Facetten der Nachhaltigkeit im Bankgeschäft

Dr. Berthold Morschhäuser

Jede Zeit hat ihre schillernden Schlagworte oder - neutral ausgedrückt - ihre Begriffe, mit denen sich im normalen Alltag wie im Wirtschaftsleben Sympathiepunkte ergattern lassen. Zu diesen in weiten Bevölkerungskreisen eindeutig positiv besetzten Worten gehört die Nachhaltigkeit in all ihren Facetten. Seit mehr als einer Generation belebt der Begriff als gesellschaftliche Strömung nicht nur national, sondern auch international die politische Diskussion und hat Eingang in etliche Regierungsdokumente und globale Vereinbarungen gefunden. Erst vor wenigen Wochen hat die weltweite Empörung angesichts des angekündigten Ausstiegs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen gezeigt, welche Sympathien diese Grundhaltung der Nachhaltigkeit mittlerweile weltweit genießt. Die politischen Aktivitäten der Gegenwart daran zu messen, künftige Generationen zumindest nicht schlechter zu stellen als die heutigen ist eine der Schlüsselforderungen - auch beim Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen. Ein allgemein gültiges Verständnis für die relevanten Inhalte gibt es allerdings nicht.

Auch im Bankensektor können sich Kunden wie Mitarbeiter mühelos mit einem nachhaltigen Geschäftsbetrieb identifizieren. Allzu konkret müssen die Institute bei der Auslegung der Prinzipien allerdings nicht werden. Der hehre Anspruch wird vielmehr in der Praxis sehr flexibel interpretiert und umfasst ganz unterschiedliche Bereiche des Geschäftes und der Imagebildung. Die Intensität und der Aufwand, mit dem die Nachhaltigkeit in den einzelnen Häusern gelebt wird, differieren sehr stark, auch wenn jedes Kreditinstitut selbstverständlich konkrete Belege für Nachhaltigkeit liefern kann. Eine sehr anschauliche Art, den Gedanken der Nachhaltigkeit auf die eigenen Bankgeschäfte zu übertragen, kann beispielsweise die Fürstlich Castell'sche Bank, Credit-Casse AG für sich reklamieren. Sie bekennt sich einfach zu den seit Jahrhunderten in der hauseigenen Waldwirtschaft praktizierten Gedanken.

Die beiden Verbundgruppen gehen noch weiter und vereinnahmen die Nachhaltigkeit gerne als Grundprinzip ihrer konstitutiv oder freiwillig auf die Region ausgerichteten Geschäftsmodelle. Bankgeschäfte in der Region, mit Mitarbeitern aus der Region für die Privat- und Unternehmenskunden der Region zu betreiben, interpretieren sie als gleichermaßen beständiges, von einem immanenten Ansporn zu fairem Marktverhalten geprägtes Unternehmenskonzept. Mit Blick auf die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes wehren sie sich entsprechend engagiert gegen alle politischen Ansinnen, die hiesigen dezentralen Marktstrukturen der Kreditwirtschaft und auch des Mittelstandes in einem in vielen anderen EU-Ländern eher von Großbanken dominierten Bankenumfeld opfern zu sollen. Ihre Interessenvertreter empfinden viele der regulatorischen Maßnahmen als strukturbildend und letztlich sogar schädlich für die notwendigen Reformschritte zu einem wirklich geeinten Europa. Quasi als Gegenentwurf und zukunftsfähigeren Ansatz zur konkreten Verwirklichung des europäischen Gedankens plädieren sie dafür, in Deutschland möglichst viele regionale Kreisläufe zu erhalten und sie an geeigneter Stelle in andere europäische Länder zu exportieren.

Ganz allgemein könnte sich ein zunehmendes Bewusstsein für globale, soziale und ökologische Herausforderungen - allen aktuellen Störfeuern aus den USA zum Trotz - auf lange Sicht auch auf die Geschäftsmodelle der Banken auswirken. Vor dem Hintergrund der sogenannten Sustainable Delvopment Goals als politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen (UN) wird in Fachkreisen längst darüber diskutiert, inwieweit es sinnvoll ist, nationale Regulierungen in Kraft zu setzen, die eine Beachtung von Umweltrisiken bei der Banksteuerung verlangen (siehe auch ZfgK 5-2017). Insbesondere in Schwellenländern wie Brasilien, China und Peru gibt es diesbezüglich schon konkrete Überlegungen. Es geht nicht zuletzt darum, die Kreditwirtschaft in die Allokation von privatem Kapital einzubinden, sprich gesellschaftlich wichtige Aufgaben zu erfüllen. Letztlich liegen solche Grundüberlegungen auch dem Ansatz der Europäischen Union zugrunde, in gemeinsamen Projekten und Konzepten mit den Förderbanken die private Kredit- und Versicherungswirtschaft wieder stärker einzubinden. Denn die derzeitige Regulierung setzt eher Anreize, noch mehr aus der langfristigen Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen mit ihrer langen Nutzungsdauer auszusteigen, obwohl gerade diese für das wirtschaftliche Wachstum dringend erforderlich sind.

Auch weitere Ausprägungen der Nachhaltigkeit in der Kreditwirtschaft entspringen nüchternem geschäftlichem Kalkül. So ist nach vielen Jahren der Anlaufschwierigkeiten das private und institutionelle Anlagegeschäft mit nachhaltigen Assets inzwischen den recht übersichtlichen Zielgruppen der reinen Idealisten entwachsen und erweist sich mehr und mehr als massentauglich. Selbst große national und global aufgestellte Kapitalsammelstellen spielen seit Jahren das Thema Nachhaltigkeit. Hierzulande lässt beispielsweise die Union Investment schon seit einigen Jahren unter wissenschaftlicher Begleitung einen Stimmungsindex zur nachhaltigen Kapitalanlage ermitteln. In den vergangenen fünf Jahren wurde diesem ein Anstieg von 5,4 über 15,6 auf 19,4 Ende Mai dieses Jahres bescheinigt. Auch dem Pariser Asset Manager Natixis war das Thema dieser Tage eine globale Untersuchung wert. Demnach halten es mittlerweile drei Viertel der befragten Privatanleger und institutionellen Investorengruppen aus 22 betrachteten Ländern für wichtig, in Unternehmen zu investieren, die den persönlichen Wertvorstellungen der Kunden entsprechen. In den kommenden fünf Jahren will dabei mehr als die Hälfte der Befragten eine Berücksichtigung von Fragen der Corporate Governance als gängige Praxis in die Arbeit der Asset-Management-Branche aufgenommen wissen. Allgemein gültige Standards sind mit solchen Bekundungen zwar noch nicht gesetzt, aber aufseiten der Kapitalsammelstellen wäre es sicher auch fahrlässig, solche Strömungen zu ignorieren.

Das gilt längst auch auf dem Feld der Refinanzierung von Unternehmen und Staaten. Green Bonds sind auf den weltweiten Anleihemärkten auch nach der Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens durch die USA ein hoffnungsvoll wachsendes Segment, selbst wenn sie dem Volumen nach noch weit davon entfernt sind, den traditionellen Anleihen den Rang abzulaufen. Den Erwartungen der Analysten von Moody's zufolge dürfte sich das gesamte Emissionsvolumen dieser Produktkategorie im Verlauf dieses Jahres auf gut 200 Milliarden US-Dollar ausweiten. Für das vergangene Jahr 2016 werden immerhin knapp 1,5 Prozent des gesamten Emissionsvolumens von Anleihen dieser Kategorie zugerechnet. Und die Tendenz ist steigend, weil zuletzt auch Staaten wie Frankreich und Polen in dieses Segment eingestiegen sind und andere Länder wie China, Indien, Japan, Kanada Luxemburg, Schweden und einige afrikanische Staaten als Kandidaten mit weit fortgeschrittenen Überlegungen gelten. Hierzulande tut sich vor allem die KfW hervor, die ihr angepeiltes Förderportfolio mit Green Bonds im Mai gerade auf 2 Milliarden Euro aufgestockt hat. Auf EU-Ebene fühlt sich schon seit zehn Jahren insbesondere die Europäische Investitionsbank berufen, diese Anleiheform zu forcieren. In einem hauseigenen Factsheet von Anfang Februar sieht sie sich mit einem Volumen von 16,2 Milliarden Euro und allein 2016 mit 3,8 Milliarden Euro an SSA als größter Emittent grüner Anleihen.

Abseits solcher konkreten Marktdaten ist und bleibt die Nachhaltigkeit für Kreditinstitute wie für Unternehmen allgemein ein bedeutender Imagefaktor nach außen sowie ein wichtiges Motivationsinstrument für die Mitarbeiter nach innen. Dass sich der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Ludwigsburg gerne vor einem von mehreren gut bevölkerten Bienenkästen im Garten seines Institutes ablichten lässt, ist nur eines von vielen Beispielen aus der Praxis. Wie lässt sich besser die angestrebte Verbindung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Themen im eigenen Haus demonstrieren als mit der aktiven Schaffung von Lebensraum für Bienenvölker, dem ehrenamtlichen Betreiben der Bienenstöcke durch von der Sparkasse ausgebildete Mitarbeiter und der Versteigerung des gewonnenen Honigs für gute Zwecke?

Schon ab dem kommenden Jahr dürften hierzulande in der Kreditwirtschaft etliche ähnliche Geschichten hinzukommen. Denn mit der Verabschiedung des sperrig klingenden Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) als Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinie 2014/95/EU werden für Unternehmen und damit auch Kreditinstitute mit mehr als 500 Mitarbeitern regelmäßige Nachhaltigkeitsberichte von einer bisher freiwilligen Veranstaltung zur Pflicht. Damit werden sich auch in diesem Zweig des Berichtswesens künftig mehr oder weniger belastbare (aufsichtliche) Standards herausbilden, die allgemein einzuhalten sind und damit unter Kosten-Nutzen-Aspekten sehr gut kalkuliert werden müssen.

Dr. Berthold Morschhäuser , ehem. Chefredakteur , Fritz Knapp Verlag
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