Schwerpunkt: Grüne Immobilien

Bauen wir uns ein besseres Klima?

Bei aller Sorge um die aktuelle Entwicklung des Geschäftsklimas in vielen Branchen gerät leicht eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahrzehnte aus dem Blickfeld: die Entwicklung des Weltklimas. Verständlicherweise haben die Finanzkrise und die Rückwirkungen auf die Realwirtschaft den Klimawandel derzeit nicht nur weitgehend aus der Presse, sondern auch von der Agenda vieler Unternehmen gedrängt. Es wäre jedoch sträflich, wenn dies zu einem Dauerzustand würde. Denn die klimatischen Veränderungen auf der Welt verlangen nach raschen Antworten.

Klimawandel als Herausforderung

Dies bedeutet vielfach Lasten und Einschränkungen, gleichzeitig entstehen jedoch auch Chancen, denn einige Branchen helfen uns, den Klimawandel abzuschwächen oder die Folgen zu mildern. Diese Branchen profitieren also zumindest zum Teil von den klimatischen Veränderungen. Die Baubranche ist eine jener Branchen, denn knapp 40 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland lassen sich auf Gebäude zurückführen. Durch geeignete Neu- und Umbaumaßnahmen kann ein gigantisches Einsparpotenzial gehoben werden - und dies zu vergleichsweise niedrigen Kosten.

Dass der Klimawandel ein ernst zu nehmendes Problem ist, wird hierbei nur noch von einer Minderheit bestritten: Die meisten Naturwissenschaftler sind sich darüber einig, dass sich der Klimawandel auch auf menschliche Aktivitäten zurückführen lässt und in den nächsten Jahrzehnten allenfalls verlangsamt werden kann. Die klimatischen Veränderungen werden auch für Deutschland massive Verwerfungen bedeuten. Die Durchschnittstemperaturen werden steigen, die regionalen Niederschlagsmuster verschieben sich, Wetterextreme wie Stürme oder Hitzeperioden nehmen zu, und der Meeresspiegel steigt. Diese kli-matisch-natürlichen Prozesse des Klimawandels werden direkt zu mehr Bauaktivitäten führen. So werden sich die Menschen durch Zusatzmaßnahmen gegen die neuen Extreme schützen (zum Beispiel durch höhere Dämme), und eine Zunahme von Umweltkatastrophen wird leider auch mehr Reparaturen und Aufräumarbeiten erfordern.

Wichtiger als diese klimatisch-natürliche Dimension wird kurz- bis mittelfristig jedoch die regulatorisch-marktwirtschaftliche Dimension für die meisten Branchen werden. Hierbei geht es um alle regulatorischen Maßnahmen sowie um die marktwirtschaftlichen Rückkoppelungen des Klimawandels, also um verteuerte Energie, Förderung umweltschonender Produkte und erneuerbarer Energien sowie um mögliche Auflagen bei der Produktion beziehungsweise Gebäudeerstellung.

Die Knappheit der Energieträger führt gleichzeitig zu höheren Preisen, und diese Preissignale lenken das knappe Kapital immer häufiger in energiesparende Investitionen. Klimaschutz ist dann zum Teil die Reaktion auf gesetzgeberische Impulse und zum Teil die rationale Anpassung vieler gewinnorientierter Menschen an die neuen Preise. Dies bedeutet nicht, dass intrinsisch motivierter Umweltschutz unwichtig wäre. Es heißt jedoch, dass wir nicht allein auf einen neuen Menschen, den homo oecologicus, warten sollten. Mit den richtigen Anreizen verhält sich auch der homo oeconomicus wie ein waschechter Öko.

Deutsche Bank Research hat drei Szenarien mit unterschiedlich starker Markt- und Politikreaktion konzipiert. Im Status-quo-Szenario werden alle heute angelegten Entwicklungen unbeschleunigt fortgesetzt, das heißt es gibt keine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke, erneuerbare Energien gewinnen an Bedeutung, auch weil CO2-Emissionszertifikate spürbar teurer werden. Im "Ausga-benlimit-Szenario" ist der Gesetzgeber bemüht, die direkten finanziellen Lasten für die privaten Haushalte zu begrenzen. Die Laufzeiten für deutsche Kernkraftwerke werden in diesem Szenario folgerichtig verlängert, und es gibt nur wenige Sanierungsauflagen für Immobilien. Das dritte Szenario "Klimaschock" beschreibt eine Welt mit den umfangreichsten Eingriffen des Staates.

Erneuerung des Kraftwerksparks und Erweiterung der Netze

Bis 2020 dürfte es eine rege Investitionstätigkeit im deutschen Kraftwerkspark geben. Erstens zwingen schärfere Klimaschutzvorgaben und das hohe Alter vieler Anlagen die Versorger zur Modernisierung beziehungsweise zum Ersatz ihrer Kohlekraftwerke. Zweitens sind Investitionen seitens der Stadtwerke zu erwarten. Die Eigenerzeugung in neuen Anlagen macht die Stadtwerke unabhängiger von den hohen und schwankenden Preisen im Stromgroßhandel. Kommt es zum Kernenergieausstieg müssen zudem die wegfallenden Kraftwerkskapazitäten ersetzt werden. Im Status-quo-Szenario müssten bis 2020 die Hälfte der Stromerzeugungskapazitäten substituiert werden.

Der Ausbau des Kraftwerksparks allein reicht jedoch nicht, denn Strom und Wärme müssen ja von den Kraftwerken zu den Endnutzern transportiert werden. Es müssen nicht nur bestehende Netze erhalten und ersetzt werden. Die angelegten energetischen Megatrends erfordern auch den Ausbau der Netzinfrastruktur. Offshore-Windanlagen sind neu an das Netz anzuschließen. Hinzu kommt, je wichtiger der internationale Stromhandel wird, umso besser müssen die grenzüberschreitenden Stromnetze zusammengeschlossen sein. Damit der internationale Stromhandel seine effizienzsteigernde Wirkung entfalten kann, müssen die zentralen Schnittstellen tragfähig sein. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass Investitionen in der Größenordnung zwischen 190 Milliarden und 230 Milliarden Euro in den Kraftwerkspark und die Netzinfrastruktur bis 2030 anstehen; rund ein Drittel dieser Investitionen sind direkt bauwirksam.

Sanierung von Millionen Wohnungen

Rund 23 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland entfallen allein auf Wohnimmobilien, 14 Prozent auf sonstige Gebäude. Die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung - eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 - sind daher wohl nur zu erreichen, wenn ein Großteil der älteren Gebäude in Deutschland energetisch saniert wird. In den fast 40 Millionen Wohneinheiten mit insgesamt gut 3,3 Milliarden Quadratmetern Wohnfläche ruht ein gigantisches Einsparpotenzial.

Zwar gilt der deutsche Wohnungsbestand im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn als vergleichsweise jung, dennoch sind 70 Prozent aller Wohnungen mindestes 30 Jahre alt. Eine umfassende energetische Sanierung könnte in den meisten Altbauten (keineswegs in allen) Einsparungen im Endenergieverbrauch von etwa 50 Prozent erzielen. Allein dieses Einsparpotenzial ist ein deutlicher Beleg für den technischen Fortschritt im energiesparenden Bauen.

Die steigenden Ölpreise und die ersten politischen Weichenstellungen haben bereits in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass ein modernes Einfamilienhaus beispielsweise nur halb so viel Energie benötigt wie ein 30 Jahre altes Haus - und dies sind nur die statistischen Mittelwerte. Sparsamere Modelle sind zwar möglich, jedoch bisher nicht die günstigste Variante, das Klima durch Energieeinsparungen zu schützen. Um den heutigen Energiestandard im Bestand zu realisieren, sind umfassende Umbauten notwendig: Die Außenwände, das Dach und die Geschossdecken müssen gedämmt werden, Fenster müssen ausgetauscht oder zumindest besser abgedichtet werden. Auch bei der Lüftung, der Warmwasser- und der Wärmeerzeugung selbst lässt sich die klimatische Bilanz zum Beispiel durch Solaranlagen, Brennwertkessel oder Kraft- Wärmekoppelung optimieren. Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass sich sehr viele Sanierungsmaßnahmen dann rechnen, wenn Sie im Rahmen einer allgemeinen Modernisierung erfolgen können und lediglich der Sieben-Liter-Standard angestrebt wird. Ein noch niedrigerer Verbrauch wird in der Regel mit zu hohen Kosten erkauft. Eine stärkere Subventionierung wäre dann ökonomisch nicht geboten.

Zu wenig Anreiz?

Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass der private Anreiz der Hausbesitzer und Vermieter nicht reicht, um die Klimaziele zu erfüllen. Im Wesentlichen geht es um drei Aspekte:

- Erstens würde eine allmähliche Sanierung nur sehr langsam den Energieverbrauch im Wohnungsbestand reduzieren. Zuletzt wurden zwar 200 000 Wohneinheiten pro Jahr energetisch saniert, dies sind jedoch gerade 0,5 Prozent des gesamten Wohnungsbestands in Deutschland. Bis 2030 würden also nur zwölf Prozent des Wohnungsbestands saniert.

- Zweitens haben gerade ältere Hauseigentümer nur einen geringen Anreiz zur Sanierung, wenn sich eine Investition nur in der langen Frist amortisiert. Eigennutz würde dann volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen verhindern.

- Drittens beträgt die Eigenheimquote in Deutschland nur gut 40 Prozent. Für 60 Prozent der Haushalte gibt es also einen Konflikt zwischen Mieter und Vermieter dann zu lösen, wenn der Vermieter die Kosten einer energetischen Sanierung nicht angemessen auf den Mieter umschlagen darf beziehungsweise nicht von niedrigen Heizkosten profitiert. Eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Investition droht durch das Mietrecht verhindert zu werden.

Wenn es gelingt, die Sanierungsrate zu erhöhen, könnten nicht nur die Klimaziele der Bundesregierung erreicht werden, es würde auch ein großer Konjunkturimpuls generiert werden: Steigt die Sanierungsrate auf 1,4 Prozent des Wohnungsbestands, wie im Status-quo-Szenario von Deutsche Bank Research unterstellt, würde ein zusätzliches Bauvolumen von insgesamt fast 150 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 induziert. Selbst im Ausgabenlimit-Szenario mit nur geringfügig steigender Sanierungsrate könnte ein Impuls für die deutsche Bauwirtschaft von etwa 70 Milliarden Euro entstehen. Natürlich beschränkt sich das Energiesparpotenzial nicht allein auf Wohnimmobilien. Immerhin beläuft sich der gesamte Nicht-Wohnungsbestand auf schätzungsweise 2,2 Milliarden Quadratmeter, und gerade bei der öffentlichen Hand gibt es sehr viele alte Bestände mit Sanierungsbedarf. Beispielsweise lassen sich bei sehr vielen Büroimmobilien die CO2-Emissionen halbieren; dies gilt sowohl für Bestände der Privaten als auch jene der öffentlichen Hände. Zwar dürften die gesamten Einsparpotenziale bei den Nicht-Wohnimmobilien geringer ausfallen als im Wohnsegment. Es ist jedoch plausibel, dass die Sanierung gerade von Gebäuden der privaten Wirtschaft reibungsärmer verläuft als bei Wohnungen, weil weder das restriktive Mietrecht noch der Investitionsattentismus von älteren Hauseigentümern bremsen. Zudem sind Maßnahmen des Energieeinspar-Contractings bei Gewerbeimmobilien einfacher um zusetzen als im Wohnungsbereich. Dies könnte bedeuten, dass unser Klima-schock-Szenario für den Nicht-Wohnbereich die beste Annäherung an eine künftige Entwicklung darstellt, während es im Wohnsegment eher das Statusquo- oder sogar das Ausgabenlimit-Szenario wäre. Insgesamt könnte bei Nicht-Wohngebäuden ein zusätzliches Bauvolumen durch energetische Sanierungsmaßnahmen von 30 bis 70 Milliarden Euro bis 2030 generiert werden.

Zusätzlich zu den Maßnahmen bei Gebäuden und der Erneuerung des Kraftwerksparks kommen noch im geringen Umfang Infrastrukturprojekte zur Schadensprävention sowie das Volumen der Schadensbeseitigung. Alles in allem könnte das gesamte Bauvolumen, das mit dem Klimawandel verbunden werden kann, zwischen rund 217 Milliarden Euro im Ausgabenlimit-Szenario und 415 Milliarden Euro im Klimaschock-Szenario liegen. Diese Werte sind zu heutigen Preisen und spiegeln die aktuelle Technologie wider.

Ökologie als Exportartikel der deutschen Bauwirtschaft?

Dies ist dahingehend also ein konservatives Szenario für die Umwelt, denn natürlich endet der technische Fortschritt nicht heute. Es ist sogar plausibel, dass wir bei stark steigenden Ölpreisen und sehr starker Verknappung der Emissionszertifikate einen neuen Schub für energiesparendes Bauen erleben, denn junge und motivierte Menschen werden sich umso stärker um neue Technologien bemühen, je größer die damit verbundenen Marktchancen sind. Das kreative Potenzial des dynamischen Wettbewerbsprozesses wird sehr häufig unterschätzt. In diesem Fall könnten wir dann auf eine angenehme Überraschung hoffen.

Schließlich bleibt festzuhalten, dass wir Deutschen das Klima nicht alleine retten können. Diese Feststellung ist trivial und führt regelmäßig zu Frustration und Enttäuschung angesichts der enormen Größe der globalen Aufgabe. Für die deutsche Bauwirtschaft und die deutschen Technikanbieter verbirgt sich dahinter jedoch auch eine Chance, die in den obigen Zahlen noch nicht enthalten ist: Auch in den USA, in China oder Russland müssen die Gebäude über kurz oder lang energetisch saniert werden spätestens dann, wenn die Sanierung günstiger ist als das Zahlen der steigenden Nebenkosten. Dann könnte sich das ökologische Bauen zum neuen Exportschlager entwickeln: Unterstellen wir, dass die rund 6,5 Milliarden Menschen im Durchschnitt zu fünft in einem Haushalt leben, gibt es rund 1,3 Milliarden Wohneinheiten auf der Erde - der überwiegende Teil davon entspricht nicht annähernd dem heutigen Stand der Technik, geschweige dem morgigen.

Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg
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