Expo Real Messeausgabe

Bewusst ins Risiko

Das größte Risiko ist, kein Risiko einzugehen - auch in der Immobilienwirtschaft. Gefährlich wird es nur, wenn Risiken blind oder unnötigerweise in Kauf genommen werden. Daher ist ein umfassendes und kontinuierliches Risikomanagement, das die Immobilien in einem Portfolio auch ohne konkreten Anlass von Anfang an und kontinuierlich überwacht, unerlässlich.

Gerade bei Immobilien-Spezialfonds kann das problematisch sein. Denn anders als beispielsweise bei Geschlossenen Immobilienfonds, in denen sich lediglich eine oder wenige Immobilien befinden, muss der Asset Manager von Spezialfonds den Überblick über mehrere Immobilien mitsamt bestehender Risiken bewahren. Doch gleichzeitig ist er stark im Tagesgeschäft der Immobilie eingebunden.

Damit besteht tendenziell die Gefahr, dass Risiken zu spät erkannt, Strategien zu spät eingeleitet und bestehende Risiken nicht in ausreichendem Maße überwacht werden. Außerdem haben nur wenige Asset Manager die Kapazitäten oder können auf ein System zurückgreifen, mit dessen Hilfe sie Risiken nach Umfang, Eintrittswahrscheinlichkeit und Ursachen genau untersuchen können. Daher ist ein vom Asset Management losgelöstes Risikomanagement erforderlich.

Risikomanagement als fortwährender Prozess

In der Immobilienbranche besteht heute weitgehende Einigkeit darüber, dass Risikomanagement ein fortwährender Prozess ist, der idealerweise aus vier wiederkehrenden Schritten besteht: Risikoerkennung, -messung, -steuerung und -kontrolle. Trotz der Einigkeit über die Notwendigkeit eines Risikomanagements sind die Auffassungen, wie ein solches System praktisch aufgebaut sein und was es leisten sollte, aber nach wie vor zum Teil recht unterschiedlich. In jedem Fall ist eine angemessene Bewertung von Risiken nur möglich, wenn das Risikomanagement unabhängig ist. Es muss deshalb von der direkten Markt-, Produkt- und Umsatzverantwortung losgelöst sein, sodass eine neutrale Meinungsbildung erfolgen kann - ein weiterer Grund, warum das Risikomanagement nicht ins Asset Management integriert werden sollte.

Zu den Risiken, die von einem solchen unabhängigen Management erfasst werden, zählen zum Beispiel drohender Mietausfall, Leerstand oder hohe Instandsetzungskosten. Fallen beispielsweise die Mieteinnahmen geringer aus als in der Prognoserechnung erwartet, besteht die Gefahr, dass das Renditeziel nicht voll erreicht wird. Für zu geringe Mieteinnahmen kann es viele Gründe geben. Kündigen beispielsweise Mieter ihre Mietverträge zum Zeitpunkt der ersten Kündigungsmöglichkeit, kann es zu Leerstand - und folglich zu geringeren Mieteinnahmen - kommen.

Auch eine schwache konjunkturelle Entwicklung kann sich negativ auf die Mieterlöse auswirken. Schwächt sich die Wirtschaft ab, geht aufgrund der fallenden Nachfrage nach Büroflächen das Mietpreisniveau zurück. Eine in diese Zeit fallende Anschlussvermietung kann somit zu einem niedrigeren Mietpreis erfolgen, als in der Prognoserechnung ursprünglich erwartet wurde. Außerdem können bei der Anschlussvermietung zusätzliche Kosten anfallen. Wichtig ist es daher, die Risiken nach der möglichen Höhe des Schadens und nach ihrer Wahrscheinlichkeit zu untersuchen und deren Ursachen genau zu erforschen.

Bei der Risikoanalyse müssen alle Objekte betrachtet werden, bei denen in den kommenden Wochen und Monaten Risiken bestehen. Dadurch können mögliche Risiken des Immobilienbestandes frühzeitig erkannt werden. Idealerweise dokumentieren die Analyseergebnisse die Entwicklung und Einschätzung der Risiken der jeweiligen Immobilien in einer standardisierten, tabellarischen Form. Sinnvoll ist etwa eine Auflistung aller Objekte, bei denen Anschlussvermietungsrisiken in den kommenden 24 Monaten oder bereits vorhandene Leerstände von über 15 Prozent der kalkulierten Jahresmieteinnahmen bestehen. Außerdem sollten Immobilien angeführt werden, bei denen mögliche Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen einen bestimmten Prozentsatz der kalkulierten Jahresmieteinnahmen übersteigen könnten.

Feststellen des Handlungsbedarfs

Eine Risikoanalyse allein reicht jedoch nicht aus. Vielmehr müssen die Resultate schließlich zu konkreten Handlungsanweisungen führen, um Risiken schnell und umfassend zu verringern. Zusammen mit der Mieterbetreuung durch das Asset Management lassen sich häufig die Mieterbedürfnisse und die Ziele des Asset Managements strategisch verbinden. Im Falle eines bestehenden Anschlussvermietungsrisikos etwa sollten frühzeitig Gespräche mit den Mietern des Objektes geführt werden. Werden Mietverträge dennoch gekündigt, sind beispielsweise die Beauftragung von zusätzlichen, externen Maklern oder die Erstellung von passenden Vermarktungskonzepten, mit denen neue Mieter gewonnen werden sollen, mögliche Handlungsalternativen.

Erkennen risikobehafteter Objekte

Um die Risiken der einzelnen Immobilien besser einordnen und vergleichen zu können, eignen sich grafische Darstellungen, beispielsweise Diagramme. Auf diese Weise werden relevante Risiken bereits auf den ersten Blick erkennbar. Im Diagramm werden an den Achsen die Schadenshöhe und die Eintrittswahrscheinlichkeit abgetragen. Unter einer diagonalen Linie, die die Maximalwerte der beiden Achsen verbindet, befinden sich die nicht relevanten Risiken. Sie bezeichnen Objekte, bei denen die Risiken eher gering sind. Dazu zählen mögliche hohe Schäden, die jedoch sehr unwahrscheinlich sind, moderate Schäden mit einer mäßigen Eintrittswahrscheinlichkeit sowie Ereignisse mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit, die allerdings nur geringen finanziellen Schaden verursachen. Ein erhöhtes Risiko haben dagegen die Immobilien, die im Diagramm oberhalb der diagonalen Risikoschwelle liegen.

In dem abgebildeten Risiko-Diagramm sind von den sechs dargestellten Objekten zwei Immobilien mit einem erhöhten Risiko behaftet. Bei diesen beiden Objekten sind sowohl die mögliche Schadenshöhe als auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Schadensereignis eintritt, sehr hoch. Die Objekte A, B, C und E hingegen liegen unterhalb der Risikoschwelle. Die Immobilien B und F sind beide mit einem Leerstandsrisiko behaftet. Jedoch ist das Risiko des Objektes B deutlich kleiner als das des Objektes F. Zwar ist der mögliche finanzielle Schadens durch den drohenden Leerstand bei beiden Immobilien etwa gleich groß. Jedoch ist das Risiko bei der Immobilie F insgesamt deutlich höher: Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei diesem Objekt zu Leerstand kommt, liegt bei fast 100 Prozent.

Bei der Beurteilung des Gesamtrisikos einer Immobilieninvestition werden zunächst die einzelnen Risiken entsprechend ihrer Relevanz bewertet. Dabei werden den jeweiligen Schadensereignissen einer risikobehafteten Immobilie Zahlenwerte zugeordnet. Die Einschätzung der Schadenshöhe erfolgt mit Zahlenwerten zwischen eins und vier. Hierbei steht die Ziffer eins für einen geringen, die Ziffer vier für einen großen finanziellen Schaden. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts wird in Prozent angegeben. Eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 100 Prozent bedeutet, dass es in jedem Falle zum Schaden kommt.

Blick in die Vergangenheit und Zukunft

Eines der wesentlichen Instrumente der Risikoanalyse ist die Erstellung von Beobachtungslisten. In diesen werden relevante Immobiliendaten zusammengetragen und aufbereitet. Diese Analyse sollte erfahrungsgemäß in jedem Quartal durchgeführt werden. So sind einzelne Faktoren nicht nur untereinander vergleichbar. Auch die Entwicklung der Risiken über die Zeit lässt sich schnell und einfach verfolgen. Objekte, bei denen die Risiken im Zeitablauf zunehmen, lassen sich dadurch leicht identifizieren. Gleichzeitig kann auf diese Weise der Erfolg der ergriffenen Maßnahmen überprüft werden, die in vergangenen Risikoanalysen festgehalten wurden. Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle zeigen aber nicht nur die Wirksamkeit der Maßnahmen. Sie verbessern außerdem die Risikofrüherkennung und tragen somit dazu bei, Risiken sichtbar zu machen, lange bevor sie einen Schaden verursachen können.

Daraus folgt auch, dass heute jene Unternehmen im Vorteil sind, die frühzeitig professionelle Risikomanagementsysteme implementiert haben. Nicht nur, weil so immobilienspezifische Risiken schneller erkannt und daraus resultierende Probleme abgewendet werden können, sondern auch, weil auf diese Weise die historische Entwicklung von Märkten abgebildet werden kann. Aus solchen Zeitreihen wiederum lassen sich, kombiniert mit einem professionellen Research, Strategien für weitere Investitionen ableiten.

In der Vergangenheit beobachtete Zyklen können zwar nicht eins zu eins in die Zukunft projiziert werden, geben aber gute Hinweise auf "typische" Verlaufszyklen und Volatilitäten. Beispielsweise lassen sich Aussagen treffen, wie sich Mietmärkte voraussichtlich langfristig entwickeln. Eine solche Analyse hilft daher bei zukünftigen Investitionsentscheidungen, da Entwicklungen transparenter sind und Entscheidungen bewusster getroffen werden können. Damit besteht die Möglichkeit, Immobilienrisiken vom Zeitpunkt des Ankaufs an zu beobachten und zu steuern.

Ein Immobilieninvestment ist nicht völlig risikofrei und wird es auch nie sein. Ein unabhängiges Risikomanagement ist daher für langfristig erfolgreiche Investitionen unabdingbar. Es bereitet Eigentümer, Anleger und Asset Manager darauf vor, welche Risiken künftig relevant werden könnten und dient gleichzeitig als Basis für künftige Investitionsentscheidungen. Es gilt: Wenn schon beim Ankauf das Bewusstsein für ein mögliches Risiko geschaffen wird, lässt sich dieses künftig besser handhaben.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X