Zartes Pflänzlein Hoffnung

Carsten Englert, Redakteur Foto: Verlag Fritz Knapp GmbH

Es ist ein stolzer Geburtstag, den die Commerzbank dieses Jahr feiert: Vor 150 Jahren wurde der Vorläufer Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg gegründet. Damals - man glaubt es kaum - waren Banken-AGs voll im Trend und fast schon ein Hype. In der Zeit von 1869 bis 1874 wurden vermutlich 186 Banken neu gegründet. Die Aktien der Commerzbank waren zu Beginn heiß begehrt und 33-fach überzeichnet. Sie ist gemeinsam mit der Deutschen Bank eines der wenigen Institute aus dieser Zeit, die bis heute überlebt haben. Bereits 1880 waren schon wieder 100 Institute liquidiert worden. Die Commerzbank-Geschichte ist eine wechselhafte Geschichte von stürmischem Wachstum und nun wieder einer Schrumpfung. Den Wachstumsgipfel bei Mitarbeiterzahl und Zahl der Geschäftsstellen erreicht das Kreditinstitut im Jahr 2009, als die Verschmelzung mit der Dresdner Bank ausgerechnet im Jahr der Finanzkrise vollzogen wurde.

In der heutigen Form als Commerzbank AG mit juristischem Sitz in Frankfurt feiert das Institut in diesem Jahr mit 30 Jahren ebenfalls einen runden Geburtstag. Es ist eine gewisse Ironie der Geschichte und irgendwie passend, dass der 150. Geburtstag genau auf den Aschermittwoch fällt. Der Tag, an dem nach einer großen Faschingsparty erstmal das lange Fasten kommt. Auf Fastenkur hat sich auch die Commerzbank gesetzt. Nicht nur bei den Feierlichkeiten zum großen Geburtstag, auch im operativen Geschäft. Seit der Subprime-Krise und gleichzeitiger Fusion mit der Dresdner Bank hat es die Commerzbank nicht mehr geschafft, kontinuierlich die Profitabilität zu steigern. Der Aktienkurs ist seitdem um gut 97 Prozent gefallen und größter Einzelaktionär ist immer noch die Bundesregierung. Martin Blessing hatte sich jahrelang vergeblich abgemüht, sein Institut wieder auf Kurs zu bekommen. Nun ist Martin Zielke an der Reihe.

Bereits zu Beginn seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender hat er eine Strategie mit dem Namen Commerzbank 4.0 vorgestellt, um die Bank wieder zurück zu alter Stärke zu führen. Die Bezeichnung erinnert nicht von ungefähr an eine Software-Versionsnummer, steht doch die Digitalisierung im Kern der Strategie. Doch das war den Märkten und wohl auch dem größten Aktionär nicht genug. Noch vor Vollendung der Version 4.0, die für Ende 2020 geplant war, hat die Commerzbank daher das Update Commerzbank 5.0 hinterhergeschoben. So ist das eben in der digitalen Welt. Sie dreht sich schnell, daher ist ständige Anpassung nötig. Allerdings wurde nicht alles nach oben angepasst. War das Ziel im ersten Entwurf noch eine Nettoeigenkapitalrendite von sechs Prozent, ist in der Versionsnummer 5.0 nur noch eine Eigenkapitalrendite von "mehr als vier Prozent" übrig geblieben. Schuld daran ist die Geldpolitik. Als die Strategie 4.0 vorgestellt wurde, ging die Commerzbank noch von einer baldigen Zinswende aus.

Doch auch einige wichtige, neue strategische Bausteine kamen hinzu, insbesondere die Reintegration der Comdirect und der Verkauf der polnischen Mbank. Ersteres um digitaler zu werden, letzteres um Kapital für den Umbau freizusetzen. Und natürlich ist und war Teil beider Strategien, Filialen zu schließen und Personal abzubauen, um die Kosten zu senken.

Die Reintegration der Comdirect Bank ist zwar durch die kleine "Erpressung" des aktivistischen Investors Petrus Advisers um einen zweistelligen Millionenbetrag teurer geworden als geplant, doch das sind nur "Peanuts" im Vergleich zur Bedeutung der Transaktion. Sie ist auf Kurs und dürfte zeitnah vollzogen werden. Allerdings fangen damit auch erst die Aufgaben an. Klar, die Comdirect ist in puncto Digitalisierung weiter als die Muttergesellschaft. Allerdings hat sie auch eine für eine filiallose Bank ungewöhnlich hohe Cost Income Ratio, die 2019 mit 78,9 Prozent sogar über der der Muttergesellschaft mit 74,1 Prozent liegt. In Sachen Effizienzsteigerung und Kostenreduktion gibt es hier somit Potenzial. Ganz zu schweigen von der schwierigen Integration zweier doch höchst unterschiedlicher Philosophien. Der Verkauf der Mbank mit ihren Risiken aus dem Desaster der Fremdwährungskredite an polnische Kunden ist auch im Zeitplan. Dennoch verwies der Vorstandschef darauf, dass ein Verkauf kein Muss ist und nur bei einem guten Deal auch durchgeführt wird.

So freute sich Zielke umso mehr, als er kurz vor dem Geburtstag Zahlen präsentieren konnte für 2019, die Anlass zur Hoffnung geben. Die Commerzbank erhöhte die Ziel-Eigenkapitalrendite von "mehr als vier Prozent", freilich ohne sich dabei auf einen bestimmten Wert festnageln zu lassen und auch nur unter dem Vorbehalt, dass die Commerzbank weiter solche Fortschritte macht. Zielke zeigte sich optimistisch, dass die Strategie aufgehen wird. In der Tat hat ihm das auch der Kapitalmarkt abgenommen. In der Folge gehörte die Commerzbank - wie übrigens auch die Deutsche Bank - zu den gefragtesten Aktien. Das hat es nun wirklich lange nicht mehr gegeben.

Anlass für die Freude des Marktes und des Commerzbankvorstands waren die Zahlen für 2019 und vor allem das vierte Quartal 2019, das besser verlief als erwartet und sonst traditionell eher ein schwaches Quartal ist. Der operative Gewinn kletterte von 240 auf 250 Millionen Euro im Schlussquartal. Es gab zwar einen Nettoverlust von 54 Millionen Euro in den letzten drei Monaten des Jahres, aber nur, weil schon eine Rückstellung für den Personalabbau in Höhe von 101 Millionen Euro vorgezogen wurde und bereits verbucht ist. Zudem wurde das Nettoergebnis von einer Rückstellung für Fremdwährungskredite (57 Millionen Euro) für die Mbank und einer um 96 Millionen Euro höheren Risikovorsorge belastet.

Im Gesamtjahr wurde das operative Ergebnis leicht um 16 Millionen Euro auf 1,258 Milliarden Euro gesteigert. Einen ordentlichen Anteil daran hatte der Zinsüberschuss, der um knapp 7 Prozent auf 5,15 Milliarden Euro gesteigert wurde. Die Kehrseite der Medaille: Der Provisionsüberschuss ging zum dritten Mal in Folge zurück. Auch die sonstigen Erträge haben sich beinahe halbiert. Alle Fortschritte in Ehren, das Bemühen, in der Zeit des Negativzinses unabhängiger vom Zinsergebnis zu werden, wurde damit konterkariert.

Erfreulich ist auch die Entwicklung der Kernkapitalquote, die zum Jahresende von 12,8 auf 13,4 Prozent unerwartet verbessert wurde. Zielke freute sich über diese Kennziffer besonders, bietet sie doch eine recht komfortable Kapitalausstattung und ermöglicht dadurch neuen Spielraum für den Umbau. Aber auch diese Medaille hat eine Kehrseite: Da die Kapitalausstattung deutlich gestiegen und der Jahresüberschuss gleichzeitig gesunken ist, ist der Return on Equity nochmals von 3,1 auf 2,2 Prozent gesunken. Bei der zentralen Zielgröße lief es also doch nicht so gut. Damit erscheint der avisierte Zielwert von nochmals mehr als vier Prozent in noch weiterer Ferne.

Die Gesamterträge blieben stabil, der Verwaltungsaufwand sank leicht und das operative Ergebnis erhöhte sich dadurch leicht - trotz schon enthaltener Umstrukturierungskosten. Das ist ein erster kleiner Erfolg, nicht mehr, aber auch nicht weniger. So kann man das Geschäftsjahr 2019 zusammenfassen. Doch die Erträge müssen für eine nachhaltige Wende auf allen Ebenen wieder steigen.

Dennoch: Es keimt Hoffnung bei der Commerzbank. Es ist aber ein sehr zartes Pflänzlein, das noch sehr fragil ist. Wenn die Corona-Virus-Epidemie nicht bald abklingt, könnte das eine große Belastung für die deutsche Wirtschaft werden, die eng verwoben ist mit China. Das dürfte dann auch die angehobenen Rentabilitätsziele der Commerzbank wieder obsolet machen. Zwar ist schon für 2020 eine nochmals um mindestens 30 Millionen Euro erhöhte Risikovorsorge von mehr als 650 Millionen Euro eingeplant. Sollte die Konjunktur tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen werden, könnte sich diese Planung als zu gering erweisen und die geplanten Ergebnisse damit in noch weitere Ferne rücken.

Doch strategisch ist die alte Dame der deutschen Bankenlandschaft an ihrem 150. Geburtstag wohl auf dem richtigen Weg. Der Weg ist aber gerade erst am Anfang - und er ist steinig. Oft war der hämische Satz zu hören, dass die Gelben diesen runden Geburtstag nicht erreichen würden. Allen Unkenrufen zum Trotz lebt die Commerzbank noch. Totgesagte leben eben doch länger!

Carsten Englert , Leitender Redakteur, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen , Fritz Knapp Verlag
Noch keine Bewertungen vorhanden


X