Bewertungsfragen

Bewertung von Beteiligungen in Offenen Immobilienfonds

Offene Immobilienfonds investieren aufgrund der mit ihren Anlegern vereinbarten Anlagegrundsätze regelmäßig direkt in Immobilien. Seit 1998 sind aber auch Investitionen in Immobilienbeziehungsweise Objektgesellschaften möglich. Nach der aktuellen Novelle des Investmentgesetzes (InvG) vom Dezember 2007 können Offene Immobilienfonds zudem in mehrstöckige Beteiligungsstrukturen investieren - also in Immobilien-(Holding-)gesellschaften, die sich an weiteren nachgeordneten Immobilien-Gesellschaften beteiligen. Wesentliche Voraussetzung: Auf den nachgelagerten Stufen müssen jeweils 100-Prozent-Beteiligungen vorliegen. Für die Bewertung der Beteiligungen waren bislang allein die fondsverwaltenden Kapitalanlagegesellschaften zuständig. Auf Basis der von den Sachverständigenausschüssen festgelegten Verkehrswerte der Immobilien ermittelten sie die Beteiligungswerte, die letztlich in den Wert der Fondsanteile der Anleger eingehen.

Neuordnung des Bewertungsverfahrens

Mit der Änderung des Investmentgesetzes ging allerdings eine Neuordnung des Bewertungsverfahrens von Immobiliengesellschaften einher. So sind nach § 70 Abs. 2 InvG nun die Wertansätze für Immobiliengesellschaften zusätzlich von einem deutschen Wirtschaftsprüfer nach den allgemein anerkannten Grundsätzen für die Bewertung von Unternehmensbeteiligungen mindestens in jährlichem Turnus zu ermitteln.

Zu den Aufgaben des Wirtschaftsprüfers beziehungsweise der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gehören damit künftig - neben der Erstellung von (Erst-) Wertgutachten vor dem Erwerb von Beteiligungen an einer Immobiliengesellschaft - die Wertermittlung für Bestandsbeteiligungen des Sondervermögens sowie gegebenenfalls notwendige vorzeitige Neubewertungen solcher Beteiligungen in Offenen Immobilienfonds. Dies gilt unabhängig davon, ob die zu bewertende Immobiliengesellschaft ihren Sitz im In- oder Ausland hat. Bei der Bewertung des Immobilienvermögens der Immobiliengesellschaft ist der vom Sachverständigenausschuss ermittelte (Verkehrs-)Wert zu übernehmen.

Die maßgeblichen berufsrechtlichen Grundsätze eines Wirtschaftsprüfers für die Bewertung von Unternehmensbeteiligungen finden allerdings nur dann Anwendung, wenn diesen keine aufsichtsrechtlichen Spezialvorschriften zur Bewertung entgegenstehen. Dazu zählt - neben den weiteren Regelungen des InvG - insbesondere die Investment-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (InvRBV), die am 23. Dezember 2009 in Kraft getreten ist. Die InvRBV dient im Wesentlichen dazu, die Rechnungslegungs- und Bewertungsvorschriften des InvG weiter zu konkretisieren.

Für die Anbieter von Offenen Immobilienfonds wird spätestens zum 1. Juli 2010 die Bewertung von Immobilien-Gesellschaften nach § 70 Abs. 2 InvG obligatorisch. Die neuen Vorgaben zur Bewertung von Beteiligungen an Immo-bilien-Gesellschaften müssen spätestens dann in den Vertragsbedingungen der Fonds verankert sein. Nach Auffassung des Branchenverbandes BVI hat - in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die erstmalige Bewertung durch den externen Wirtschaftsprüfer innerhalb von zwölf Monaten nach einer entsprechenden Änderung der Vertragsbedingungen eines offenen Immobilienfonds zu erfolgen.

Vermögensaufstellungen als Basis des Beteiligungswertes

Bereits seit der Einführung der Anlagemöglichkeit in Beteiligungen in das InvG im Jahre 1998 sind Immobiliengesellschaften verpflichtet, monatlich Vermögensaufstellungen bei der Fondsgesellschaft einzureichen. Mit der nun erfolgten Gesetzesnovellierung hat ein Wirtschaftsprüfer einmal jährlich auf Basis einer aktuellen Vermögensaufstellung den Wert der Beteiligung zu ermitteln.

Dabei hat der Bewerter die einheitlichen Bewertungsgrundsätze für Vermögens- und Schuldposten zu berücksichtigen, die seit In-Kraft-Treten der InvRBV von der Fondsgesellschaft zu erstellen sind. Da bei der Bewertung des Immobilienvermögens der Immobiliengesellschaft der vom Sachverständigenausschuss ermittelte Wert zu übernehmen ist, kann der externe Wirtschaftsprüfer das Immobilien-Wertgutachten des Sachverständigenausschusses lediglich auf offensichtliche Fehler plausibilisieren.

Der Gesetzgeber hat weder im InvG noch in dessen Begründung konkrete Vorgaben zur Bewertungsmethodik für die Bewerter aufgestellt. Es wird vielmehr auf die (berufsrechtlichen) allgemeinen Grundsätze zur Unternehmensbewertung verwiesen. Dies bedeutet, dass zur aufsichtsrechtlichen Bewertung der Immobiliengesellschaften sowohl (modifizierte) substanz- als auch reine ertragswertorientierte Bewertungsverfahren angewendet werden könnten. Daher wird für die fortlaufende Bewertung von Immobiliengesellschaften in Offenen Immobilienfonds zukünftig faktisch ein Mischansatz zwischen modifiziertem Substanzwert- und reinem Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen.

Herausforderungen und mehr Aufwand

Die Fondsgesellschaften stehen vor zwei wesentlichen Herausforderungen: Zum einen sind Sachverhalte in den Immobiliengesellschaften erstmals von einem unabhängigen Dritten bewertungs- und aufsichtsrechtlich zu beurteilen und folglich mit diesem zu diskutieren. Dies führt für die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) zu einem erhöhten Abstimmungsaufwand.

Zum anderen müssen die Fondsgesellschaften einheitliche Grundsätze für die Bewertung der einzelnen Vermögens- und Schuldposten der Immobiliengesellschaften erstellen. Das bedeutet, dass lokale Reportingstrukturen und die Besonderheiten nationaler Rechnungslegungsstandards aus verschiedenen Beteiligungsländern zu vereinheitlichen sind, was in Abhängigkeit von der Anzahl der Investitionsländer zu erheblichem Zusatzaufwand führen könnte. Insbesondere hierbei zeigt sich die Komplexität, mit der die Fondsgesellschaften spätestens in diesem Jahr konfrontiert werden.

Bei den Gesellschaften, bei denen eine Umstellung der Vertragsbedingungen bereits erfolgt ist, zeigen erste Erfahrungen, dass selbst die Bewertungen einfach strukturierter "Ein-Objekt-Gesellschaften" eine Vielzahl von Fragestellungen aufwerfen. Zunächst muss bei den einzelnen bewertungsrelevanten Sachverhalten unterschieden werden: Zum einen gibt es bei der Bewertung von Immobiliengesellschaften Geschäftsvorfälle, die für die Fondsgesellschaften bereits bei der Anteilwertermittlung für Direktinvestments auf Fondsebene relevant sind. Zum anderen gibt es Sachverhalte, die ausschließlich bei der Bewertung von Beteiligungen auftreten.

Als ein Beispiel für einen Sachverhalt, der bereits auf Ebene des Offenen Immobilienfonds bewertungsrelevant ist, sind etwa Bewertungen von Immobilien-Projektentwicklungen in Immobiliengesellschaften zu subsummieren. Bislang ermitteln Sachverständige in der Regel lediglich einen Verkehrswert für den in der Zukunft liegenden Zeitpunkt der Fertigstellung einer Immobilie; ein Verkehrswert zum maßgeblichen Bewertungsstichtag wird jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht ermittelt. Nach der Begründung zur InvRBV sind Projektentwicklungen mit dem vom Sachverständigenausschuss ermittelten projizierten Verkehrswert der Immobilie nach Fertigstellung abzüglich der ausstehenden kalkulatorischen Fertigstellungskosten zu bewerten.

Ein weiteres Beispiel von Parallelen zur Bewertung auf Fondsebene ist die Behandlung von sogenannten "Mietincentives". Gerade in Zeiten einer Immobilienmarktkrise stellt sich die Frage, wie vorübergehende Stundungen oder mietfreie Zeiten zu bewerten sind. Schließlich können sich auch diese auf den Anteilswert auswirken. Gegebenenfalls muss der Wirtschaftsprüfer als Bewerter - bei Nichtberücksichtigung der mietfreien Zeit durch den Sachverständigenausschuss - einen Wertabschlag vornehmen und einen von der Immobiliengesellschaft angesetzten Rechnungsabgrenzungsposten bei der Bewertung wieder korrigieren.

Bewertung von Gesellschaftsdarlehen

Auch bei den Bewertungen von latenten Ertragsteuerbelastungen (Capital Gain Tax), von (verzinslichen) langfristigen Forderungen und Verbindlichkeiten, von Betriebs- und Geschäftsausstattungen und von immateriellen Vermögensgegenständen ergeben sich bei der Bewertung der Beteiligungen ähn lich komplexe Fragestellungen wie auf Fondsebene.

Zu den Geschäftsvorfällen, die ausschließlich auf Beteiligungsebene anfallen und gesonderten Bewertungsgrundsätzen folgen, zählt beispielsweise die Bewertung von Gesellschafterdarlehen einer KAG an ihrer Immobiliengesellschaft. Auch hier zeigen sich komplexe Fragestellungen, die bislang bei der Bewertung von Beteiligungen noch wenig Beachtung fanden.

Gesellschafterdarlehen sind in der Regel langfristiger Natur, woraus sich die Notwendigkeit einer Diskontierung - also der Feststellung des aktuellen Marktwertes der zukünftigen Rückzahlung ergeben könnte. Der Wirtschaftsprüfer hat daher bei der Bewertung insbesondere zu ermitteln, ob die finanzierte Immobilie langfristig gehalten und das Gesellschafterdarlehen gegebenenfalls erst bei einem Verkauf der Immobilie zurückgezahlt werden soll.

Die InvRBV sieht vor, dass Steuerlatenzen, die sich aus potenziellen Veräußerungsgewinnen der Immobilie (Capital Gain Tax) ergeben könnten, verpflichtend zu berücksichtigen sind. Dabei muss der Bewerter anhand der aktuellen monatlichen Vermögensaufstellung der Immobiliengesellschaft überprüfen, ob Rückstellungen für passive latente Steuern durch die lokale Buchführung der Gesellschaft gebildet wurden. Wurden keine Rückstellungen gebildet, muss dies bei der Unternehmensbewertung oder unter Umständen ausnahmsweise auf Ebene des Offenen Immobilienfonds berücksichtigt werden.

Mehr Transparenz

Unklar bleibt nach wie vor, wie mit Beteiligungen umgegangen werden soll, bei denen eine KAG weniger als 100 Prozent der Anteile an einer Gesellschaft besitzt und zum Beispiel asymmetrische Verteilungen zwischen Kapital- und Stimmrechten vorliegen. Eine Möglichkeit ist, dass bei Bewertungen vereinfachend eine quotale Aufteilung erfolgt. Hier sind die Fondsgesellschaften gefragt, eine entsprechende Regelung in den Bewertungsgrundsätzen vorzusehen. Andernfalls wird der Bewerter einzelfallbezogen entscheiden müssen. Offene Fragestellungen gibt es ebenso noch bei der Bewertung von ertragsteuerlichen Verlustvorträgen, mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, bei der Bewertung von Umstrukturierungen (etwa Liquidationen) und von Immobilientransaktionen (An- und Verkauf von Objekten in beziehungsweise aus der Objektgesellschaft).

Gleichwohl wird mit der externen Bewertung durch Wirtschaftsprüfer ein entscheidender Schritt zu noch mehr Transparenz bei Offenen Immobilienfonds gelingen. So erhalten die Fondsgesellschaften eine jährliche Bestätigung - aber auch (etwa aufgrund fehlender Regelungen in den einheitlichen Grundsätzen) eine abweichende Bewertung - der von ihr börsentäglich ermittelten Beteiligungswerte. Zudem werden die verschiedenen Bewertungsverfahren von Beteiligungen in den einzelnen Offenen Fondsprodukten vereinheitlicht und damit künftig für den Anleger eher vergleichbar. Dadurch grenzen sich die Offenen Immobilienfonds unter Transparenzgesichtspunkten noch stärker zu anderen indirekten Beteiligungsprodukten, wie etwa zu den Geschlossenen Immobilienfonds, ab.

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