verbundgeschäft der ehemaligen WestLB ist bekanntermaßen in der Helaba aufgegangen. Und zu guter Letzt gibt es eine klare Aussage der EU-Kommission zur HSH Nordbank.

Das sind die Fakten. Das heißt, die Konsolidierung hat schon stattgefunden. Und zwar ohne Einschränkungen für die Kunden, vor allem bei der Kreditversorgung der Wirtschaft. Die Landesbanken stemmen hier ein enormes Volumen. Es gibt derzeit in Deutschland perspektivisch noch vier große Landesbanken. Ob das zu viel ist, müssen die Träger entscheiden.

Sie haben es erwähnt, die Helaba hat große Teile der ehemaligen WestLB integriert, von außen betrachtet sehr erfolgreich und völlig geräuschlos: Was sind die Erfolgsfaktoren einer solchen Integration?

Die Außensicht gleicht an dieser Stelle der Innensicht. Die Integration verlief ausgesprochen gut und reibungslos. Folgende Punkte sind dafür wichtig: Erstens eine klare und zügige Definition der notwendigen Anpassungsmaßnahmen. Zweitens ist es besser, schnell achtzig Prozent zu erreichen als über einen längeren Zeitraum hundert Prozent. Denn drittens gilt es, möglichst zügig wieder in einen normalen Betrieb und in normale Abläufe hinein zu finden. Das Schlimmste für alle Beteiligten ist anhaltende Unsicherheit. Das sind meine Erfahrungen hinsichtlich der Integration sowohl der Frankfurter Sparkasse als auch der Verbundaktivitäten aus NRW in die Helaba.

Wie beurteilen Sie den "familieninternen" Wettbewerb unter den Landesbanken, gerade in NRW dürfte die Helaba diesen zu spüren bekommen?

Für Landesbanken gibt es insbesondere bei der Unternehmensfinanzierung kein Regionalprinzip. Von daher begegnet man sich im Markt als Partner oder als Wettbewerber. Und mit Blick auf den sehr hohen Marktanteil der Sparkassen und Landesbanken bei der Kreditversorgung von Unternehmen in Deutschland kann ich keinerlei Einschränkung durch diesen "Wettbewerb" feststellen. Forderungen nach einer weiteren Konsolidierung der Landesbanken auf ein Institut sehe ich dahingehend etwas kritischer als manch anderer. Ich frage mich daher, wer dann die bei Fusionen jeweils frei werdenden Anteile der Finanzierungen übernehmen soll.

Gleiches gilt für die Bestrebungen der Kapitalmarktunion, die Unternehmensfinanzierung in Deutschland bankenunabhängiger und stärker über den Kapitalmarkt aufzustellen. Ich bin sehr gespannt, wie das gelingen kann. Die Beziehung eines mittelständischen Unternehmens zu seiner Hausbank, diese Bezeichnung darf man heute ja wieder gebrauchen, ist deutlich nachhaltiger als zu Investoren über den Kapitalmarkt. Diese nehmen ihr Geld nach Auslaufen der Kapitalmarktinstrumente und gehen, unabhängig von der Situation des Kreditnehmers. In konjunkturell guten Zeiten funktioniert das. Wenn die Lage allerdings schwieriger wird, sehe ich Probleme für die Kreditnehmer und damit für die Volkswirtschaft kommen. Eine langfristige Kundenbeziehung sieht für mich anders aus.

Im Übrigen wundert es mich, dass die Fragen des internen Wettbewerbs immer nur dem Sparkassensektor gestellt werden. Bei den privaten Banken in Deutschland stehen auch verschiedene Banken im Wettbewerb zueinander.

Welche Institute nehmen Sie als Wettbewerber in der Unternehmensfinanzierung generell war?

Wir können uns über Wettbewerb definitiv nicht beschweren. Das liegt auch daran, dass die Unternehmen in der Regel hervorragend finanziert sind, wodurch die Banken um einen kleiner werdenden Markt konkurrieren. Wenn ich an dieser Stelle nicht die Commerzbank und nicht die übrigen Landesbanken erwähnen würde, wäre meine Antwort nicht ehrlich.

Stichwort Konsortialgeschäft: Nimmt die Nachfrage der Sparkassen nach gemeinsamen Finanzierungen generell zu? Und greifen Sie auch auf Partner außerhalb der Sparkassen-Familie zurück?

Insgesamt werden die Finanzierungen größer und stellen höhere Anforderungen an die Professionalität. Dadurch nimmt der Trend zur Syndizierung generell zu. Dies wird verstärkt durch die Suche der Sparkassen, aber auch unserer institutionellen Kunden nach höherrentierlichen Assets. Der Sparkassensektor insgesamt ist passivlastig. In der Vergangenheit war die Gegenanlage für diesen Passivüberhang typischerweise der fünfjährige Pfandbrief. Ein solcher Pfandbrief bringt beim heutigen Zinsniveau gerade noch eine Rendite von null Prozent. Von dieser "Marge" kann niemand leben. Die Alternative ist gutes Kreditgeschäft. Daraus resultiert eine hohe Nachfrage der Sparkassen nach gemeinsamen Finanzierungen. Hier kommt der Helaba nun wieder ihre starke Stellung im Immobilienkreditgeschäft zugute.

Auch institutionelle Kunden haben dieses Geschäftsfeld für sich entdeckt. Diesen bieten wir ebenfalls Beteiligungen an Finanzierungen an. Das ist allemal besser, als sich im originären Geschäft gegenseitig Konkurrenz zu machen.

Gibt es schon eine Marschrichtung, ob die Helaba Negativzinsen für Einlagen verlangen wird?

Hier muss man generell unterscheiden zwischen dem Privatkunden- und dem Wholesale-Geschäft. In letzterem ist der Negativzins im kurz- bis mittelfristigen Bereich und bei größeren Beträgen längst angekommen. Die Geldpolitik der EZB sorgt hier für eine neue Normalität. Das ist eine Herausforderung für alle Banken, denn die Politik der EZB wird noch eine ganze Weile unverändert expansiv bleiben.

Inwieweit verändert diese Entwicklung die Banksteuerung?

Kreditinstitute müssen auf der Refinanzierungsseite schauen, wie sie bei negativen Renditen für besicherte Refinanzierungsmittel wie Pfandbriefe noch Abnehmer finden. Gleichzeitig nimmt der Anlagedruck enorm zu, die Suche nach Rendite auf der Aktivseite wird immer schwieriger. Das ist die große Herausforderung der neuen Normalität.

Sind Sie zufrieden mit der Unterstützung durch die deutsche Politik bei allen Fragestellungen gegenüber Aufsichtsbehörden und europäischen Institutionen?

Die Kreditwirtschaft hat es insgesamt aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht leicht, in allen gesellschaftlichen Bereichen Sympathiepunkte zu gewinnen. Von daher ist es umso wichtiger, Überzeugungsarbeit zu leisten und zu erklären, was bestimmte Entwicklungen in unserer Branche für die wirtschaftlichen Strukturen in Deutschland bedeuten. Nur so kommen wir aus der "Lobbyecke" heraus. Ein Großteil des wirtschaftlichen Erfolgs in Deutschland ist in der dezentralen Aufstellung begründet, die mittelständisch geprägte Aufstellung unterscheidet uns von den meisten anderen europäischen Ländern. Diese besondere Wirtschaftsstruktur spiegelt sich in der Aufstellung der Kreditwirtschaft wider. Auch diese ist dezentral und kleinteilig geprägt. Eines muss jedem klar sein: Wenn die Axt an die Strukturen der deutschen Kreditwirtschaft gelegt wird, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Realwirtschaft.

Aber offensichtlich gelingt es nicht, das den Verantwortlichen Politikern und Regulatoren klarzumachen, denn diese Argumente hören wir seit Jahren und die Regulierungsschraube dreht sich immer enger zu.

Ich fürchte, dass man unsere Argumente erst dann ernst nehmen wird, wenn die Konsequenzen in aller Härte zu sehen und zu spüren sind.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit den Aufsehern der EZB?

Sehr gut und konstruktiv. Wir stellen eine tiefe Kenntnis des deutschen Marktes und des Geschäftsmodells der Helaba fest.

Wie hoch ist der nationale Aufschlag für die Helaba?

Unsere SREP-Quote beträgt 9,25 Prozent und der Aufschlag, der in drei Etappen zu erfüllen ist, beträgt 100 Basispunkte.

Sie haben das aktuelle Umfeld mit seinen verschiedenen Herausforderungen angesprochen: Würden Sie sich eine bessere Koordination von Regulatorik und Geldpolitik wünschen, auch wenn das zwei getrennte Bereiche bei der EZB sind?

Es ist absolut richtig, dass Geldpolitik und Bankenaufsicht zwei streng voneinander getrennte Bereiche sind. Aber was ist das Ergebnis der derzeitigen Handlungen? Das Niedrigzinsumfeld übt unbestritten erheblichen Ertragsdruck aus. Gleichzeitig führt der Regulierungsdruck dazu, dass für das gleiche Geschäftsvolumen mehr Eigenkapital vorgehalten werden muss. Die strengeren Liquiditätsvorschriften führen zu einem Negativbeitrag im Liquiditätsbestand. Gleichzeitig muss erheblich in IT investiert werden, um die Anforderungen der Aufsicht erfüllen zu können. All das führt dazu, dass die Ertragslage der Institute in den kommenden Jahren noch stärker unter Druck geraten wird. Mit Blick auf die kommenden Jahre ist dieser ganzheitliche Blick von großer Bedeutung.

Welche Folgen hat das Ihrer Meinung nach für die Struktur des deutschen Bankensektors, für die Zahl der Institute wie für die Zahl der Beschäftigten in Banken und Sparkassen?

Die Kreditinstitute senken ihre Kosten, indem sie unter anderem Kapazitäten aus dem Markt nehmen. Das hat natürlich Konsequenzen für die Zahl der Beschäftigten, auch wenn zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen neues Personal aufgebaut werden muss. Das hat auch Konsequenzen für die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche, denn auch Filialen werden geschlossen. Die Frage ist, ob Kostensenkungen alleine ausreichen, die Ertragsrückgänge abzufedern. Wo das nicht ausreicht, werden weitere Institute vom Markt verschwinden.

Zu guter Letzt: Welche Botschaften erhoffen Sie sich vom Deutschen Sparkassentag 2016?

Die Sparkassen-Finanzgruppe muss und wird den Sparkassentag in Düsseldorf nutzen, die immense Bedeutung unserer Gruppe für den gesamtwirtschaftlichen Erfolg Deutschlands hervorzuheben.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X