Verbriefungen: Glanzvolles oder verkorkstes Comeback?

Emissionsvolumen des europäischen Structured Finance Marktes Quelle: DZ Bank Research

Wer dieser Tage die Wirtschaftsmedien verfolgt, staunt nicht schlecht. Ganz behutsam und bislang vergleichsweise nüchtern kommentiert, lässt sich die Wiederentdeckung der Verbriefung erleben, also ausgerechnet jenes Kapitalmarktinstrumentes, das noch vor wenigen Jahren als Teufelszeug und als einer der wesentlichen Auslöser der Finanzmarktkrise gebrandmarkt wurde. Auf breiter Basis eingeläutet worden ist die Renaissance der Verbriefung bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres, als die EZB und die Bank of England mit einem gemeinsamen Papier hatten aufhorchen lassen. Darin wurde ausdrücklich zu einer differenzierten Betrachtung der Verbriefung ermuntert und die Bedeutung dieses Instrumentes für eine Weiterentwicklung der Kapitalmärkte betont. Als dann die EU-Kommission Mitte Februar dieses Jahres in ihrem Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion ganz explizit die Bedeutung hochwertiger Verbriefungen für die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen herausstellte, durfte sich die europäische Verbriefungsbranche fast schon rehabilitiert fühlen.

Insbesondere die hiesige Szene mit der True Sale International GmbH als unermüdlichem Interessenvertreter konnte hoch erfreut zur Kenntnis nehmen, dass sich die EU-Kommission dafür stark machte, möglichst schnell Kriterien für einfache (simple), transparente (transparent) und standardisierte (standardised) Qualitätsverbriefungen zu entwickeln (sogenannte STS-Verbriefungen). Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission diese Aufgabe an die europäische Bankenaufsicht EBA gerichtet. Nach einer Anhörung im Frühjahr liegt seit Anfang Juli der "EBA report on qualifying securitisation" vor. Und seit August kursiert in der Branche ein darauf gründender Gesetzesentwurf, den der zuständige Kommissar Jonathan Hill noch bis Ende September 2015 in der endgültigen Fassung dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vorlegen will.

Auf den ersten Blick scheint politisch also alles gerichtet für die Revitalisierung des europäischen Verbriefungsmarktes. Es gibt den Willen und die positive Grundhaltung der EU-Kommission, das Instrument im Rahmen der Kapitalmarktunion als wichtiges Element der Unternehmensfinanzierung zu nutzen. Auf nationaler Ebene ist ein Wohlwollen im Bundeswirtschafts- und im Bundesfinanzministerium zu registrieren, das Potenzial der Qualitätsverbriefung vorbehaltlos zu prüfen und auszuschöpfen (das unterstreichen auch Beiträge dieses Heftes). Und zum wiederholten Male hat sich zudem die Bundesbank positiv geäußert. Schon Anfang dieses Jahres und kürzlich erneut hat das für die Bankenaufsicht zuständige Vorstandsmitglied Andreas Dombret Sympathie für hochwertige STS-Verbriefungen bekundet.

Von der Grundidee her entspricht das europäische Qualitätssegment für Verbriefungen genau der Marschroute, die hierzulande schon seit Jahren propagiert wird und etwa in das Gütesiegel Certified by TSI - deutscher Verbriefungsstandard mündete. Gleichwohl ist am Markt und seitens der TSI als seiner Interessenvertretung schon mit Bekanntwerden der EBA-Kriterien für STS-Verbriefungen viel von der Euphorie verflogen. Seitdem der Verordnungsentwurf der EU-Kommission unter den Interessengruppen kursiert, hat sich gar eine gewisse Enttäuschung breit gemacht. Denn die Praktiker melden erhebliche Zweifel an, dass der vorliegende Kriterienkatalog für die High-Quality-Verbriefungen der Finanzierung der europäischen Wirtschaft die erhofften Impulse geben kann. Im Gegenteil: Teilweise wird im Licht der vorliegenden Beschlussgrundlagen befürchtet, dass die Verbriefung von anderen Instrumenten wie Covered Bonds, Kreditfonds oder Schuldscheindarlehen schlicht verdrängt wird.

Bemängelt wird an vielen Stellen der Papiere von EBA- und EU-Kommission die Anhäufung von unbestimmten Rechtsbegriffen, die bei Originatoren und Investoren eine erhebliche Unsicherheit rund um die mit so viel Optimismus propagierten STS-Verbriefungen schürt. Hinzu kommen einige gegenüber dem Status quo veränderte Auflagen, die unter einem nüchternen Kosten-/Nutzenkalkül die Verbriefungsaktivitäten der bisherigen Marktteilnehmer massiv beschneiden könnten. Konkret wird etwa befürchtet, die vorgesehene Begrenzung der Laufzeit der Underlyings bei ABCPs auf ein Jahr sowie die absehbare Erhöhung der geforderten Eigenkapitalunterlegung für granulare Portfolios könnte die hierzulande so erfolgreich laufenden Verbriefungsaktivitäten der Automobilindustrie massiv infrage stellen. Sollten sich auch Finanzierungen von Banken für kleine und mittlere Unternehmen, wie es die TSI befürchtet, nicht als Underlying für STS-Verbriefungen qualifizieren können, wäre damit in der Tat eine der tragenden Hoffnungen der Politik infrage gestellt, nämlich die allseits propagierte Forcierung der KMU-Finanzierung. Hierzulande kommt noch die Unsicherheit über die gewerbesteuerliche Behandlung der Verbriefung sowie über die anzuwendenden Regelungen für noch laufende Verträgen im Insolvenzrecht hinzu - beides Felder, in denen die hiesige Branche kein Level Playing Field gewährleistet sieht.

Hochgradig irritiert ist die Branche schließlich bezüglich der in dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission geforderten Garantieversprechen von Originatoren und Sponsoren. Wer STS-Verbriefungen emittiert oder vertreibt, so heißt das im Klartext, muss dafür geradestehen, dass seine Produkte auch die vorgegebenen Qualitätskriterien erfüllen. Sollte sich das, etwa bei späterer Nachprüfung durch die Aufsicht, als falsch erweisen, kann die ESMA empfindliche Strafen verhängen. An sich klingt diese Art der Selbstzertifizierung durchaus vernünftig. Aber je unklarer die Kriterien für eine eindeutige Zuordnung sind, umso unsicherer und vorsichtiger werden die Marktakteure agieren.

All diese Kritikpunkte hat die hiesige Verbriefungsbranche - von der stark involvierten Autoindustrie über den BDI und die TSI bis hin zu den direkt in die Gestaltung von Verbriefungstransaktionen involvierten internationalen Anwaltskanzleien - längst vorgetragen. Direkt bei der EU-Kommission oder über ihre hiesigen Kommunikationskanäle im Finanzministerium erhofft sie sich bis zu der Ende September anstehenden Endfassung der Verordnung der EU-Kommission noch Änderungen in ihrem Sinne. Inwieweit diese verdeckte, weil eigentlich gar nicht mehr vorgesehene Konsultationsrunde noch Auswirkungen haben kann, ist derzeit kaum verlässlich abzuschätzen. Einen gewissen Spielraum für Nachbesserungen seitens der deutschen und europäischen Politik und der Regulatoren scheint es aber noch zu geben. Selbst die EBA signalisiert Gesprächsbereitschaft, beispielsweise über eine mögliche Aufnahme von geeigneten synthetischen Verbriefungen in das STS-Segment, also einer Variante, die im bisherigen Entwurf ausdrücklich ausgeschlossen wird. Die grundsätzlich positiv gestimmte EU-Kommission will sich ohnehin sicher nicht nachsagen lassen, dass das von ihr ins Spiel gebrachte Instrument der Qualitätsverbriefung in seiner praktischen Ausgestaltung nicht funktioniert. Sie muss dabei freilich im Auge haben, was sich dem Europäischen Parlament und dem EU-Rat vermitteln lässt.

Entscheidend wird ohnehin die praktische Umsetzung der neuen Rahmenbedingungen für die europäische Qualitätsverbriefung sein. Vielleicht führt der Maßstab einer nachhaltigen Finanzierung der Realwirtschaft ja doch noch zu einem evolutionären Prozess, der sowohl dem Schutzbedürfnis von Politik und Regulatoren als auch den Interessen der Verbriefungsbranche gerecht wird. Einen weiteren Fehlschlag, so wissen alle Beteiligten, wird die Verbriefung nicht verkraften.

Dr. Berthold Morschhäuser , ehem. Chefredakteur , Fritz Knapp Verlag

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X