Bewährungsprobe im Fondsgeschäft mit Privaten

Dr. Berthold Morschhäuser

Einen herausragenden Fondsjahrgang 2018 wird der Branchenverband BVI sicherlich nicht präsentieren können. Im Gegenteil, wenn er dieser Tage zunächst die unterjährigen Daten zur Entwicklung des Fondsgeschäftes bis November und dann Anfang Februar den Überblick über 2018 insgesamt veröffentlicht, ist eher ein sichtbarer Rückschlag zu erwarten. Mit Blick auf die eher bescheidene Verfassung der Börsen in den zurückliegenden Monaten November und Dezember dürfte es nämlich kaum gelungen sein, das verwaltete Nettovermögen der hiesigen Branche über dem Jahresendstand 2017 von gut 3 Billionen Euro zu halten. Rückläufige Bestände zum Stichtag waren zuletzt für 2011 zu verzeichnen und davor für 2008 sowie für 2001 und für 2002.

Legt man die Mitte Dezember 2018 veröffentlichten Zahlen per Ende Oktober 2018 zugrunde, war allerdings das Mittelaufkommen gar nicht so schlecht. Trotz der schon im ersten Quartal vergangenen Jahres verstärkt aufgetretenen Verunsicherungen an den Börsen blieben die Spezialfonds in den ersten zehn Monaten 2018 mit Zuflüssen von 65,7 Milliarden Euro nicht allzu weit von dem entsprechenden Mittelaufkommen der Vorjahre entfernt. Und auch die offenen Publikumsfonds hielten sich mit zusätzlichen 19,8 Milliarden Euro vergleichsweise wacker. Spätestens in den beiden letzen Monaten des Berichtsjahres ist dann aber immer mehr klar geworden, dass die Kapitalmärkte nicht unbegrenzt robust sind und irgendwann deutlich auf weltpolitische Widrigkeiten reagieren. In den ersten Tagen dieses Jahres haben sich die Unsicherheiten eher noch einmal verstärkt. Derzeit lässt sich extrem schwer vorhersagen, welchen Einfluss die diversen politischen Unwägbarkeiten auf die weltwirtschaftliche Entwicklung und letztlich auf die Kapitalmärkte haben werden. Das fängt an bei den immer noch nicht gelösten Handelskonflikten, geht über die unkalkulierbaren politischen Kapriolen in den USA, den Brexit und eine hohe Verschuldung vieler Staaten und reicht bis hin zu schwer greifbaren globalen Auswirkungen von regionalen Konflikten oder auch den Folgen des Klimawandels.

Die hiesige Fondsbranche hat ihre diesbezüglichen Sorgen Ende vergangenen Jahres in einer Umfrage untermauert (siehe Abbildung). Noch vor den steigenden regulatorischen Anforderungen sieht sie den Margen- und Kostendruck als dringlichste Herausforderungen des laufenden Börsenjahres - deutlich vor der Digitalisierung und der Erschließung digitaler Vertriebskanäle. Um das institutionelle Geschäft müssen sich die Asset Manager dabei angesichts des nach wie vor enormen Anlagebedarfs wohl weniger Sorgen machen. Die Spezialfonds dürften ihre Bestände selbst im schwachen Börsenjahr erhöht haben und mit den Themen Nachhaltigkeit und Alternative Investments können sie bei ihren professionellen Kunden weiterhin auf zwei erfolgversprechende Trends setzen. Aber trotz der gewohnten Renaissance von Mischfonds und ausgefeilten Wertsicherungskonzepten dürfte es ihnen im Privatkundensektor schwerfallen, ihren Vertriebspartnern, also nicht zuletzt den Banken, die richtigen Produkte für die verunsicherte Zielgruppe zu bieten. Dazu wirken die Marktdaten des Börsenjahres 2018 einfach zu stark nach. So hat der für die hiesigen Anleger wichtige Signalgeber Dax im vergangenen Jahr ein Minus von rund 18,3 Prozent hingelegt. Und auch auf internationaler Ebene weisen die Aktienindices reihenweise ein dickes Minus aus.

Das alles hat zwangsläufig auch sehr sichtbare Auswirkungen auf viele mit Aktienfonds bestückte Depots. Die zu Beginn jeden Jahres von Banken, Asset Managern und ihren Depotverwaltern ausgesandten Informationen über die Wertpapierdepots ihrer (Privat-)Kunden weisen für die Berichtsperiode 2018 anders als in den Vorjahren eine spürbar verminderte Wertentwicklung aus. Nicht nur bei direkten Aktienengagements und hohen Anteilen von Aktienfonds dürfte diese für die meisten Depotinhaber enttäuschend - weil bei vielen negativ - ausfallen.

Den Kreditinstituten als wichtiger Vertriebspartner steht damit im laufenden Jahr mit Blick auf das Fondsgeschäft mit Privatkunden eine altbekannte Bewährungsprobe bevor. Sie müssen einmal mehr die knifflige Frage klären, inwieweit sie es schaffen beziehungsweise aktiv darauf hinwirken sollten, ihre Privatkundenklientel von einem allzu prozyklischen Verhalten abzuhalten. Theoretisch klingt es einleuchtend, den Kunden einfach zu raten, die Phase der größten Verunsicherung an den Märkten durchzuhalten, um dann vom kommenden Aufschwung zu profitieren. Aber in der Praxis gibt es in Zeiten unsicherer Märkte leider keine gesicherten Anhaltspunkte und damit auch keine allgemein richtige Antwort, wie lange diese Durststrecke dauern könnte. Und je länger sie anhält, umso größer ist das Risiko, Vertrauen der Kunden zu verspielen.

Die Ernüchterung über Verluste ihrer Depots trifft aber nicht nur Kunden. Sondern auch vielen Anbietern von Robo-Advisory-Lösungen dürfe angesichts der Minuszeichen bei der Wertentwicklung ihrer Kundendepots klar geworden sein, dass es selbst in der momentanen Niedrigzinsphase kein Selbstläufer ist, die Anleger aus den Spareinlagen zu locken und dem Wertpapiersparen zuzuführen. Der Hinweis auf geringere Verluste als beispielsweise der Dax als Ganzes mag zwar in vielen Fällen zutreffend sein, eignet sich als überzeugende Werbebotschaft für eine aussichtsreiche Akquise für das Fondssparen aber nur bedingt.

Zu Beginn des laufenden Jahres sehen sich somit viele Banken und Sparkassen in ihren Beratungsgesprächen, aber auch viele Onlineanbieter ohne persönlichen Beratungsansatz, mit ernüchterten und einmal mehr verunsicherten Kunden konfrontiert. Sollen sie im Beratungsgespräch und/oder in ihrer allgemeinen in formativen Kundenansprache von einem prozyklischen Verhalten abraten und vor einem Ausstieg aus den hierzulande ohnehin unter repräsentierten Wertpapieranlagen warnen? Sollen sie eher anregen, die derzeitige Gunst der rückläufigen Märkte als Chance zu nutzen, um den nächsten Aufschwung nur ja nicht zu verpassen? Oder sollen sie die Entscheidung mehr oder weniger defensiv ihrer Kundschaft überlassen, wie das in ähnlichen Marktphasen der Vergangenheit oft der Fall war?

Eine gewisse Entlastung im Fondsgeschäft mit Privaten hat in den vergangenen Jahren der wachsende Zuspruch für Fondssparpläne gebracht. Letztere werden der Tendenz nach weniger schnell aufgegeben und sichern mittlerweile vielen Instituten und Asset Managern einen recht ansehnlichen Bodensatz an Mittelzuflüssen. Aber darüber hinaus obliegt es auf absehbare Zeit der Kunst der Institute, ihre Privatkunden auf dem Kurs des Fondssparens zu halten. Allenfalls auf lange Sicht wird der Staat an dieser Stelle im Zuge einer wirklich trag fähigen Zukunftsgestaltung der Altersvorsorgesysteme über eine Förderung des Kapitalmarktsparens möglicherweise eine Hilfestellung geben. Wie die emotionalen und teilweise völlig unsachlichen öffentlichen Diskussionen rund um die Wahl der CDU-Vorsitzenden gezeigt haben, ist dieser Weg hierzulande kurzfristig kaum politisch umsetzbar.

Dr. Berthold Morschhäuser , ehem. Chefredakteur , Fritz Knapp Verlag

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X