Kapitalmarkt

Core-Immobilien mit "Kratzern" als Rendite-Retter?

Der Markt ist leergefegt: Auf der Suche nach klassischen Core-Immobilien, also modernen und gut ausgestatteten Objekten in einer Top-Lage mit sehr guten Mieterbonitäten, langfristigen Mietverträgen und stabilen Cash-Flows, werden Investoren heute kaum noch fündig. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach wie vor hoch, denn im aktuellen unsicheren Marktumfeld suchen Investoren weiterhin vor allem oder nahezu ausschließlich nach Anlagemöglichkeiten, die ihnen maximale Sicherheit versprechen. Seit fünf Jahren hält dieser Zustand nun bereits an und ein Ende ist bislang nicht in Sicht.

Steigende Nachfrage

Der deutsche Immobilienmarkt gilt unter Investoren als sicherer Hafen in Europa. Nach Großbritannien verzeichnet Deutschland die meisten Investitionen im Immobiliensektor. Trotz der hohen Nachfrage ist das Transaktionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 14 Prozent auf rund 14,9 Milliarden Euro gesunken. Das hängt vor allem mit einer Verknappung des Angebots zusammen. Insbesondere Core-Objekte sind über alle Marktsegmente hinweg rar geworden, was die Preise treibt und die Renditen schmälert. Gleichzeitig verharrt das Neubauvolumen auf unverändert niedrigem Niveau. Für Projektentwickler ist es heute deutlich schwieriger, eine Finanzierung zu erhalten, als dies in den Jahren vor der Krise der Fall war. Bis zum Jahresende 2012, so rechnen die Experten, wird das Fertigstellungsvolumen des Jahres 2011 nicht erreicht. Im Bürosegment werden für das Jahr 2013 lediglich in Hamburg, Köln und Düsseldorf mehr Fertigstellungen erwartet als im laufenden Jahr. In allen anderen deutschen Top-7-Städten dürften im kommenden Jahr weniger neue Flächen auf den Markt kommen.

Wenn das Angebot an hochwertigen Bestands- oder Neubauten knapp ist oder komplett fehlt, sind Alternativen gefragt. Eine davon lautet "Broken Core". Mit diesem Begriff werden Immobilien bezeichnet, die sich durch eine sehr gute Lagequalität auszeichnen. Sie sind aber entweder in der Mietsituation, in ihrer technischen oder der baurechtlichen Situation problembehaftet. Allerdings sorgen die hervorragende Lage und die im Vergleich zu klassischen Value-Added-Immobilien geringen Probleme oder Mängel dafür, dass sich die Risikosituation bei Broken Core günstiger darstellt, als es bei Value-Added-Objekten der Fall ist.

Broken Core rückt zunehmend ins Blickfeld von institutionellen Investoren wie Versicherungsgesellschaften oder Pensionskassen, die sich bislang ausschließlich auf Core-Investments fokussierten. Der Grund: In der Assekuranz macht sich der erhöhte Anlagedruck allmählich bemerkbar. Bei vier Prozent liegt der interne Rechnungszins für viele institutionelle Anleger. In der momentan anhaltenden Niedrigzinsphase, in der die Umlaufrenditen für deutsche Staatsanleihen bei 1,05 Prozent liegen, erreichen Core-Immobilien durchschnittliche Renditen um die 4,5 Prozent. Im Broken-Core-Bereich sind dagegen Renditen zwischen fünf und sechs Prozent möglich.

Dieser Entwicklung tragen institutionelle Investoren nun schon seit einiger Zeit Rechnung, indem sie ihre Immobilienquote weiter ausbauen. Im Zweijahresvergleich hat sich diese von 6,1 Prozent auf 7,3 Prozent deutlich erhöht, was eine Steigerung im Be stand von rund sieben Milliarden Euro bedeutet, wie die Ergebnisse einer Feri-Studie zeigen. Insbesondere Altersversorger, Kirchen und Stiftungen planen demnach, ihren Immobilienbestand zukünftig noch auszuweiten. Auch wenn die meisten institutionellen Investoren dabei weiterhin nach möglichst sicheren Anlagen suchen, zeigt der eingeschlagene Weg: Der Markt wird sich zukünftig weiter in Richtung eines höheren Risikobereichs verschieben.

Ein Beispiel für ein klassisches Broken-Core-Projekt ist das Objekt "Oper 46". Das 2001 errichtete Bürogebäude in der Frankfurter Innenstadt hatte zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die HIH im Jahr 2009 mehrere Jahre komplett leer gestanden. Konzipiert war die "Oper 46" ursprünglich als Hauptsitz einer Bank, die dann aber aufgrund struktureller Veränderungen an einen anderen Standort zog. Die Folge: Die komplette Haustechnik und die Raumaufteilung waren auf einen einzelnen Mieter ausgelegt, was eine anderweitige Vermietung äußerst schwierig gestaltete. Gleichzeitig war auch die Eigentümerstruktur problematisch, weshalb ein Verkauf mehrfach scheiterte.

Aufwertung mit neuem Konzept

Mit einem neuen Gesamtkonzept setzen Asset Manager bei solchen Broken-Core-Objekten an: Sie modernisieren beispielsweise die Haustechnik und Einrichtung, schaffen flexiblere Raumstrukturen oder setzen neue Energiekonzepte ein, um die Gebäude attraktiv für neue Mieter herzurichten. Auf diese Weise können Asset Manager die Mieterstruktur verbessern, und aus "Broken Core" wieder eine echte Core-Immobilie schaffen.

Beim Beispiel der "Oper 46" lag die Lösung in der Umwandlung der Immobilie in ein Multi-Tenant-Objekt. Dafür mussten nicht nur die Flächen verändert werden. Eine besondere Herausforderung stellte die auf einen einzelnen Mieter ausgerichtete Haustechnik dar, die mühsam in kleinere flexiblere Einheiten unterteilt werden musste. Letztlich gelang es den Ingenieuren jedoch, auch dieses Problem zu lösen. Das Konzept überzeugte und bereits vor dem Abschluss der Sanierung im Jahr 2011 war das Objekt voll vermietet.

Ein anderes Beispiel für den Weg von Broken Core zu Core ist das Bürogebäude "B1" am Düsseldorfer Bennigsenplatz gegenüber dem Büroturm "Sky Office" gelegen. In den sechziger Jahren gebaut, verfügte der leerstehende ehemalige Degussa-Standort über eine veraltete Haustechnik sowie ein nicht mehr zeitgemäßes Erscheinungsbild. Um ein modernes und energieeffizientes Gebäude zu schaffen, wurde die Fassade komplett ausgetauscht und das Gebäude mit einer modernen Haustechnik versehen. Nach dem Nachhaltigkeitsstandard DGNB in Silber zertifiziert soll das Gebäude nun nach Vollvermietung im kommenden Jahr in die Vermarktung gehen.

Bis zu 100 Basispunkte günstiger

Solche Umbauten amortisieren sich, weil sich die "Kratzer" in den Kaufpreisen für Broken-Core-Objekte niederschlagen. Sie können bis zu rund 100 Basispunkte unter den Preisen eines direkten Core-Investments liegen. So betrug die Nettoanfangsrendite für den Immobilien-Spe zialfonds, der in die "Oper 46" investierte, rund 7,75 Prozent. Zwar nehmen Anleger bei Broken Core ein leicht erhöhtes Marktrisiko im Vergleich zu einem direkten Core-Investment in Kauf, dies zahlt sich jedoch häufig über eine bessere Rendite aus. Voraussetzung für einen erfolgreichen Erwerb bleibt jedoch eine starke Eigenkapitalbasis des Käufers, denn nur so lässt sich im aktuellen Marktumfeld eine Finanzierung sicherstellen.

Für Investoren und Asset Manager, die nach Broken Core suchen, befinden sich noch einige attraktive Objekte am Markt. Interessant für eine Umstrukturierung sind beispielsweise nicht rentable Hotels in Innenstadtlagen. Käufer sollten dabei aber zwingend über genaue Marktkenntnisse und das entsprechende Know-how im Asset Management verfügen.

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