Redaktionsgespräch mit Marcus Lingel

"Wir haben unsere volle Kraft noch gar nicht gezeigt!"

Dr. Marcus Lingel, Foto: Merkur Privatbank (Quirin Leppert)

Wenn man in Deutschland an mittelständische Unternehmen denkt, kommen einem hauptsächlich hochspezialisierte Industriebetriebe in den Sinn, die zwar außerhalb ihrer Branchen nicht weiter bekannt sind, darin aber weltweites Ansehen genießen. Diese Betriebe sind oft durch unternehmerische Werte, ein klares Geschäftsmodell, traditionsreiche Strukturen sowie innovative Ansätze gezeichnet. Diese Eigenschaften überträgt Dr. Marcus Lingel mit seiner Merkur Privatbank auf das Bankgewerbe. Im Gespräch mit der Redaktion beschreibt er, was für ihn unternehmerisches Banking bedeutet und anhand welcher Werte eine eigentümergeführte Bank ausgerichtet sein sollte, um einerseits profitabel wirtschaften zu können und andererseits die Interessen ihrer Kunden wahren zu können. Ebenso geht er darauf ein, welche Herausforderungen die Übernahme eines anderen Bankhauses für einen Eigentümer und seine Mitarbeiter aufwirft. Unternehmerisches Denken und Handeln sowie ein fester Wertekompass hätten die Bank sicher durch die vergangenen 20 Jahre geführt und würden dies auch durch eine derzeitige und zukünftige Krisen tun, so Lingel. (Red.)

Herr Lingel, die Merkur Privatbank weist sich mit dem Motto "Einfach: Ehrliches Banking" aus. Was bedeutet "ehrliches Banking" für Sie?

"Ehrliches Banking" bedeutet für uns, Bankgeschäfte ohne Interessenkonflikte zu betreiben. Ein solcher bestünde beispielsweise, wenn man bei der Vermögensanlage ein Bankprodukt vertreibt und es gleichzeitig produziert. Hier stellt sich die Frage nach der Transparenz: Ist es Ansinnen der Bank, dem Kunden eine gute Anlage zu bieten oder möchte sie ihr Produkt verkaufen? Dies stellt für mich einen unüberwindbaren Gegensatz dar, weswegen sich die Merkur Privatbank dazu bekennt, keine eigenen Produkte zu produzieren. So entsteht für uns keine Interessenkollision und das halte ich für ehrlich.

Ein unternehmerischer Wert für uns ist es auch, Verantwortung zu leben. Verwalte ich das Geld eines Kunden, nehme ich ebenso die Verantwortung für ihn auf mich. Verfolgt ein Institut mit diesen Einlagen andere Interessen als die des Kunden, kann es nicht behaupten, verantwortungsvoll mit dem Vermögen des Kunden umzugehen. Alles was die Bank dem Kunden für sein Portfolio empfiehlt, muss ihm zugutekommen. Davon profitieren natürlich auch wir als Bank, da sie dem Kunden etwas verkaufen kann, aber das Produkt muss unabhängig von ihren internen Strukturen sein.

Wie kommt dieser Ansatz bei den Kunden an?

Sehr gut! Die Bank stellt sich vollständig auf die Seite des Kunden. Für mich liegt der Fokus unserer Kundenberater darauf, die Interessen des Kunden voll und ganz umzusetzen und dessen Performanceerwartung zu erzielen. Ein Widerspruch wäre es, den Kundenberatern vorzuschreiben, welche Produkte sie zu verkaufen hätten, um eine bestimmte Marge zu erzielen. Deswegen ist mir das Produkt letztlich gleichgültig, solange es im Interesse des Kunden liegt. Verliere ich den Kunden, verliere ich auch meine Ertragsmöglichkeit. Und Kunden sind nun einmal meine einzige Ertragsmöglichkeit, da wir nicht an eigenen Produkten verdienen.

Woran lässt sich das "ehrliche Banking" im Geschäftsmodell der Merkur Privatbank festmachen? Wie können Sie unter diesem Vorsatz das Interesse des Kunden und das Ihres Hauses in Einklang bringen, sodass sie parallel laufen?

Das ist ganz klar Aufgabe des Managements und muss im Geschäftsmodell verankert sein. Beispiel Verbraucherschutz: Das ganze Thema Wertpapierhandel und die daraus resultierenden Probleme sehe ich für uns nicht in größerem Maße, weil wir Produktion und Vertrieb trennen. Wir konzentrieren uns auf die Vertriebsseite und produzieren gar nichts, kein einziges Anlageprodukt.

Zudem sind wir vollkommen unabhängig. Wir sind keinem Konzern, keiner Tochtergesellschaft und keiner Versicherungsgesellschaft verpflichtet. Wir sind vollkommen frei in unseren Entscheidungen und somit auch bei der Suche nach den besten Produkten am Markt, die für den Kunden den größten Mehrwert bieten. Absatzverpflichtungen gibt es bei uns nicht. Das ist ehrliches Banking.

Dazu im Gegensatz, wie würden Sie "unehrliches Banking" definieren und in welchen Geschäftspraktiken würde sich solches zeigen?

Unehrliches Banking ist für mich die Umkehr des vorhin erwähnten Prinzips: Trotz des Interessenkonflikts verkaufe ich dem Kunden ein Produkt, welches ihm nicht zum Vorteil ist, mir aber in Produktion und Verkauf einen Gewinn einbringt. Hieraus ergibt sich auch ein Kommunikationsproblem. Diese Verpflichtung gilt bei uns natürlich auch für das Kreditgeschäft. Ein Beispiel, wie wir dies umsetzen: Ein Kunde beantragt einen Kredit, bekommt diesen aber nicht gewährt. Wenn dem Kreditnehmer nun Gründe wie Regulatorik, fehlende Unterlagen oder ähnliches genannt werden, ist das ihm gegenüber ehrlich? Könnte eine wahrheitsgetreuere Kommunikation nicht auch so aussehen, ihm zu sagen, sein Risiko sei aus unserer Sicht zu groß oder der Verdienst der Bank an dem Kredit wäre zu gering? Ich möchte dem Kunden klar sagen, warum ich den Kredit nicht gewähre. So gebe ich ihm auch die Möglichkeit, sich mit diesem Feedback auseinanderzusetzen und wenn er will gegebenenfalls gegenzusteuern. Ein Kredit hat feste Bedingungen und warum sollte ich diese dem Kunden nicht offen mitteilen? Leider erlebe ich, dass das in der Branche nicht immer auf diese Weise geschieht.

Als Rarität im derzeitigen Niedrigzinsumfeld bieten Sie Kunden 1 Prozent Zinsen per annum auf ein Festgeldkonto. Das Angebot ist allerdings an den Kauf oder Übertrag von Wertpapieren im Wert von mindestens 25 000 Euro auf ein Depot bei Ihrer Bank gebunden. Wo entsteht der geldwerte Vorteil für Ihr Haus, wo für den Kunden?

Man muss das so sehen: Die Merkur Privatbank hat alle ihre Kundeneinlagen rentabel im Kreditgeschäft investiert und damit eine sehr starke Aktivseite. Wir investieren unser Geld nicht in Kapitalanlagen, einem Depot A. Aus diesem Grund besteht für uns auch kein Zwang, Negativzinsen zu verlangen. Diesen Vorteil möchten wir natürlich an die Kunden weitergeben, die unsere Leistungen in der Kapitalanlage nutzen oder testen wollen. Das ist letztlich ein Anreiz, unsere Leistungsfähigkeit in der Vermögensanlage in Form von Vermögensberatung oder Vermögensverwaltung zu erleben. Dauerhaft wollen wir unseren Kunden zeigen, dass die Anlage am Kapitalmarkt immer erfolgreicher war, als das Sparbuch, das Tagesgeld oder das Festgeld. Wenn Sie unsere geschäftliche Entwicklung verfolgen, können Sie erkennen, dass wir uns diese sehr guten Konditionen für unsere Kunden leisten können.

Die Bank empfiehlt ihren Kunden die Umschichtung von Sparanlagen in Wertpapiere, betreibt aber selbst kein Wertpapiergeschäft mit Kundengeldern oder einem Depot A, wie Sie auf Ihrer Jahrespressekonferenz erwähnten. Wie passen diese Ansätze zusammen?

Wir haben ein Depot A mit 30 Millionen Euro, was bei einer Bilanzsumme von 2,7 Milliarden Euro vollkommen unbedeutend ist. Im Prinzip betreiben wir aber kein Depot-A-Geschäft. Wir verstehen zwar etwas von Kapitalanlage, aber wir möchten mit den Kundengeldern aus Prinzip nicht am Kapitalmarkt spekulieren, sondern in das Kreditgeschäft investieren

Diesem Prinzip liegt folgende Fragestellung zugrunde: Für was ist eine Bank da und was ist ihr volkswirtschaftlicher Nutzen? Eigentlich ist eine Bank dazu da Geld zu sammeln und in Form von Krediten an die Wirtschaft wieder zurückzugeben, also der Transformationsprozess vom Sparer zum Kreditnehmer. Und dieser Funktion sind wir immer treu geblieben. Betreibt denn die Bank eine Wertschöpfung, wenn sie das Geld der Kunden nimmt und am Kapitalmarkt anlegt? Nein, die Kunden sind dazu selbst in der Lage und können ihre Transaktionen selbst am Kapitalmarkt tätigen.

Deswegen wollten wir kein Depot A und damit auch keine Fristentransformation, was für mich eine reine Spekulation auf die zukünftige Zinsentwicklung ist. Wir investieren unsere Kundengelder wie gesagt zu 100 Prozent im Kreditgeschäft. Da liegt unsere Expertise. Besonders in der Beurteilung von mittelständischen Betrieben liegt unser Know-How. Das liegt sicher daran, dass wir selbst ein Mittelständler sind und eigene Erfahrungen mit einbringen können. Mit dieser Ausrichtung konnten wir uns trotz der verschiedenen Krisen der letzten Jahrzehnte ohne Verwerfungen gut und stabil entwickeln.

Auf der Einlagenseite können Sie mit einem Kniff noch Zinsen auf Sparanlagen geben. Wie sieht es aber auf der Kreditseite aus? Wie erwirtschaftet die Merkur Privatbank im Kreditgeschäft noch einen wachsenden Zinsüberschuss?

Im Kreditgeschäft haben wir die folgenden Geschäftsfelder: Das Mittelstandsgeschäft, die Leasing-Refinanzierung, die Bauträgerfinanzierung und die Vermittlung von Hypothekenfinanzierungen für Immobilienkäufer. Zunächst das klassische Mittelstandsgeschäft: Unsere Expertise fußt auf unserer langjährigen Erfahrung in diesem Segment und unserem eigenen Status als mittelständisches Unternehmen. Wir sind sowohl in der Investitionsfinanzierung als auch bei der Betriebsmittelfinanzierung tätig. Wichtig ist dabei auch, dass wir unseren Kunden die Leistungen von Sonderkreditinstituten anbieten, da diese Vorteile wie Haftungsfreistellungen und günstige Zinskonditionen mit sich bringen.

Auf welche Expertise kann sich die Bank in den anderen Bereichen berufen?

Im Bereich der Leasingrefinanzierung, bei dem wir die Leasingobjekte der Leasinggesellschaften finanzieren, haben wir ein eigenes Team mit viel branchennahem Wissen. Was das Bauträgergeschäft betrifft, wo wir uns zu 90 Prozent auf wohnwirtschaftliche Projekte in Ballungsräumen wie München, Stuttgart, Nürnberg, Augsburg, Erfurt und Jena in Thüringen konzentrieren und im Jahr ungefähr ein Neugeschäftsvolumen von 1,1 Milliarden abwickeln, sind wir ebenso hoch spezialisiert. Im Controlling setzen wir beispielsweise eigene Bausachverständige ein, was uns einen Vorsprung im Know-how verleiht.

Alle diese Felder betreibt die Bank schon seit Jahrzehnten. Als ich im Jahr 2000 zur Bank gestoßen bin, stand der Bauträgerbereich bei einem Neugeschäftsvolumen von circa 75 Millionen Euro jährlich. Aus unseren Kenntnissen heraus haben wir die Geschäftsfelder weiterentwickelt. In allen Geschäftsfeldern haben wir eine Markt- und Marktfolgeabteilungen. Durch diese strikte Trennung haben wir mittels Spezialisierung eine große Expertise aufgebaut, entwickeln uns weiter, erhöhen unsere Sichtbarkeit und erreichen dadurch eine tiefere Marktdurchdringung.

Aufgrund der Verwerfungen der vergangenen 20 Jahre haben viele Konkurrenten in unseren Bereichen, die wir bedienen, ihre Strategie oft geändert: Mal sind sie ein-, mal ausgestiegen und so weiter. Dagegen versuchen wir, unseren unternehmerischen Werten der Sicherheit und Stabilität treu zu bleiben. Der Kunde kann sich darauf verlassen, dass wir das, was wir heute machen, auch morgen, übermorgen, nächste Woche und nächstes Jahr auch noch machen werden. Im Gegensatz zur Konkurrenz konnten bei uns über diesen Zeitraum starke und verlässliche Bindungen entstehen.

Mit der Übernahme wesentlicher Teile der Bank Schilling hat die Merkur Privatbank ihrem Immobiliengeschäft noch einen Bereich hinzufügen können, richtig?

Ja, die Vermittlung von Hypothekenfinanzierungen für Immobilienkäufer, haben wir von der Bank Schilling übernommen. Wenn jemand eine Immobilie kaufen möchte, treten wir als Vermittler zwischen Kunde und Hypothekenbank auf. Wir übernehmen die Langfristfinanzierung also nicht selbst, sind aber bereit, bis zur Fertigstellung eine Vorfinanzierung zu übernehmen oder in Einzelfällen auch eine nachrangige Finanzierungstranche in unsere eigenen Bücher zu nehmen. Hier bieten wir dem Kunden ein Full-Service-Paket, in dem er all die notwendigen Leistungen aus einer Hand - unserem Vertrieb - erhält.

Auch das Geschäft in der Vermögensverwaltung hat durch den Zukauf profitiert. Wie hat sich die Übernahme noch ausgewirkt?

Nur positiv. Die Intention des Zusammenschlusses war es, beide Häuser zu ergänzen. Wir hatten eine kulturelle Gemeinsamkeit, welche eine wichtige Voraussetzung für den Zusammenschluss war: Beide waren eigentümergeführte Banken. Geschäftlich haben sich unsere Häuser sehr gut ergänzt. Die alte Merkur Bank war sehr stark im Kreditgeschäft und hatte dort hohe Bestände. Dagegen war das Bankhaus Schilling sehr gut in der Vermögensanlage aufgestellt. Das hat sehr gut zusammengepasst.

Von Anfang an haben wir keine Kostensynergien gesucht. Ganz im Gegenteil, wir haben Wachstumsfelder in klar definierten Bereichen erschlossen. Das hat sich im Jahr 2020 niedergeschlagen: Wir sind in allen diesen Bereichen gewachsen. Und das ist meiner Meinung nach ein großer Erfolg für so einen jungen Zusammenschluss, der in unserer Branche selten zu sehen ist.

Dennoch gab es Synergien bei der Verbesserung der Leistung und beim Ausbau des Vertriebs. Die einzigen Überschneidungen gab es in der Region München, ansonsten konnten wir unser Geschäftsgebiet ohne Doppelstrukturen ausbreiten. So fand ein Austausch zwischen den Filialen der Merkur Bank und der Bank Schilling statt: Erstere bekam Know-how in der Vermögensanlage, Letztere im Kreditbereich hinzu. Und die Synergien müssen auch nicht nur für die internen Prozesse gesehen werden. Wir haben auch bei der Diversifizierung des Geschäftsmodells Synergien gehoben. Die hinzugewonnene Vermögensanlage bringt uns 16 Millionen Euro Provisionserträge im Jahr und verspricht weiteres Wachstum für die Bank.

Welche Hürden gibt es noch bei der Integration der Bank Schilling?

Die strategischen Themen sind alle geklärt. Hier haben wir zügig Fortschritte gemacht. Ebenso sind Organisation und Geschäftsstrategie im Endzustand. Im laufenden Jahr haben wir noch die Aufgabe, die internen Prozesse anzugleichen. Der Weg hierzu ist bereits vorgezeichnet, jetzt müssen wir ihn noch zu Ende gehen. Aber ich glaube bis zum Ende des Jahres können wir den Zusammenschluss auch intern beenden. Ich bin auf meine Mannschaft stolz, da sie gleichzeitig zu den Prozessangleichungen auch ein deutliches Wachstum bewerkstelligt hat. Das bedeutet für mich auch, dass wir selbst in dieser Veränderungsphase bei unseren bestehenden Kunden gut ankommen, und wir auch unsere Attraktivität für neue Kunden beibehalten oder gar steigern konnten.

Wir haben außerdem versucht, uns die Zeit zu nehmen, um gemeinschaftlich unsere Zukunft zu gestalten. Anstatt im Hintergrund die Strukturen zu erarbeiten, um dann die Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen zu stellen, haben wir uns ein gutes Dreivierteljahr Zeit genommen, um gemeinsam Einzelheiten zu analysieren. Wir haben dazu über 20 Prozent der Belegschaft eingebunden, sich diesen Aufgaben in Form von Online-Konferenzen und, so wie es Corona-bedingt möglich war, in Workshops zu widmen. Wie kann man die Kontoeröffnung gestalten? Wie geht man bei der Anlageberatung vor. Wir hatten ja überall zwei Prozessfelder, die zusammengeführt werden mussten. Und auch durch diese intensiven Diskussionen auf der Arbeitsebene ist Vertrauen entstanden. Denn am Ende werden wir daran gemessen, was von den Dingen, die wir angekündigt hatten, umgesetzt wurde. Und hier haben wir gute Arbeit geleistet.

Wie haben die Mitarbeiter die Fusion aufgenommen?

Natürlich gab es Bedenken in den Betrieben. Unser Haus mit 190 Mitarbeitern hat eines mit 240 übernommen. Die Mitarbeiter des übernommenen Betriebs können sich zunächst einmal nicht sicher sein, wie die neue Unternehmensführung tickt. Auf der anderen Seite fürchten Mitarbeiter um ihre angestammte Position. Um solche Unsicherheiten auszuräumen, war es mir wichtig, durch eine Investition in unsere Mitarbeiter ein positives Signal zu setzen. So haben wir die neuen Mitarbeiter in Tarifverträge hinein- und die Sozialleistungen angehoben. Durch diese Investition ist Vertrauen entstanden.

Ich kann auch mit Stolz behaupten, dass in unserem Haus keine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstanden ist. Wir sind gemeinsam zur Merkur Privatbank geworden. Wir leben die gemeinsame Geschäftskultur und das ist wahrscheinlich Teil des Erfolgs des vergangenen Jahres.

Neben Geldanlage und Finanzierung steht als dritte Kategorie im Angebot Ihrer Bank der Zahlungsverkehr, bei dem Sie neben Ihren Konten- und Kartenangeboten auch Banking-Software, vor allem für Mittelstandskunden, anbieten beziehungsweise vermitteln. Welches Wachstumspotenzial sehen Sie in diesem Bereich für Ihre Bank noch?

Den Zahlungsverkehr sehen wir nicht als Wachstumsfeld im Ertrag. Vielmehr ist er ein Mittel zum Zweck, um den Kunden bestmögliche Zugänge zu schaffen und eine reibungslose Abwicklung ihrer Zahlungen zu ermöglichen. Hier ist der Servicegedanke im Vordergrund, nicht die Steigerung der Erträge. Unsere Bank ist auch nicht groß genug in diesem Feld aufgestellt, um Erträge zu erzielen. Hier bräuchte man mehr Volumen zur Skalierung.

Abseits Ihrer bisherigen Geschäftsfelder, gibt es noch weitere, die Ihre Bank betreten möchte?

Ich bin ein Fan von Spezialisierung. Und das wird auch der Weg sein, den wir weiterhin beschreiten werden. Innerhalb unserer bereits erschlossenen Felder sehe ich so viel Wachstumspotenzial, welches noch zu heben ist, sodass wir in naher Zukunft keine weiteren Felder betreten müssen.

In welchen Geschäftsfeldern können eigentümergeführte Privatbanken allgemein noch Potenziale heben? Gibt es solche, die Sie meiden würden?

Viele gibt es da nicht mehr. Ich sehe aber für die Unternehmensform große Chancen. Für sie gibt es im Vergleich zu Großkonzernen oder Management-geführten Banken ganz andere Möglichkeiten, ihre Kultur und ihre unternehmerischen Werte als Alleinstellungsmerkmal zu nutzen. Die eigentümergeführten Banken müssen in dem was sie tun gut sein. Wenn sie sich auf bestimmte Bereiche konzentrieren, und das Know-how ihres Eigentümers einzusetzen wissen, hat unsere Unternehmensform heute durchaus gute Chancen. Und im Verhältnis zu unseren Unternehmensgrößen können unsere Marktpotenziale unendlich groß sein.

Im Sparkassen- und genossenschaftlichen Bereich stehen die Zeichen seit Jahren ununterbrochen auf Konsolidierung. Welchen Trend erwarten Sie für den Privatbankier-Sektor?

Das kann man nicht pauschalieren. Natürlich wird der regulatorische Aufwand für kleinere Häuser immer größer. Ein anderer Faktor für eigentümergeführte Häuser ist die Unternehmensnachfolge. Damit steht die Konsolidierung leider auch in unserem Sektor auf der Tagesordnung. Aber solche Aspekte sollten keinen Einfluss auf die Überlebenschancen haben, wenn das Geschäftsmodell stimmt. Es gibt durchaus kleinere Häuser, die sehr gute Erträge erzielen. Hauptsächlich ist es eine Einstellungsfrage des Managements und des Inhabers, in welche Richtung das Haus gehen will.

Auf die Übernahme der Bank Schilling bezogen: Das war für mich eine unternehmerische Gelegenheit, die ich zwar nicht geplant habe, aber bewusst ergreifen wollte. Als Merkur Privatbank sind wir eine betriebliche Familie. Und wenn ich für diese Familie Sorge tragen will, ist es unerlässlich, zu wachsen. Damit ich attraktive Arbeitsplätze in Zukunft gewährleisten und im Markt weiterhin erfolgreich sein kann. Mit dem Wachstum schaffe ich Stabilität und auch individuelle Entwicklungsmöglichkeiten. Und das verstehen unsere Mitarbeiter, weswegen sie die Wachstumsstrategie mittragen.

Ihr Institut ist mit seinen Filialen hauptsächlich in Mittel und Süddeutschland aktiv. Gibt es Bestrebungen, das Geschäftsgebiet auszuweiten? Was verhindert eine Expansion nach Norden?

Als Schwabe kenne ich den Norden ja gar nicht. Nein, Spaß bei Seite, wir haben keine konkreten Ausbaupläne. In den Standorten Rhein-Main, Franken, Bayern, Stuttgart gibt es so viel Marktpotenzial, das zunächst noch voll erschlossen werden muss. Wir haben noch genügend Wachstumsmöglichkeiten in den Märkten, wo wir bereits verankert sind. Vergangenes Jahr haben wir netto 160 Millionen Euro Depotvolumen hinzubekommen. Währenddessen haben wir aber einen Zusammenschluss vollbracht. Das heißt, wir haben unsere volle Kraft noch gar nicht gezeigt. Wir haben noch mehr drauf!

Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie derzeit und nach der Pandemie auf Privatbankiers in Deutschland zukommen?

Zunächst stellt sich die Frage, welche Kreditrisiken die Pandemie in welchem Haus verursacht. Jedes Haus ist natürlich unterschiedlich aufgestellt. Manche Wirtschaftszweige sind stärker belastet als andere. In der Industrie sowie im Immobilienbereich ist die Stimmung jeweils wesentlich besser, als das in der Bevölkerung beispielsweise der Fall ist. Wenn eine Bank aber viel in Bereichen wie Gastronomie oder Touristik engagiert ist, könnte es anders sein. Für unser Haus spielen die betroffenen Bereiche keine große Rolle. Industriebetriebe haben wir vergangenes Jahr mit den KfW-Programmen aktiv unterstützt. Wir haben die zusätzlichen Liquiditätsprogramme genutzt, um unsere Kunden zu stützen. Und bis heute kann ich sagen, dass viele Linien nicht einmal voll beansprucht wurden.

Und man darf das bitte nicht falsch verstehen: Für uns war ursprünglich das Szenario, dass die Pandemie Ende 2020 weitestgehend überstanden ist und heute stecken wir immer noch mittendrin. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Wirtschaft schnell erholen wird. Man muss sagen, dass die Unterstützungsleistungen der Bundesregierung hier außergewöhnlich hoch sind - sie müssen nur bei den Kunden ankommen, dazu tragen wir bei. Von dem her bin ich optimistisch. Dennoch wird das Resümee für die Banken unterschiedlich ausfallen. Wir haben hohe Rücklagen für zukünftige Risiken gebildet. Ob wir die benötigen, wird sich zeigen. Derzeit sieht es noch nicht danach aus. Allerdings bin ich kein Prophet, der das Ende des Jahres bereits sehen kann. Ich bin mir sicher, dass die Merkur Privatbank gestärkt aus dieser Krise rauskommen wird.

Vor welchem Projekt steht die Merkur Privatbank in der zweiten Hälfte 2021?

Durch den Zusammenschluss haben wir noch einige Projekte im Haus laufen. Dieses Jahr müssen wir den Zusammenschluss also noch verdauen. Nach außen hin werden wir die neuen Strukturen festigen und unser Wachstum in den jeweiligen Geschäftsfeldern beschleunigen, innerbetrieblich möchten wir dagegen keine neuen Projekte draufsatteln.

Dr. Marcus Lingel Persönlich haftender Gesellschafter, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Merkur Privatbank KGaA, München
 
Noch keine Bewertungen vorhanden


X