Immobilien im öffentlichen Interesse

Aktuelle Herausforderungen in der Wohnungswirtschaft

Wie wichtig eine stabile Wohnungs- und Immobilienwirtschaft für die Gesamtwirtschaft ist, wurde uns in den vergangenen zwei Jahren mit Blick auf die Einbrüche auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt, welche am Anfang der weltweiten Finanzkrise standen, schmerzlich bewusst. In Deutschland bildet die Immobilienwirtschaft mit 707 000 Unternehmen (22 Prozent aller deutschen Unternehmen), 3,8 Millionen Beschäftigten (zehn Prozent) und rund 390 Milliarden Euro Wertschöpfung (18,6 Prozent) einen der größten Wirtschaftszweige. Damit übertrifft sie sogar den Maschinen- und Fahrzeugbau zusammengenommen.

Anders als in den USA und weiteren europäischen Staaten erwiesen sich die heimischen Immobilienmärkte trotz gravierender Konjunktureinbrüche als durchaus stabil. Das vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. im Sommer vorgestellte Gutachten "Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive" nennt als einen wesentlichen Grund für die hohe Stabilität die solide Immobilienfinanzierung1): die Dominanz der Festzinsen, der ausreichende Anteil der Eigenkapitalfinanzierung, die stringente Ermittlung der Beleihungswerte durch die Kreditinstitute und ein ausgeprägtes Bausparsystem. Darüber hinaus ist die deutsche Immobilienfinanzierung maßgeblich vom Pfandbrief geprägt.

Zudem finden Haushalte mit Kreditproblemen auf dem Mietwohnungsmarkt attraktive Alternativen zum Eigenheim, was wesentlich zur Stabilität beiträgt. Die Summe dieser Komponenten führt dazu, dass es in Deutschland keinen Sub-prime-Markt gibt und keine Immobilienblase entstand. So schwanken die Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien hier nur halb so viel wie in den Niederlanden, in Großbritannien oder in Spanien.

Immobilienwirtschaft als ein Anker der Gesellschaft

Doch die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist damit nicht nur ein solider Anker für die Wirtschaft, sondern mehr noch ein stabiler Anker für die gesamte Gesellschaft. Ein Beispiel ist die hohe Bedeutung der Immobilien für die Altersversorgung. Knapp ein Drittel aller Wohneigentümer in Westdeutschland und mehr als ein Viertel in den neuen Bundesländern sind heute älter als 65 Jahre. Gleichzeitig sind Mieteinnahmen ein wichtiger Bestandteil der Alterseinkommen. Etwa ein Fünftel der selbst nutzenden Wohneigentümer verfügt über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; mehr als 700 000 Mieterhaushalte, ein Großteil davon im Renten- oder rentennahen Alter, beziehen Mieteinkünfte. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass rückwirkend zum Jahresbeginn 2008 die Riesterförderung nun auch für das selbst genutzte Wohneigentum gilt, obwohl eine weitergehende Förderung, beispielsweise bezüglich des Mietwohneigentums, zu wünschen gewesen wäre.

Doch damit sind noch lange nicht alle Probleme gelöst - im Gegenteil. Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sieht sich heute schwerwiegenden sozialen und ökologischen Herausforderungen gegenüber: dem Klimawandel verbunden mit knapper werdenden Energieressourcen, einer zunehmenden Binnenwanderung von ländlichen Gebieten in die Städte sowie dem demografischen Wandel.

Diese "Megatrends" verdeutlichen zudem, dass die Grenzen zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Belangen immer fließender werden, worauf sich insbesondere die Wohnungswirtschaft perspektivisch einstellen muss. So liegt es beispielsweise bei ausgeglichenen Wohnungsmärkten mehr denn je im ureigenen Interesse der Wohnungseigentümer, zur Stabilisierung des Wohnumfeldes beizutragen und so Wegzug zu verhindern. Die seit einigen Jahren gebräuchliche Formel von der "Sozialrendite" ist Ausdruck dieser Entwicklung.

Die Rendite eines noch so attraktiven Vermögenswertes kann dauerhaft nur gesichert werden, wenn auch sein Umfeld attraktiv, das heißt lebenswert, gehalten wird. Eine ähnliche Gleichung lässt sich für die energetische Qualität der Wohnungsbestände aufmachen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Nebenkosten hat. Auch hier werden bei weiter steigenden Energiepreisen langfristig nur energetisch hochwertige Bestände am Markt erfolgreich sein können.

Es ist zu konstatieren, dass der Klimawandel und die steigenden Energiepreise als Probleme erkannt worden sind. Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Verband die "Klimakommission" ins Leben gerufen, die im Herbst 2009 ihre Empfehlungen vorlegte: Um das vorhandene Einsparpotenzial nutzen zu können, ist eine angemessene Mischung aus ordnungspolitischen und Fördermaßnahmen notwendig, wobei sowohl der Ausbau steuerlicher Anreize als auch die direkte Förderung, etwa durch das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW, vorgeschlagen werden.

Und auch die demografischen Veränderungen sind unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten von hoher Relevanz, wie die Kommission "Wohnen im Alter" des Deutschen Verbandes belegt. Nach dem im Oktober 2009 vorgelegten Kommissionsbericht fehlt es an altersgerechtem Wohnraum. Die Situation wird sich mit der steigenden Anzahl älterer Menschen weiter verschärfen. Die am schnellsten wachsende Personengruppe ist jene über 80 Jahre, deren Anteil bis 2050 auf zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung anwachsen wird. Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Pflegebedürftigkeit zu. Wenn die vertraute Wohnung die häusliche Pflege nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zulässt, ist der Weg zur Pflege im Heim vorgezeichnet. Eine Heimunterbringung ist aber sehr teuer und häufig nicht gewünscht. Wenn Defizite in der täglichen Haushaltsführung, der Wohnung oder im Gebäude angepasst werden, kann auch darauf verzichtet werden, weshalb aus volkswirtschaftlicher und humaner Sicht neue finanzierbare, bedarfsgerechte Wohnmodelle unabdingbar sind. Die Kommission hat vor diesem Hintergrund wertvolle Vorschläge für die altersgerechte Anpassung der Wohnungsbestände vorgelegt.

Die dritte große Herausforderung für die Wohnungswirtschaft ist die zunehmende Binnenwanderung, deren gesellschaftliche und politische Folgen bislang nur unzureichend wahrgenommen werden. Hier besteht eine zweiseitige Problemlage: Wie können die ländlichen Räume attraktiv gehalten werden und wie sieht es dort aus mit der Versorgung der Güter des täglichen Bedarfes, also den Einkaufsmöglichkeiten, der ärztlichen Versorgung, den schulischen Möglichkeiten, den Ausbildungsplätzen? Für viele Städte in Wachstumsregionen stellt sich dagegen schon heute die Frage nach einer ausreichenden Wohnraumversorgung.

Mit den seit einigen Jahren realisierten Neubauwohnungen ist der Bedarf nicht zu decken, und eine Trendumkehr ist nicht zu erkennen - im Gegenteil: Seit 1999 ist die Anzahl der Wohnungsneubauten von 450 000 Wohneinheiten über 300 000 im Jahr 2002 bis auf 176 000 im letzten Jahr gesunken. Das entspricht gerade einmal der Hälfte des nach Meinung von Fachleuten jährlichen Bedarfs bis 2025. Auch im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit zwei fertig gestellten Wohnungen je tausend Einwohner und Jahr am Ende der Vergleichsskala; Großbritannien liegt bei 2,3, Italien und die Niederlande bei 4,1 beziehungsweise 4,4, Frankreich und Spanien gar bei 5,6 und 6,5.2) Zwar sind seit 1998 die Investitionen in die Modernisierung und Sanierung der Bestände kontinuierlich gestiegen und erreichen ein um etwa zehn Milliarden Euro höheres Niveau als vor zehn Jahren. Im gleichen Zeitraum ist aber das Investitionsvolumen im Neubau um mehr als 30 Milliarden Euro gesunken.

Dies wird zumindest langfristig zu unerwünschten Wirkungen und zum Verlust der heute noch weitgehend ausgeglichenen Märkte führen. Das Mietniveau wird deutlich steigen; nicht flächendeckend, aber in zahlreichen Ballungsgebieten. Es ist höchste Zeit gegenzusteuern. Hierfür muss der Mietwohnungsmarkt wieder in verstärktem Maße für privates Kapital attraktiv werden. Das ist am effizientesten über steuerliche Anreize zu erreichen. Um einen Selbstfinanzierungseffekt herbeizuführen und private Investitionen zu generieren, sollten die Abschreibungsmöglichkeiten deutlich verbessert werden. Mit derzeit zwei Prozent linearer Abschreibung lässt sich der Mietwohnungsbau nicht stimulieren.

Gemeinsame Lösungen

Vor dem Hintergrund der dargestellten Trends und Herausforderungen spannt sich ein weiter Bogen für die Bewertung und Reflexion der anstehenden Aufgaben in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Denn wer wollte bestreiten, dass es auf all die genannten Probleme nicht auch noch viele unbefriedigende Antworten gibt.

Doch ebenso existiert eine Vielzahl an Ansätzen, Initiativen und sehr konkreten Handlungen mit dem Ziel, Strukturen zu stabilisieren und möglichen Fehlentwicklungen wirkungsvoll entgegenzutreten. Aktiv sind dabei neben Politik und Wohnungswirtschaft, die Hauseigentümer und die Mieterverbände, die Kommunen, lokale Gruppen, Nachbarschaften sowie andere zivilgesellschaftliche Organisationen. Ohne die gemeinsame Stärkung dessen, was auch als "Weichbilder" bezeichnet wird, kann die humane Stadt, die eine wichtige Bedingung für eine humane Gesellschaft ist, schließlich nicht gelingen.

Die Koalitionsvereinbarung von Union und FDP benennt in den Abschnitten "Bauen und Wohnen" sowie "Klimaschutz, Energie und Umwelt" wichtige Vorhaben und Ziele: Die Bewältigung der Folgen des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels, den Klimaschutz, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, den Erhalt von historischer Bausubstanz und Stadtstrukturen, die Wieder- und Umnutzung von Brachflächen sowie die Barrierefreiheit im Wohnumfeld. Aber auch die Städtebauförderung, der Stadtumbau Ost und West, der Denkmalschutz, die ländlichen Räume, Wohneigentum und Wohnungsbau sowie die Weiterentwicklung des Bauplanungsrechtes werden als Arbeitsfelder postuliert. Das sind höchst positive Signale, die es nun in konkretes politisches Handeln umzusetzen gilt. Diese Aufgaben wird der Deutsche Verband als erfahrener Dienstleister weiterhin aktiv gestalten und tragfähige Lösungsansätze erarbeiten. Dabei nutzt er seine in Jahrzehnten gesammelte Expertise sowie das Knowhow einer Vielfalt und Vielzahl an Akteuren "rund um das Planen, Bauen und Wohnen", die er unter seinem Dach versammelt.

Fußnoten

1) Das Gutachten wurde im Auftrag des Deutschen Verbandes und der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. (gif) unter Mitwirkung und Unterstützung einer Reihe von Vereinigungen und Instituten, auch des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, erstellt. Die wissenschaftliche Begleitung lag in den Händen des Autorenteams Institut der deutschen Wirtschaft Köln, dem Lehrstuhl für Wirtschaftsgeografie der Universität Mannheim und dem ZEW Mannheim.

2) Quelle: LBS-Research

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