Digitaler Wandel - eine Herausforderung für alle

Carsten Englert, Redakteur, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Der disruptive technologische Wandel treibt die Bankenwelt um. Neue Wettbewerber drängen ins angestammte Geschäft. Kleine, agile Fintechs, die über eine viel größere Flexibilität verfügen, oder gestandene Wirtschafts-Player wie Apple und Amazon, die technologische Innovationskraft mit einem Zugang zu einer großen Masse von Endkunden verbinden können. Beide Gruppen drängen auf einzelne Märkte der Banken oder wollen diesen das Geschäft gleich komplett entreißen. Die Banken müssen sich daher in atemberaubendem Tempo zumindest erneuern, oder besser noch neu erfinden. Gleichzeitig aber muss auch das bestehende Geschäft im Fokus bleiben.

Besonders schwerwiegend ist der Angriff von Internetgiganten wie Apple oder Amazon. Vor allem Amazon könnte den Banken Kopfzerbrechen bereiten. Technologisch ist das Unternehmen besser aufgestellt als die meisten Kreditinstitute. Zudem hat Amazon allein in Deutschland 44 Millionen Kunden. Der Online-Handelsriese hatte 2018 angekündigt, ins Bankengeschäft einzusteigen. Die Motivation ist dabei aber nicht in erster Linie das Geldverdienen mit den Bankdienstleistungen. Vielmehr dürfte es da rum gehen, noch mehr Daten über das Konsumverhalten der Kunden zu bekommen, da Amazon dann auch über Käufe außerhalb des eigenen Handelsuniversums Informationen sammeln könnte. Ganz nebenbei könnte es Kosten bei in Anspruch genommenen Bankdienstleistungen senken.

Auch die Bundesregierung hat erkannt, wie wichtig es ist, beim digitalen Wandel nicht den Anschluss zu verlieren, um das Fortbestehen der starken internationalen Stellung der deutschen Wirtschaft nicht zu gefährden. Einerseits. Andererseits nehmen sich die Anstoßfinanzierungen des Bundes dennoch vergleichsweise niedlich aus. Kürzlich hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass weitere 500 Millionen Euro in die Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) fließen sollen. Insgesamt will die Bundesregierung laut ihrer KI-Strategie drei Milliarden Euro in diese Technologie investieren. Aber nicht nur für Forschung, sondern unter anderem auch für die Umsetzung in Anwendungen. Dazu kommen allerdings auch noch Investitionen der Franzosen, da es Teil der Strategie ist, gemeinsam mit unserem Nachbarn daran zu forschen. Zudem werden auch die Wirtschaft selbst und die EU investieren, sodass am Ende bis 2020 etwa 20 Milliarden Euro in das zukunftsträchtige Themenfeld investiert werden sollen.

Doch im internationalen Vergleich zeigt sich schnell, dass es sich dabei höchstens um den berühmten Tropfen auf den heißen Stein handeln kann. Allein in China sollen bis 2030 umgerechnet 150 Milliarden US-Dollar in KI investiert werden. Dort spielt allerdings nicht nur die Hoffnung auf einen großen ökonomischen Erfolg der Technologie eine Rolle; KI hilft auch, Überwachungsmaßnahmen zu optimieren. Aber auch die Unternehmen in China wagen sich schon viel offensiver an das Thema ran.

Auch die regulatorische Seite hat die Bedeutung des Themas erkannt. Nach Ansicht der Bundesbank ist die Digitalisierung für die Aufseher die größte Herausforderung seit der Finanzkrise. Den Aufsehern geht es aber naturgemäß vor allem um drohende Risiken, nicht nur um vielleicht verpasste Chancen. Eines ist klar: Je digitaler die Finanzinstitute werden, desto angreifbarer werden sie in der digitalen Welt. Das Financial Stability Board (FSB) befasst sich daher mit der Frage der digitalen Verletzlichkeit, sprich mit Cyberattacken. Das FSB erarbeitet einen Toolkit, damit die Auswirkungen im Falle eines Angriffs besser in den Griff zu bekommen sind. Auch die Bundesbank ist aktiv geworden. Jüngst wurde bekannt, dass das IT-Unternehmen it.sec eine Ausschreibung der Deutschen Bundesbank für die "Lizenz zum Hacken" gewonnen hat. Es soll nun in den nächsten vier Jahren die Systeme der Finanzinstitute attackieren, um Angriffsvektoren zu identifizieren, die von Cyberkriminellen genutzt werden könnten. Trotzdem auch um verpasste Chancen - und zu große Abhängigkeit von anderen - sorgt sich beispielsweise Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Bundesbank. Er mahnt die deutschen Kreditinstitute an, gemeinsam und schnell eine Antwort auf Apple Pay & Co zu entwickeln.

Erfreulich ist auch, dass die Regulierer die Kehrseite der Medaille anfangen zu würdigen. Der digitale Wandel nötigt den Kreditinstituten große Investitionen ab. Das belastet natürlich auch die Kapitaldecke. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wertet die EU-Regulierung Banken-Software als Vermögenswert auf. Laut der Capital Requirements Regulation II (CRR II) müssen Banken die Investitionen nicht mehr vom harten Kernkapital abziehen, zumindest nicht mehr vollständig.

Es sind viele Baustellen mit komplexen Fragestellungen. Um das alles allein zu stemmen, dürfte es den meisten Banken an Inhouse-Kompetenz fehlen. Es wird daher auch immer wichtiger werden, sich mit Unternehmen aus dem Technologiesektor zusammenzutun. Da zeigen sich die Banken auch schon recht agil. Einige, wie die Sparkassen, gehen den Weg über ein eigenständiges Tochterunternehmen. Andere kaufen Dienstleistungen ein oder gründen Joint Ventures wie zuletzt sieben Sparda-Banken mit dem IT-Unternehmen Sopra Steria. Bei allen Ansätzen ist der Bedarf an IT-Fachkräften enorm. Das gilt natürlich für die ganze Wirtschaft, denn nicht nur die Finanzwelt durchläuft die digitale Transformation. Dadurch bestehen ein Mangel an Fachkräften und ein intensiver Wettbewerb um diese. Es steht außer Frage, dass die richtigen Personalstrategien somit auch einen Erfolgsfaktor im digitalen Wandel darstellen.

Den Spagat zwischen Beständigkeit und sich dennoch neu zu erfinden müssen Banken hinbekommen. Wem das nicht gelingt, der läuft Gefahr, abgehängt zu werden. Wer sich innovativ zeigt, kann die Digitalisierung hingegen auch als gezieltes Wettbewerbsinstrument einsetzen. Studien belegen, dass die Treue der Kunden im Zuge der Digitalisierung abnimmt. Doch die Frage ist, ob man dafür mit Fintechs und Technologie-Dienstleistern in den Wettbewerb treten sollte oder ob es nicht sinnvoller wäre, gemeinsam die Zukunft der Banken zu gestalten. Es ist nicht nur ein technologisches Thema, sondern gleich eine ganze Reihe. Das macht es schwierig. Zu einigen Fragen des komplexen digitalen Wandels versucht diese Ausgabe Antworten zu finden. Der digitale Wandel fordert alle heraus - es dürfte sich lohnen, sich dieser Aufgabe zu stellen!

Carsten Englert , Leitender Redakteur, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen , Fritz Knapp Verlag

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