Redaktionsgespräch mit Helmut Schleweis

"Strukturveränderungen durch falsche Regulierung machen mich zornig."

Helmut Schleweis Foto: DSGV

Noch mehr Gewicht auf der Interessenvertretung, durchaus noch eine intensive Beschäftigung mit Marktthemen, wenn auch in neuer Funktion, aber keine grundlegende Überraschung im neuen Amt. Das ist der Tenor des Redaktionsgespräches mit dem seit Ende vergangenen Jahres amtierenden Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Helmut Schleweis. Einen wichtigen Akzent seiner Arbeit sieht er in der Schaffung beziehungsweise Stärkung einer Vertrauenskultur. Diese, so seine Argumentationslinie, erleichtert die Offenlegung der eigenen Positionen bei unterschiedlichen Interessenlagen in der Gruppe und ermöglicht es den Gremien, die Lösungsräume auszuloten und kluge Kompromisse zu finden. (Red.)

Herr Schleweis, Sie kennen die Sparkassen-Organisation seit mehr als 40 Jahren aus den verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlichster Positionen: Hat sich Ihr Blick auf die Finanzgruppe in den ersten sechs Monaten als Präsident verändert? Haben Sie neue Eindrücke gewinnen können?

Grundsätzlich lernt man immer wieder dazu und sollte vor allem nie aufhören, lernen zu wollen. Entsprechend habe auch ich trotz der langen Zeit, die ich schon in der Gruppe verbracht habe, neue Eindrücke gewonnen. Verband ist etwas anderes als Sparkasse. Das ist nicht wertend gemeint, es ist schlicht ein anderes Arbeiten, bestehend aus anderen Abläufen und noch mehr Terminen - und man lernt viele Menschen kennen, gerade aus der Politik in Berlin und Brüssel.

Ist es eine große Umstellung, nicht mehr operativ als Vorstand "regieren", also entscheiden zu können, sondern als Präsident eher vermittelnd tätig zu sein?

Der DSGV ist von der Größe und Aufgabenstellung in etwa mit einem mittelständischen Unternehmen vergleichbar. Es gibt hier eine gute Mischung aus operativer Zuständigkeit auf der einen Seite und Interessenvertretung auf der anderen. Das ist für mich nichts Neues, weil ich das so schon als Bundesobmann erfahren durfte. Allerdings hat sich die Gewichtung verschoben, heute ist es deutlich mehr Interessenvertretung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich der Präsident um eine ganze Menge Themen mehr kümmern muss. Und aufgrund der im Laufe eines Tages häufigen Themenwechsel muss man gedanklich schnell hin- und herspringen können.

Gibt es denn etwas, was Sie an Ihrem neuen Amt noch überrascht hat?

Nein, überrascht hat mich nichts. Aber natürlich ist es etwas anderes, ob man einen Prozess nur begleitet, wie ich es als Bundesobmann getan habe, oder ob man direkt in der Verantwortung steht.

Sie sprachen die Fülle von Themenstellungen, die den Präsidenten berühren, an: Überwiegen hierbei die großen verbundpolitischen Themen oder geht es auch hinein in Vertriebs-, Steuerungs- und sonstige Marktthemen?

Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Hier kommt mir natürlich meine Erfahrung als Sparkassenvorstand zugute. Ich merke schon in Gesprächen mit Politikern, dass man als Gesprächspartner akzeptierter ist, wenn man die Themen wirklich beherrscht, als wenn man nur einen Sprechzettel abliest. Hier wird mir viel Vertrauen entgegengebracht. Und das ist wichtig. Jeder kennt zwar seine Sparkasse. Aber ich muss immer wieder erklären, wie groß die Bedeutung der Sparkassen für die deutsche Volkswirtschaft ist, mit Marktanteilen von teilweise 50 Prozent und mehr. Nimmt man die Kreditgenossenschaften hinzu, sind 80 Prozent des deutschen Marktes ein Regionalmarkt. Das wird leicht übersehen. Von daher gehören für mich die politische Lobbyarbeit und das Beschäftigen mit den Marktthemen sehr eng zusammen.

Wenn Sie die hohe Akzeptanz als Gesprächspartner betonen, heißt das doch, dass man Ihnen, der als Sparkassenvorstand gearbeitet hat, das was Sie sagen und fordern, eher glaubt, oder?

Ob man mir mehr glaubt, weiß ich nicht. Aber in den Gesprächen ist es schon hilfreich, wenn man mit Beispielen argumentieren kann. Ich bin davon überzeugt, dass man Dinge besser verständlich machen kann, wenn man sie selbst erlebt hat.

In einer Ihrer ersten Reden als Präsident des DSGV sagten Sie, dass die Sicherstellung von Gemeinschaft und Vertrauen in allen Teilen der Gruppe Ihre wichtigste Aufgabe sein wird. Kann man daraus schließen, dass das so vorher nicht war?

Ich werbe immer wieder für eine Vertrauenskultur. Das ist kein Sparkassen-spezifisches Thema. Das generelle Vertrauen in Institutionen geht mehr und mehr verloren. Das betrifft Parteien, Behörden und auch Unternehmen. Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in wesentliche Pfeiler unserer Demokratie - hier sind wir alle aufgefordert gegenzusteuern.

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist von unterschiedlichen Interessen gekennzeichnet. Das ist ihre große Stärke und davon lebt sie. Man braucht also immer einen Interessenausgleich. Da fällt dann schnell das Stichwort der "Verbandsdemokratie". Ja, Demokratie ist anstrengend und bedarf vieler Diskussionen. Aber sie ist immer noch die beste aller Regierungsformen, weil sie zu Kompromissen führt und so versucht, alle mitzunehmen. Um aus den Interessengegensätzen, die es in unserer Gruppe gibt, Lösungsräume zu schaffen, braucht es ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen. Ich muss voraussetzen können, dass mein Gesprächspartner mit seinen Interessen nicht ausschließlich eigene Ziele verfolgt, sondern an Lösungen für die gesamte Gruppe interessiert ist. Sonst sind Kompromisse nicht möglich.

Von daher werbe ich sehr stark um diese Vertrauenskultur, denn sie ist für unsere Entscheidungswege unerlässlich. Die Entscheidungsinfrastruktur der Sparkassen braucht gewisse Voraussetzungen, um gute Entscheidungen für die gesamte Gruppe möglich zu machen. Da ist Vertrauen eine ganz wichtiger Baustein. Und da kann man immer noch ein bisschen besser werden.

Wie weit sind Sie da schon fortgeschritten?

Ich sage es mal so: Wenn man die lebhafte Berichterstattung über die Sparkassen-Finanzgruppe in den vergangenen Jahren mit dem ersten halben Jahr meiner Amtszeit vergleicht, ist es ruhiger oder andersrum ausgedrückt, für die Journalisten langweiliger geworden. Das werte ich mal als gutes Zeichen - wohl wissend, dass sich das auch wieder ändern kann.

Die Deutsche Bank hat es in vielen Jahren nicht geschafft, einen Kulturwandel zu erreichen. Wie gelingt Ihnen das in so kurzer Zeit? Ist es vor allem die persönliche Einstellung und Anstrengung, das Entgegenbringen und Einfordern von Vertrauen durch Sie als Präsidenten?

Kulturwandel ist zu viel. Sparkassen haben eine gute Kultur. Es geht um eine noch stärkere Identifikation mit unserer Marke und Vertrauen in die gemeinsamen Anstrengungen. Und wenn man etwas erreichen will, muss man darum werben. Das geht nur mit Authentizität. Ich möchte ein ehrlicher Makler für all die unterschiedlichen Mitglieder der S-Finanzgruppe und ihre jeweiligen Interessen sein. Ich kann aber nur dann gut vermitteln, wenn ich weiß, wo die jeweiligen Interessen liegen. Dabei ist es enorm wichtig, dass eine starke Vertrauenskultur herrscht, denn sonst werden eigene Positionen bei unterschiedlichen Interessenlagen nicht offengelegt

Was würden Sie tun, wenn Sie merken, dass jemand Ihr Vertrauen missbraucht und Sie für seine eigenen Ziele einspannen möchte?

Ich würde meine Schlüsse daraus ziehen.

Wie offensiv wollen und werden Sie die Rolle des DSGV-Präsidenten interpretieren? Reicht Ihnen die Gestaltungsmacht, die Sie Kraft Amtes haben?

Ja, die reicht vollkommen aus. Die aktuell 385 Sparkassen sind das Fundament der Gruppe. Diese Sparkassen sind geschäftspolitisch vollkommen selbst ständig. Schon deswegen kann die Rolle des DSGV und seines Präsidenten nur die eines Dienstleisters und Unterstützers für die Gruppe sein. Das heißt nicht, dass der DSGV-Präsident passiv in Berlin warten muss, bis etwas geschieht. Sondern ich sehe es als ganz wichtige Aufgabe an, für die Gruppe eine Agenda mit den zukünftigen Herausforderungen aufzusetzen, denen begegnet werden muss. Das ist dann keine persönliche Schleweis-Agenda, sondern eine Agenda für die Sparkassen-Finanzgruppe.

Das ergibt sich allein schon aus der Historie und der Entwicklung. Wir haben gerade 200 Jahre Berliner Sparkasse gefeiert. Das kann ein Mensch alleine nicht schaffen, sondern diese viele Jahre erfolgreich zu gestalten ist vergleichbar mit einem Staffellauf. Jeder muss in seiner Zeit, in der er die Verantwortung trägt, das Institut, die Institution ein Stück weit besser machen und an seinen Nachfolger übergeben.

Steht auf der Agenda Ihrer Amtszeit etwas, was über die geläufigen Themen Niedrigzinsen, Konsolidierung, Regulierung, Demografie oder Digitalisierung hinausgeht?

Alle Begriffe sind eng mit der erfolgreichen Arbeit der Sparkassen verknüpft und beschreiben die aktuellen Herausforderungen sehr gut. Die Grundidee der Sparkassen existiert seit ihrer Gründung bis heute fort. Sie muss immer wieder neu interpretiert werden, aber vom Grundsatz ist es die gleiche geblieben. Es geht nicht darum, das Geschäftsmodell oder die Aufgabe der Primärbanken und der Sparkassen-Finanzgruppe neu zu erfinden, sondern es an die Anforderungen der heutigen Zeit anzupassen.

Es wird mit Ihnen als Präsident also keine Überraschungen geben?

Ich denke nicht, vor allem keine bösen hoffentlich.

Sie sagten auch einmal, es reiche nicht aus, angestammte Märkte zu verteidigen, sondern die Sparkassen-Finanzgruppe müsse wachsen und neue Märkte erobern. Wie soll das gelingen? Der Wettbewerb wird ja nicht gerade geringer.

Mir geht es bei dieser Aussage vor allem um die Einstellung. Man kann sagen, die Märkte sind verteilt. Dann zieht man sich aber unweigerlich ein Stück weit auf eine passive Rolle zurück. Das reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein. Der Markt wird jeden Tag neu verteilt. Wir haben rund 50 Millionen Kunden und Geschäftsbeziehungen zu gut zwei Dritteln aller deutschen Unternehmen. Und trotzdem sind wir jeden Tag gefordert besser zu werden, unser Girokonto mit nützlichen Services wie Kwitt oder die Echtzeitüberweisung neu aufzuladen und attraktive Angebote für unsere mittelständischen Firmenkunden zu machen. Jeden Tag gibt es die Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen und neue Geschäfte zu machen. Ich bin ein großer Freund des Wettbewerbs. Denn Wettbewerb macht fit.

Wie zufrieden sind Sie mit der Positionierung der Sparkassen-Finanzgruppe in neuen Themen wie beispielsweise digitale Angebote betreffend oder im Payment?

Die Sparkassen sind in diesen Märkten mit großer Dynamik unterwegs. Neben Kwitt und der Echtzeitüberweisung kommt Ende Juli die App zum mobilen Bezahlen. Wir haben eine neue Multibanking-Funktion auf den Markt gebracht, mit der jeder Kunde auf einen Blick seinen kompletten Finanzstatus auch mit den Konten der Wettbewerber einsehen kann. Mit dem Identifikationsdienst Yes und dem elektronischen Safe starten wir auch noch in diesem Jahr.

Wichtig ist dabei, dass die neuen Services für den Kunden wirklich nützlich sind und dass unsere Institute sie dann auch schnell verfügbar machen. Neue Angebote bekommen nur dann die notwendige Akzeptanz, wenn möglichst viele Sparkassen sie nutzen beziehungsweise anbieten.

Gibt es bei den Sparkassen zu viele Pilotprojekte?

Nein. Für die Frühphase eines Innovationszyklus ist es notwendig, möglichst viel auszuprobieren. Dazu dienen die Pilotprojekte. Übertriebene Hektik bringt da nichts, man braucht auch Ruhe, um die Dinge wirklich wirken zu lassen. Es ist ein Unterschied, ob ein Fintech eine Entwicklung vielleicht für einige zehntausend Kunden an den Markt bringt oder unsere Gruppe einen neuen Service entwickelt, der dann vom Start weg für viele Millionen Kunden störungsfrei funktionieren muss.

Inwieweit empfinden Sie die Rolle etablierter Institute wie der Sparkassen als Nachteil oder Hemmnis. Ihnen drohen wesentlich größere Reputationsschäden als beispielsweise einem Fintech.

Das spielt natürlich eine Rolle. Zu Innovationen gehört auch die Kultur des Scheiterns. Das können sich Banken und Sparkassen aber nicht erlauben. Dabei muss es gar nicht um das Scheitern an sich gehen, sondern es langt schon, wenn sich Dinge anders entwickeln als angenommen oder prophezeit. Beispiel Paydirekt: Hier wurde seitens der Kreditwirtschaft ein falsches Erwartungsmanagement betrieben. Wer gegen einen bereits etablierten Anbieter antritt, darf nicht davon ausgehen, diesen in kurzer Zeit zu überholen. Es hätte von Beginn an klar sein müssen, dass Paydirekt ein Langstreckenlauf ist.

Nun hieß es aber doch mal, Paydirekt startet erst dann, wenn die Sparkassen mit an Bord sind. Nun sind diese schon einige Zeit an Bord, richtig durchgestartet ist es aber immer noch nicht.

Paydirekt entwickelt sich zufriedenstellend. Die meisten deutschen Banken und Sparkassen sind dabei und es wurden namhafte Händler gewonnen. Paydirekt leidet unter dem in solchen Fällen typischen Henne-Ei-Problem: Die ganz großen Händler wollen sich erst anbinden lassen, wenn ein ausreichende Anzahl Kunden vorhanden ist. Die Kunden warten aber auch auf die Anbindung großer Händler. Das zu lösen, wird die Aufgabe der Zukunft sein - Schritt für Schritt.

Spielt es vielleicht auch eine Rolle, dass die strategische Diskussion um Paydirekt nicht richtig geführt wurde oder wird? Ist es nun ein eigenständiges Onlinebezahlverfahren wie Paypal oder doch "nur" eine Möglichkeit, über das Konto auch E-Commerce-Zahlungen zu ermöglichen?

Das mag eine Rolle spielen. Entscheidend für den Erfolg von Paydirekt wird sein, dass alle gemeinsam das gleiche Ziel verfolgen. Hier sind wir meinem Eindruck nach inzwischen ein gutes Stück vorangekommen.

Täuscht der Eindruck, dass die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Banken und Bankengruppen in Deutschland mit Blick auf die Lobbyarbeit gut funktionieren, bei allen geschäftlichen Fragestellungen aber Eigeninteressen dominieren und die Gemeinsamkeiten abnehmen? Im Zahlungsverkehr beispielsweise hat sich die deutsche Kreditwirtschaft nahezu von allen gemeinschaftlichen Aktivitäten verabschiedet.

Für jeden einzelnen Fall gibt es Gründe und strategische Überlegungen, die dahinterstecken. Vieles ist mit hohen Investitionen verbunden, was eine klare Kosten-Nutzen-Abwägung zur Folge haben muss. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass es keine Gemeinsamkeit mehr gibt. Der DSGV ist derzeit Federführer in der DK, und da stelle ich weitgehend Einstimmigkeit bei den wesentlichen Themen fest. Dass dabei je nach Geschäftsmodell auch mal in Einzelfragen unterschiedliche Meinungen vorherrschen, ist legitim.

Wie hat sich die Wettbewerbssituation im deutschen Bankenmarkt entwickelt? Ist diese intensiver geworden?

Gerade der Retailmarkt ist traditionell von einem sehr intensiven Wettbewerb geprägt. Hier sehe ich auf absehbare Zeit keine wesentlichen Veränderungen. Der hohe Wettbewerb ist vielleicht nicht immer gut für die Jahresergebnisse der Institute, aber er ist gut für die Kunden, die von auch im europäischen Durchschnitt betrachtet sehr günstigen Konditionen profitieren. Diesem Wettbewerb müssen sich die Banken und Sparkassen stellen, ihr Geschäftsmodell immer wieder neu definieren. Das hält fit. Und es macht den Markteintritt für neue Wettbewerber schwieriger.

Im Firmenkundengeschäft nimmt der Wettbewerb dagegen stark zu, was intensiven Aktivitäten einiger Banken geschuldet ist, die sich hier Marktanteile erkaufen wollen. Für das Geschäft der Sparkassen hat das bislang keine Auswirkungen. In den ersten fünf Monaten sind sowohl die Neugeschäftsabschlüsse im Firmenkundengeschäft als auch die Bestände gestiegen. Hier zahlen sich die langjährigen Kundenbeziehungen aus, weil unsere Kunden wissen, was sie an der Sparkasse haben. Mit Blick auf den Konjunkturzyklus muss man aber auch bedenken, dass sich die Hochphase ihrem Ende zuneigt. Das heißt, die Möglichkeiten, im Kreditgeschäft Fehler zu machen, werden größer.

Wie definieren Sie die Kerngeschäftsfelder einer modernen Sparkasse?

In allerster Linie muss sie den öffentlichen Auftrag erfüllen. Laut dem Gründungsauftrag ist eine Sparkasse für alle da. Da wird die Versorgung aller Bevölkerungsschichten mit Bankdienstleistungen ebenso erwähnt wie das Mittelstandsgeschäft oder das Kommunalgeschäft. Das sind die konstituierenden Elemente des Geschäftsmodells Sparkasse. Das Standbein dabei ist das Retailgeschäft, von der Grundversorgung bis hin zum gehobenen Private Banking.

Bei alldem ist die Betriebswirtschaft eine strenge Nebenbedingung, denn die Sparkassen müssen ihr Eigenkapital selbst verdienen.

Wie viele der Produkte und Dienstleistungen können dabei noch von den Sparkassen selbst generiert werden, wie viel wird von Kooperationspartnern übernommen werden müssen?

Bei uns gilt das Subsidiaritätsprinzip, das heißt, dass die Dinge dort gemacht werden, wo sie am besten erledigt werden können. Sicherlich steigt die Bedeutung von Kooperationspartnern, um die Primärbanken kostenseitig zu entlasten. Aber dies sind in der Regel Verbunddienstleister, wie beispielsweise der S-Country-Desk für die Begleitung von Mittelständlern auf ausländische Märkte.

Stichwort Landesbanken und Landesbausparkassen: Spüren Sie eine gestiegene Bereitschaft der Eigentümer, Entwicklungen nicht nur aus der Not he raus anzustoßen?

Hier kann der DSGV-Präsident immer nur Gesprächspartner und Vermittler sein.

Was macht Sie so zuversichtlich, dass ihre Mitglieder alldem gewachsen sind - harter Wettbewerb, regulatorische Herausforderungen, Investitionen in Digitalisierung ...?

Sparkassen haben in ihrer Geschichte gezeigt, dass es immer wieder gelungen ist, sich auf neue, veränderte Rahmenbedingungen einzustellen und sich am Markt zu behaupten. Das liegt zum einen daran, dass unsere Gruppe sehr stark diversifiziert ist. So kann sehr viel ausprobiert werden und die besten Ideen können dann zum Wohle aller adaptiert werden. Zum anderen sorgt die lebendige Diskussionskultur dafür, Anpassungs- und Erneuerungsprozesse optimal auszusteuern. Das ist ein großer Vorteil von Verbundstrukturen gegenüber Konzernen. Wir müssen nicht jedes halbe Jahr die Strategie wechseln.

Aber dauern Prozesse dadurch nicht mitunter auch deutlich länger? Verliert man da nicht wertvolle Zeit?

Es geht nicht immer nur um Schnelligkeit. Die Fehleranfälligkeit von intensiv diskutierten Prozessen ist deutlich geringer.

Hat das Regionalprinzip im digitalen Zeitalter noch eine Zukunft?

Ja. Denn neben der strengen Regel ist das Regionalprinzip vor allem auch eine Einstellung. Es heißt doch nichts anderes, als sich auf das zu konzentrieren, was Sparkasse kennt und kann. Dadurch kann das Regionalprinzip auch im digitalen Zeitalter bestens gelebt werden.

Gibt es zu große beziehungsweise zu kleine Sparkassen?

Die Sparkasse muss immer zu ihrem Wirtschaftsraum passen. Dann gibt es kein zu groß oder zu klein. Alles hat Vor- und Nachteile: Kleinere Institute sind vielleicht etwas kundennäher, weil der Vorstand noch mehr Zeit und Gelegenheit hat, sich um das operative Kundengeschäft zu kümmern. Je größer eine Sparkasse wird, desto mehr muss sie Kundennähe organisieren. Dafür stoßen kleinere Häuser eher an Grenzen bei der Erfüllung regulatorischer und administrativer Aufgaben, weil die Kosten dafür immer höher werden. Früher lag die Gruppe der kleineren Banken immer über dem Bundesdurchschnitt beim Betriebsvergleich. Heute schneiden diese Häuser eher unterdurchschnittlich ab, während die großen Sparkassen über dem Bundesdurchschnitt liegen. Das hat mit dem normalen operativen Geschäft nichts zu tun, sondern liegt allein an den gestiegenen regulatorischen Kosten. Es macht mich schon ein wenig zornig, wenn durch falsche Regulierung Strukturveränderungen angestoßen werden, wenn an sich gesunde Institute vom Markt verschwinden, weil sie die Anforderungen nicht mehr erfüllen können.

Glauben Sie denn noch an die Versprechungen hinsichtlich einer Überprüfung der regulatorischen Fülle beziehungsweise für mehr Proportionalität?

Ja, es gibt Fortschritte. Unsere Bemühungen um eine angemessenere Regulierung tragen langsam Früchte. Auf EU-Ebene haben sich mittlerweile sowohl das Parlament als auch der Rat für eine Bilanzsummenschwelle von rund 5 Milliarden Euro in Deutschland ausgesprochen. Darunter fallen etwa 85 Prozent der Sparkassen, die dann administrativ entlastet werden sollen, das bedeutet zum Beispiel weniger Zahlen melden und seltener melden. Nun ist es wichtig, dass die Einigung aller drei EU-Gesetzgeber im Trilog nicht unter diese 5 Milliarden Euro Marke rutscht. Ende des Jahres werden wir hoffentlich Klarheit haben. Aber auch dann bleibt eine angemessene Bankenregulierung eine Daueraufgabe, sowohl auf Bundesebene als auch auf europäischer Ebene.

Wird es in Zukunft vermehrt zu Sprungfusionen kommen?

Das hängt vom Einzelfall ab. Aber unter der Prämisse, eine Sparkasse muss zu ihrem Wirtschaftsraum passen, halte ich persönlich Sprungfusionen für eher schwierig.

Wie kann es gelingen, gerade schwache Regionen zu stärken? Ist das nicht ein enormes gesellschaftspolitisches Problem?

Doch, absolut. Aber ich sehe auch, dass es in der bundespolitischen Debatte auf höchster Ebene angekommen ist. Wie kann es funktionieren? Gute Beispiele gibt es aus Bayern: Hier wurden Behörden ganz gezielt auf dem Land in strukturschwachen Gebieten angesiedelt, um eine wirtschaftliche Keimzelle zu schaffen. Dazu gehört ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Dazu gehört genauso die Versorgung bundesweit mit schnellem Internet. Es sind sehr viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. Aber nicht zuletzt aus Sicht der Sparkassen, die in diesen Regionen tätig sind, ist das ein elementares Thema.

Letzte Frage: Kommt der Verkaufsprozess der HSH Nordbank zu einem guten Ende?

Ich gehe davon aus.

Helmut Schleweis Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Berlin
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