Redaktionsgespräch mit Matthias Lais und Kai Werner

"Digitale Geschäftsmodelle haben durch die Pandemie weiter an Relevanz gewonnen"

Matthias Lais, Foto: Johann Starck

Die Commerzbank habe die Zeichen der Zeit erkannt und sich über die Venture-Capital-Tochter Main Incubator auf dem Weg zur digitalen Transformation begeben. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei laut Geschäftsführer Werner die Synergie aus den beiden Welten. Während die Commerzbank ihre Erfahrung in Sachen Regulatorik und klassischen Bankgeschäften einbringt sowie vor allem den Zugang zu vielen Kunden, steuern die Start-ups Ideen, Agilität und technologisches Wissen bei. Eine Herausforderung ist die unterschiedliche Grundausrichtung. Während Banker regulatorisch bedingt zwangsweise vor allem die Risiken bei Geschäften im Blickfeld haben müssten, denken laut Lais die Wagniskapitalgeber meist eher chancenorientiert. Die Aufgabe des Main Incubator sieht er manchmal auch als Übersetzer zwischen diesen Philosophien. Das Unternehmen arbeitet mit hybrider Strategie - es strebt sowohl nach Rendite als auch nach strategischem Mehrwert (Red.)

Herr Lais, Sie sind quasi während Ihrer gesamten Laufbahn in der Commerzbank. Zunächst im klassischen Banking und nun sind Sie Geschäftsführer eines Venture- Capital-Unternehmens, das Teil der Commerzbank Gruppe ist. War das ein großer Kulturwandel vom Banker zum "Venture Capitalist"?

Matthias Lais: Ja, der Unterschied zwischen beiden Welten ist schon groß. Die Denkweise eines Bankers ist einfach eine ganz andere als die des Venture Capitalists. Die Commerzbank hat in den vergangenen Jahren einen beachtlichen Wandel ihrer Innovationskultur vollzogen, jedoch werden Banker naturgemäß hauptsächlich von der Idee des Risikos angetrieben. Als Wagniskapitalgeber sind wir jedoch näher an der Denkweise eines Unternehmers, der sich in erster Linie mit Chancen und Möglichkeiten befasst und weniger darüber nachdenkt, was schiefgehen kann. Manchmal fungieren wir als Übersetzer zwischen unseren Startups und der Commerzbank, da hier zwei Welten aufeinandertreffen.

Herr Werner, was genau ist die Idee hinter Main Incubator?

Kai Werner: Durch junge und wachstumsstarke Unternehmen mit neuen Geschäftsideen werden die Geschäftsmodelle bestehender Unternehmen auf die Probe gestellt. Um dem zunehmenden Wettbewerbsdruck standhalten zu können, sind auch etablierte Konzerne wie die Commerzbank gezwungen, Innovationen voranzutreiben. Zu diesem Zweck greift die Commerzbank auf den Main Incubator als unternehmensinterne F&E-Einheit und Frühphasen-Venture-Capital-Investor zurück, der sich mit Zukunftstechnologien und deren Einfluss auf die Finanzbranche von morgen beschäftigt. Über Investments in technologiegetriebene Startups sowie die Entwicklung eigener Prototypen bringt der Main Incubator Innovationen in die Commerzbank und zu ihren Kunden. Über diverse Eventformate ist der Main Incubator darüber hinaus im Community Building, insbesondere für das Tech-Ökosystem, aktiv.

Herr Lais, Sie sind ja auch Mitgründer von Main Incubator. War die Verzahnung mit der Commerzbank von Anfang an der Plan?

Matthias Lais: Ja, absolut. Die Commerzbank hat die Zeichen der Zeit früh erkannt und sich über den Main Incubator auf den Weg zur digitalen Transformation begeben, um das Banking der Zukunft aktiv mitzugestalten. Unser Ziel ist es, Chancen für die Bank in Bezug auf neue Technologien, Prozesse, Produkte und Dienstleistungen zu identifizieren.

Schreckt das Gründer eher ab, wenn ein Großkonzern dahintersteckt, oder ist die Manpower, das Kapital und die Marktmacht dann doch verlockend genug?

Matthias Lais: Es gibt Startups mit innovativen Ideen, die bis zur Marktreife ihrer Produkte jedoch noch zahlreiche Problemstellungen zu klären haben: Der schnelle Zugang zu einer relevanten Anzahl von Kunden und Industrie-Knowhow sind entscheidend für Startups, wenn es um die Wahl von strategischen Partnern und Investoren geht. Unser Banking- Knowhow und der Zugang zur Commerzbank als namhaften Referenzkunden oder der Zugang zu den Firmen- und Privatkunden der Bank sind für Start-ups sehr interessant. Gerade die Kundenakquise ist kostenintensiv und - besonders als junges Unternehmen ohne nennenswerten Track-Record - zeitaufwendig. Hier agiert der Main Incubator als Katalysator und grenzt sich klar von unabhängigen Venture-Capital-Investoren ab.

Was steht für die Commerzbank denn im Vordergrund? Finanzieller Erfolg beim Exit junger Startups, an denen sich die Commerzbank Gruppe beteiligt, oder der Technologie-Transfer, um die Angriffe der anderen Fintechs besser abwehren zu können?

Matthias Lais: Sowohl als auch. Der Main Incubator sieht sich als ein Hybrid aus strategischem und unabhängigem Finanzinvestor. Wir zielen sowohl auf finanzielle Rendite als auch auf den strategischen Mehrwert, der sich aus der Partnerschaft zwischen der Commerzbank und dem finanzierten Start-up generieren lässt, ab.

Sie selbst entwickeln im "Prototyping Lab" ja auch eigene "Prototypen für die Finanzwelt von morgen", wie es so schön auf der Main-Incubator-Internetseite heißt. Alles auf Basis der großen technologischen Schlagworte der Jetztzeit wie KI, Robotics, Internet of Things (IoT), Quantum Computing et cetera. Können Sie einmal ein paar Beispiele nennen, was da in diesem Lab entwickelt wurde und wird?

Kai Werner: Für alle Unternehmen ist es eine Kernaufgabe, sich mit der Technologie von heute, aber auch mit der von morgen zu beschäftigen. Denn nur so kann eine Unternehmung mit dem Fortschritt mithalten und für ihre Kunden einen Mehrwert bieten, der letztlich ein Unternehmen überhaupt erst eine Daseinsberechtigung verleiht und Erfolg ermöglicht. So müssen wir als Bank uns ebenfalls mit den genannten großen Schlagwörtern beschäftigen, die Technologie verstehen, Vor- und Nachteile erforschen und Lösungen für uns und unsere Kunden entwickeln. Zwei Beispiele dazu: Noch vor der großzügigen Unterstützung der Bundesregierung haben wir uns das Thema Quantentechnologie zur Brust genommen und bereits im Jahr 2018 da - zu einen ersten Prototypen gebaut. Wir konnten daran gut erkennen, dass zwar die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, sie aber sehr schnell wächst und sich unsere Lösung mit fortschreitender Entwicklung der Quantentechnologie skalieren lässt und eine echte Verbesserung für uns und unsere Kunden in der nahen Zukunft ermöglicht.

Ein zweites Beispiel laufender Projekte ist unsere Beteiligung als Konsortialpartner an dem vom BMWi geförderten Forschungsprojekt "safeFBDC". Hierbei geht es darum, ihm Rahmen von GAIA-X und dem verbundenen Projekt FBDC mittels Künstlicher Intelligenz und Machine Learning eine Verbesserung in gleich mehreren für den Finanzsektor relevanten Themengebieten zu erzielen; unter anderem in Sustainable Finance und zur Verbesserung der Marktintegrität am Kapitalmarkt.

Auch vom BMWi gefördert wird das Projekt IDunion, welches wir als Main Incubator leiten und zusammen mit 50 Institutionen aus allen Bereichen ein Ökosystem für digitale Identitäten entwickeln. Wir haben uns bereits vor drei Jahren mit dem Thema selbstbestimmte digitale Identität beschäftigt, woraus sich Lissi entwickelt hat. Anfangs als Forschungsinitiative gedacht, hat sich Lissi heute zu einem Anbieter von Software für Institutionen und Endanwender für die Verwaltung von digitalen Identitäten entwickelt.

Wie eng ist der Main Incubator mit beispielsweise der Produktentwicklung und anderen Abteilungen der Commerzbank verzahnt?

Kai Werner: Der Main Incubator hängt im Commerzbank-Konzern am Vorstandsbereich Digital Transformation - also genau dort, wo der Fokus auf der Modernisierung des Konzerns liegt. Und das ist auch wichtig, denn dadurch kann gewährleistet werden, dass wir uns einerseits nahe an der digitalen Transformation und Produktentwicklung der Commerzbank bewegen und andererseits darüber hinaus unsere Ergebnisse und Perspektive der Bank der Zukunft einfließen lassen können. Bei dem zuvor genannten Prototyp zu Quantum Computing haben wir beispielsweise Experten aus dem Bereich der Verbriefung und Asset-Backed Securities mit hinzugezogen und somit fundiertes Fachwissen mit in das Projekt eingebracht und mit Experten zu Quantum Computing kombiniert. Hieraus ist gut erkennbar, dass die Synergie aus technologischer Expertise und bankfachlichen Expertenwissen der Schlüssel zum Erfolg und unerlässlich für eine Forschungs- und Entwicklungseinheit wie unsere ist.

Sie selbst sagen von sich, dass sie als F&E-Einheit der Commerzbank über fundiertes Know-how verfügen, aber gleichzeitig alle Freiheiten zur Implementierung innovativer Lösungen hätten. Hat diese "Freiheit" auch Grenzen? Macht der Konzern hierzu Vorgaben?

Kai Werner: Der größte Hemmschuh für Innovation ergibt sich aus zu engen Leitplanken. Deshalb ist es wichtig, ein hohes Maß an Freiheiten und Flexibilität sicherzustellen, um so der Generierung von Ideen möglichst viel Luft zu lassen. Das ist auch der Grund, warum der Main Incubator eine eigenständige Einheit ist und als Tochtergesellschaft für den Mutterkonzern forscht, entwickelt und auch als Frühphasen-Investor etabliert ist. Beispielsweise haben wir keine Kundendaten, um uns von regulatorischen Anforderungen der Bank freizumachen. Insofern ist das Level an Grenzen oder Vorgaben durch die Muttergesellschaft möglichst gering.

Wie sieht es mit der eigenen Entwicklung aus? Sind Großbanken tatsächlich zu träge, um die nötige Technologie selbst zu entwickeln, die sie brauchen, um den Angriffen von Fintechs und Bigtechs Paroli zu bieten?

Kai Werner: Das sind im Grunde zwei Fragen, die doch recht unterschiedlich zu beantworten sind. Bei den, wie Sie sagen, Angriffen durch Fintechs und Bigtechs fahren wir schon seit Gründung des Main Incubator einen kooperativen Ansatz, denn nur so lässt sich das Beste aus beiden Welten vereinen. Durch unsere Investments in Fintechs und durch projekthafte Zusammenarbeit mit Bigtechs ergibt sich somit viel mehr eine Chance, als dass sie einen Angriff darstellen. Ein umgekehrter Ansatz, in dem wir versuchen würden, die Konkurrenz vom Markt zu verdrängen, würde den Fortschritt hemmen - und das wäre genau das Gegenteil von dem, was uns antreibt und motiviert.

Zu der Frage der Trägheit: Großbanken sind in der Regel schon Jahrzehnte auf dem Markt und mussten immer wieder auf technologische, aber auch auf regulatorische Veränderungen reagieren. Dies führt zwangsläufig zu einer Ansammlung von Systemen und Prozessen, die über Jahre teils enger zusammenwachsen und sich teils weiter voneinander entfernen - und die sich gleichzeitig immer wieder verändern. Eine Anpassung eines Produkts hat dann mitunter weitreichende Folgen und Auswirkungen auf unterschiedliche Abteilungen, Systeme und Daten. Insofern sind Großbanken nicht träge - sie bewegen und verändern sich ja durchaus. Nur müssen stets eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt werden, um weiterhin dem Schutz der Daten und den Anforderungen der Regulatorik zu entsprechen. Jetzt wird noch einmal deutlich, warum der Main Incubator als unabhängige Einheit ins Leben gerufen wurde, um sich auf die Entwicklung neuer Technologien und die Kooperation mit Fin- und Bigtechs zu fokussieren.

Wie läuft die Zusammenarbeit grundsätzlich ab, kommt die Commerzbank und sagt, wir brauchen die und die technische Lösung und Main Incubator sucht dann die entsprechenden Start-ups oder funktioniert das anders herum? Also Main Incubator investiert und fördert alles, was vielversprechend klingt und die Commerzbank schaut dann, was sie für die eigene Produktentwicklung gebrauchen kann?

Matthias Lais: Die Zusammenarbeit läuft grundsätzlich in beide Richtungen. Teilweise kommt die Commerzbank auf den Main Incubator zu mit der Bitte, für ein existierendes Problem eine Lösung zu suchen oder die Bank war bereits in ersten Gesprächen mit Startups und involviert uns dann in einem zweiten Schritt, um das Investment Potential zu validieren. Der häufigere Fall ist jedoch, dass wir auf Startups stoßen, die sowohl aus Investment- als auch Kooperationsperspektive spannend sind. Hier bringen wir das Startup dann mit den jeweiligen Fachabteilungen aus der Bank in Kontakt, um eine mögliche Partnerschaft anzustoßen.

Was sind die aktuell vielversprechendsten Unternehmen im Portfolio?

Matthias Lais: Da wäre zum einen Grover, eine unserer ältesten Beteiligungen. Das Unternehmen wurde 2015 in Berlin gegründet und vermietet über eine Online-Plattform Unterhaltungselektronik wie Handys, Laptops oder Saugroboter im Abo-Modell an Konsumenten und Unternehmerkunden. Nach Ablauf des Abos besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Mietkaufs das Gerät zu erwerben oder an Grover zurückzugeben, wo dieses aufbereitet und erneut vermietet wird. Durch das wiederholte Vermieten von Geräten steigt deren Produktlebenszyklus. Grover bedient somit den Megatrend der Kreislaufwirtschaft. Das Unternehmen vermietet aktuell rund 475 000 Geräte und gilt als Marktführer für Miet-Commerce in Europa, wobei Grover in Deutschland, Österreich, der Niederlande und Spanien aktiv ist. Darüber hinaus ist kürzlich eine Expansion in die USA erfolgt.

Als zweites Beispiel haben wir uns erst im Juni dieses Jahres an dem noch frühphasigen Fintech Pliant beteiligt. Das im Jahr 2020 in Berlin gegründete Startup bietet seinen Kunden eine flexible digitale Firmenkreditkartenlösung an, die neben vollständig digitalem Kartenmanagement insbesondere auf nahtlose Integrationen in bestehende Prozesse setzt. Über das neueste Feature "Pliant Earth" können Kunden erworbene Cashback-Punkte bei Reisen automatisch in CO2-Kompensationsprojekte fließen lassen. Zu den ersten Großkunden zählt unter anderem die Kreditplattform Auxmoney oder die Agen tur Jung von Matt. Neben uns sind Carsten Maschmeyer mit seinen Investment-Vehikeln Seed & Speed und Alstin Capital, sowie namhafte Business Angels (darunter der Auxmoney-Gründer) investiert.

Inwieweit ist bei allen Eigenentwicklungen, aber auch bei Fintech-Beteiligungen die Aufsicht mit involviert? Von Anfang an oder werden die Fesseln der Regulatorik erst später angezogen?

Kai Werner: Alle unsere Fintech-Investments arbeiten, soweit notwendig, mit dem jeweilig zuständigen Regulator eng zusammen. Zusätzlich unterstützen wir unsere Startups aber auch bei dem Knowhow-Aufbau in Sachen Regulatorik, da wir inhouse auf viele Compliance- und Regulatorik-Experten zurückgreifen können. Bei unseren Eigenentwicklungen fokussieren wir uns immer zunächst auf die Innovationskraft der Lösung, um uns nicht zu sehr durch bestehende regulatorische Vorgaben zu limitieren. Mitunter kommt es vor, dass wir im Laufe eines Projekts feststellen, dass wir neue Standards setzen oder regulatorische Anpassungen anstreben müssen. Aktuelles Beispiel sind unsere Projekte zu Selbst bestimmten Identitäten - Projekt Lissi und Förderprojekt Idunion -, in denen wir uns eng mit zahlreichen Stakeholdern abstimmen, um die beste Lösung für unsere Kunden entwickeln zu können. Darüber hinaus sind wir immer im engen Austausch mit den Aufsichtsbehörden, um aus regulatorischen Entwicklungen etwaige Trends abzuleiten.

Wie ist der grundsätzliche strategische Plan? Wenn ein Unternehmen sich tatsächlich technologisch so weit entwickelt, dass es einen Nutzen für die Commerzbank liefern kann, bleibt sie dann strategisch investiert und begleitet den Weg weiter oder wird es dann komplett übernommen und einverleibt?

Matthias Lais: Wie bereits erwähnt ist der Main Incubator kein klassischer strategischer Investor, sondern verfolgt auch die Interessen eines unabhängigen Finanzinvestors. Über eine erfolgreiche Kooperation mit der Commerzbank hinaus geht es uns also hauptsächlich darum, mit einer zukünftigen Veräußerung der Beteiligung die größtmögliche finanzielle Rendite zu erwirtschaften. Dies gelingt nur, wenn das Unternehmen möglichst groß wird. Eine Übernahme durch die Commerzbank direkt nach erfolgreicher Kooperation wird daher nicht aktiv angestrebt. Wir bleiben so lange investiert und begleiten den Wachstumspfad des Unternehmens weiter, bis wir unsere Beteiligung durch eine Akquisition des Unternehmens oder einen Börsengang zu einem höchstmöglichen Verkaufspreis veräußern können.

Wäre es für eine Großbank nicht einfacher, die Fintechs, die interessant erscheinen, einfach aufzukaufen, wenn sie Marktreife und damit in gewisser Weise einen Proof of Concept haben?

Matthias Lais: Dies ist oft nur schwer möglich. In der Regel ist es so, dass gut entwickelnde Startups, gerade in der frühen Phase, nicht an einem Verkauf interessiert sind, da sie sich nicht unter Wert kaufen lassen möchten. Deshalb ist es ohne Venture Capital nahezu unmöglich für Großkonzerne Zugriff zu den besten Gründern, Innovationen und Startups zu erhalten.

Ist der Main Incubator ein rein technologisches Investment für die Commerzbank oder arbeiten Sie profitabel und liefern auch einen Ergebnisbeitrag?

Matthias Lais: Durch unsere Venture-Capital-Aktivitäten ist letzteres der Fall. Bis heute haben wir fünf unserer Start-up-Beteiligungen veräußert und dadurch das investierte Kapital signifikant vermehren können.

Gerade für junge Unternehmen ist Networking sehr wichtig. Daher haben Sie ja auch diverse Networking Events im Programm wie das Impact Festival. Im September 2021 fand die Veranstaltung erstmals nach der Lockdown-Phase wieder statt. Wie sehr haben solche Veranstaltungen auf dem Höhepunkt der Corona-Krise gefehlt? Wurden die jungen Unternehmen dadurch in ihrer Entwicklung gebremst?

Kai Werner: Wie Sie schon richtig gesagt haben, persönliche Kontakte und Networking sind für Startups das A und O. Da waren die Corona-Krise und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen natürlich erst einmal ein Schock. Da wir es in der Startup-Szene jedoch mit innovativen und adaptiven Köpfen zu tun haben und wir glücklicherweise in einem Zeitalter von Zoom, Google Meets und Co. leben, haben sich sehr schnell alternative Möglichkeiten zum Kontaktepflegen gefunden. Somit hat die Pandemie die Startups in ihrer Entwicklung nicht maßgeblich negativ beeinflusst. Im Gegenteil, manch innovative Geschäftsidee hat erst durch den Ausbruch der Pandemie so richtig an Aufmerksamkeit erfahren. Nichtsdestoweniger ersetzt keine Videokonferenz dieser Welt den direkten persönlichen Austausch. Daher war das Impact Festival für alle Beteiligten eine wertvolle und langersehnte Möglichkeit des persönlichen Netzwerkens, die unserer Meinung nach auch nach Überwindung der Pandemie wieder verstärkt genutzt werden wird.

Haben Sie durch die Pandemie eine geringere Gründungstätigkeit verspürt?

Matthias Lais: Summa summarum hat die Pandemie unserem Empfinden nach die Gründungstätigkeit nicht wirklich negativ beeinflusst. Natürlich haben die Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Leben die Kundenakquise in vielen Industrien und Bereichen beeinträchtigt, was gerade sehr junge Unternehmen ohne existierenden Kundenstamm vor Herausforderungen stellen kann. Auf der anderen Seite hat die Pandemie wie ein Brennglas auf existierende Schwachstellen und Probleme in der Gesellschaft gewirkt und den Bedarf für Innovation in vielen Bereichen des Lebens geweckt und viele Gründer mit großartigen Ideen zum Vorschein gebracht. Besonders digitale Geschäftsmodelle haben durch die Pandemie weiter an Relevanz gewonnen.

Das Festival befasst sich ja speziell mit dem Thema Nachhaltigkeit und richtet sich an Greentechs. Inwieweit kann ein Finanzinstitut davon technologisch profitieren? Oder geht es bei dieser Messe um etwas anderes für die Commerzbank?

Kai Werner: Für eine erfolgreiche Transformation in eine CO2-arme und nachhaltige Wirtschaft muss das Finanzsystem zwingend miteinbezogen werden. Finanzinstituten kommt hier eine Schlüsselrolle als Finanzierer und Katalysator für eine "grünere" Wirtschaft zu. Das bedeutet unter anderem, dass Anlage- und Kreditentscheidungen unter Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialrisiken getroffen werden. Die Commerzbank sieht es darüber hinaus als ihre Aufgabe an, ihren Firmenkunden den Übergang zu nachhaltigen Praktiken zu erleichtern. Neben der Beratung und dem Zugang zu nachhaltigen Kapitalmarkt- und Finanzprodukten ist das Impact Festival eine weitere Säule dieses Vorhabens. Hier haben wir die innovativsten Green Start-ups und Firmenkunden miteinander in Verbindung gebracht, mit dem Ziel, die Unternehmen durch den Einsatz der Lösungen der Startups in ihrer nachhaltigen Transformation zu unterstützen.

Spielt Nachhaltigkeit auch schon bei den reinen Fintechs, die Finanzdienstleistungen oder Produktionsprozesse digitalisieren, eine Rolle?

Matthias Lais: Ja, absolut. Das Thema Nachhaltigkeit ist längst auch in der Finanzindustrie angekommen und wir beobachten, dass immer mehr Fintechs die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit vereinen. Die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Finanzprodukte reicht dabei zum Beispiel von dem Zugang zu nachhaltigen Geldanlagemöglichkeiten durch Robo-Advisor oder Neo-Broker, über das Angebot von Kreditkartenanbietern und Neo-Banken, bei Kartenzahlungen einen prozentualen Betrag einem Klimaschutzprojekt zugutekommen zu lassen, bis hin zu Anbietern von digitalen Mitarbeiter-Benefits, bei denen die Mitarbeiter die steuerfreien Sachbezüge lediglich bei vom Anbieter als nachhaltig eingestuften Händlern und Restaurants einlösen können.

Welche Wünsche haben Sie an die kommende Bundesregierung? Was muss von Regierungsseite getan werden, damit mehr Gründungsgeist entsteht und damit mehr innovative junge Unternehmen aus dem Boden sprießen können?

Matthias Lais: Es sind bereits viele wichtige Maßnahmen angestoßen worden, darunter der 10-Milliarden-Euro-Zukunftsfonds, der darauf abzielt, auch den Kapitalbedarf von Startups in der Wachstumsphase mit inländischen Geldern befriedigen zu können, die Online-Gründung einer GmbH, welche zu einer Bürokratieentlastung für Gründer führt oder die Reform zu Mitarbeiterkapitalbeteiligungen. Gerade bei Letzterem sehen wir jedoch noch Verbesserungsbedarf.

Start-ups können häufig nicht mit den hohen Fixgehältern etablierter Konzerne mithalten und haben es daher schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Die einzige Alternative dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist die Möglichkeit, Mitarbeitern eine Beteiligung am schnell wachsenden Unternehmen anzubieten. Diese Möglichkeit wird jedoch bis heute aufgrund unattraktiver rechtlicher und steuerlicher Rahmenbedingungen nicht ausreichend genutzt. Hier bedarf es unserer Meinung nach einer Überarbeitung der Reform, um Mitarbeiterbeteiligungen attraktiver zu gestalten.

Matthias Lais , Gründer und Geschäftsführer , Main Incubator GmbH, Frankfurt am Main
Kai Werner , Geschäftsführer, Main Incubator GmbH, Frankfurt am Main

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