Schwerpunkt Risikomanagement

Der Einfluss von Straßenlärm auf die Immobilienwerte

Barrierefreiheit, Energieeffizienz, flexible Grundrissgestaltung - um die langfristige Werthaltigkeit von Immobilien zu steigern, bauen immer mehr Entwickler und Investoren auf nachhaltige Konzepte. Straßen- und Verkehrslärm wird hingegen meist als gegeben und unveränderlich angesehen, obwohl er sich eindeutig wertmindernd auswirkt.

Nachweisbare Preisabschläge

Eine Untersuchung der Universität Hamburg am Beispiel Hamburger Wohnimmobilien zeigt, dass ein Dezibel (A) mehr Straßenlärm beim Verkauf mit einem Preisabschlag von 0,23 Prozent quittiert wird. Da die Lärmmessung logarithmisch aufgebaut ist, wird jede Zunahme um zehn Dezibel (A) als Verdopplung der Lärmbelastung wahrgenommen. Der Studie zufolge bedeutet eine doppelte Lärmbelastung für Hamburger Wohnimmobilien einen Preisabschlag von 2,3 Prozent. Zum Vergleich: Von einer normalen Straße können Schalldruckpegel von etwa 70 Dezibel (A) ausgehen, von einer stark befahrenen Hauptverkehrsstraße durchaus 90 Dezibel (A). Der Preisunterschied betrüge hier demnach bereits 4,6 Prozent.

Die Beispiele legen den Schluss nahe, dass die sozialen und ökonomischen Kosten von Straßenlärm von der Immobilienwirtschaft heute noch vielfach unterschätzt werden. Während beispielsweise Transaktionskosten - wie die Gebühren für Makler und Notar, die Grunderwerbsteuer und so weiter - als Kostentreiber wahrgenommen werden, bleiben die durch Lärm verursachten Einbußen im Dunkeln.

Dabei könnten die Preisabschläge bei lärmbelasteten Immobilien angesichts einer alternden deutschen Bevölkerung, die sich durch eine zunehmende Lärmsensibilität auszeichnet, in Zukunft sogar noch drastischer ausfallen. Insofern sollte die Immobilienwirtschaft das Thema Straßenlärm stärker auf die Agenda bekommen.

Beteiligung der Anlieger an den Kosten

Investitionen in den angrenzenden öffentlichen Straßenraum können Chancen für die langfristige Wertentwicklung von Wohnimmobilien darstellen. Besondere Chancen bieten dabei umfangreiche Projektentwicklungen, die ganze Quartiere oder mehrere Straßenzüge umfassen.

Dies gilt für den Neubau ebenso wie für den Bestand: Bei Projekten mit Straßenneubau können über entsprechende Erschließungskonzepte die Verkehrsströme so gelenkt werden, dass die Lärmwirkungen für sensible Bereiche minimiert werden.

Dabei handelt es sich wenigstens zum Teil immer auch um Privatinvestitionen. Denn an der Verbesserung der öffentlichen Straßen sind die Anwohner über den Straßenbaubeitrag immer mitbeteiligt. Je nachdem, wie hoch der Anteil des Fernverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen ist, müssen die Anwohner zwischen 25 und 75 Prozent der Kosten tragen. Kommunale Ausgaben würden durch höhere Grundsteuereinnahmen zumindest teilweise und langfristig wieder ausgeglichen werden.

Investitionen in neue Straßenbeläge

Bei bestehenden Erschließungssituationen können Lärmbelastungen beispielsweise dadurch reduziert werden, dass in den Straßenbelag investiert wird. Angaben des Umweltbundesamts zufolge können Lärmemissionen durch die Sanierung schadhafter Asphaltbeläge um ein bis zwei Dezibel (A) reduziert werden. Wird die alte Straßendecke durch offenporigen Asphalt ersetzt, sind Effekte von sechs bis acht Dezibel (A) Lärmminderung zu erzielen, was allerdings mit zunehmender Nutzungsdauer nachlässt.

Eine besonders große Wirkung hat der Austausch von Pflaster durch Asphalt. Hier ist eine Lärmreduzierung von bis zu neun Dezibel (A) möglich, also fast eine Halbierung des wahrgenommenen Lärmpegels - für angrenzende Wohnungen bedeutete dies Wertzuwächse von rund zwei Prozent im Vergleich. Gerade für Städte wie Berlin oder Hamburg, in denen Straßenpflaster noch immer vergleichsweise weit verbreitet sind, bietet sich hier ein entsprechendes Potenzial.

Weitere Lärmquellen

Wer eine Erneuerung der Straßendecke und das Einbringen offenporigen Asphalts mit dem Argument der Aufwertung der Wohnimmobilien begründet, sollte sich aber zuvor vergewissern, dass es nicht noch andere verkehrsbedingte Lärmquellen gibt. Denn dann wird der Geräuschpegel aus anderen Quellen stärker wahrgenommen - mit dem Effekt, dass die Immobilienwerte dort bleiben, wo sie sind. Die Bereitschaft der Anwohner, für die Kosten der Baumaßnahmen aufzukommen ist daher eher gering.

Das bedeutet jedoch nicht, dass man in einem solchen Fall von dem Vorhaben, den Straßenlärm zu reduzieren, Abstand nehmen sollte. Aufgrund der immensen Bedeutung von Lärmschäden sollten die Planungen vielmehr in eine andere Richtung gehen. Ziel muss es sein, die Lärmbelastung in dem Wohngebiet zum Beispiel durch den Bau von Lärmschutzwänden insgesamt zu reduzieren. Die entstehenden Kosten würden dann oftmals durch eine Steigerung der Einnahmen aus der Grundsteuer wieder aufgefangen werden.

Unabhängig von den Verbesserungen beim Straßenbelag könnte ein Teil des Lärmproblems auf den Straßen zukünftig auch ohne Zutun der Immobilienentwickler und Investoren entschärft werden. So übt beispielsweise die Europäische Union zunehmenden Druck auf Reifenhersteller aus, lärmarme Reifen zu entwickeln. Ein wichtiger Ansatz - denn neben den Motoren zählen die Abrollgeräusche der Reifen zu den bedeutendsten Lärmquellen im Straßenverkehr. Mit zunehmender Geschwindigkeit werden die Motorengeräusche bei konventionellen Fahrzeugen sogar deutlich von den Rollgeräuschen übertönt. Die Rollgeräusche dürften in Relation zu den Motorengeräuschen künftig sogar noch wichtiger werden. Denn die Zukunft gehört Elektroautos, deren Antrieb wesentlich leiser ist als der Verbrennungsmotor.

Elektroautos als Wertsteigerer

Angaben des TÜV Thüringen und der Westsächsischen Hochschule Zwickau zufolge liegen die Lärmemissionen von Elektroautos bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde rund sechs Dezibel (A) unterhalb derer von konventionellen Fahrzeugen. Für die angrenzenden Immobilien hieße dies eine Wertsteigerung von rund 1,4 Prozent, wenn es ausschließlich Elektroautos gäbe.

Die Rollgeräusche der Reifen sind in der Messung des TÜV Thüringen bereits berücksichtigt. Zwar gibt es gegenwärtig nur rund 1600 Elektroauto-Zulassungen in Deutschland, doch bereits in zehn Jahren sollen den Plänen der Bundesregierung zufolge eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Eine gute Nachricht auch für die Immobilienwirtschaft.

Vieles spricht dafür, das Problem Straßenlärm großflächig anzugehen und es endlich auch unter immobilienwirtschaftlichen Aspekten zu betrachten. Denn durch eine Verringerung des Straßenlärms lassen sich oft deutliche Wertsteigerungen erreichen, sodass die notwendigen Baumaßnahmen für die beteiligten Anwohner und Kommunen in der Regel kostenneutral sind oder sogar eine Rendite abwerfen.

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