Schwerpunkt: Bausparen 2008

Ist die Blankodarlehensgrenze noch angemessen?

Die Frage, ob die vor zehn Jahren letztmalig angepasste Blankodarlehensgrenze heute noch gerechtfertigt ist, lässt sich nur beantworten, wenn man zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe kleinerer Darlehen durch die Bausparkassen näher betrachtet. Seit 1991 lässt das Bausparkassengesetz (BSpKG) durch eine Ergänzung des § 7 Abs. 4 zu, dass bei einer Darlehensgewährung durch Bausparkassen von einer Sicherung durch Grundpfandrechte oder Ersatzsicherheiten abgesehen werden kann, wenn eine Sicherung wegen der geringen Höhe des Darlehensbetrages nicht erforderlich erscheint. Diese Möglichkeit der Blankodarlehensgewährung ist neben die schon zuvor bestehende Darlehensgewährung gegen Verpflichtungserklärung (Negativdarlehen) getreten.

In der amtlichen Begründung zur Gesetzesänderung weist der Gesetzgeber darauf hin, dass ein Bedarf zur Vereinfachung der Darlehensgewährung bestehe, weil Bausparverträge mit niedriger Bausparsumme zunehmend zur Instandhaltung und Modernisierung von Wohnraum eingesetzt werden. Zudem sei für Mieter der Einsatz von Bauspardarlehen für Modernisierungen angesichts der bis dahin notwendigen Erfordernis der Sicherstellung durch Grundpfandrechte oder Ersatzsicherheiten nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Zur Vereinfachung der Darlehensgewährung soll daher für Kleindarlehen von einer Besicherung abgesehen werden dürfen. Einzelheiten hierzu regelt § 6 Bausparkassenverordnung (BSpKVO).

Die letztmalig 1998 angehobenen Höchstbeträge wurden Anfang 2002 auf den Euro umgestellt. Für ungesicherte Bauspardarlehen beträgt die Höchstgrenze 10 000 Euro; für ungesicherte Vor- und Zwischenfinanzierungen lediglich 5 000 Euro. Die Höchstgrenze für die sogenannten Negativdarlehen, bei denen sich der Darlehensnehmer der Bausparkasse gegenüber verpflichtet, eine mögliche Sicherung durch ein Grundpfandrecht nicht zu verhindern, beträgt 15 000 Euro für Bauspardarlehen und 10 000 Euro für Vor- und Zwischenfinanzierungen.

Anpassungsbedarf an verändertes Verbraucherverhalten

Der Bundesfinanzminister als Verordnungsgeber hat die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit der Blankodarlehensgewährung mit einer Reihe von Einschränkungen umgesetzt. So wurde schon im Rahmen der Novellierung der BSpKVO 1990 durch die amtliche Begründung eine Kumulierung der Blankodarlehen mit besicherten Darlehen beziehungsweise Darlehen gegen Verpflichtungserklärung als nicht zulässig bezeichnet.

Jenseits der derzeitigen Rechtslage haben sich indes die Rahmenbedingungen für die Vergabe kleinerer Darlehen hinsichtlich des Verbraucherverhaltens und des Wettbewerbs im Wohnungsfinanzierungsbereich sowie hinsichtlich der technischen Abwicklungsmöglichkeiten der Bausparkassen erheblich verändert.

Bei wohnungswirtschaftlichen Investitionen ist der Anteil der Modernisierungsmaßnahmen deutlich gestiegen. Mehr als zwei Drittel aller Finanzierungen von Bausparkassen werden für Modernisierungen gewährt. Dieser hohe Anteil hat einerseits seinen Grund darin, dass immer weniger Neubauten fertiggestellt werden und dadurch die Finanzierungsnachfrage für größere Abschnitte gesunken ist. Andererseits ist im Hinblick auf rasant steigende Kosten für Heizenergie (der Gaspreis liegt 70 Prozent über dem Preis des Jahres 2000) die Bereitschaft der Verbraucher gestiegen, durch aufwendigere Energiesparmaßnahmen an ihren Immobilien einem weiteren Anstieg der Energieausgaben entgegenzuwirken.

Auch die wachsende Bedeutung von Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen zur Schaffung altengerechter Wohnungen hat dazu beigetragen, dass die durchschnittliche Investition für Modernisierungsmaßnahmen deutlich gestiegen ist und heute etwa 30 000 Euro beträgt. Während vor zehn Jahren immer wieder kleinere Einzelmaßnahmen sukzessive ohne Inanspruchnahme von Kreditmitteln durchgeführt wurden, lässt sich inzwischen eine deutliche Tendenz zu größeren und effizienteren Maßnahmebündelungen erkennen. Hierbei werden - wie eine Reihe von Untersuchungen zeigen auch immer mehr Kreditmittel in Anspruch genommen.

Weiterhin hat sich der Wettbewerb im Wohnungsfinanzierungsbereich seit der Jahrtausendwende dramatisch verändert. Das Internet hat eine Vielzahl neuer oder bis dahin nicht erreichbarer Angebote direkt ins Wohnzimmer des potenziellen Kunden gebracht. Hausbanken und Bausparkassen der Kunden können nicht mehr mit der gewohnten Sicherheit damit rechnen, bei einem entsprechenden Bedarf ihres Kunden ihr Angebot zu platzieren. Die leichte Vergleichbarkeit der im Markt befindlichen Angebote gibt dem Kunden eine früher nicht gekannte Wahlmöglichkeit. Die damit einhergehende Markttransparenz der Anbieter zwingt zur Optimierung der Produkte und Preise.

Dies hat dazu geführt, dass neben vielen Direktbanken auch Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken immer mehr und immer größere wohnungswirtschaftliche Darlehen blanko anbieten. Diese Entwicklung ist einerseits marktgetrieben und andererseits durch die Bemühung zur Kosteneinsparung begründet, da der mit einer grundbuchlichen Sicherstellung verbundene Aufwand entfällt. Eine Vielzahl von Kundenbefragungen zeigt zudem, dass die Kundenzufriedenheit in dem Maße steigt, in dem eine Vereinfachung und Beschleunigung der Darlehensgewährung erreicht werden kann. Insoweit hat sich bereits die Kundenerwartung hinsichtlich der Schnelligkeit und Bequemlichkeit der Kreditgewährung aus dem Konsumentenkreditbereich auf das Segment der kleinteiligen Wohnungsfinanzierungen übertragen.

Zeit für Anpassungen der Bausparkassenverordnung

Diesen geänderten Rahmenbedingungen und Erwartungen ihrer Kunden können die deutschen Bausparkassen derzeit nicht in angemessener Weise begegnen. Zur Beschleunigung und Vereinfachung der Darlehensgewährung könnte zwar an Stelle der aufwendigen grundbuchlichen Absicherung eine Verbürgung der Darlehensforderung zum Beispiel über eine Globalbürgschaft angeboten werden, doch würde dies zu einer nennenswerten Verteuerung der Konditionen für den Kunden führen, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit eines solchen Angebotes infrage gestellt würde.

Es ist - zehn Jahre nach der letzen Anpassung der BSpKVO - an der Zeit, eine Anhebung der Blankodarlehensgrenze vorzunehmen. Wünschenswert wäre an dieser Stelle die Anhebung der Blankodarlehensgrenze auf 30 000 Euro, ohne hierbei zwischen kollektiven Darlehen sowie Vor- und Zwischenkrediten zu unterscheiden. Die niedrigere Untergrenze für außerkollektive Kredite in Höhe von 5 000 Euro stammt aus einer Zeit, in der das aufsichtsrechtliche Denken maßgeblich von dezidierten Vorgaben zur Risikosteuerung geprägt war.

Zwar gilt noch heute die Überlegung des Verordnungsgebers, dass Bausparer, die durch langjähriges Vorsparen ihre finanzielle Leistungsfähigkeit bewiesen haben, eher eine Gewähr für die Rückzahlung ihrer Darlehen bieten als diejenigen ohne oder mit nur geringen Vorsparleistungen. Indes entspricht diese Einengung des Verordnungsgebers nicht mehr der aufsichtlichen Maxime, wie sie seit Einführung der MaRisk gilt. Danach wird den Kreditinstituten in weiten Teilen sowohl die unternehmerische Freiheit als auch die unternehmerische Verantwortung für ihre Entscheidungen eingeräumt, während sich die Aufsicht ein Einschreiten vorbehält, wenn Kreditinstitute bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten das angemessene Maß überschritten haben.

Verantwortung der Bausparkassen

Nach heutigem Verständnis ist es die alleinige und originäre Aufgabe der Kreditinstitute, über die Bonität ihrer Kunden und die Ausfallwahrscheinlichkeit im Rahmen einer Kreditvergabe zu entscheiden. Präventive Regelungen und aufsichtsrechtliche Maßnahmen sind hier nur in einem ganz engen Rahmen denkbar; sie dürfen zumindest nicht die Entscheidungsfreiheit der Kreditinstitute auf null reduzieren. Die in den MaRisk zum Ausdruck gekommene liberale Aufsichtsmaxime - wie sie zum Beispiel für §18 KWG oder das Outsourcing umgesetzt wurde - findet im Rahmen der Kreditvergabepraxis ihre Ergänzung in neuen Methoden bei der Beurteilung von Bonität und Ausfallwahrscheinlichkeit.

Inzwischen ist ein Scoring-/Ratingsystem in praktisch allen Kreditsparten etabliert und bietet aufgrund detaillierter Erhebung von Daten über den Kunden, das Kundenverhalten und das Sicherungsobjekt Gewähr dafür, dass die Kreditrisiken minimiert werden können. Natürlich wird man umso mehr Wert auf aussagekräftige Bonitäts- und Verwendungsnachweise legen müssen, je höhere Blankodarlehen man bewilligen will. Im Übrigen spielen hier Erkenntnisse aus dem Vorsparprozess eines Bausparers noch immer eine besondere Rolle, sodass "langgediente" Vorsparer eher in den Genuss eines Blankodarlehens kommen werden als Sofortfinanzierer ohne eine Spar- und Kredithistorie.

Keine Verschlechterung der Ausfallquoten

Angesichts der schon bisher außerordentlich geringen Ausfallquoten bei Bausparkassen (LBS West: 0,1 Prozent des Kreditbestandes) ist davon auszugehen, dass die Ausweitung der Blankodarlehensgrenze auf 30 000 Euro zu keiner nennenswerten Verschlechterung der Ausfallsituation führen würde. Gerade die Erfahrungen der Bausparkassen bei der Steuerung von Blankodarlehen und Darlehen gegen Verpflichtungserklärung sprechen dafür, dass es sich hier um ein kalkulierbares Kreditrisiko handelt, wenngleich die Ausfallquoten bei diesen Sicherungsarten üblicherweise gut doppelt so hoch wie bei dinglich gesicherten Darlehen liegen.

Trotz der Tatsache, dass es bei Bausparkassen bislang keine Erfahrungen mit ungesicherten Krediten über den Betrag von 10 000/15 000 Euro hinaus gibt, sind doch die verfügbaren Steuerungsinstrumente wie Scoring und Aus-fall-Frühwarnsystem einerseits und die risikobewusst wahrgenommene Entscheidungsverantwortung der Unternehmen andererseits geeignet, eine Erhöhung der Ausfallzahlen auszuschließen. Wie schon bisher wird eine Bausparkasse abwägen müssen, welchem Kunden wie viel Kredit ungesichert gegeben werden kann.

Ausweitung der Limite

Im Zuge einer Anhebung der Blankodarlehensgrenze auf 30 000 Euro sollte die Grenze für eine Darlehensgewährung gegen Verpflichtungserklärung auf den gleichen Betrag angepasst werden. Es bliebe dann den Bauparkassen überlassen, eine Kreditabsicherung entsprechend der Risikosituation blanko, gegen Negativerklärung oder gegen Grundpfandrecht vorzunehmen. Statt der bisherigen komplexen Kontingentierung und Unterkontingentierung nach § 6 Abs. 2 BSpKVO wäre ein Kontingent von 55 Prozent für dingliche Darlehen und ein gemeinsames Kontingent von 45 Prozent für Darlehen gegen Ersatzsicherheiten, Negativerklärung und für Blankodarlehen ausreichend - wie es in § 6a BSpKVO geregelt ist.

In diesem Zusammenhang sollte entsprechend der in den MaRisk zum Ausdruck gekommenen stärkeren eigenverantwortlichen Steuerung der Kreditrisiken durch die Bausparkassen auch eine praxisgerechtere Lösung für die aufsichtsrechtlichen Restriktionen im Zusammenhang mit der Kumulierung der Blankodarlehen mit besicherten Darlehen und Negativdarlehen gefunden werden. Bausparkassen brauchen heute im Wettbewerb mehr Spielraum, um insbesondere nach einem langen Vorsparprozess - die berechtigten Erwartungen ihrer Kunden an eine einfache und schnelle Darlehensgewährung erfüllen zu können.

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