Schwerpunkt: Rating und Bewertung

Due Diligence: Nachhaltigkeit ist der Blick aufs Ganze

Selbst in der Wirtschaftskrise gibt es Gewinner. So ist eine verstärkte Nachfrage nach sogenannten grünen Gebäuden zu beobachten, nach Immobilien mit einem hohen Grad an Nachhaltigkeit: Dieses ist längst zu einem Kernthema auf dem Immobilienmarkt und bei Immobilientransaktionen geworden. Nachhaltig konzipierte Hochhäuser in New York konnten in den vergangenen Jahren mit bis zu 50 Prozent Preisaufschlag verkauft werden, während die umliegenden konventionellen Gebäude Leerstände mit bis zu 18 Prozent aufwiesen.

Bewertungsrisiken durch neue Gesetze

Im steigenden Tempo erhöhen sich seit einigen Jahren die gesetzlichen Anforderungen an die bestehenden und neu errichteten Gebäude: Novellierungen der Energieeinsparverordnung (ab Oktober: EnEV 2009), das Erneuerbare-Ener-gien-Wärmegesetz (EEWärmeG) oder das Umweltschadensgesetz (USchadG). Über 80 Prozent der bestehenden Wohngebäude und Wohnanlagen wurden vor 1991 errichtet und erfüllen die heutigen Ansprüche an die Nachhaltigkeit selten.

Im Umfeld der neuen Umweltauflagen entstehen beträchtliche Bewertungsrisiken, die die Planungssicherheit, Zahlungsströme und damit die Vermarktbarkeit des Objekts belasten können. So verbrauchen beispielsweise Häuser, die vor 1970 erbaut wurden, etwa 20 bis 30 Liter Heizöl je Quadratmeter im Jahr, während ein Gebäude, das nach den Vorgaben der EnEV 2002 errichtet wurde, jährlich nur sechs bis sieben Liter Heizöl pro Quadratmeter benötigt. Dies führt zu erheblichen Unterschieden bei den Betriebskosten, der "zweiten Miete".

Nachhaltigkeitsfokus bei der Due Diligence

Werden die heute bekannten Nachhaltigkeitskriterien vernachlässigt, wirkt sich dies unmittelbar und schnell negativ auf die Fungibilität der Objekte aus. Dies gilt insbesondere in schwachen Immobilienmärkten. Zwar bleiben die Lage, die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und die Entwicklungsmöglichkeiten des Standorts mit Blick auf den Klimaschutz die Hauptkriterien für die Vermarktbarkeit einer Immobilie.

Jedoch rücken umfassende Sorgfaltsprüfungen (Due Diligence) in den Fokus, die verstärkt Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen wie den Energieverbrauch, die Gebäudesubstanz und Dämmmaterialien, die technische Infrastruktur und etwaige Altlasten.

Wie werthaltig ist die Bausubstanz? Wie hoch ist der Sanierungsaufwand für die technische Infrastruktur? Welche Amortisationszeiträume werden akzeptiert? Sorgen verbesserte Raumkonzepte für mehr Lebensqualität beziehungsweise bessere Arbeitsbedingungen? Welche Zyklen, Betriebs- und Sanierungskosten sind zu erwarten und welche Auswirkungen haben diese für die Ertragskraft und die Nebenkosten (Bruttowarmmiete)? So lauten die Kernfragen aus Sicht der Nachhaltigkeit, die sich nicht nur auf den Energieverbrauch konzentriert.

Neue, deutlich erweiterte Prüfungsfelder

Immer wichtiger werden die ökologischen, ökonomischen, bauphysikalischen sowie nicht zuletzt die soziodemografischen Parameter für die Bewertung. Damit die Immobilienbewertung trotz der steigenden Komplexität verlässlich ist, müssen Fachingenieure zuarbeiten, und eine systematische Prüfung der Bewertungssorgfalt - die Due Diligence - wird immer wichtiger.

Die Prüfungsfelder der Due Diligence setzen sich in der Praxis wie folgt zusammen aus: Marktbewertung (Market- Due-Diligence), Recht (Legal), Steuer (Tax), Technik (Technical) sowie Altlasten/Schadstoffe (Environmental). Die gewonnenen Parameter aus den Teilgebieten fließen in die finanzielle Due Diligence ein und bestimmen letztlich die Investitionsentscheidung.

Weil bei einer Due Diligence - im Gegensatz zu einer reinen Marktwertermittlung - die Sicht eines künftigen Investors und seiner künftigen Strategie entscheidend ist, nehmen die sich rasant entwickelnden neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle ein.

Standards - kein Ersatz für eine Due Diligence

Damit steigt das Gewicht der Teilprozesse Technical- und Environmental-Due-Diligence. Ihr Einfluss auf die Mar-ke-Due- Diligence - insbesondere in Zeiten schwacher Märkte - und nicht zuletzt auf die finanzielle Analyse wird größer. Zudem müssen die angewandten Bewertungsverfahren vollkommen transparent und ein Spiegel der abgebildeten Märkte sein. Problematisch wird es dann, wenn Investitionsmodelle versuchen, Marktwerte darzustellen und Zinssätze Anwendung finden, die weder am Immobilienmarkt bewiesen sind, noch die Risiken und Chancen aus der Due Diligence berücksichtigen.

Die viel diskutierten Nachhaltigkeitskriterien haben die Nachfrage nach Qualitätsstandards und Gütesiegeln in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft steigen lassen. Zwar werden Green-Building-Zertifikate international die Marktgängigkeit einer Immobilie beeinflussen.

Doch liefern die internationalen Ansätze beispielsweise in Deutschland angesichts der hohen deutschen Baustandards oft keine sinnvollen Klassifizierungen und sind nur eingeschränkt in ihrer Aussagekraft. Daher dürfen sich Investoren, Banken und Versicherungen bei der Ermittlung von Markt- und Beleihungswerten nicht mehr auf eine reine Fi-nance-Due-Diligence verlassen.

Qualität, Effizienz und Technik entscheidend

Sind Gebäudekonzepte aber tatsächlich nachhaltig, verfolgen sie eine ganzheitliche und langfristige Qualitätsperspektive: Sie sind nicht nur ressourcenschonend und wirtschaftlich effizient, sondern auch auf technisch hohem Niveau. Damit steigen überdies die Anforderungen an die Beurteilung der technischen Bauausführung. Dies bedeutet, dass die Objekte individuell vor Ort von Spezialisten hinsichtlich der Gebäudesubstanz begutachtet werden müssen. Die Standsicherheit, etwaige Haftungsfragen sind zu beurteilen oder bisher nicht erkannte umweltrelevante Risiken aufzudecken. Hier ist die Due Diligence gefordert.

Dies gilt vor allem für die derzeit rechtlich nicht sanierungspflichtigen Schadstoffe oder Verunreinigungen. Denn ihre künftige rechtliche Relevanz verlässlich einzuschätzen, ist nur durch eine individuelle Prüfung vor Ort möglich, die kein standardisiertes Zertifikat ersetzen kann. Gerade die nicht sanierungspflichtigen Schadstoffe stellen schon heute - angesichts der vielfältigen Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit seitens der Immobiliennutzer und Investoren - ein latentes Risiko für die finanzielle Bewertung dar.

Ein Beispiel zeigt, wie sich vorhandene Altlasten und Gefahrstoffe auf die Bewertung auswirken. TÜV Süd Industrie Service hat mehrere Niederlassungen einer Bekleidungskette in Deutschland und Österreich im Rahmen einer Due Diligence geprüft. Nach der historischen Altlastenrecherche wurden in den Gebäuden Proben genommen, um Schadstoffe wie Asbest, PCB oder künstliche Mineralfasern zu erkennen. Anschließend begleiteten die Gutachter einige Umbau- und Abrissmaßnahmen. Zudem wurde vor dem Kauf von Grundstücken eine Altlastenuntersuchung des Bodens durchgeführt und mit einer Baugrundabnahme Rechtssicherheit geschaffen.

Bessere Verhandlungsbasis für Verkäufer und Vermieter

Im Ergebnis waren die Objekte nicht nur frei von umwelt- und gesundheitsschädlichen Baustoffen. Auch die Bewertungsrisiken infolge unplanmäßiger Sanierungen und Abschreibungen wurden auf ein Minimum reduziert. Die Kosten für den Ausbau und Entsorgung der Schadstoffe beliefen sich beispielsweise bei einem Gebäude in Hamburg auf insgesamt über eine Million Euro.

Ziel einer Due Diligence sollte sein, dass Eigentümer und Betreiber, Investoren und Finanzierer die Stärken und Schwächen des Objekts umfassend identifizieren. Eine so geschaffene transparente Datenlage erweitert den Kreis potenzieller Kaufinteressenten, stärkt die Verhandlungsposition des Verkäufers und kann den Transaktionsprozess beschleunigen.

Auch unabhängig von einer Transaktion sorgen die Informationsvorteile einer individuellen Due Diligence durch den umfassenden Blick auf die Nachhaltigkeit für eine verlässlichere Bewertung des Immobilienvermögens. So hat die Due Diligence einen nachhaltigen Einfluss auf die Planung, Bewirtschaftung und Sicherheit des investierten Kapitals. Denn eine Immobilie ist mehr als eine "schnelle Aktie".

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