Infrastruktur als Hoffnungsträger

Sachinvestitionen in den kommunalen Haushalten 1992 bis 2017 in Milliarden Euro Quelle: Deutscher Städtetag

Wie gut und reibungslos funktioniert eine arbeitsteilige Wirtschaft oder noch weiter gefasst das Zusammenleben in gesellschaftlichen Gruppen auf lokaler, regionaler, nationaler oder globaler Ebene? Abseits der persönlichen Sphäre merkt das der gemeine (Wohlstands-)Bürger im Allgemeinen erst bei Störungen in lieb gewonnenen Abläufen. Am stärksten bemerkbar machen sich Mängel an der Infrastruktur im normalen Leben durch zeitaufwendige Verzögerungen in den Verkehrsabläufen oder Ausfallerscheinungen in der Grundversorgung.

Wer im allmorgendlichen Verkehrsstau in Ballungsräumen zu ungeplanten Besinnungspausen gezwungen wird, wer nicht nur nach dem Winter, sondern ganzjährig über den aufgeplatzten Asphalt zerbröckelnder Kreis- und Landstraßen hoppelt oder wer schmerzhaft erleben muss, wie selbstverständlich er sich doch an rund um die Uhr verfügbare Telefon-, Mobilfunk- oder Datennetze sowie eine störungsfreie Strom- und Wasserversorgung gewöhnt hat, der entwickelt sehr anschaulich ein Gespür für den hohen gesellschaftlichen Wert einer funktionierenden Infrastruktur.

Zu den relevanten Kriterien der Standortentscheidungen von Unternehmen und Privaten gehören zudem seit jeher gewisse Standards der sozialen Infrastruktur, angefangen von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen bis hin zu Freizeitmöglichkeiten, ebenso wie ein verlässliches Rechtssystem. Und eine immer größere Rolle spielen hierzulande die wahren oder drohenden Engpässe in der Qualität und Schnelligkeit der digitalen Netze und/oder der Versorgungsleitungen für die beschlossene Energiewende. In all diesen Punkten galt Deutschland im internationalen Vergleich lange Zeit als vorbildlich. Doch in den vergangenen Jahren verfestigt sich zunehmend der Eindruck, als würden diese (Wettbewerbs-) Vorteile allesamt leichtfertig verspielt.

Weil die Güte der Infrastruktur hierzulande wie in anderen Ländern maßgeblich von staatlichen Investitionen abhängig ist, wird dieses Instrument traditionell von der öffentlichen Hand zur Feinsteuerung der Wirtschaftszyklen und/oder zur Gestaltung der regionalen Entwicklung eingesetzt. Gerade mit Blick auf Europa hat sich dabei allerdings die vermutete Wirkungsbreite ausgeweitet, die einer Ankurbelung von Infrastrukturinvestitionen zugeschrieben wird. Manche europäische Politiker gehen so weit, verstärkten und möglicherweise gar schuldenfinanzierten Projekten in Deutschland Impulse auf die Kreditvergabe in südeuropäischen Ländern beizumessen und den ganzen Kontinent aus seiner widrigen Wirtschaftslage zu befreien.

Dass mit staatlichen Geldern grundsätzlich Wachstumsimpulse gesetzt werden können und der Konjunktur zu einem Aufschwung verholfen werden kann, ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Und dass es dabei sinnvoll sein kann, investive Ausgabenprogramme zu fahren, weil diese hoffentlich einen sich selbst tragenden Aufschwung in der Zukunft auslösen, wird ebenfalls kaum auf ernsthaften Widerspruch stoßen. Keineswegs neu ist zudem die Einbindung des privaten Sektors. Es geht darum, mit dessen Geldern und einem überschaubaren Einsatz an öffentlichen Mitteln möglichst hohe Investitionsimpulse zu setzen. Genau auf diese Anreizwirkung für private Geldgeber baut der Ende November in Brüssel erläuterte Investitionsplan für Europa der EU-Kommission. Mit einem Einsatz von 21 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln soll ein Fonds gespeist werden, der in Europa Investitionen in die öffentliche Infrastruktur von über 300 Milliarden Euro auslösen soll.

Die Überlegungen hinter dem Projekt sind nahe liegend: Vor dem Hintergrund der europa- und weltweit hohen Staatsverschuldung bei gleichzeitiger Liquiditätsschwemme und hohem Anlagebedarf von institutionellen und privaten Investoren erhofft sich die europäische Politik mit zusätzlichen privaten Anlagegeldern eine möglichst gute Hebelwirkung auf das Investitionsvolumen. Das ist insofern realistisch, als insbesondere die langfristig orientierten institutionellen Investoren wie Versicherer und Altersvorsorgeeinrichtungen händeringend nach langfristig laufenden und einigermaßen stabil kalkulierbaren Assets suchen, mit denen sie ihre Auszahlungsverpflichtungen erfüllen können. Parallel dazu sind auch die Anleger geradezu begeistert, wenn sie Anlagevehikel finden, die bei kalkulierbaren Risiken Aussicht auf eine bescheidene Realrendite bescheren. Auch in Deutschland sind aus all diesen Gründen Public Private Partnerschaften (PPP) in der politischen Gunst zuletzt gestiegen. Beim Bundeswirtschaftsministerium wurde eigens eine Expertenkommission eingesetzt, um Möglichkeiten auszuloten, die Infrastrukturinvestitionen auch in finanzschwachen Ländern und Kommunen gebührend zu erhöhen.

Ohne Frage haben PPP hierzulande bisher nur mäßigen Zuspruch. Sie pauschal und polemisch zu verteufeln ist aber unklug. Das Instrument verdient zumindest eine Bewährungsprobe, um die erkannten Schwachstellen zu beseitigen. So muss die außerordentlich kritische Beurteilung der Wirtschaftlichkeitsrechnungen vieler ÖPP-Projekte in der Vergangenheit - nicht zuletzt durch den Bundesrechnungshof - nicht zwangsläufig bedeuten, auf eine seriöse Kosten-Nutzen-Rechnung zu verzichten. Es spricht auch nichts wirklich dagegen, eventuelle Folgekosten für den Betrieb solcher Infrastruktureinrichtungen offen als Belastung der öffentlichen Haushalte auszuweisen. Und es sollte ebenso selbstverständlich werden, die Transparenz der Vertragswerke herzustellen, und zwar nicht nur für alle politisch Verantwortlichen, sondern - soweit das nicht unvertretbar in Interna der Kalkulation und der Risikoeinschätzung der beteiligten Privaten eingreift - möglichst auch für die Öffentlichkeit.

Dabei muss die Oberhoheit der öffentlichen Hand über ÖPP-Projekte erhalten bleiben. Im Zweifel muss auf dieser Seite mehr Knowhow aufgebaut werden, um ein ebenbürtiger Sparringspartner für die private Seite zu sein. Umgekehrt bedarf es für die privaten Investoren aber trotz der langen Laufzeit einer Kalkulierbarkeit der Rahmenbedingungen. Denn nur so lässt sich die Einbringung von Disziplin und Management-Knowhow in die Projektplanung und Durchführung sowie die ganz oder teilweise Übernahme von Projektrisiken einfordern, also Vorleistungen, für die dann eine Risikoprämie verlangt und teilweise an die Eigentümer und/oder Anleger weitergereicht werden kann. Den Sparern und Investoren auf diesem Weg neue Anlagemöglichkeiten zu eröffnen, ist übrigens im heutigen Niedrigzinsumfeld eine zunehmend wichtiger werdende Dimension der neueren Betrachtung von ÖPP-Projekten.

Mit klaren Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Berücksichtigung der Folgekosten für den laufenden Betrieb und der notwendigen Transparenz bei den Vertragswerken verdient ÖPP in Deutschland wie Europa eine (neue) Chance. Aus der volkswirtschaftlichen Gesamtsicht dürfen Infrastrukturinvestitionen jeglicher Art aber nicht zu einem Reparaturprogramm für die verfehlten Wirkungen der Geldpolitik werden. Wann dieser Punkt erreicht ist und die Wirkungen kontraproduktiv werden, lässt sich leider nicht so leicht sagen. Aber um ganz Europa retten zu können, reichen verstärkte Infrastrukturinvestitionen allein sicherlich nicht aus.

Dr. Berthold Morschhäuser , ehem. Chefredakteur , Fritz Knapp Verlag

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X