Alle unter einem DACH

Carsten Englert, Redakteur, Foto: Verlag Fritz Knapp GmbH

Deutschland, Österreich und die Schweiz werden in der Wirtschaftswelt gerne als eine Region unter dem Kürzel "DACH-Region" zusammengefasst, das sich aus den Länderkennzeichen der drei Länder ableitet. Diese Zusammenfassung liegt nahe. Nicht nur, dass diese drei Länder aneinandergrenzen, sie haben - in der Schweiz zumindest in Teilen - auch noch die gleiche Sprache und zeichnen sich alle drei durch eine sehr starke Volkswirtschaft aus. Alle drei sind gemessen am BIP je Einwohner in den Top 20 der Länder dieser Welt zu finden. Allerdings sind die Platzierungen doch recht unterschiedlich. Während Deutschland als Schlusslicht mit einem BIP je Einwohner von 46 473 US-Dollar (Stand: 2019; Quelle: IWF) auf Rang 18 liegt, folgt drei Ränge weiter oben Österreich mit 50 380 US-Dollar. Abgehängt werden beide von den Schweizern, die mit 82 484 US-Dollar auf Rang 2 liegen, nur von den Luxemburgern übertroffen - das allerdings deutlich.

Dieser kleine Ausflug in die volkswirtschaftliche Statistik deutet an, dass die DACH-Länder zwar einige Gemeinsamkeiten haben, aber eben auch Unterschiede. Die Sonderstellung in der Wirtschaftskraft der Schweizer dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass sie für die überschaubare Größe ihres Landes mit nicht einmal neun Millionen Einwohnern eine enorme Dichte an Unternehmensgiganten wie Novartis, Nestlé und Roche - die wohl jeder kennt - vorzuweisen hat. Dann kommen noch etwas unbekanntere Unternehmen wie etwa der Weltmarktführer im Rohstoffhandel Glencore, der allein über 200 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz erwirtschaftet. Zudem hat die Schweiz auch einen für die Landesgröße sehr ausgeprägten Finanzsektor. So haben die beiden größten Schweizer Banken UBS und Credit Suisse kumuliert nur etwas weniger Bilanzsumme als Deutsche Bank und Commerzbank zusammen.

Auch die Probleme, die den Finanzsektor in den drei Ländern plagen, sind im Großen und Ganzen die gleichen, auch wenn die Schweizer Banken einer anderen Zentralbank unterstehen, nicht Teil der EU sind und somit einer etwas anderen Regulatorik unterliegen. So kämpfen alle Institute mit Ertragsdruck, zunehmender Regulierung, Niedrig- und Negativzinsen - die Schweizer Nationalbank hat einen Leitzins von minus 0,75 Prozent und der Zinssatz auf Giroguthaben beträgt ebenfalls minus 0,75 Prozent -, nachhaltiger Transition der Wirtschaft und Digitalisierung. Natürlich kämpfen alle drei Länder seit vergangenem Jahr auch noch mit den Auswirkungen der Pandemie.

Der Ertragsdruck sorgt unter anderem dafür, dass die Filialdichte immer weiter sinkt. Beschleunigt wurde diese Entwicklung nochmals durch die Corona-Pandemie. Weniger Kontakt erzwang ein Mehr an Nutzung digitaler Kanäle. Das hat gut funktioniert und dürfte die Zahl der Filialschließungen nochmals antreiben. Ein Vergleich der drei DACH-Länder zeigt, dass bei allen der Trend hier in die gleiche Richtung weist. Allerdings zeigen sich deutliche Niveauunterschiede. Wie in Abbildung 1 zu sehen, ist die Zahl der Filialen in Österreich und der Schweiz von 2010 bis 2019 quasi im Gleichschritt um fast 20 Prozent gesunken. In Deutschland hingegen ist die Zahl um fast 30 Prozent gesunken. Vor allem seit 2015 wurde hierzulande das Tempo nochmal gegenüber den anderen beiden Ländern erhöht. Interessant ist auch der Wert in Relation zu den Einwohnern. Kamen im Jahr 2010 in Deutschland noch auf eine Bankfiliale circa 2 030 Einwohner, waren es in Österreich nur 1 664 und in der Schweiz etwa 2110. Im vorvergangenen Jahr - aktuellere Daten liegen noch nicht für alle vor hat Deutschland die Effizienz-Führung übernommen. Es waren zuletzt annähernd 2 929 Einwohner je Filiale. Auch Österreich hat die Quote auf 2 169 und die Schweiz auf 2 847 optimiert - aus Kostensicht. Für die Versorgung der Kunden sieht das natürlich anders aus.

Einen weiteren Vergleich der Länder hat die Redaktion beim Thema Zinsüberschuss durchgeführt. Dieser - zu sehen in Abbildung 2 - hat doch Überraschendes zu Tage gebracht. Deutschland und Österreich haben sich hier seit 2010 recht parallel entwickelt, erst seit 2018 kann sich unser Nachbar etwas absetzen in der Entwicklung. In beiden Ländern entwickelt sich der Zinsüberschuss seit Jahren rückläufig. In Deutschland sank der kumulierte Zinsüberschuss um fast 14 Prozent und in Österreich um fast sechs Prozent. In der Schweiz hingegen haben sich die aggregierten Zinsüberschüsse trotz Negativ- und Niedrigzinsen verbessert - und das nicht zu knapp! Gegenüber 2010 hat dieser Ertragsposten um sage und schreibe mehr als 20 Prozent zugelegt. Offensichtlich kommen die Schweizer Banken mit dem Ertragsdruck besser zurecht. Vielleicht, weil diese einen höheren Anteil des Provisionsüberschusses am Gesamtertrag haben als die Banken in Deutschland. In der Schweiz halten sich Zins- und Provisionsüberschuss der Kreditinstitute in etwa die Waage, während bei den deutschen Banken 2019 nach Daten der Bundesbank immer noch etwa zwei Drittel der gesamten Erträge auf den Zinsüberschuss entfielen.

Es deutet sich also an, dass es für deutsche Banker auch mal lohnend sein könnte, einen Blick über die Landesgrenzen hinaus zu wagen. Daher hat die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen den Themenschwerpunkt auf den Bank- und Finanzmarkt in Österreich und der Schweiz gelegt. In den beiden Ländern wird vieles ähnlich, aber auch einiges anders gemacht. So erläutert die Schweizer SIX Group in einem Beitrag auf Seite 29 von Jörg Engelhardt beispielsweise, dass sie davon ausgeht, dass Bargeld bei aller Digitalisierung wichtig für die Bevölkerung bleibt. Wie wahr! Bargeld ist gelebte Freiheit! Allerdings ist die Versorgung mit dieser Freiheit für die Kreditinstitute eine kostenintensive Angelegenheit. Genau an diesem Punkt hat die SIX gemeinsam mit den Schweizer Banken angesetzt. Die Dienstleistungen am ATM wurden standardisiert und damit die IT-Umsetzungskosten reduziert. Weiterhin wird der ATM- Einkauf für alle Banken gebündelt. Ein Zukunftsmodell auch für Deutschland? Es könnte den Kostendruck zumindest etwas mildern. Die Frage ist natürlich, inwieweit sich so etwas in Deutschland mit den beiden großen Verbünden, die jeweils ein eigenes Netz betreiben, und den Privatbanken, wo sich bei diesem Thema im Cashpool einige zusammengeschlossen haben, eine Zusammenarbeit über alle Institutsgrenzen hin realisieren lassen würde. Die drei angesprochenen Netze betreiben allein schon gut 45 000 ATMs. Kostensenkungspotenzial gäbe es also genügend.

Oder Beispiel Österreich: Die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA hat recht früh ein anerkanntes Sandbox-Konzept für Fintechs entwickelt, das die beiden Vorstände der FMA Helmut Ettl und Eduard Müller ab Seite 15 vorstellen. Viele Kreditinstitute sehen Fintechs zuvorderst als agile Konkurrenz. Daher ist es wichtig, dass diese keinen "Rabatt" bei der Regulierung bekommen, um einen unlauteren Wettbewerb mit den regulationsstrangulierten Banken zu vermeiden. Allerdings sollten sie auch nicht mit Regulierung abgewürgt werden, denn sie bieten auch für Banken in Kooperationen oder gar Übernahmen große Chancen. Genau das will das Sandbox-Konzept erreichen, die Fintechs sanft an die straffe Regulierung zu gewöhnen. Es ist nicht der einzige Blick gen Süden, der sich lohnen dürfte. Viel Spaß bei der Lektüre!

Abbildung 1: Entwicklung der Filialzahl* 2010 bis 2019 in der DACH-Region Quellen: Deutsche Bundesbank, OeNB, SNB
Abbildung 2: Entwicklung Zinsüberschüsse* über alle Bankengruppen kumuliert 2010 bis 2019 Quellen: Deutsche Bundesbank, OeNB, SNB

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Carsten Englert , Leitender Redakteur, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen , Fritz Knapp Verlag

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