Marktanalyse

Der deutsche Wohnungsmarkt stabil und daher REIT-fähig

Der deutsche Wohnungsmarkt ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes in Europa: Mit rund 40 Millionen Wohneinheiten ist es nicht nur der größte Wohnungsmarkt innerhalb Westeuropas; mit einer vergleichsweise niedrigen Wohneigentumsquote von etwa 45 Prozent ist es vor allem der größte Mietwohnungsmarkt. Und ein erheblicher Teil (insgesamt zirka 2,5 Millionen Einheiten) dieser Mietwohnungen befindet sich noch immer in der Hand von Kommunen.

Weil viele dieser Kommunen sich angesichts notorischer Finanzknappheit zunehmend die Frage stellen müssen, ob sie solch umfangreiche Wohnungsportfolios selber bewirtschaften müssen, um angemessene Daseinsvorsorge und Stadtentwicklung gewährleisten zu können, wurden in den letzten Jahren vermehrt Wohnungspakete an Private Equity Investoren veräußert.

Rechnen Ausländer besser?

Zunächst vermengten sich bei Immobilienmarktanalysten und Kommunalpolitikern zwei Gefühle: Zum einen Freude über die neuen Käufer, die Liquidität und Professionalität versprachen, und zum anderen Verwunderung über die begeisterten neuen Akteure, die den lahmenden deutschen Wohnungsmarkt scheinbar mit neuen Augen wahrnahmen. Galten nicht gerade deutsche Mehrfamilienwohnungen vielen institutionellen Investoren lange Zeit als finanzielles Sperrgebiet? Sanken nicht gerade die Kaufpreise für Bestandswohnungen in den letzten Jahren? Wirft die demografische Entwicklung nicht auf den deutschen Wohnungsmarkt sogar dunkle Schatten?

Alle diese Teilfragen lassen sich bejahen; und dennoch hat man die eigentliche Frage, ob eine Investition in deutsche Wohnungsportfolios eine angemessene Rendite für Private Equity Investoren abwirft, nicht hinreichend beantwortet, weil wichtige Aspekte ausgeblendet wurden. Hierbei geht es im Wesentlichen um drei Punkte:

- Erstens erzielen die deutschen Wohnungsportfolios trotz der zuletzt mangelhaften Wertentwicklung in der Regel eine Mietrendite, die (noch immer) oberhalb der niedrigen Fremdfinanzierungszinsen liegt. Bei umfangreicher Fremdfinanzierung können die Käufer so ihre Eigenkapitalrendite leicht in den zweistelligen Bereich hebeln.

- Zweitens werden in vielen Portfolios zu Recht Effizienzpotenziale vermutet. Hierbei geht es nicht nur um höhere Mieten, sondern auch um aktives Leerstands- und Facility Management, also um das Senken der Kostenbasis.

- Drittens spielt die Zeit eine entscheidende Rolle bei dem Engagement. Das gilt sowohl für den Zeitpunkt der Investitionen als auch für den Zeithorizont der Anlage. Hierfür gilt es zu erkennen, dass zunächst Private Equity Investoren aktiv waren. Diese Investorengruppe ist an opportunistischen Investments mit einem vergleichsweise kurzen Anlagehorizont interessiert. Außerdem haben diese Investoren die Preisentwicklungen der letzten Jahre eben nicht nur als Ausdruck struktureller und damit anhaltender Lasten interpretiert, sondern auch als Ergebnis eines "normalen" zyklischen Abschwungs. Behalten sie mit dieser Interpretation recht, bietet der Markt jetzt die Chance eines ebenso normalen Aufschwungs.

Dies gilt auch deswegen, weil es auf dem deutschen Wohnungsmarkt derzeit kein gravierendes Abwärtsrisiko gibt - vor allem nicht im Vergleich zu alternativen Wohnungsmärkten in Europa. Dies ist ein zentraler Punkt, denn solange die internationale Liquidität noch immer sehr hoch ist, bleiben sichere Anlagehäfen wertvoll.

Deutschland - Europas sicherer Anlagehafen

In den letzten zehn Jahren war auf vielen europäischen Häusermärkten eine enorme Preisdynamik zu beobachten: So gewannen die spanischen Häuser seit 1996 um 150 Prozent an Wert, die Häuser in Großbritannien um über 200 Prozent und die irischen Wohnimmobilien sogar um 300 Prozent. Im gleichen Zeitraum bewegten sich die deutschen Hauspreise nur seitwärts.

Viele, jedoch keineswegs alle dieser Wachstumsdifferenzen lassen sich auf die jeweils unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Ländern zurückführen. Die irische Volkswirtschaft wuchs schneller als die deutsche und folglich war auch das irische Hauspreiswachstum höher als das deutsche.

Bemerkenswert ist aber, dass die Preise für Häuser nicht nur sehr schnell stiegen; sie nahmen vielerorts auch spürbar schneller zu als die Wohnungsmieten, sodass sich die Relation aus Hauspreisen und Wohnungsmieten in den vergangenen zehn Jahren signifikant nach oben bewegte. Dies lässt sich in allen untersuchten europäischen Ländern beobachten - außer in Deutschland.

Einige Analysten ziehen hieraus bereits den Schluss, dass Häuser überbewertet sein müssen, da die Preise nicht mehr zu den möglichen Mieteinnahmen passen. Allerdings ist die Beziehung zwischen Mieten und Preisen nicht ganz so geradlinig. So erlauben ein liberaler Kreditmarkt mit flexibleren Hypothekarverträgen, niedrige Transaktionskosten oder eine sinkende Risikoprämie für Wohnimmobilien einen Anstieg der Kaufpreis-Mietrelation.

Eigenheimerwerb wurde einfacher

Nun lassen sich Investitionen in selbstgenutzte Wohnimmobilien nicht vollständig mit Investitionen in Anleihen oder Aktien vergleichen, da ein Eigenheim nicht nur Merkmale eines Investitionsgutes, sondern eben auch Merkmale eines Konsumgutes erfüllt. Bei der Analyse einer möglichen Übertreibung auf Wohnungsmärkten wird daher nicht nur die relative Entwicklung der Wohnungspreise und Mieten untersucht, sondern auch die Frage gestellt, wie erschwinglich Wohnungen sind. Ein gebräuchlicher Erschwinglichkeitsindex misst die mittlere Hypothekenzahlung in Relation zum verfügbaren Einkommen einer Region. Ceteris paribus sinkt dieser Index, wenn die Finanzierungszinsen zurückgehen, die Hauspreise fallen oder die Einkommen steigen und signalisiert somit, dass es relativ einfach geworden ist, die Finanzierungslast zu schultern.

Die Signale des Erschwinglichkeitsindex sind für die einzelnen europäischen Länder unterschiedlich. Zwar hat sich die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien seit 1998 in den meisten Ländern signifikant verschlechtert. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden liegt der Index heute um rund 40 Prozent über seinem Wert vor acht Jahren. Aber im Vergleich zum Mittelwert der letzten 20 Jahre scheinen derzeit allein die holländischen Häuser überbewertet zu sein. Dies ist vor allem Ausdruck des letzten europaweiten Hauspreisbooms in den achtziger und neunziger Jahren.

Wegen der damals stark steigenden Zinsen wurden sehr hohe Werte des Erschwinglichkeitsindex erreicht, was wiederum sinkende Hauspreise oder zumindest niedrigere Wachstumsraten zur Folge hatte. Deutschland nimmt auch bei der Betrachtung des Erschwinglichkeitsindex eine Außenseiterrolle ein: Dank moderater Einkommenszuwächse und sinkender Zinsen bedeuten die stabilen deutschen Hauspreise, dass der Erwerb eines Eigenheims heute mit einer wesentlich geringeren Finanzierungslast verbunden ist als zu jedem anderen Zeitpunkt der letzten 20 Jahre.

Nach der atemberaubenden Rallye auf vielen europäischen Wohnungsmärkten wird zunehmend befürchtet, dass diese Entwicklung nicht nachhaltig sein kann; das heißt die gängige Meinung über den vermeintlich stetigen Wertzuwachs von Immobilien könnte durch stark fallende Preise in der nahen Zukunft korrigiert werden. Diese Sorge scheint angesichts der maßgeblichen Abkühlung des USamerikanischen Wohnungsmarktes gerechtfertigt. Doch bedeutet dies gleichzeitig auch eine Gefahr für europäische Märkte?

Preiskorrekturen werden wahrscheinlicher

In den vergangenen 20 Jahren folgten die Märkte dies- und jenseits des Atlantiks einem gleichartigen Wachstumstrend. Besonders herauszuheben sind hierbei

Frankreich, Spanien und die USA, welche die ähnlichsten Bewegungen aufwiesen. Deutschland hingegen war über den Zeitraum von 20 Jahren mit keinem der anderen Märkte korreliert. Werden allerdings nur die letzten zehn Jahre berücksichtigt, ändern sich die Ergebnisse für Deutschland: Seit 1996 bewegt sich auch der deutsche Wohnungsmarkt ähnlich wie zahlreiche andere europäische Märkte sowie der amerikanische Markt. Das heißt, nach dem Einheitsschock und dem damit verbundenen Immobilienboom gewannen zyklische Faktoren wie Zinsentwicklung und Wirtschaftswachstum wieder die Oberhand.

Heute folgen die deutschen Hauspreise denselben Auf- und Abwärtsbewegungen, die auch in anderen Ländern beobachtet werden können - wenngleich die Schwünge nicht dasselbe Ausmaß erreichen. Die beschriebenen Zusammenhänge und Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Abkühlung des amerikanischen Immobilienmarktes auch eine Gefahr für europäische Märkte darstellt.

Um das relative Risiko einer Korrektur an den europäischen Häusermärkten insgesamt angemessen einschätzen zu können, hat DB Research ein Scoring-Modell entwickelt. Dieses umfasst sechs Faktorengruppen: allgemeines Preisrisiko, ökonomische Risiken, Angebotsrisiko, Marktstrukturrisiko, Risiko des Hypothekensystems und Ansteckungsrisiko seitens anderer Länder. Zudem werden Punkte gemäß der relativen Höhe der Faktoren vergeben. Das Land, in dem das geringste Risiko hinsichtlich eines Faktors ermittelt wird, erhält den Wert 1, das Land mit dem für diesen Faktor höchsten Risiko erhält den Wert 10 zugewiesen.

Zusammenfassend zeigt das Scoringtool, dass der spanische und der irische Markt das höchste Risiko einer Korrektur aufweisen. Während in Irland insbesondere das sehr starke Angebotswachstum sowie steigende Zinsen in einem Markt mit vornehmlich variabel verzinsten Hypothekendarlehen für hohes Risiko sorgen, ist in Spanien gerade auch das Ansteckungsrisiko seitens anderer Länder hoch.

Wohnungs-REITs - der deutsche Sonderweg

Was lässt sich nun aus dieser Scoring-Analyse für die Diskussion um deutsche Wohnungs-REITs ableiten? Drei Aspekte scheinen wichtig zu sein:

- Erstens sind die deutschen Wohnungsmärkte vergleichsweise stabil. Zwar gab es auch in Deutschland in den letzten 20 Jahren Phasen mit starken Preis- und Mietsteigerungen. Verglichen mit anderen Ländern fielen diese jedoch selbst in den Ausnahmejahren nach der Wiedervereinigung moderat aus. Nicht nur der hohe Mieterschutz, sondern auch der große Anteil des Mietermarktes sorgt für Stabilität. An diesen beiden Schutzmechanismen würde auch ein Wohnungs-REIT nichts ändern.

- Zweitens erzielte Deutschland gerade bei Strukturmerkmalen nur wenige Punkte in dem Scoring-Modell. Das heißt die Finanzierungsstrukturen sind heute sehr konservativ, selbst im Vergleich mit Schweden, den Niederlanden oder Frankreich. Auch hieran würde eine REIT-Struktur natürlich nichts ändern.

- Drittens erhielt Deutschland für sein demografisches Risiko eine sehr hohe Punktanzahl. Denn im Vergleich zu allen anderen Ländern haben die deutschen Wohnungsmärkte die größten demografischen Lasten zu schultern. Dies bedeutet, dass in Deutschland nachfrageseitig deutlich weniger Preisdruck nach oben entstehen kann als in anderen Ländern. Daran würde ein REIT ebenfalls nichts ändern.

Das Scoringtool wurde zwar entwickelt, um das Risiko einer Preiskorrektur auf europäischen Wohnungsmärkten einzuschätzen. Und Deutschland erzielte hier die niedrigsten Werte, sprich ist dem geringsten Korrekturrisiko ausgesetzt. Darüber hinaus lässt sich aus den Einzelindikatoren jedoch auch ablesen, dass genauso wenig mit überdurchschnittlichen Preissteigerungen zur rechnen ist.

Unabhängig davon ist es natürlich nicht nachvollziehbar, über welche Wirkungsmechanismen ausgerechnet deutsche Wohnungs-REITs die üblichen Markt- und Regulierungsfunktionen außer Kraft gesetzt hätten. Letztlich kann es nur um eine vergleichende Betrachtung gehen, denn offensichtlich hat der Gesetzgeber nichts dagegen, dass ausländische REITs oder Private Equity Unternehmen weiterhin auf dem Markt für Bestandswohnungen aktiv sind und Wohnungen aufkaufen.

Das implizite Urteil besagt somit, dass deutsche Wohnungs-REITs deutlich schädlicher für die Wohnraumversorgung und Stadtentwicklung sind als ausländische REITs oder andere privatwirtschaftliche Finanzierungsformen. Natürlich ist das nicht schlüssig. Der gewählte deutsche Sonderweg ist noch nicht einmal geeignet, kaufwillige Investoren von einem Engagement auf dem deutschen Wohnungsmarkt abzuhalten, denn diese haben nun zwar eine Exitoption weniger, behalten aber zahlreiche andere Börsen als Alternativen offen.

Die Abwehrschlacht gegen den deutschen Wohnungs-REIT hat also den vermeintlich gefährdeten deutschen Mietern nichts gebracht. Allerdings wurde dem deutschen Finanzstandort geschadet und der Ruf eines Anlagevehikels beschädigt, bevor dieses überhaupt eine ehrliche Chance bekam, einen Ruf aufzubauen. Es bleibt also festzuhalten: Insbesondere im Vergleich mit anderen Wohnimmobilienmärkten im Ausland sieht der deutsche Markt für institutionelle Investoren noch immer attraktiv aus, denn es gibt keine nennenswerten Abwärtsrisiken. Hieraus zu schließen, dass Deutschland dramatische Wertzuwächse bei Wohnimmobilien bevorstünden, wäre aber ebenso unzutreffend. Dagegen sprechen die trotz aller Aufschwungeuphorie nur moderaten Wachstumsaussichten sowie die demografischen Lasten - gleichwohl besitzt eine Anlageklasse mit relativ hohen Mietrenditen und geringem Abwärtsrisiko durchaus Charme.

Es ist ausgesprochen bedauerlich, dass dieses günstige Investitionsumfeld nicht genutzt werden konnte, um auch Woh-nungs-REITs eine Chance zu geben. In der Diskussion im letzten Jahr wurden unnötigerweise Grabenkämpfe ausgetragen zwischen vermeintlich unversöhnlichen Lagern. Doch was spricht eigentlich gegen Teilprivatisierungen oder ein Engagement der öffentlichen Hand in einem REIT über Aktienbesitz, um die Stadtinteressen zu verfolgen?

Natürlich mag man sich damit trösten, dass Wohnungs-REITs zu einem späteren Zeitpunkt, wenn erste und hoffentlich auch positive Erfahrungen mit dem neuen Vehikel gemacht wurden, nachträglich zugelassen werden könnten. Allerdings sollte man hierbei eine goldene Kapitalmarktregel beachten: Jedes Warten hat seinen Preis. Werden deutsche Woh-nungs-REITs zu spät zugelassen, haben sich wahrscheinlich bereits Strukturen und Plattformen außerhalb Deutschlands etabliert. Sind diese Strukturen erfolgreich, wird es schwerer, den noch unerprobten Weg zum deutschen Wohnungs-REIT zu rechtfertigen. Natürlich wäre es dennoch wünschenswert, wenn Bestandswohnungen später REIT-fähig würden; allerdings dürfte mit jedem verstrichenen Jahr auch das Marktpotenzial für deutsche Wohnungs-REITs sinken.

Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg
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