Bausparen und Bausparkassen 2009

Abschlussgebühr bei Bausparkassen - ein perplexes Thema

Dass Klauseln in Vertragswerken unzulässig sein können und der Gesetzgeber es den Verbraucherverbänden aufgegeben hat, ab und zu für Ordnung im Gebührendschungel zu sorgen, verwundert eigentlich niemanden mehr, der die dazu ergangene Rechtsprechung seit 1991 verfolgt. Was mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit von Kosten für die Löschungsbewilligung begann, setzte sich seither in einer Vielzahl von Entscheidungen des höchsten Zivilgerichts fort. Im Wertpapierbereich wurden Depotwechselkosten für unzulässig erklärt, bei variabel verzinsten Sparplänen Zinsanpassungsklauseln. Baufinanzierungen waren mit der Feststellung der Unzulässigkeit lange gebräuchlicher Tilgungsverrechnungsklauseln nie außen vor. Der Anstoß Außen vor waren die Bausparkassen. Die Entgeltpraxis der Bausparkassen wurde von den Verbraucherverbänden nicht weiter beachtet. Dies änderte sich erst, als der - inzwischen pensionierte - Vorsitzende des BGH-Bankensenats Dr. h.c. Gerd Nobbe in einem Aufsatz (Wertpa-pier-Mitteilungen 2008, 185 ff.) pointiert zahlreiche bisher nicht vom BGH bewertete Entgelte mit Zweifeln belegte. Im Bausparkassenbereich trifft es die Abschluss- und Darlehensgebühr, die Wertermittlungskosten und die Kosten für Kontoführung. All diese Klauseln sind inzwischen Gegenstand von Verbandsklagen der Verbraucherzentrale Nord-rhein-Westfalen, dem bisher bundesweit aktivsten Kläger gegen unzulässige Finanzentgelte. Während es bei der Wertermittlungsgebühr, zu der die Branche bisher alle Verbandsklageverfahren verloren hat, noch vergleichsweise ruhig blieb und einige der betroffenen Institute versuchen, Kundenansprüche mit unrichtigen Hinweisen auf angebliche Verjährung oder Individualvereinbarungen abzuwimmeln, brach bei der Abschluss- und Vermittlungsgebühr ein Sturm der Entrüstung los. Zunächst wurde Nobbe, einem wissenschaftlich profilierten Bundesrichter, der stets ein offenes Ohr für die Finanzwirtschaft hatte und dem unter deren Beifall einige Zeit vorher der Ehrendoktor verliehen worden war, vom Marktführer der Bausparkassen via Presseerklärung als juristische Einzelmeinung abgekanzelt. So etwas registriert der BGH-Spruchkörper, der einmal zu den Abschluss- und Darlehensgebühren zu entscheiden haben wird, sicher aufmerksam. Sorgte dieses Eigentor bei den klagenden Verbraucherschützern noch für Schmunzeln, machten sie in der Folgezeit ganz neue Erfahrungen. Es meldete sich bei ihnen aufgeregt und kurz vor seinem Abgang in den Vorstand der Deutschen Post der vormalige wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und wollte wissen, was das denn mit der Unterlassungsklage eigentlich solle. Da dies nicht wirkte, er ist - wie gesagt - inzwischen als Post-Lobbyist für Briefträger und "Nachhaltigkeit" und nicht mehr für die Häuslebauer zuständig, wurden die Daumenschrauben weiter angezogen. Eine große Koalition von Landtagsabgeordneten aus Baden-Württemberg wurde aktiv und hofft, die umstrittenen Gebühren via Bundesratsinitiative gesetzlich retten zu können. Grund: Es würden bei einem Obsiegen der Verbraucherschützer Milliarden an Rückforderungen drohen und damit stehe der Ruin der Bausparkassen bevor. Ein staatlicher Schutzschirm nun also auch für die Bausparkassen? Liebe Bausparfunktionäre: Zuviel der Ehre. Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner? Viel Aufregung um wenig Gewiss, es ist nicht schön für denjenigen, der sich jahrelang an den Bestand von Klauseln gewöhnt hat und auf dieser Grundlage Millionen kassiert, wenn er Post vom Verbraucherschutz erhält und in deren Folge Gerichte eine bequeme Einnahmequelle verschütten. Aber arm ist deshalb in den vergangenen Jahrzehnten noch niemand geworden. Die Klagerechte der Verbraucherverbände sind darauf gerichtet, ein bestimmtes Verhalten für die Zukunft zu verändern. Eine Abschöpfung des Unrechtsgewinns, die ein Anbieter infolge rechtswidriger Klauseln in der Vergangenheit erzielt hat, ist im Obsiegensfall den Verbänden nicht möglich. So ist dann jeder Kunde selbst dafür verantwortlich, ob er ein Entgelt zurückfordert, von dem nunmehr feststeht, dass es zu Unrecht abgezogen wurde. - Erste Bedingung: der Kunde muss es erst einmal mitbekommen. Da Meldungen über unzulässige Entgelte nicht im Sportteil, sondern im eher weniger gelesenen Wirtschaftsteil der Zeitungen auftauchen, reduziert dies bereits die Schar der potenziell Streitlustigen. - Zweite Bedingung: der Kunde muss sich trauen. Nicht jeder hat Lust, sich mit seinem Vertragspartner über Rückforderungen unzulässiger Entgelte zu streiten. Die Bereitschaft dazu scheint, so die Beobachtung der Verbraucherschützer, in Zeiten wirtschaftlicher Krisen eher zu sinken. - Und dritte Bedingung: recht haben und recht bekommen sind zwei Paar Stiefel. Legendär ist der Abwimmelsatz einer Sparkasse gegenüber ihrem Kunden zu einer Gebühr, die kurz zuvor der BGH für unzulässig erklärt hatte. Betroffen von dem höchstrichterlichen Spruch sei eine Volksbank, keine Sparkasse. Deshalb, so das scheinheilige Argument, sei auch keine Erstattung möglich. Wer bleibt dann noch hartnäckig? Es wäre interessant, wenn das Landgericht Heilbronn die beklagte schwäbische Bausparkasse zwingt, ihr Lamento, Milliardenforderungen würden drohen, konkret mit der Zahl derer zu belegen, die Erstattungswünsche geäußert haben. Die Drohung würde sich als das erweisen, was auch ein guter schwäbischer Pokerspieler können muss: gut bluffen. Um was geht es nun rechtlich. Der Kasus ist denkbar einfach. Der Bausparvertrag ist ein Kombiprodukt. Der Sparer gibt in der Ansparphase sein Geld billig für einen niedrigen Sparzins an die Bausparkasse und bekommt dafür in der Darlehensphase ein preisgünstiges Baudarlehen. Die Bausparkasse ist naturgemäß bestrebt, möglichst viele Kunden für ihr Produkt zu begeistern. Neukunden sind wichtig. Ihre Spareinlagen gewährleisten, dass die Altkunden, die in die Darlehensphase gelangen, auf ausreichend Darlehenskapital zurückgreifen können. Die Balance zwischen Einlagen und Darlehensverpflichtungen überwacht die BaFin. Worum geht es? Die Überzeugungsarbeit für das Produkt übernimmt der Vertrieb. Diesen bezahlt nun nicht etwa die Bausparkasse, die auf Produktabsatz angewiesen ist. Diesen zahlt der Neukunde, verschämt mit dem Begriff "Abschlussgebühr" bezeichnet. Der Neukunde wird also nicht etwa mit einem Tankgutschein belohnt, wenn er Geld für bescheidene Sparzinsen anlegt. Er wird bestraft und bezahlt quasi eine Eintrittskarte für die Bausparwelt. Gerechtfertigt wird dies mit einem Griff in die Mottenkiste der Bausparhistorie, der so gar nicht zu dem in den Bilanzpressekonferenzen gepflegten Eigenbild der Bausparkassen als an Eigenkapitalrendite orientierte Finanzkonzerne passt. Der Neukunde tritt, so wird die Abschlussgebühr begründet, einem Kollektiv bei. Dieses erwirtschaftet quasi den Erfolg, das günstige Baudarlehen. Deshalb, folgert die Branche messerscharf, ist es doch in seinem Interesse, wenn der Vertrieb gut alimentiert wird. Der BGH sieht dies in seiner Rechtssprechung zu den Entgelten nüchterner. Diese sind zulässig, wenn eine Leistung im Auftrag und Interesse des Kunden erbracht wird. Fehlt es daran und handelt der Anbieter im eigenen wirtschaftlichen Interesse, kann er die entstehenden Kosten nicht in Form von Einzelentgelten auf die Kunden abwälzen. Er muss Sowieso-Kosten wie die für den Vertrieb, der ja in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse handelt, in die allgemeinen Betriebskosten einkalkulieren. Keine technischen Probleme Technisch ist dies auch kein Problem. Wird auf die Abschlussgebühr verzichtet, muss der Anbieter die notwendigen Vertriebskosten und seine Gewinnmarge so kalkulieren, dass das Produkt am Markt noch konkurrenzfähig ist und die gebotenen Sparzinsen und Darlehenskonditionen für Kunden attraktiv bleiben. Die BaFin würde natürlich auch eine Konstruktion ohne Abschlusskosten und Darlehensgebühr genehmigen. Denn für sie als Ordnungsbehörde kommt es nur darauf an, dass das Gleichgewicht zwischen Spareinlage und Darlehensforderungen stimmt. Der Einwand, es sei doch egal, wann der Kunde die Vertriebs-Suppe zahlt, entweder vorher oder dann eben mit einer anderen Kostenstruktur des Produkts, berührt die Frage der rechtlichen Wirksamkeit eines Entgelts nicht. Für den Kunden ist entscheidend, zur Höhe der Spar- und Darlehenszinsen, die er mit Produkten des Marktes vergleichen kann, eine klare Ansage zu bekommen, ohne dass diese Werte durch ausgelagerte Kosten wie die Abschluss- und/oder Darlehensgebühr geschönt werden. Ob die Streichung tatsächlich das Produkt verteuert und so zulasten der Zinsengestaltung weniger attraktiv macht, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Bei der Justierung der Gemeinkosten und Gewinnmarge des Produkts Bausparvertrag dürfte noch genügend anderweitiger Gestaltungsspielraum bestehen. Wie zweischneidig Bausparkassen argumentieren, wenn sie die unbedingte Notwendigkeit der Abschlussgebühr verteidigen, wird daran deutlich, dass der Kunde, der bei Zuteilungsreife auf das Darlehen verzichtet, durchaus damit rechnen kann, dass ihm dieser Verzicht mit einer faktischen Erstattung der Abschlussgebühr versüßt wird. Auch dafür greifen die Bausparkassen mal eben so in den angeblich unantastbaren Topf der Spareinlagen - genau wie bei der Zahlung von Bestandsprovisionen. Dass auch die Darlehensgebühr verzichtbar ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass diverse Bausparkassen bereits heute darauf verzichten - und dies vor den eingeleiteten Abmahnungen der Verbraucherschützer. Warum steht die Darlehensgebühr nun im Visier? Nimmt der Kunde ein Darlehen auf, fällt für den Anbieter zwangsläufig ein gewisser und notwendiger Aufwand an, sei es für die Bonitätsprüfung, sei es für die Vorbereitung der Unterlagen oder auch die Einhaltung der vom Gesetzgeber zunehmend verlangten Formalien und Widerrufsrechte. Dieser wird im eigenen wirtschaftlichen Interesse der Bausparkasse erbracht. Sie kann den Aufwand auch gar nicht umgehen, weil der Kunde sogar einen Anspruch auf das Baudarlehen erworben hat. Dass die Abmahnung der Darlehensgebühr Bausparkassen trifft und nicht Kreditinstitute, die bei der Ausgabe von Verbraucherdarlehen auch üppige Bearbeitungskosten berechnen, ist dem Zufall geschuldet. Ein Urteil zu der Darlehensgebühr würde die Kreditwirtschaft insgesamt betreffen. Lesenswert ist für die Verteidiger der Abschlussgebühr die Entscheidung des BGH mit dem Aktenzeichen XI ZR 510/07 vom 20. Januar 2009. Es ging um die Frage der Aufklärungspflicht der beratenden Bank über erhaltene Rückvergütungen beim Vertrieb eines Fonds. Auf den Beteiligungsbetrag war ein Agio von fünf Prozent aufgeschlagen worden. Der Bundesgerichtshof vertritt die Meinung, dass es aufklärungspflichtig ist, wenn das Agio als Vertriebskosten an die beratende Bank zurückfließt. Risiko der Falschberatung Klären die Bausparkassen darüber auf, dass die Abschlussgebühr als Vertriebsprovision an den zurückfließt, der den Kunden vom Abschluss des Bausparvertrages überzeugt? Nein! Schon der Name "Abschlussgebühr" ist in diesem Zusammenhang - ähnlich wie "Agio" - irreführend. Wenn nun die den Kunden beratende Sparkasse oder Volksbank den Kunden beim Vertrieb nicht über die Rückvergütungen aufklärt, hat dies weit umfassendere Folgen als die bloße Unwirksamkeit der Abschlussgebühr. Denn der so falsch beratene Kunde kann das gesamte Geschäft wegen Falschberatung rückgängig machen. Die Bausparkassen sitzen also mit ihrer Vertriebspraxis bereits jetzt auf einem weit größeren Pulverfass, als es die Unterlassungsklage der Verbraucherschützer jemals werden kann. Dies sollte Ansporn sein, die Abschluss- und Darlehensgebühr dorthin zu verfrachten, wo sie hingehört. Auf den Müllhaufen der Bauspargeschichte.

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