Interview

Redaktionsgespräch mit Helmut Schleweis - "Wir müssen bodenständig und vor Ort unseren Werten treu bleiben."

Wie definieren Sie die Aufgabe eines Bundesobmannes der Sparkassenvorstände?

Die Sparkassenorganisation wird vor Ort von rechtlich selbstständigen Instituten getragen, die mit unabhängigen - und wie ich sie kenne auch selbstbewussten - Vorständen selbstständig entscheiden. Insofern fungiert der Bundesobmann im Wesentlichen als Moderator. Er muss dabei versuchen, hervorragende Solisten, wenn es notwendig ist, in einen abgestimmten Chor einzubinden. Der Bundesobmann ist in den zentralen Gremien und in der Vizepräsidentschaft im DSGV die Stimme der Sparkassen.

Wo sehen Sie sich und Ihre Position im Vergleich zu den Präsidenten der Regionalverbände und dem Präsidenten des DSGV angesiedelt? Fühlen Sie sich auf Augenhöhe?

Heinrich Haasis ist als Präsident des DSGV der oberste Repräsentant der S-Finanzgruppe. Er vertritt die gesamte Organisation nach außen und innen. Allerdings nimmt der DSGV die Interessen der Sparkassenverbände und der Landesbanken wahr. Er kann nicht nur als Vertreter der Sparkassen agieren, auch wenn die Sparkassen unbestritten das Herz der Gruppe sind. Die Regionalpräsidenten sprechen nicht nur für die Sparkassen, sie haben auch die Trägerbelange und die Interessen der Verbundbeteiligungen zu berücksichtigen. Der Bundesobmann vertritt die Sparkassen vor Ort, direkt und pur. Insofern haben alle eine eigene Aufgabenstellung, die sich zweifellos ähnelt, in die gleiche Richtung zeigt, aber sich auch durch gewisse Nuancen auszeichnet.

Zu all diesen handelnden Personen habe ich ein gutes Verhältnis. Die Frage der Augenhöhe beschäftigt mich nicht. Ich denke nicht in Hierarchien, sondern in Aufgabenstellungen.

Was antworten Sie auf die These, ein Banker, der sein ganzes Berufsleben nur bei einem Institut war, kann nicht für alle sprechen?

Wie bei jeder These kann man damit leicht falsch liegen. Meine Vita ist sicher durch die Sparkasse Heidelberg geprägt. Aber darüber hinaus hat mein Lebenslauf neben der sehr guten Aus- und Fortbildung innerhalb der Sparkassenorganisation noch weitere Stationen, die den Weitblick geschärft haben. In den Jahren 1986/1987 war ich im damals ersten Lehrgang seiner Art Absolvent der Führungsakademie des Landes Baden-Württemberg - über eineinviertel Jahre Vollzeit einschließlich eines vierteljährlichen Praktikums im Staats- und im Innenministerium. Dieser Ausbildungsschritt mit gemischter Besetzung aus der Wirtschaft und den Ministerien hat einen sehr tiefen Einblick in die Verwaltung und die Politik sowie in wichtige Unternehmen gebracht.

Daneben habe ich Themen in der Projekt- und Gremienarbeit innerhalb unserer Gruppe mitgestaltet und Aufgabenstellungen auch auf Bundesebene übernommen. So habe ich zum Beispiel seit 2002 den Vorsitz im bundesweiten Anwendungsplanungsausschuss der Sparkassenorganisation inne. Unabhängig von meinem bisherigen Einsatz als Landesobmann ist die überregionale Zusammenarbeit innerhalb des Verbunds für mich also nichts Neues.

Aber wichtiger als die Vita ist für mein Amt, ob man vom Vertrauen getragen wird und ob man dieses durch konkretes Tun rechtfertigen kann.

Wie lässt sich die Dominanz der Baden-Württemberger in wichtigen Ämtern der Sparkassenorganisation erklären?

In der Tat ist zuletzt eine gewisse Häufung registrierbar, aber das ist eine rein zufällige Konstellation. In meinem eigenen Fall lässt sich das am Verlauf der Ansprachen und der Reaktion der Kollegen aus den anderen Landesverbänden auf meine Kandidatur ganz einfach nachvollziehen.

Wollen die anderen Regionalverbände sich personell nicht stärker engagieren?

Das vermag ich nicht zu beurteilen, aber ich glaube es nicht. Das Engagement ist in den anderen Regionen genauso hoch wie in Baden-Württemberg. Die Besetzung von Ämtern hängt nicht so sehr am Regionalproporz, sondern vielmehr an der zeitlichen und personellen Konstellation. Die Sparkassenorganisation hat für jedes Amt mehrere geeignete Persönlichkeiten. Ich selbst habe die Aufgabe als Bundesobmann nicht aktiv angestrebt, und als es mir angetragen wurde, hatte ich gerade eine Woche Urlaub, die ich auch zum Überlegen gebraucht habe. Schon in meiner vorherigen Funktion als Landesobmann war mir die Lösung aktueller Problemstellungen wichtiger als das Amt. Als ich damals angetreten bin, musste ich mir darüber klar werden, neben meiner Aufgabe als Vorstandsvorsitzender einer Sparkasse, das Interesse und die Bereitschaft zu haben, den notwendigen Einsatz für die zusätzliche Aufgabe zu bringen.

Was sind Ihre Ziele als Bundesobmann? Woran wollen Sie sich messen lassen?

Meine Wahl fiel gerade mit den Feierlichkeiten "200 Jahre Sparkassen" zusammen. Als überzeugter "Sparkässler" will ich nun mit dazu beitragen, dass es in 200 Jahren immer noch Sparkassen gibt. Diese Organisation ist gut und unverzichtbar, weil sie in ihrer Dienstleistungsfunktion Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Sparkassen wollen und sollen nicht ausschließlich nur Gewinn erwirtschaften, sondern sie haben vor allem einen öffentlichen Auftrag. Meiner festen Überzeugung nach hängt die Stärke unseres Wirtschaftssystems in Deutschland maßgeblich mit den drei Säulen in der Kreditwirtschaft zusammen. Dabei braucht es bei aller Ähnlichkeit der Verbünde sowohl die Sparkassen- als auch die Genossenschaftsorganisation, um den Wettbewerb auch in ländlichen Gebieten aufrechtzuerhalten. Genau deshalb bin ich auch wenig erbaut von der Idee, große Monopolsparkassen zu schaffen. Vielmehr arbeite ich für den Erhalt von wirtschaftlich und juristisch selbstständigen, kommunal getragenen Sparkassen im Verbund. Als überzeugter Anhänger der Marktwirtschaft plädiere ich ganz entschieden dafür, zum Erhalt unserer mittelständisch verfassten Wirtschaftsstruktur weiter auf den konstruktiven Wettbewerb aller drei Säulen zu bauen.

Was muss man ändern, um diese Strukturen zu bewahren?

Die Sparkassen müssen gar nicht viel ändern, sie müssen sich weiterentwickeln und sich dabei nur treu bleiben. Als ein Teilziel unserer Unternehmensstrategie haben wir das Motto erarbeitet: "Sparkasse leben". Genau das gilt unverändert. Sparkassen sind nicht nur eine Marke, sondern eine Wertegemeinschaft. Die Prinzipien fair, menschlich, nah sind greifbar und mit Leben erfüllt. So funktionieren Sparkassen, da muss man nicht erst Kommunikationsstrategien ersinnen. Wir müssen bodenständig und vor Ort unseren Werten treu bleiben, die uns speziell in der Krise den Zuspruch für unser nachhaltiges Geschäftsmodell gebracht haben. Was große private Banken heute als Konsequenz aus der Krise zu wichtigen Kriterien der Unternehmensführung neu erklären, das leben wir schon immer. Aber wir müssen auch in der Gruppe dafür sorgen, dass alle diese Prinzipien leben.

Haben Sie als Bundesobmann Machtmittel, um diese Überzeugungsarbeit zu flankieren?

Nein, es gibt in diesem Amt keine besonderen Kompetenzen oder Befugnisse. Der Bundesobmann lebt nur von seiner Argumentation, seiner Reputation und natürlich von der Einigkeit der Gruppe. Je mehr diese gewährleistet ist, umso besser lassen sich die Interessen vertreten.

Hätten Sie denn gerne mehr Befugnisse?

Nein, das würde meinem Bild und meiner Überzeugung von den rechtlich selbstständigen Sparkassen zuwiderlaufen. Die Kraft der Gruppe besteht nicht zuletzt in einer robusten Diskussionskultur, die durchaus einen lebhaften Austausch in der Sache verkraftet. Die Entscheidungsprozesse beziehungsweise die Überzeugungsarbeit mögen manchmal etwas länger dauern, aber das bewahrt auch vor Fehlentscheidungen. Dabei kommen nach meiner festen Überzeugung der Tendenz nach bessere Lösungen zustande als bei vorschnellen, teilweise hektischen, Entscheidungen in Konzerngremien. Die Verantwortung, das bleibt bei all diesen Überlegungen zu beachten, liegt immer beim Vorstand vor Ort. Was dieser rechtlich verantworten muss, soll er auch entscheiden können.

Parallel dazu muss in der Sparkassenorganisation aber die Diskussion um Freiheit und Verantwortung geführt werden. Denn ein Einzelner mit starkem Fehlverhalten kann die gesamte Gruppe schädigen. Es geht nicht in erster Linie um Eingriffsmechanismen, aber natürlich gibt es Entscheidungen und geschäftpolitisches Verhalten, die einer gemeinsamen Basis bedürfen. So ist die Markenführung bekanntlich schwierig, wenn jeder macht, was er will. Und dies gilt auch für die Risikogemeinschaft. Hier muss jeder im Bewusstsein der Verantwortung für alle anderen Gruppenmitglieder handeln.

Thema Wettbewerbssituation: Im Jahre 2008 hat die Organisation fraglos viel Vertrauen gewonnen. So richtig in Marktanteilen hat sich das aber nicht niedergeschlagen. Können Sie damit zufrieden sein?

Als Sparkassenorganisation haben wir 2009 sehr gute Arbeit geleistet. Auch wenn andere uns teilweise den Weg durch ihren Rückzug aus diesem Geschäftsfeld freigemacht haben, ist es insbesondere verdienstvoll, dass wir die Wirtschaft in einem außerordentlichen Ausmaß mit Kredit versorgt haben. Blickt man auf das Einlagengeschäft, können wir uns als Sparkasse Heidelberg mit einem Plus von zehn Prozent ebenfalls nicht beklagen. Aber auf die gesamte Organisation bezogen, hat sich die Lage vergleichsweise schnell wieder relativiert. Die Zeit der Sparkassen als sicherer Hafen war nach der politischen Garantie für die Einlagen schnell wieder vorbei. Unverantwortliche Lockvogelangebote haben den ein oder anderen Kunden verleitet, in alte Verhaltensmuster zurückzukehren.

Bei feinem Hinhören ist in der Öffentlichkeit freilich die Erkenntnis haften geblieben, dass das Geschäftsmodell der Sparkassen weiterhin in hohem Maße moralisch einwandfrei und nachhaltig ist. Die Finanzkrise ist auch Teil einer gesellschaftlichen Krise, die den Eigennutz überbetont und das Gemeinwohl vernachlässigt. Viele Kunden haben verinnerlicht, dass skrupellose Banken diese Entwicklung als Katalysator verschärft haben. Davon kann man die Branche allgemein nicht freisprechen, aber unserer Gruppe bleibt dieser Vorwurf erspart.

Muss die Branche in andauerndem Schuldbekenntnis verharren?

Sparkassen sowieso nicht. Das habe ich im eigenen Umfeld gleich bei mehreren Diskussionsveranstaltungen spüren können. Auch von harten Kritikern des Bankgewerbes werden die Sparkassen selbst als Verursacher der Krise ausgenommen.

Gleichwohl nimmt die Aggressivität der Gesellschaft gegenüber den Banken deutlich zu. Das zeigt sich beispielsweise schon an Aktiensparern, die im Zuge der Finanzkrise Kursverluste bei ihren Engagements erlitten haben. In der Wortwahl von Beschwerdebriefen - um nur ein Beispiel zu geben - wird nicht auf mögliche Fehler hingewiesen, sondern es wird oft Vorsatz unterstellt. Hier muss Vertrauen zurückgewonnen werden.

Können nicht gerade die Sparkassen und Genossenschaftsbanken solchen Anfeindungen leicht mit dem Verweis auf ihren regionalen Bezug entgegentreten?

Generell stehen wir gesellschaftlich vor einer Besinnung auf das Lokale, einer Wertschätzung der Nachbarschaft als Anker in der Globalisierung. Im Rahmen dieser gesellschaftlichen Diskussion sind die Sparkassen und auch die Kreditgenossenschaften sicher schon da, wenn diese Diskussion ankommt.

Wie sich aus dem eigenen Erleben in der Sparkasse Heidelberg aufzeigen lässt, besteht die Schwierigkeit jedoch im Durchhalten in der Zeit dazwischen.

Wir haben die Bauherrenmodelle nicht mitgemacht. Tafelgeschäfte haben wir ebenso ausgelassen wie den Neuen Markt. Das alles waren bewusste Entscheidungen. Aber in dieser Zeit mussten wir uns oft rechtfertigen, wieso wir vermeintliche Chancen verstreichen lassen und warum wir weniger Zuwächse hätten. Wenn man bestimmte Themen und Trends nicht mitmacht, muss man Durchhaltevermögen haben.

Zurück zum Stichwort Kreditvolumen. Wie viel des Wachstums in diesem Bereich basiert auf der Durchleitung von Fördergeschäft im Neugeschäft und im Bestand?

Früher gab es den Vorwurf, die Banken würden im Zweifel Abstand von dem Instrument der Förderkredite nehmen, weil dort die Margen zu gering sind. Für die Sparkassen hat das nie zugetroffen. Der Förderkredit gehört zum normalen Prüffeld der Unternehmensfinanzierung. Wir versuchen für den Unternehmer die bestmögliche Lösung zu finden. Früher wie heute prüfen wir, ob die Bedingungen für Fördermittel der KfW oder auf Landesebene erfüllt sind und ob diese für unsere Kunden im Sinne einer bestmöglichen Mischung seiner Unternehmensfinanzierung Sinn machen. Das ist Teil einer nachhaltigen Geschäftspolitik, die nicht von den Abschlüssen eines Jahres lebt, sondern auf Folgegeschäfte bedacht ist.

Soweit ich mit Kollegen spreche, haben die Sparkassen im Wesentlichen mit einem vernünftigen Mix der Unternehmensfinanzierung Kurs gehalten. Wir kennen unsere Unternehmenskunden, sprich ihre Eigentümer, das Management und viele viele Dinge mehr, viel besser als es das Rating zeigen kann. Es ist für mich deshalb nicht erkennbar, dass Sparkassen bei der Kreditvergabe primär den Weg der Risikoentlastung durch mehr Förderkredite gehen.

Wo sehen Sie für 2010 und 2011 für Ihr Haus und die gesamte S-Gruppe die großen Herausforderungen? Und wie kann man diesen erfolgreich begegnen?

Es ist eine anspruchsvolle Daueraufgabe der Sparkassen, der Öffentlichkeit und der Politik in Deutschland und Europa immer wieder klarzumachen, was uns und unser Geschäftsmodell von anderen Wettbewerbern unterscheidet - von der nur bedingt gewinnorientierten Geschäftspolitik bis hin zum Umgang mit den Menschen.

Die größte Herausforderung besteht derzeit gegenüber der Politik, die im Zuge der Krise ein wenig zum Populismus neigt, siehe Bankenabgabe. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine Abgabe für die zahlen müssten, die zunächst den ganzen Schaden angerichtet haben, dann gestützt werden mussten und dafür nicht einmal eine Verzinsung zahlen, geschweige denn die Bankenabgabe und die notwendigen Beträge für die Einlagensicherung.

Was bleibt innerhalb der eigenen Gruppe noch zu tun?

Wir haben immer noch die Landesbankenkonsolidierung zu bewerkstelligen. Das Thema öffentliche Versicherungen bleibt auf der Tagesordnung. Und natürlich muss auch die aktuelle Diskussion um die Deka-Bank zu einem Abschluss gebracht werden. Deren Geschäftsmodell muss möglichst bald ein für allemal klar sein.

Dieser letztgenannte Fall kann dem bisher Gesagten nach zu urteilen nur auf eine Dominanz der Sparkassen hinauslaufen, oder?

Die Interessen der Sparkassen und der Landesbanken sind naturgemäß nicht gleichgerichtet. In allen Einrichtungen, in denen die Sparkassen unter sich sind, beispielsweise beim Rechenzentrum, gelangen wir immer relativ schnell zu Lösungen und haben sehr gute und florierende Unternehmen geschaffen. Für die Deka-Bank mit ihren zwei unterschiedlichen Eigentümern - ohne das an dieser Stelle zu werten lässt sich die Geschäftspolitik schlecht steuern, wenn die Interessen der Eigentümer teilweise gegenläufig sind. Aber jetzt kommt allem Eindruck nach Bewegung in die Sache. Auf Dauer ist es wahrscheinlich sinnvoll, dass die Sparkassen in der Deka-Bank die unternehmerische und gestalterische Mehrheit bekommen und dann dem Institut einen klaren Auftrag geben.

Wäre eine Übernahme von Deka-Bank-Anteilen durch Sparkassen überhaupt finanzierbar?

Die Sparkassen haben an Bankbeteiligungen nicht immer nur Freude gehabt. Insofern müssen sie bei jeder weiteren Beteiligung genau die Risiken prüfen. Jeder Kauf bedarf der Abwägung von Chancen und Risiken. Wenn ich die Mehrheitseignerschaft der Sparkassen an der Deka-Bank für sinnvoll halte, bleiben selbstverständlich noch Fragen: Wer verkauft überhaupt? Und wer kauft? Dazu brauchen wir einen Preis, und dann müssen wir in der Tat schauen, wie ein Kauf finanziert werden kann. Aber da gibt es sicher viele Gestaltungs- und Transaktionsmöglichkeiten. Es muss ein fairer Preis sein, der das künftige Geschäftsmodell der Deka-Bank im Auge hat.

Ist die Politik noch ein guter Eigentümer der Landesbanken?

Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Vorab stellt sich die Frage: Brauchen wir Landesbanken, so wie sie entstanden sind? Haben wir noch die Notwendigkeiten der regionalen Finanzierung oder sind diese inzwischen nicht mehr überregional orientiert?

Pauschal gesagt brauchen wir die Landesbanken allein schon deshalb, weil sie rund 20 Prozent an der Kreditvergabe in Deutschland darstellen. Auf die Finanzierungskraft dieser Häuser ist die Wirtschaft angewiesen. Diesen Faktor kann man nicht einfach ausblenden. Allerdings brauchen wir die Landesbanken nicht so, wie sie derzeit organisiert sind. Wir brauchen aber auch nicht eine vorschnelle Verdichtung auf nur eine Landesbank. Schon wegen des Erhalts des Kreditspielraums für die Wirtschaft dürfen es ruhig zwei oder drei Häuser sein.

Darüber hinaus kann man eine Landesbank nicht betreiben als ein Institut, an das keine bestimmten Renditeerwartungen geknüpft werden und das nur Servicefunktionen für Sparkassen vorhält. Sie muss vielmehr im Wettbewerb mit anderen Banken bestehen. Und sie braucht eine gewisse Größe, weil wir auch in der Sparkassenorganisation Unternehmenskunden haben, die von ihren Dimensionen her nicht zur Zielgruppe der Sparkassen gehören, sei es im großen Mittelstand oder auch bei Dax-Adressen. Solche großen, teilweise international tätige Banken könnten durchaus aus den bisherigen Landesbanken hervorgehen.

Inwieweit dann noch einzelne Bundesländer oder mehrere beteiligt sein müssten, kann man diskutieren. Das ist aber in erster Linie eine Frage der Länder selbst, die sich teilweise an dieser Stelle auch geäußert haben. Persönlich glaube ich nicht, dass das Interesse der Politik, an Landesbanken beteiligt zu sein, noch so groß ist wie früher. Deshalb wird ein Prozess in Gang kommen. Aber es liegt mir als Bundesobmann fern, den Ländern hier Ratschläge erteilen zu wollen.

Lässt sich das Thema Kreditvergabe durch Landesbanken durch eine breitere Zusammenarbeit von Sparkassen auffangen?

Es gibt schon heute den Konsortialkredit zweier oder mehrerer Sparkassen, aber das ist kein System, die Kredite der Landesbanken zu ersetzen. Denn wir Sparkassen halten uns aus dem guten Grund der Überschaubarkeit an das Regionalprinzip. Wenn wir einen Unternehmenskunden begleiten, der in ein anderes Bundesland geht, bieten wir der dortigen Sparkasse die anteilige Teilnahme an Kreditgeschäften an. Schon aus Gründen der besseren Risikobeurteilung vor Ort ist das Teil unseres eigenen Sicherheitsbestrebens. In überschaubarer Nähe zu diesem normalen Geschäftsablauf gibt es sicher das eine oder andere Konsortialgeschäft mit einer anderen Sparkasse, wenn sich kein geeigneter Konsortialpartner finden lässt. Das ist aber nicht die Regel.

Dass die Sparkassen darüber hinaus ihren Passivüberhang künftig in Teilen dazu nutzen, der Wirtschaft bei der Finanzierung zu helfen, wie wir das Anfang des Jahres mit der Fondslösung zur Mittelstandsfinanzierung präsentiert haben, ist vor allem in der jetzigen, aufwärts gerichteten deutschen Konjunktur ein sehr sinnvoller und hilfreicher Weg. Haben Sie als Sparkasse ein Problem damit, wenn an Ihrer Girokasse ein Privater beteiligt wäre?

Eindeutig ja! An dieser Stelle bin ich ebenso wie Heinrich Haasis und auch unser Verbandspräsident Peter Schneider für eine saubere Linie. Denn letztlich geht es hier um die gelebten Werte, und die kann man nur in der eigenen Gruppe darstellen. Zu einer Landesbank braucht man ein tiefes Vertrauensverhältnis. Die baden-württembergische Situation ist freilich eine Besondere. Wir haben eine LBBW Landesbankteil und eine BW Bank. Mit der BW Bank sind wir in Konkurrenz, mit der LBBW Landesbankteil nicht. Nun kann man natürlich fragen, wie dicht die Bande zwischen diesen Unternehmensteilen der LBBW sind, aber so schlechte Erfahrungen haben wir in unserem Hause damit nicht gemacht.

Was halten Sie von dem Argument der LBBW, die BW Bank zu brauchen, um den anderen Sparkassen im Lande die richtigen beziehungsweise besseren Produkte bieten zu können?

Dass die LBBW bei der Leistungsbereitstellung für Sparkassen besser geworden ist, seit sie selbst mehr Kundengeschäft hat, ist eine Tatsache. Ob eine Zentralbank das bräuchte, wenn sie von vorneherein auf ihre Kunden hört, ist eine andere Fragestellung.

Wie schätzen Sie in Zukunft die Ertragslage der Sparkassen ein. Die guten Ergebnisse 2009 resultierten doch wesentlich aus der Fristentransformation. Wie können Sparkassen im Zins- und Provisionsgeschäft künftig mehr Geld verdienen?

Gegenfrage: Müssen sie überhaupt mehr Geld verdienen? Der einzige Zugang von Sparkassen zu neuem Kapital sind selbst verdiente, versteuerte Mittel. Daraus ergibt sich die Erfordernis, hinreichende Gewinne zu erwirtschaften. Die Frage, wie hoch die Eigenkapitalrendite sein sollte, hängt immer von vielen Variablen ab, die sehr volatil sind und die sich nicht für jeden Einzelfall mit einer wissenschaftlichen Pauschalformel beantworten lässt. Zurzeit hängt sie beispielsweise stark davon ab, was Basel III bringt.

Unserer Geschäftsmodell ist nicht auf Maximierung, sondern auf Optimierung des Gewinns ausgerichtet. Dieses Optimum bestimmt sich aus der Risikotragfähigkeit des einzelnen Instituts und seiner Fähigkeit zur zukünftigen Kreditvergabemöglichkeit. Im Gegenteil, wenn man den Sparkassen das Geld nicht durch so schöne Dinge wie die Bankenabgabe abnimmt, sind sie in der Breite recht ordentlich kapitalisiert. Das brauchen sie allerdings auch, wenn sie ihrer gesetzlichen Aufgabe zur Finanzierung der Wirtschaft, der Kommunen und der privaten Kreditnehmer gerecht werden sollen.

Die entscheidende Frage ist also nicht wie die Sparkassen mehr Geld verdienen können, sondern wie sie ihre Ergebnisse stabilisieren können. Im gesamten Kostenbereich müssen sie weiterhin auf Effizienz achten, was ja auch wieder ertragsstabilisierend ist. Wenn man sich die Ergebnisse 2009 anschaut, könnten die Sparkassen damit auch künftig gut leben. Sie haben dabei im Übrigen nicht im dem Stil Fristentransformation betrieben, wie dies im Berichtsjahr 2009 möglich gewesen wäre. Die Fristentransformation war aufgrund unserer Refinanzierungsstrukturen (viele kurzfristige Einlagen mit hohem Bodensatz) schon immer Teil der Ertragsrechnung. Die Sparkassen sind immer verantwortlich damit umgegangen und waren sich stets dessen gewahr, dass dies keine stabile Ertragskomponente ist.

Im Übrigen fühle ich mich mit Blick auf die Ertragsseite heute wieder stark an die Zinsverordnung erinnert. Durch die Festschreibung von Konditionen durch Politik, Verbraucherschutz und Gerichte sind wir wieder in diese Richtung unterwegs, wie man es auch an der Gebührendiskussion rund um die Geldversorgung an den Automaten gerade wieder erleben kann. Wir sind dabei, der am stärksten reglementierte Zweig zu werden, in dem bar jeder betriebswirtschaftlichen Überlegung aus populistischem Gefühl heraus Regeln festgelegt werden, die normale marktwirtschaftliche Gestaltungsspielräume völlig außer Kraft setzen.

Wie viel Geld müssen Sparkassen verdienen, um die Ausschüttungsansprüche der Anteilseigner zu erfüllen?

Die Träger verstehen die Sparkassen als Teil der Daseinsvorsorge für die Region und für die Förderung des Mittelstandes und erkennen darin einen klaren Mehrwert. Das erlebe ich in Baden-Württemberg, aber das gilt auch bundesweit. Daher stellt sich für mich die Frage der Ausschüttung nicht. Den Sparkassen geht es nicht um die Anhäufung von Kapital und die Erwirtschaftung von Ausschüttungen. Sie stiften direkten Mehrwert durch ihr geschäftliches Wirken und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung. Das findet breite Anerkennung bei unseren Trägern.

Wo sehen Sie zusätzliche aussichtsreiche Geschäftsfelder für die Sparkassen?

Die Organisation muss stets die aktuellen Entwicklungen im Auge behalten. Im eigenen Haus haben wir beispielsweise eine Einheit gegründet, die sich mit dem Thema erneuerbare Energien und der energetischen Altbausanierung beschäftigt beziehungsweise mit dem noch umfassenderen Thema Umweltschutz. Die Erfordernisse rund um die Finanzierung ressourcenschonender Vorhaben werden noch zunehmen.

Allgemeiner ausgedrückt sollte das Kriterium der Bedarfsdeckung für die Kunden die maßgebliche Leitlinie für die Entwicklung unserer Produkte und Dienstleistungen sein. In Spekulationsgeschäften hingegen werden wir uns nicht engagieren. Im breiten Geschäft mit Privatkunden bevorzugen wir verständliche Produkte mit erkennbarem Kundennutzen.

Wie ist in diesem Zusammenhang der gemeinsame Antritt der Landesbank Berlin und der Deutschen Leasing im Konsumentenkredit aus Sicht der Sparkassenbasis zu werten?

Zurzeit haben wir im gesamten Kreditgeschäft einen Marktanteil nahe 40 Prozent. Und nur fünf Prozent der Fälle, die zur Schuldnerberatung gelangen, sind originär im Sparkassensektor entstanden. An diesem verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Kredit sollten wir unbedingt festhalten. Insofern dürfen wir keinesfalls mit einem Unternehmen antreten, das eher die Verschuldung fördert oder sogar Verschuldungswerbung macht. Der Prüfprozess beim Scoring muss also unbedingt richtig eingestellt sein. Und in der Erfolgsmessung werden wir uns vermutlich schwerer tun, als viele der einschlägigen Wettbewerber, weil wir, etwa hinsichtlich Bonität und Verschuldungsproblematik, ethisch moralische Maßstäbe an diesen Produktbereich anlegen.

Andererseits haben wir das Konsumentenkreditgeschäft längere Zeit nicht im engeren Fokus gehabt. Und es gibt Geschäftsmöglichkeiten am Point of Sale, angefangen von Finanzierungen bis hin zur Aufstellung eines Geldausgabeautomaten, für die der Handel, etwa Aldi oder Ikea, einen einzigen Ansprechpartner wünscht und nicht viele einzelne Sparkassen vor Ort. Für eine einheitliche, überregionale Kooperation ist die LBB grundsätzlich eine geeignete Plattform. Im Bereich der Autofinanzierung hat zudem die Deutsche Leasing ihre Kompetenz in den vergangenen Jahren schon unter Beweis gestellt, bis hin zur professionellen Verwertung von Gebrauchtwagen. Wenn wir also schon gruppeninterne Aktivitäten haben, so die Folgerung, dann macht es Sinn, sie in einer Einheit zu bündeln.

Kann Ihnen als Sparkasse der zentrale Antritt dieses Joint Ventures am Point of Sale recht sein?

Natürlich wollen die Sparkassen die LBB und das Joint Venture nicht als Konkurrenz vor Ort, sondern als Ergänzung unseres Angebotes. Aber für Angebote, die eine einzelne Sparkasse nicht anbieten kann oder will, ist das Joint Venture eine geeignete Vertriebsbasis. Wir werden als Gruppe mit einem zentralen Konsumentenkreditfinanzierer Expertise schaffen, und jede einzelne Sparkasse kann weiter in eigener Entscheidung beschließen, ob sie dessen Dienste in Anspruch nehmen will. Sofern Schwierigkeiten oder Hindernisse auftreten, müssen diese besprochen werden.

Allgemeiner nachgefragt: In welchen Feldern sehen Sie die Notwendigkeit eines zentralen Ansatzes, und welche Bereiche sollen dezentral laufen?

Die Sparkassenorganisation ist auf dem Prinzip der Subsidiarität aufgebaut. Daher sollte alles dezentral vorhanden sein und angeboten werden, was vor Ort sinnvoll geleistet werden kann. Aber zum Beispiel eine Markenführung kann mit Sicherheit nur zentral erfolgen. Die Produktgestaltung hingegen sollte durchaus ortsnahe und individuelle Lösungen erlauben. Im Vertrieb sehe ich keinen Rückzug aus der Fläche, die Stärke der Sparkasse liegt eindeutig vor Ort. Die medialen Instrumente und die mediale Kommunikation werden zunehmend wichtiger, einschließlich Internet, Handy und innovativen Bezahlverfahren. An dieser Stelle müssen wir mit gemeinsamen Lösungen auf der Höhe der wirklich wichtigen Trends sein.

Ist das Gehör für die Platzbanken in Berlin groß genug?

Eindeutig ja, aber man muss innerhalb einer komplexen Gruppe immer genau wissen, wer für etwas zuständig ist und wer die Dinge in die Hand nimmt. Insofern müssen wir zusammen mit dem DSGV immer wieder prüfen, ob wir das, was wir machen noch richtig machen und dabei die Rollen untereinander gut aufgeteilt sind. Aber spektakulären Änderungsbedarf sehe ich nicht.

Wie denken Sie über die Prüfung im S-Finanzverbund? Ist die noch zeitgemäß?

Die Prüfungsstellen der Sparkassenorganisation sind sehr viel besser als ihr Ruf. Sie können bei der Qualität der Prüfungen und der Vertrautheit mit den Themen mit jeder externen Prüfungsgesellschaft mithalten.

Mit Blick auf die Risikogemeinschaft der Sicherungssysteme ist es unser ureigenstes Interesse, dass diese hohe Qualität weiter erhalten bleibt. Die Frage, wie viele Prüfungsstellen wir noch brauchen, wie diese organisiert sind und was sich gegebenenfalls durch Kooperation lösen lässt, muss erst einmal jeder Verband selbst prüfen. Ich könnte mir hier noch weitere Schritte vorstellen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X