MIPIM-Special

Auswirkungen der Finanzkrise auf die Immobilienbewertung

Die uns nun schon einige Zeit beherrschende Finanzmarktkrise wurde ursächlich durch den rapiden Wertverlust von verbrieften Forderungen ausgelöst, da eine Vielzahl an Schuldnern ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkam. Erst im zweiten Schritt hat die Krise dann auf die Immobilienmärkte und die Realwirtschaft übergegriffen. Der Hilfeschrei nach einer verstärkten überstaatlichen Kontrolle wurde laut und dies führte letztendlich zu einer Diskussion, ob die Regularien der Ratingagenturen hier versagt haben und inwieweit auf die Aussagekraft der Ratingnoten vertraut werden kann.

Auswirkungen auf die Marktwertermittlung

Da die Immobilienbewertung letztendlich auch eine Beurteilung verschiedener wertbeeinflussender Parameter darstellt, ist sie natürlich in derart turbulenten Tagen ebenfalls hinsichtlich ihrer Aussagekraft auf den Prüfstand zu stellen. Was kann die Immobilienbewertung aus dieser Entwicklung lernen?

In den letzten Jahren war bedingt durch die kapitalmarktgetriebenen Anlagestrategien eine eher kurzfristige Denkweise angesagt. Die Haltezeiten von Assets lagen eher im kurzfristigen Bereich (ein bis drei Jahre). Langfristige Entwicklungen wurden aus der Prozesskette geflissentlich entfernt. Eigentümer und Nutzer von Gewerbeimmobilien im Inland und insbesondere im Ausland schienen sich nur bedingt Gedanken um Nachhaltigkeitsaspekte ihrer Immobilien zu machen. Die Qualität des Cash-Flows war das Maß der Dinge und die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre wurden quasi 1:1 auf die zukünftige Entwicklung übernommen und oft wurde noch ein Quantum "Zukunftsmusik" mit oben drauf gepackt (zum Beispiel Rent spikes in New York).

Die Frage, ob der allgemeine Abwärtstrend der Märkte zu einem generellen Abwärtstrend der Immobilienwerte führt, kann derzeit nur bedingt beantwortet werden und ist stark von der Art der Immobilie und des jeweiligen Marktumfeldes geprägt. In Deutschland, das von jeher eine eher konservative Wertentwicklung mit weniger Volatilität aufweist, ist der Umgang mit volatilen Immobilienwerten gewöhnungsbedürftiger als in europäischen Nachbarländern oder den USA. Diese Stabilität gibt Sicherheit und das wiederum schafft Vertrauen.

Alt bekannte Merkmale wie "Lage, Lage, Lage" liegen wieder voll im Trend. Ebenso verhält es sich mit der Qualität der zu bewertenden Immobilien und der Mietverträge. Ein gründliches Research gilt dabei als das A und O, um eine fundierte Basis für die zu wählenden Eingangsparameter zu erhalten und die Risiken des Standortes entsprechend zu identifizieren. Im Fokus stehen dabei der Immobiliensachverstand und die ganzheitliche Betrachtung der Immobilie. Auch die Professionalität der Gutachter, an die vor allem in Zeiten von Krisen höchste Anforderungen gestellt werden, ist von grundlegender Bedeutung. Hier sind neben einem ausgeprägten Fachwissen, ethische Grundsätze und eine strikte Neutralität besonders wichtig.

Auch gewichtige Aspekte der Nachhaltigkeit im globalen Sinne dürfen in der Diskussion nicht unerwähnt bleiben. Eine gesellschaftliche Herausforderung bilden nachhaltige Investitionen im Hinblick auf künftige Generationen. Dabei rücken ökonomisches Wachstum, Klimawandel, Ressourcenknappheit, Biodiversität, Armut und demographischer Wandel in das Blickfeld des Betrachters. So stellen neben den erneuerbaren Energien auch Umwelttechnologien wie zum Beispiel Wasser-, Mobilitäts-, Abfall- und Recyclingtechnologien interessante Märkte der Zukunft dar, die bei der Standort- und Umweltbeurteilung von Immobilien künftig eine stärkere Bedeutung erlangen können.

Der Wandel ist klar erkennbar durch den Erlass der Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2007, die mit dem Energieausweis ein Zeichen pro Umwelt gesetzt hat. Dabei hat der Bauherr sicherzustellen, dass dem Eigentümer ein Energieausweis ausgestellt wird. Ebenso hat der Überlasser bei Verkauf, Vermietung, Leasing oder Pacht dem Interessenten einen Energieausweis zugänglich zu machen. Öffentliche Gebäude über 1 000 Quadratmeter müssen den E-Pass sogar aushängen.

Auch ist die Diskussion über Green Buildings voll im Gange. Dabei ist ein Trend hin zur Integration von Einsparpotenzialen durch Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in ein "Green Real Estate Management" zu verzeichnen. Hierdurch wird die Wertsteigerung der "Grünen Gebäude" gegenüber konventionellen Immobilien forciert. Kaufentscheidungen, die geprägt werden durch Aspekte der Nachhaltigkeit, des Umweltbewusstseins und der Zukunftsfähigkeit einer Immobilie werden künftig deutlich zunehmen. Dieses Marktverhalten wird in den Wertermittlungen entsprechend verstärkt zu berücksichtigen sein.

Folgen für die Beleihungswertermittlung

In den letzten Jahren stand in der Bewertungsindustrie die DCF-Bewertung (Discounted-Cash-Flow) als zukunftsorientierte Bewertungsmethodik im Mittelpunkt der Diskussionen, während im Finanzierungsbereich gleichzeitig die Abkehr vom altmodischen Hypothekengeschäft hin zum modernen Investmentgeschäft mit einer marktwertorientierten Risikosteuerung über den Loan to value (LTV) propagiert wurde. Aufgrund des prosperierenden Umfeldes und den damit ständig steigenden Marktwerten stellten die turnusmäßigen LTV-Überprüfungen die Banken in den seltensten Fällen vor problematische Situationen. Aber wie sich heute zeigt, wird hierdurch die Volatilität des Marktes in die Finanzierung übernommen, und die Abhängigkeit der Banken von der Marktentwicklung und der Eigenkapitalstärke ihrer Kunden nimmt zu. Besonders kritisch wird die Situation, sofern Immobilientransaktionen in "Peak-Zeiten" mit hohem LTV-Ratio finanziert wurden.

Als Dienstleister für den Bankensektor sehen wir unsere Pflicht in der Darstellung der "ungeschminkten" Wahrheit über das Risikopotenzial der zu bewertenden Immobilie im Interesse unserer Auftraggeber. Dies bedeutet neben der Feststellung der aktuellen Marktgegebenheiten die objektive Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile einer Immobilie sowie die Darlegung deren Zukunftsfähigkeit auf der Grundlage ihrer nachhaltigen Objekteigenschaften. Als wichtiges Indiz, um die nachhaltige Wirtschaftlichkeit eines Objekts beurteilen zu können, ist ferner das in der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) verankerte "Zwei-Säulen-Prinzip" des Beleihungswertes. Also eine Überprüfung, ob der langfristig nachhaltige Ertrag der Immobilie auch wirtschaftlich über den Sachwert dargestellt werden kann. Bei der Bewertung der Immobilie wird verstärkt Wert gelegt auf die Drittverwendungsfähigkeit sowie aktuelle und langfristige Vermiet- und Vermarktbarkeit.

Neben den nachhaltigen Objekteigenschaften wird sich zukünftig sicher auch der Fokus auf die zur Bewertung bereitgestellten Unterlagen erhöhen. Die unzutreffende Meinung einiger Banker, dass der zu erwartende Cash-Flow als einzige Information für eine Immobilienbewertung als ausreichend erachtet wird, gehört hoffentlich der Vergangenheit an. Die Neutralität der Gutachter ist bei Gutachten zu Finanzierungszwecken in der BelWertV über § 5 sichergestellt. Hiernach darf kein im Auftrag des Darlehensnehmers erstelltes Gutachten als Basis einer Beleihungswertberechnung zugrunde gelegt werden. Die Beauftragung durch den Marktfolgebereich eines Bankhauses sorgt zusätzlich zu einer Entkoppelung von Interessenskonflikten. Auch wenn die Marktwerte in Talfahrt begriffen sind, so sollten unserer Meinung nach die Beleihungswerte gestärkt als "krisenfeste" Werte als Hilfsmittel für die Finanzwelt aus der Rezession hervorgehen. Die Regularien der BelWertV gewährleisten dabei einen Beleihungswert, der bei richtiger Anwendung auch im langfristigen Marktgeschehen Bestand haben wird. Erst nach oder gegen Ende der Krise werden Markt- und Beleihungswerte wieder ein "normales" Verhältnis nach altbekanntem Vorbild erlangen. Derzeit ist es durchaus möglich, dass sich Markt- und Beleihungswerte deutlich annähern. Dies ist jedoch eine natürliche Reaktion, die auf eine Boomphase folgt, die geprägt war durch starke Nachfrage und geringes Angebot und in der die Schere zwischen Markt- und Beleihungswert stark auseinander ging.

Bedeutungsgewinn für die Immobilienbewertung

Ein Ende der globalen Immobilientransaktionen wird die Krise sicherlich nicht zur Folge haben. Entscheidend wird der Rückgewinn des Vertrauens insbesondere der Banken untereinander sein, um einen funktionierenden Wettbewerb und die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten zu gewährleisten. Die Immobilienbewertung wird gerade wegen der aktuellen Krise an Bedeutung gewinnen, da unabhängige Experten die Nachhaltigkeit der Objekte beurteilen. Dabei muss ein gewöhnlicher Geschäftsverkehr unterstellt werden und es darf auf keinen Fall der Preisverfall, hervorgerufen durch eine weltweite Finanzkrise, mit einem allgemeinen Wertverfall der Immobilien verwechselt werden. Wobei die alte Diskussion "Preis ist nicht gleich Wert" wieder neu an Bedeutung gewinnt!

Insgesamt kann man von einer Bewusstseinsschärfung für Umwelt-, Standort-, und Objektrisiken sowie für nachhaltige und zukunftsorientierte Objekteigenschaften sprechen. Somit wird - verstärkt durch die Finanzkrise - das Thema Nachhaltigkeit bei der Bewertung von Immobilien an Bedeutung gewinnen. Der Beleihungswert kann als Sinnbild der Nachhaltigkeit der eindeutige Gewinner in Zeiten teilweise erdrutschartig fallender Preise für Immobilien werden.

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