Wes Brot (Reis) ich ess ...

Gregor Brunner, Volontär, Foto: Verlag Fritz Knapp GmbH

In den vergangenen Wochen mehrten sich die politischen Signale in Richtung Peking: US-Präsident Joe Biden hat eine noch längere und restriktivere Liste der Unternehmen, in die von amerikanischer Seite aus nicht investiert werden darf, herausgegeben als sein Vorgänger Donald Trump. Später prangerten die G7-Staaten nach ihrem Treffen in Cornwall mit vereinter Stimme Missstände in der Volksrepublik an. Man zielt dabei auf die wunden Punkte Ursprung der Corona-Pandemie, Xinjiang, Hongkong und Taiwan.

Natürlich weist China jegliche Anschuldigungen zurück, rät den G7 davon ab, sich in interne Angelegenheiten einzumischen und beschwört "finstere Absichten von Staaten wie den USA". Weiterhin zeigt China, bisweilen auch klassischen Machtdemonstrationen nicht abgeneigt zu sein. Beispiele sind das im vorigen Jahr erlassene Sicherheitsgesetz in Hongkong, welches zahlreiche Verhaftungen und Verurteilungen von Demokratieaktivisten und ihnen zugewandten Zeitungsredaktionen nach sich zog, sowie das sich häufende militärische Säbelrasseln in der Taiwan-Straße. Aber auch das chinesische Volk zeigt seinen Unmut gegen vermutete westliche Verunglimpfungen, wie jüngst einige Modehersteller feststellen mussten, nachdem diese bereits länger angekündigt hatten, keine Baumwolle aus der Provinz Xinjiang mehr verwenden zu wollen, aufgrund Bedenken gegenüber Zwangsarbeit. Im März dieses Jahres folgte ein Aufruf zum Boykott durch die Parteizeitung Renmin Ribao ("Chinesische Volkszeitung"), dem sowohl Händler als auch Konsumenten folgten.

China zieht Konsequenzen. Seit Beginn der Spannungen mit den USA sowie dem Rest der westlichen Welt und ihrer Verbündeten und verschärft durch die Covid-19-Pandemie ist das Vertrauen der Volksrepublik in ausländische Investitionen sowie Exporte als wichtigste Säule des Wachstums stark gesunken. Mit dem Entwurf des 14. Fünfjahresplans kam daher der Begriff der "Doppelten Kreislaufökonomie" auf, nach dessen Konzept sich das Wachstum der chinesischen Wirtschaft hauptsächlich aus heimischem Konsum speisen soll, während gleichzeitig das international ausgerichtete Projekt der neuen Seidenstraße vorangetrieben wird.

Und selbst letzteres ist nicht nur darauf konzentriert, noch mehr Waren in den Westen zu bringen, sondern bindet auch asiatische Anrainerstaaten des indischen Ozeans sowie Länder in Afrika in eine globale Handels- und Finanzierungsstrategie ein. Während der Pandemie ist diese Strategie aufgrund ausgefallener Kreditrückzahlungen allerdings unter Druck geraten. Nach einem Schuldenschnitt für einige afrikanische Länder und der Aufgabe von Projekten wurde die Initiative jedoch gewissermaßen erneuert. Nicht mehr Infrastruktur, sondern Gesundheit, grüne Technologien und Digitalisierung - und damit die wohl gefragtesten Schlagworte 2020 - sind die neuen Lockmittel, mit denen die angeschlossenen Länder versorgt werden sollen. Unter anderem wurden so an 95 verschiedene Länder chinesische Impfstoffe gegen das Corona-Virus verteilt, während sich die EU untereinander und mit Produzenten westlicher Impfstoffe Verteilungsdispute lieferte.

Die Strategie scheint bisher aufzugehen: Bekanntlich war China die einzige größere Wirtschaftsmacht, die 2020 mit einem positiven Ergebnis von plus 2,3 Prozent BIP-Wachstum aus dem Pandemiejahr hervorgehen konnte. Dem IWF zufolge soll sich dieser Trend im Jahr 2021 fortsetzen: hier soll es ein Wachstum von 8,4 Prozent geben. Die Nachricht, die diese Zahlen und Beispiele transportieren sollen: China braucht den Westen nicht. Umgekehrt soll es sein. China baut sich auf, um andere an seinem Wohlstand teilhaben zu lassen.

Während die westliche Politik nun versucht, sich mit dieser Botschaft zu arrangieren oder ihr entgegenzuwirken, scheinen westliche Unternehmen ein Stück vom Kuchen der internen Zirkulation abbekommen zu wollen. Aufgrund ihrer Historie sowie ihrer Geschäftszahlen kann man der Hong Kong Shanghai Banking Corporation (HSBC) wohl keinen Vorwurf machen, wenn sie derzeit versucht, sich auf ihr ursprüngliches Geschäft in Asien, vor allem Hongkong, zu fokussieren. In Asien erwirtschaftet sie derzeit die höchsten Gewinne. Den Vorsteuergewinn dort weist sie im Jahresabschluss 2020 mit 12,832 Milliarden US-Dollar aus. Dagegen verzeichnet die Bank in Europa, wo sie derzeit ihren Sitz hat, einen Verlust von 4,205 Milliarden US-Dollar und in Nordamerika einen vergleichsweise mageren Gewinn von 168 Millionen US-Dollar.

Dementsprechend hat das Institut kürzlich den Verkauf des Großteils des Privatkundengeschäfts in den USA sowie die Fokussierung auf die Vermögensverwaltung angekündigt und befindet sich derzeit in Verhandlungen zum Verkauf des verlustreichen Geschäfts in Frankreich. Dahingegen sollen 6 Milliarden US-Dollar nach Asien, im Speziellen Hongkong, Festlandchina und Singapur fließen. Einen ähnlichen Indikator bietet die Gründung eines chinesischen Joint Venture im Bereich Vermögensverwaltung durch Goldman Sachs und der chinesischen Industrie- und Handelsbank (ICBC). Während politisch also versucht wird, China Paroli zu bieten, scheinen sich Firmen aus Ländern, die China den Kampf angesagt haben, weiterhin an die 2011 von US-Präsident Obama herausgegebene Strategie des "Pivot to Asia" zu halten und die politischen Anstrengungen jüngerer Zeit zu untergraben.

Der Trend bestätigt sich auch in Europa. So gibt die Nichtregierungsorganisation European Union Chamber of Commerce in China, ein Zusammenschluss von rund 1 700 europäischen Unternehmen, die in China agieren, in ihrer Business Confidence Survey 2021 an, dass 59 Prozent der befragten Unternehmen im laufenden Jahr planen, ihre Aktivitäten und Investitionen in China auszubauen. Im Vergleichszeitraum bis 2014 stellt dies einen Höchststand dar. In der hiesigen Wirtschaft herrscht also ein gewisser Enthusiasmus, trotz der Stagnation bei den Beratungen zum seit 2013 geplanten Investitionsabkommen zwischen der EU und China.

Dieses sollte Investitionen befördern, indem es unter anderem einen gerechteren Wettbewerb mit chinesischen Staatsunternehmen sowie Rechtssicherheit und Transparenz bei Regulierungs- und Verwaltungsmaßnahmen garantiert. Speziell für die Finanzdienstleistungsbranche wurde ausgehandelt, dass Joint-Venture-Auflagen und Obergrenzen für ausländische Beteiligungen für das Bankwesen, den Handel mit Wertpapieren und Versicherungen sowie für die Vermögensverwaltung abgeschafft würden. Das Abkommen wurde jedoch bisher durch das EU-Parlament im Zusammenhang mit gegenseitigen Sanktionen wegen der vermuteten Menschenrechtsverletzungen gegen das Volk der Uiguren in Xinjiang blockiert.

Geopolitische Verwerfungen sind sicher ein guter Grund, Risiken mit Vorsicht zu genießen. Blickt man aber auf die erwähnten Vorhaben der englischsprachigen Kollegen, erscheinen die Indikatoren für die Geschäfte deutscher Banken noch etwas zaghaft. Der Jahresbericht 2020 der Deutschen Bank beispielsweise weist im Raum Asien/Pazifik einen Anstieg des Nettoertrags von 3,057 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 3,236 Milliarden im Jahr 2020 aus. Das Vorsteuerergebnis der Commerzbank in China schmolz 2020 von minus 6 auf minus 43 Millionen Euro. Die Hypovereinsbank verringerte ihr operatives Ergebnis in Asien von 30 Millionen auf 19 Millionen stark.

Es sieht derzeit also noch nicht so aus, als würden sich deutsche Banken der Realwirtschaft und ihren Kollegen im Ausland, die sich im großen Stile der Vermögensverwaltung in China widmen, anschließen. Potenzial wäre wohl vorhanden, betrachtet man die ökonomischen Kennziffern. Beteiligungen am wachsenden Konsum, der Vermögensverwaltung einer reicher werdenden Bevölkerung oder der fortschreitende Ausbau eines effizienten, weltweiten Handelsnetzwerkes wären sicherlich lukrative Unterfangen.

Der Preis? Das Risiko, zwischen die Mühlen der lokalen sowie der internationalen Politik zu geraten, bei Fehltritten den Zorn einer teilweise stark kollektiv agierenden Kundenbasis auf sich zu ziehen und sich in den weiterhin undurchsichtigen Wald von Regulatorik, Subventionen und politischen Seilschaften zu begeben, den die chinesische Wirtschaft immer noch darstellt. Wer möchte zuerst?

Gregor Brunner , Redaktionsvolontär , Fritz Knapp Verlag GmbH
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