Interview

Redaktionsgespräch mit Heinrich Haasis - "Der DSGV ist für die Strategiebestimmung der gesamten Gruppe verantwortlich"

Welche Eigenschaften muss ein Sparkassenpräsident im Jahre 2008 mitbringen? Wo liegen die besonderen Herausforderungen?

Die Sparkassen sind gut im Markt verankert. Ihr Antritt unter gemeinsamer Marke und Philosophie garantiert starke Dynamik und ist damit gut für die Kunden. Wichtig ist allerdings, die darin liegende Stärke auch auszuschöpfen. Die dezentrale Aufstellung kann nur erfolgreich sein, wenn wir auch zentrale Dienstleistungen anbieten. Dafür haben wir etwa mit der Deka-Bank, der Deutschen Leasing, den Bausparkassen und den Landesbanken in ihrer Mischform als gleichzeitige Geschäfts- und Zentralbanken zahlreiche Unternehmen für spezielle Aufgaben.

In einem solchen Verbund hat der Präsident nicht die Macht eines Konzernchefs. Seine Kunst besteht darin, die Dezentralität zu erhalten, gleichzeitig die einheitliche Philosophie zu wahren und zusammen mit den Regionen Möglichkeiten zu organisieren, die enormen gemeinsamen Skaleneffekten wie in einem Konzernunternehmen freizusetzen. Das ist nicht immer einfach. Wenn uns das aber gelingt, sind wir Konzernen klar überlegen.

Die gelegentlich divergierenden Interessen unter einen Hut zu bringen, ist sicher der größte Teil der Arbeit des DSGV-Präsidenten, wenngleich es nicht seine einzige Aufgabe ist. Denn er ist natürlich auch der Repräsentant der ganzen Gruppe - national wie international. Er ist Gesprächspartner für Politik und Wirtschaft und stellt die Gruppe entsprechend dar. Wichtig ist darüber hinaus, dass der DSGV selbst nicht nur ein Interessenverband ist, sondern für die Strategiebestimmung der gesamten Gruppe verantwortlich ist. Aufgabe des Präsidenten ist es hier, die Unterschiedlichkeit zu einem gemeinsamen Ganzen zusammenzubringen.

Hat sich gerade mit Blick auf die Strategie nicht ganz Entscheidendes geändert? Vor 20 Jahren war immer von den starken Regionalpräsidenten die Rede und von DSGV-Präsidenten, die um ihren Einfluss kämpfen müssen. Sie haben beide Seiten erlebt. Ist der Gestaltungsspielraum des DSGV-Präsidenten größer geworden?

Die Notwendigkeit zur Gestaltung ist größer geworden, weil sich der Markt und die Wettbewerber verändert haben. Wir haben völlig andere Bedingungen, und das erfordert auch ganz andere Konzeptionen. Die Kunden sehen die Sparkassen als Einheit und erwarten dies auch so. Deshalb ist die Verantwortlichkeit des DSGV-Präsidenten gestiegen. Das erfordert zugleich eine starke Rolle nach außen. Helmut Geiger war der erste Präsident, der dieses Amt bemerkenswert intensiv und aktiv auch als ein deutlich wahrnehmbarer Repräsentant nach außen interpretiert hat. Noch heute ist er beispielsweise als Anwalt der Sparer in Erinnerung.

Aber er hat sich diesen Boden erkämpfen müssen, und das ging bei meinen unmittelbaren Vorgängern, Präsident Horst Köhler und Dietrich H. Hoppenstedt mit anderen Themen weiter. Die Zusammenarbeit des DSGV-Präsidenten mit seinen Kollegen in den Ländern hat gelegentlich eine aufgabenbedingte Spannung. In den sieben Jahren vor meiner Aufgabe in Berlin habe ich als Sprecher der Regionalpräsidenten ein Vertrauensverhältnis herzustellen versucht, was - wie ich glaube - in weiten Teilen gelungen ist.

Davon profitiere ich heute. Man darf nicht unterschätzen, dass über Jahre gewachsenes Vertrauen in Gesprächen und Abmachungen eine sehr positive Wirkung hat. Heute ist dieses gegenseitige Vertrauen sicher noch wichtiger. Man kann sich Eigenbröteleien in der Gruppe heute weniger leisten. Die Notwendigkeit zu Gemeinsamkeiten ist stärker geworden - und die Einsicht hierzu ebenso.

Das klingt so zufrieden, als reiche Ihnen der Gestaltungsspielraum jetzt ...

Natürlich kann ich mir immer Verbesserungen vorstellen. Aber wir haben ein klares Profil: Wenn man aus guten Gründen kein Konzern sein will, dann darf man auch nicht beklagen, dass man nicht wie ein Konzern handeln kann. Man hat eben nur selten Sonne und Regen gleichzeitig. Das Spannungsverhältnis zwischen der Regionalität und gemeinsamen Anliegen wird bleiben. Hieraus entstehen die Funken, die unser Modell nach vorne bringen. Natürlich drohen immer Eigensinnigkeiten zulasten der gesamten Gruppe. Dann muss es auch mal ungemütlich werden. Ich sehe es als meine Aufgabe an, nicht den Menschen in der Organisation nach dem Mund zu reden, sondern mit ihnen Überlegungen, Strategie und Einzelmaßnahmen zu diskutieren. Wenn dann gemeinsam oder auch nur mehrheitlich ein Weg gefunden ist, muss dieser durchgesetzt werden. Dann müssen gelegentlich auch nachvollziehbare Einzelinteressen zurückstehen, sonst gibt es kein gemeinsames Ganzes.

Wie bewerten Sie derzeit Ihr Verhältnis zu den Präsidenten der Regionalverbände?

Kollegial haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Wir sind ein Verbund mit relativ wenigen Rechtsregeln. Deshalb sind wir sehr auf die Kraft der Überzeugung angewiesen. Das gilt nicht nur gegenüber dem Präsidenten, sondern auch gegenüber anderen Führungspersönlichkeiten in der Gruppe. Gelegentlich muss man da auch einmal auf Ausgleich bedacht sein. Spannungen in der Sache sind dabei ganz natürlich. In der weit überwiegenden Zahl der Entscheidungen überwiegt aber die ganz sachliche Abwägung. Sonst wären viele wichtige Entscheidungen der jüngsten Zeit gar nicht möglich gewesen.

Ein Beispiel: Vor zehn Jahren gab es zwölf IT-Einheiten bei den Sparkassen. Dieser Tage haben wir den Schritt zu einer Einzigen gemacht. Natürlich müssen Maßnahmen immer sachlich und betriebswirtschaftlich begründet sein. Aber auch dann funktioniert solch ein Schritt nur, wenn die handelnden Personen, also beispielsweise Regionalpräsidenten, Landesobleute und andere Führungspersönlichkeiten, Vertrauen zueinander haben. Nur daraus kann Zutrauen erwachsen. Sonst geht man solche Schritte nicht, sonst hätten wir das alles nicht erreicht.

Als früherer Sparkassenpräsident in Baden-Württemberg haben Sie den direkten Vergleich: Sind die Kontakte zwischen DSGV-Präsident und den Präsidenten der Regionalverbände intensiver als früher?

Ja, aber das hat nichts mit dem Führungswechsel an der DSGV-Spitze zu tun. Viele Entwicklungen in Markt und Politik erfordern heute einfach schnellere Reaktionen - wir haben uns dem veränderten Umfeld angepasst.

Auch wenn das dem Selbstverständnis Ihrer Gruppe nach nicht richtig sein mag, vergleicht man die DSGV-Präsidenten natürlich mit Konzernlenkern. Und diese gelten von der Persönlichkeitsstruktur her oft als "Machtmenschen". Wie weit passt dieses Profil zu einem DSGV-Präsidenten, der ja auch eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit braucht?

Es kommt immer darauf an, was Sie unter einem Machtmenschen verstehen. Der DSGV-Präsident hat von der Rechtskonstruktion der Gruppe her jedenfalls keine Machtbasis, mit der er seine Vorstellungen durchsetzen kann. Sondern er muss bei der Realisierung seiner Zukunftsüberlegungen allein auf die Macht und die Kraft seiner Argumente vertrauen. Dabei muss er stets diskussionsbereit und offen für Anregungen sein, aber auch klare Grenzen ziehen können. Und er muss zur realistischen Einschätzung kommen, was möglich ist. Denn am Ende können sich die Dinge nicht in Diskussionen erschöpfen. Es gilt in einer breiten Gruppe von Einzelinteressen zielgerichtet eine gemeinsame Meinung zu erarbeiten.

Und dann muss der Präsident auch den Willen zur Gestaltung haben. In diesem Punkt kommt mir meine vorherige Tätigkeit in Baden-Württemberg zugute, zum einen in Bezug auf die Fusionen, die dort durchgeführt wurden und zum anderen die politische Fähigkeit, unterschiedliche Meinungen zusammenzuführen und sie dann durchzusetzen. Das hilft mir jetzt in Berlin. Es geht also immer um eine gute Balance der Fähigkeiten zum Interessenausgleich und deutlicher Führung. Insofern bin ich klarer Machtmensch.

Betrachten wir eine andere Schiene. Wie eng ist Ihr Kontakt zur Sparkassenbasis? Wie informieren Sie sich über die Stimmungslage und die Anliegen der Sparkassen vor Ort?

Als Regionalpräsident ist manches leichter. Der notwendige Ausgleich der Interessen ist nicht ganz so vielfältig. Als Verantwortlicher für die gesamte Gruppe in Berlin ist man von manchen Einzelentwicklungen zwangsläufig etwas weiter weg. Dem versuche ich gegenzusteuern, indem ich viele Termine außerhalb Berlins wahrnehme, etwa bei Kundenveranstaltungen von Sparkassen. Umgekehrt sind oft auch Sparkassenvorstände und Verwaltungsräte zu Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen in Berlin. Diese Gelegenheiten, Stellung zu nehmen und auch mit einzelnen Vorständen zusammenzutreffen, nutze ich sehr stark.

Darüber hinaus habe ich ständig Rückmeldungen aus den Gremien - von den Landesobleuten der Sparkassenvorstände, den Präsidenten oder den Girozentralleitern. Solche Termine haben bei mir hohe Priorität, weil ich dort die praktischen Erfahrungen und Ratschläge der anderen aufnehmen kann. Aber man muss sich ohne Frage mehr um Kontakte zur Sparkassenbasis bemühen, als das im Amt des Regionalpräsidenten automatisch der Fall ist.

Eine Sparkasse, die ein spezielles Anliegen hat, kann also unbürokratisch beim DSGV-Präsidenten Gehör finden?

Das geschieht häufig, auch wenn man als DSGV-Präsident sicher nicht ständig mit allen Vorständen der Sparkassen in permanentem Austausch stehen kann. Vieles muss hier über die abgestufte Gremienarbeit erfolgen. Aber es ist für mich relativ gut möglich, die Anregungen aus der täglichen Sparkassenarbeit aufzunehmen. Das ist mir auch sehr wichtig. Anders geht das auch gar nicht, wir sind kein abgehobenes Raumschiff Berlin, sondern müssen dicht an den Marktentwicklungen vor Ort sein. Denn schließlich sind wir nicht nur Interessenvertretung, sondern bereiten auch viele Marktstrategien vor.

Beschlüsse in den Verbünden sind angesichts der erforderlichen Überzeugungsarbeit naturgemäß langwieriger als im Konzern. Deshalb ist gerade im Zusammenhang mit dem Erwerb der Landesbank Berlin überlegt worden, wie die Entscheidungsprozesse flexibel gehandhabt und beschleunigt werden können. Sind aus Ihrer Sicht neue gangbare Wege gefunden worden?

Dass ein Konzern schneller entscheiden kann, ist zunächst richtig. Bei uns wird mehr ausprobiert - das kann ein Vorteil für die Innovationskraft sein und gibt die Möglichkeit, Fehler schneller zu korrigieren. Wir sind bei manchen Themen sicher nicht immer der Erste, und viele Entscheidungen sind mehrfach gefiltert. Aber wie die Finanzkrise gerade zeigt, ist eine gewisse Beharrlichkeit und ein Festhalten an Bewährtem oft von Vorteil. Dass man trotz Dezentralität schnell zu gemeinsamen Entscheidungen kommen kann, lässt sich gerade am Fall Berlin zeigen. Der Erwerb der LBBH hat insoweit eine neue Entscheidungskultur befördert. Und der Verkaufsprozess hat der Sparkassen-Finanzgruppe überdies auch großes Selbstbewusstsein gegeben. Als Berlin ausgeschrieben wurde, hat uns kein Mensch den Erfolg zugetraut, - selbst im eigenen Lager haben viele gezweifelt. Das hat mich aber eher motiviert, als dass es mich behindert hätte.

Zu Beginn des Verkaufsprozesses haben wir es uns teilweise auch selbst schwer gemacht. Es musste bei einigen Instituten viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Auch wenn es manchmal schwierig war. Berlin hat gezeigt, dass es möglich ist, über 400 Sparkassen in einem Projekt zu vereinen. In dieser Dimension war das ein bislang einzigartiger Vorgang. Für unsere Organisation war es eine wegweisende Entscheidung, eine der größten Banktransaktionen in der deutschen Bankengeschichte der Nachkriegszeit erfolgreich zu stemmen. Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf die Sparkassenorganisation? Überwiegt das negative Image durch die Landesbanken? Oder spürt man mehr die positiven Effekte der vergleichsweise guten Lage der Sparkassenbasis?

Zunächst einmal: Die jetzige Krise, ist keine der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft oder der Landesbanken. Man braucht nur die großen Verwerfungen, beispielsweise bei den großen Schweizer und amerikanischen Banken, zu betrachten. Dort ist der Abschreibungsbedarf um ein Vielfaches höher. Alle Banken, die auf den internationalen Märkten aktiv sind, sind - wenn auch in unterschiedlicher Höhe - betroffen. Das gilt nicht für die Sparkassen. Sie sind eng mit der Realwirtschaft verknüpft, sammeln Einlagen in ihrer jeweiligen Region und investieren das Geld dort auch wieder. Sie waren dadurch gerade in dieser Krise ein sehr starker Stabilisierungsfaktor.

Das hat auch das Bewusstsein der Kunden verändert. Es geht vielen nicht mehr um die höchste Rendite und das schnelle Schnäppchen. Stattdessen wird wieder stärker hinterfragt, wie sicher das Geld angelegt ist und welche Rendite es nachhaltig und nicht nur kurzfristig verspricht. Eine Zeit lang ging es in der Finanzbranche nur noch um Schnäppchen. Wenn wir ein stabiles Finanzsystem haben wollen, dann brauchen wir aber auch Marktteilnehmer, die durch ihr Geschäftsmodell für Stabilität sorgen. Insoweit hat die Krise bei allen Problemen Vorteile für die Sparkassen in der Wahrnehmung ihres soliden Geschäftsmodells gebracht. Wir haben genügend Liquidität in den Sparkassen, um die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Bedeutet die Finanzkrise innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe einen Machtzuwachs für die Sparkassenbasis gegenüber den Landesbanken?

In solchen Kategorien sollten wir nicht denken. Als Gruppe können wir nur stark sein, wenn alle Glieder stark sind. Die Finanzmarktkrise hat das nochmals sehr deutlich gemacht. Die Sparkassen brauchen Landesbanken als Spezialdienstleister. Sie stellen aber zu Recht fest, dass man dazu nicht die heutige Anzahl von Landesbanken braucht und dass dort auch Kapazitäten aufgebaut wurden, die sehr risikoanfällig sind. Wir wollen, dass Landesbanken in hohem Maße von Geschäften mit realwirtschaftlichem Bezug leben können und nicht so stark auf internationale Finanztransaktionen angewiesen sind. Wir brauchen Kapitalmarktgeschäft, aber nicht in jeder Ausprägung und nicht in dem vorhandenen Umfang. Deshalb sind wir für Fusionen von Landesbanken mit einer gleichzeitigen Reduktion von Risikoaktiva und einer Verdichtung von Kapazitäten.

Ist in der Landesbankenszene der Konsolidierungsdruck derzeit noch so hoch, wie Sie ihn sich wünschen? Oder ist alles bis nach den bayerischen Landtagswahlen auf Eis gelegt?

Wir haben uns den jetzigen Druck zur Neuordnung der Landesbanken natürlich nicht gewünscht. Aber man darf solche Situationen auch nicht vorbeigehen lassen, ohne zumindest Wege festzulegen, wie man sich nach Aufarbeitung und Bewältigung der Krise verhält. Sonst besteht die Gefahr, danach erst einmal Luft zu holen und dann wieder in der bisherigen Richtung weiterzulaufen. Ich glaube nicht daran, dass man jetzt nur Haftungsschirme geben und danach so weitermachen kann wie bisher. Wir müssen in der jetzigen Phase, bei der Aufarbeitung der Turbulenzen, schon die Basis für neue Strukturen legen, und daran arbeiten wir.

Es geht dabei freilich nicht um ein intelligenzloses Zusammenschieben durch Fusionen, das wäre nicht der richtige Weg. Es gibt bei den Landesbanken schließlich unterschiedliche Geschäftsmodelle. Die Institute haben sehr spezialisierte Kompetenzen entwickelt, die einen im Immobilien-, andere mehr im Firmenkundengeschäft und wieder andere in der Transportfinanzierung

- da gibt es selbst Weltmarktführer. Der immer wieder verbreitete Eindruck, die Landesbanken hätten kein Geschäftsmodell, ist insofern einfach falsch. Durch die Zusammenfügung der unterschiedlichen Geschäftsmodelle bei gleichzeitigem Abbau von Risikoaktiva kann eine sehr große Bank entstehen, die auf unterschiedlichen Beinen stehen kann. Da gibt es noch sehr viel Potenzial. Ein Beispiel ist die bessere Zusammenarbeit mit den Sparkassen und ihren Kunden im Auslandsgeschäft. Dort haben wir Kompetenz bei den Landesbanken, die ist aber sehr zersplittert. Durch eine Konsolidierung könnten wir den Sparkassen aus dem Stand die gebündelte Kompetenz anbieten und durch Abbau von Doppelzuständigkeiten Kraft für Neues gewinnen.

Welche Rolle spielt der DSGV- Präsident bei der Neuordnung der Landesbankenstruktur? Versteht er sich eher als aktiver Gestalter oder als neutraler Moderator?

Der DSGV selbst bündelt die Eigentümerinteressen beispielsweise bei der Deka und jetzt in Berlin. Bei den jeweiligen Landesbanken obliegt diese Aufgabe den Regionalverbänden. Aber natürlich muss das Ganze stimmig sein. Deshalb hat man unter Präsident Horst Köhler eine Änderung in der Satzung durchgesetzt, die auch heute noch Bestand hat. Die Strategie der Sparkassen-Finanzgruppe wird vom DSGV-Präsidenten bestimmt und festgelegt. Insoweit habe ich natürlich eine Position nach innen in die Organisation wie nach außen. Das ist ein satzungsmäßiger Auftrag, den ich wahrnehme.

Werden Ihrem Eindruck nach die Geschäftsmodelle der künftigen Landesbanken (wie viel es auch sein mögen) eher deckungsgleich oder eher komplementär sein? Mit anderen Worten: Halten Sie Spezialbanken, etwa nach dem Vorbild der Deka-Bank und der Deutschen Leasing, für einen gangbaren Lösungsweg der Landesbankenkonsolidierung?

Nach der Finanzkrise müssen Geschäftsmodelle überdacht werden. Das ist ein Thema für Landesbanken, aber auch für die anderen Aktienbanken. Der reine, von der Kundschaft und der Realwirtschaft losgelöste Finanzhandel beispielsweise wird nach meiner Einschätzung nicht mehr im bisherigen Umfang weitergeführt werden können. Wenn wir nun wollen, dass einzelne Landesbanken ihre Chancen nicht hauptsächlich im volatilen Kapitalmarktgeschäft suchen, dann müssen wir sie auf mehrere feste Standbeine stellen. Dazu haben wir gute Geschäftsmodelle in einzelnen Häusern, die zusammen noch deutlich ausbalancierter wären. Wenn die Flut kommt, sollte man sein Haus nicht nur auf einem Pfahl aufgebaut haben - und schon auf gar keinem, der selbst schwankend ist.

Wie bewerten Sie das Instrument der Zweckgesellschaften, das einige Landesbanken zur Bewältigung der Krise einsetzen? Ist das eine gute Lösung?

Dort, wo es notwendig war, haben Sparkassen und Länder als Eigentümer gemeinsam Verantwortung übernommen. Zweckgesellschaften mit Haftungsschirm sind dabei sinnvoll, um die betroffenen Banken von ständigen theoretischen Wertverminderungen zu verschonen. Damit wird öffentliches Vermögen geschützt. Mir ist aber dabei besonders wichtig, dass bei den öffentlichen Banken Träger für eine solche Verantwortung greifbar waren. Dagegen war es bekanntermaßen bei einer Publikums AG nicht möglich, die Aktionäre zu einer Verantwortung über das Aktienkapital hinaus zu bewegen. Es blieb dann auch bei der IKB nichts anderes übrig, als mit der KfW auf einen öffentlichrechtlichen Ankeraktionär zurückzugreifen. Darüber hinaus sind Sparkassen und auch die Volksbanken zweimal bei der IKB in die Bresche gesprungen. Damit ist auch die Frage, welche Rechtsform sich aus Gläubigersicht bewährt hat, eindeutig beantwortet.

Sind Sie in Ihrer Ablehnung einer Einbindung privater Investoren in die Konsolidierung der deutschen Landesbankenlandschaft absolut festgelegt oder für neue Denkansätze offen?

Ich habe nichts gegen private Investoren auch bei Landesbanken nicht. Eines geht aber nicht: Dass privates Kapital in die Landesbanken hereingenommen wird, die Sparkassen über den Haftungsverbund im Krisenfall zur Zahlung herangezogen werden. Mit anderen Worten: Wenn es darum geht, Lasten zu tragen, sind wir allein, das ist kein Modell, das mit uns machbar ist. Und ebenso wenig geht es, dass Sparkassen durch Gesetz gezwungen werden, dann mit solchen Investoren zusammenzuarbeiten. Sparkassen werden sich ganz sicher nicht mittelständische Firmenkunden mit privaten Wettbewerbern teilen. Jeder wird verstehen, dass man den Wettbewerber nicht an der eigenen Brust ernährt. Sparkassen sind großmütig, aber nicht dumm. Deshalb gilt: Wir wollen mit den Landesbanken zusammen die Zukunft gestalten. Wer für sich allerdings mit privatem Kapital eine andere Zukunft sieht, mag diesen Weg gehen. Man kann sich nur nicht aus allem die Rosinen herauspicken.

Sind die begrenzten Möglichkeiten der Beteiligung Privater, wie es sie in Regionen wie Bayern gibt, also Fehlentwicklungen oder Sünden, die man zurückdrehen muss?

In Bayern gibt es heute keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung Privater. Sollte es eines Tages Institute geben, die Landesbanken heißen, aber nichts mehr mit der gemeinsamen Kundenbearbeitung mit Sparkassen zu tun haben, dann können sie naturgemäß auch nicht mehr zur Sparkas-sen-Finanzgruppe und zum Haftungsverbund gehören. Ein solches Vorgehen kann ein Teil der Neuausrichtung des gesamten Sektors sein, ist aber nicht unser Ziel.

Lässt sich die Landesbank Berlin aus der Konsolidierung der Landesbankenszene ernsthaft heraushalten? Wie wird die Dringlichkeit einer klareren strategischen Positionierung der LBBH in der Gruppe gesehen?

Die deutschen Sparkassen haben die LBBH in erster Linie deshalb gekauft, weil sich dahinter die größte Sparkasse Deutschlands verbirgt. Es wäre völlig widersinnig, die mit ihr verknüpften strategischen Aufgabenstellungen jetzt an andere Landesbanken abzugeben. Das Institut soll seinen Heimatmarkt bearbeiten und die Sparkassen künftig bei der Erfüllung verschiedener Aufgaben unterstützen. Ich will aber gar nicht ausschließen, dass eines Tages einmal Teile der LBBH in einer anderen Konstellation wichtig werden könnten. Aber das ist zurzeit keine Handlungsoption. Das kann schon von der Größenordnung der LBBH her nicht der Kern einer Konsolidierung der Landesbanken sein.

Aber Berlin ist derzeit sicher eine Herausforderung für einige Sparkassenregionen. Die erwarten Lösungen. Zurzeit sind zwar keine offenen Konflikte zu registrieren, aber man hat auch nicht den Eindruck, dass sich schnell etwas bewegt ...

Wenn die Medien diesen Eindruck haben, dann machen wir es genau richtig. Journalisten leben immer von der aktuellen Meldung. Das Bankgeschäft hingegen setzt auf Beständigkeit, Verlässlichkeit, Unaufgeregt- und Verschwiegenheit. Es wird freilich auch in unserer Gruppe immer wieder mal vergessen, dass Öffentlich-Rechtlich nicht bedeutet, dass alles öffentlich gemacht werden muss.

In welchem Zeitfenster will die S-Gruppe die endgültige Positionierung klären?

Wir haben eine klare Positionierung, und die zeigt ja auch schon Erfolge im Markt. Wir wollen in Berlin eine ganz normale, kontinuierliche Entwicklung. Es wird keinen Big Bang geben, wir werden in absehbarer Zeit weder einen großen Zukauf tätigen noch eine totale Veränderung des Geschäftsmodells vornehmen. Es gibt keine Notwendigkeit für spektakuläre Wendungen.

Aber die Sparkassen wollen doch für ihr Engagement Rendite sehen ...

Gerade deshalb arbeiten wir ja zielstrebig und kontinuierlich am weiteren Erfolg der Bank. Wir sind sehr zuversichtlich, die im vergangenen Jahr aufgezeigten Erwartungen der Sparkassen auf ihr eingesetztes Kapital auch erfüllen zu können - wenn vielleicht auch nicht gleich vollumfänglich im ersten Jahr.

Und es gibt keinen Druck der Sparkassenbasis auf schnelle Entscheidungen, etwa in der Frage des Nebeneinanders von drei Direktbanken innerhalb der Gruppe?

Nein!

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Landesbankenkonsolidierung und der Neuordnung der öffentlichen Versicherer? Könnte eine Gesamtschau auf beide Projekte nicht die Standortfragen ein wenig entschärfen? Oder denkt man im Sparkassenlager derzeit nicht in so großen Dimensionen?

Bei den Versicherungen haben wir in den letzten Jahren durchaus einiges erreicht, wir sind viel weiter als vor acht oder zehn Jahren. Die Bereinigung in Baden-Württemberg in den Jahren 1999 und 2000 haben wir mit der Fusion der Versicherer in Hessen/Thüringen im Jahre 2003 fortgesetzt. Die SV beinhaltet damit jetzt Hessen/Thüringen plus Baden-Württemberg, plus Teile des nassauischen Gebiets. Und mit Bayern hält sie gemeinsam die Sachsen-Versicherung und die Feuersozietät Berlin.

Auf der anderen Seite haben die Provinzial in Westfalen und Schleswig Holstein fusioniert. Wenn man die breit gefächerte Struktur in Niedersachsen außer Acht lässt, die sich sonst in keinem Bundesland mehr findet, haben wir damit einen starken Versicherungsblock, Bayern im Süden sowie in der Mitte die große SV gemeinsam mit Sachsen und Berlin, und im Norden und Westen Düsseldorf/Kiel sowie Niedersachsen als Besonderheit. Wenn man so will, sind wir immerhin schon bei vier Gruppen angekommen. Das ist ein klarer Fortschritt.

Trotzdem können und wollen wir im Versicherungsbereich noch weiterkommen. Aber wir haben dabei weniger Standortthemen im Mittelpunkt - wie das bei den Landesbanken insbesondere aus der Sicht der Politik der Fall ist -, sondern wir haben es bei den Versicherungen mit sehr starken regionalen Marken zu tun, die im Kundengeschäft, speziell im Sachgeschäft, eine große Rolle spielen.

Die Kunst besteht darin, zu mehr Zusammenarbeit bei der Produktentwicklung, bei der Abwicklung und bei den Asset-Management- Gesellschaften zu kommen, ohne diese starken regionalen Produktmarken zu gefährden.

Die Konsolidierung muss weitergehen, auch wenn es bei den Versicherungen keine schnelle Fusion unter einem Namen geben wird. Die Vorstände haben auf Druck der Eigentümer - die Kollegen haben mich und den DSGV beauftragt, dieses Projekt mit in die Hand zu nehmen - erste Vorschläge gemacht. Die werden jetzt mit den Eigentümern diskutiert.

Welche dringlichen Anliegen hat der DSGV-Präsident an die deutsche und europäische Politik?

In Europa haben wir im Moment Burgfrieden. Das führe ich auf die Einsicht zurück, wie stabilisierend unser Sektor in der Finanzkrise gewirkt hat. Natürlich wünsche ich mir, dass das so schnell nicht wieder vergessen wird. Es wäre schön, wenn sich die Erkenntnis verfestigt, dass Dezentralität und Subsidiarität in den Geschäftsmodellen mindestens genauso zukunftsträchtig und stabilisierend wirken, wie europaweite Konzernstrukturen. Hoffentlich tritt nicht wieder die alleinige Gläubigkeit in das Konzernmodell ein.

In Deutschland haben wir von der Politik breite Unterstützung für unsere Anliegen. Man sieht und schätzt dort unverändert, welchen volkswirtschaftlichen Wert die Sparkassen-Finanzgruppe hat.

Und wie wird der Sparkassensektor derzeit von den internationalen Organisationen eingestuft? Registrieren Sie weniger scharfe Nebenbemerkungen in den Analysen?

Wir führen sehr viele Gespräche mit diesen Organisationen, auch im Rahmen meiner Tätigkeit als Präsident der Europäischen Sparkassenvereinigung. Das verschafft einen anderen Zugang in Brüssel, den wir dazu nutzen, für unser Modell zu werben. Damit sind wir bekanntlich nicht immer erfolgreich, aber im Moment haben wir den Eindruck, etwas besser verstanden zu werden. Viele Kritiker haben zuletzt ihre Einschätzung revidieren müssen.

Was ist uns nicht alles vorgehalten worden. Im Vergleich zu den 100- oder gar 120-, 130-Prozent-Hypotheken am Markt, galten die Sparkassen mit ihren bewährten Beleihungswerten als altmodisch und rückwärtsgerichtet. Jetzt plötzlich erkennt man wieder den Wert von Kreditvergabestandards. Noch vor einem Jahr gab es Vorwürfe, die deutsche Bankenlandschaft sei an modernen Finanzprodukten, insbesondere Verbriefungen unterproportional beteiligt, und zwar maßgeblich bedingt durch die Zerklüftung im Sektor der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Daran will heute niemand mehr erinnert werden.

Es hat sich gezeigt und zeigt sich immer noch, dass ein solides Geschäftsmodell, das dem Modernen aufgeschlossen, neuer Technik zugänglich ist und sich der Kundenbeziehung vor Ort verpflichtet fühlt, sich auch in Krisenzeiten bewährt.

Insofern ist es schon ein wenig Ironie der Geschichte, dass Modelle wie ABN Amro und Citibank Deutschland, die uns zur Nachahmung empfohlen worden sind, jetzt in der Zerschlagung sind beziehungsweise sich plötzlich der Frage ausgesetzt sehen, inwieweit solche Moloche überhaupt zu beherrschen sind. Während sie eine Eigendynamik entwickelten und durch große Anlagestrategien auch große Risiken eingefangen haben, erweisen sich gegliederte Organisationen als starker Stabilitätsfaktor. Insofern fühlen wir uns absolut bestätigt.

Natürlich sprechen wir das auch in der Bundespolitik sowie in Gesprächen mit Meinungsträgern aus Politik und Wirtschaft an und spüren dabei viel Aufnahmebereitschaft. Politik und Wirtschaft sind in ihrer Haltung zur Bankenstruktur in Deutschland wieder selbstbewusster geworden. Es ist ein Teil unserer Aufgabe als Spitzenverband für diese Sichtweise Multiplikator zu sein.

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