Private Baufinanzierung

Der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung im Wandel

Die Bausparkassen haben die Finanzkrise bisher insgesamt gut überstanden. Hierfür lassen sich viele Gründe finden, von denen die wichtigsten die systembedingte Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt und die Einbindung in ein Spezialbankprinzip sind, dessen Regelwerk risikoreiche Ausflüge in das Kapitalmarktgeschäft zuverlässig verhindert hat.

Diese Krisenresistenz war aber nicht immer gegeben. Die Bausparkassen hatten ihre eigene Krise: "Bausparen am Ende?" war der Titel des Leitartikels der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen1) vom 1. Mai 1982. Was war passiert? Die Kapitalmarktzinsen waren extrem hoch (vergleiche Abbildung 1), die Attraktivität von Bauspardarlehen dementsprechend auch2) und die Steuerungssysteme in den Bausparkassen zweifellos noch nicht so ausgereift wie heute. Der Anlagegrad überstieg die für Bausparmathematiker kritische Größe von 80 Prozent (vergleiche ebenfalls Abbildung 1) und die Wartezeiten nahmen drastisch zu. Die Attraktivität von neuen Bausparverträgen für die Kunden sank, es drohte ein Mangel an Nachschub von Bauspareinlagen mit wiederum Wartezeit verlängernden Effekten. Kurz: ein Teufelskreis.

Ursprünglicher Zweck

Jede überstandene Krise prägt die Vorstellung von der nächsten Krise, und diese Vorstellung wiederum prägt die Sicherungssysteme, die eingeführt werden, um sich dagegen zu schützen. Die prägende Erfahrung war: Wartezeiten der Bausparer müssen stabilisiert werden, notfalls (! ) muss man die Bausparkassen in die Lage versetzen, sich Geld am Kapitalmarkt zu besorgen. Das hätte die Bausparkassen sehr viel Geld gekostet, da das Ausleihen am Markt deutlich teurer gewesen wäre als an Zinsen für die Bauspardarlehen zu erhalten war. Die Ertragskraft der Bausparkassen wäre zumindest vorübergehend wohl überfordert gewesen.

An dieser Stelle setzte man an. Es sollte eine Möglichkeit geben, bei hohem Bedarf an Bauspardarlehen die kostspielige Geldaufnahme am Kapitalmarkt aus einer besonderen Reserveposition zu alimentieren: Der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung (FbtA) war geboren. Die Idee war, in guten Zeiten (bei hoher Liquidität also) diesem Topf Ergebnisteile aus der starken Ertragskraft zuzuführen, und in schlechten Zeiten (also bei Liquiditätsengpässen) eine schwächere GuV-Entwicklung durch

Entnahmen aus dem FbtA auszugleichen.

An dieser Grundidee orientiert sich auch der bis heute verwendete Dotierungsmechanismus: Bemessungsgrundlage ist die kollektive Überliquidität (Schwankungsreserve), das heißt die nicht in Bauspardarlehen gebundenen Bauspareinlagen. Die hierauf entfallenden Mehrerträge werden dem FbtA zugeführt und hierin angesammelt, bis drei Prozent der Bauspareinlagen erreicht sind3). Entnahmen aus dem FbtA sind nur möglich, wenn bei kollektivem Liquiditätsbedarf auf eine - relativ zu den Bauspareinlagen teurere Kapitalmarktrefinanzierung zurückgegriffen werden muss.

Der FbtA kam in seiner bisherigen Form nie zum Einsatz. In den letzten 20 Jahren ist der Anlagegrad nahezu durchgehend gesunken, im Wesentlichen dem Rückgang des Zinsniveaus folgend (vergleiche Abbildung 2). Damit hat sich die Situation im Vergleich zu den 80er-Jahren grundlegend verändert. Mit einer Anspannung der kollektiven Liquidität und daraus folgenden Belastungen der Ertragskraft dürfte in den nächsten Jahren kaum zu rechnen sein. Der FbtA schützt im Moment also vor einem Risiko, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit derzeit eher gering ist.

Anhaltende Niedrigzinsphase

Allerdings haben die Bausparkassen zwei Dekaden hinter sich, in denen die Grundtendenz der Marktzinsentwicklung ständig fallend war. Darauf haben sie sich eingestellt, indem sie - beginnend Ende der 90er-Jahre - jede neue Tarifgeneration im Zinsniveau (Spar- und Darlehenszinsen) abgesenkt haben (vergleiche Abbildung 3). Ferner haben sie - um das Produkt Bausparen attraktiv und immer wieder mit innovativen Ideen jung zu halten - sogenannte Tauschtarife eingeführt, die vom Kunden zwar eine höhere bauspartechnische Leistung erwarten (zum Beispiel längere Sparzeiten), dafür aber teilweise einen extrem niedrigen Bauspardarlehenszins bieten. Es stellt sich nun die Frage, ob die deutlich geänderte Ausgangslage andere die Ertragskraft potenziell belastende Risiken erzeugt als das kollektive Liquiditätsrisiko, und welche neuen Mechanismen es gegebenenfalls braucht, um sich auf diese neue Risiken einzustellen.

Auf Initiativen des Regulators brauchen die Bausparkassen nicht zu warten. Der Regulator denkt zurzeit überwiegend über Mechanismen nach, um Kapitalmarkt induzierte Risiken zu limitieren oder zu unterbinden, dass derartige Risiken in erheblichem Ausmaß überhaupt eingegangen werden. Systembedingt und eingebettet in ein Spezialbankprinzip können Bausparkassen hier gar nicht im Fokus stehen. Umgekehrt dürfen sie auch nicht auf den Regulator warten, da es ihr ureigenstes Interesse sein muss, das an sich stabile Kollektivsystem einschließlich aller Innovationen auch in einem völlig veränderten Umfeld immer wieder neu gegen mögliche Risiken abzusichern. Steht der FbtA also vor einem Renovierungsbedarf? Die Erinnerung an eine längst vergangene und kaum mehr erinnerbare Krise, die ihn bis heute prägt, wäre gegebenenfalls zu erweitern durch die Betrachtung einer möglichen neuen Krise, die durch das folgende Szenario beschrieben werden könnte:

Nehmen wir einmal an, dass die Kapitalmarktzinsen mittelfristig wieder deutlich ansteigen. Damit würden auch Bauspardarlehen wieder attraktiver werden. Vom heutigen Niveau des Branchenanlagegrades kommend, dürfte es allerdings sehr lange dauern, bis - wenn überhaupt - besorgniserregende Werte erreicht werden. Allerdings müssten die Bausparkassen auch den Prozess der Absenkung des tariflichen Zinsniveaus des letzten Jahrzehnts ganz oder in Teilen wieder rückgängig machen, gleichwohl aber Bauspardarlehen aus dem schon vorhandenen Bausparbestand (einschließlich des Bestandes an Tauschtarifen) zu sehr niedrigen Darlehenszinsen vergeben. Während also die Bauspareinlagen Schritt für Schritt höher verzinst werden müssten, würde die Inanspruchnahme der Bauspardarlehen aus den historischen Niedrigzinstarifen vermutlich Badenia_Bausparen drastisch zunehmen, sodass sich eine erhebliche Belastung der Zinsspanne ergeben könnte.

Szenario: rascher Zinsanstieg

Selbstverständlich sind die Systeme für das Management des Zinsänderungsrisikos der Bausparkassen so eingerichtet, dass derartige Entwicklungen - gemessen an bisherigen Marktentwicklungen - höchst wahrscheinlich mit tragbaren Ergebnisbelastungen zu überstehen sind. Aber wäre nicht ein Szenario denkbar, in dem der Zinsanstieg mit einer bisher unbekannten Schnelligkeit vonstattengeht, vielleicht gepaart mit starken inflationären Entwicklungen und einer außerordentlich hohen Nachfrage nach Immobilien und deren Finanzierung eben auch durch Bauspardarlehen, sodass sich doch Ergebnisbelastungen einstellen, die Bausparkassen so stark gefährden können, dass der Auftrag aus dem Kollektiv nicht mehr oder vorübergehend nicht erfüllt werden kann.

Damit ändert sich der Fokus von der reinen Stabilisierung des Ergebnisses aus 16.06.2010 15:06 Uhr Seite 1 Liquiditätsengpässen heraus auf den Fokus der GuV-Stabilisierung bei schlagend werdenden Zinsänderungsrisiken, mit der Liquidität als wichtigem Nebenaspekt. Die Uridee des FbtA in einem solchen Szenario bleibt unangetastet: Es wird ein Reservefonds für Notzeiten geschaffen, allerdings mit erweitertem Nutzungsspektrum.

Anpassungsbedarf

Prima vista besteht Anpassungsbedarf im Wesentlichen bei drei Stellgrößen: Zum einen sollte - den erweiterten Nutzungsmöglichkeiten folgend - die Bemessungsgrundlage erweitert werden, etwa indem künftig die gesamten Bauspareinlagen und nicht nur der nicht durch Bauspardarlehen gebundene Anteil verwendet werden. Zum anderen sollte - ebenfalls den erweiterten Nutzungsmöglichkeiten folgend - die Zielgröße des zu erreichenden Reservetopfes erhöht werden. Schließlich gilt es genau festzulegen, unter welchen Umständen auf den FbtA als Stabilisierungsinstrument der Gewinn- und Verlustrechnung zugegriffen werden darf, damit der intendierte Charakter des FbtA als Sicherungsinstrument nicht zu einem beliebig verwendbaren "Ergebnisverschiebebahnhof" degeneriert. Die konkrete Ausgestaltung der hier im Groben umrissenen Anpassungsnotwendigkeiten ist durch Probe- und Modellrechnungen zu validieren und auf ihre "Alltagstauglichkeit" hin zu untersuchen4). Zunehmend stößt die Idee einer Weiterentwicklung des FbtA auch auf Interesse jenseits der bausparkasseninternen Expertenrunden5). Zusammenfassend lässt sich erwarten, dass mit den geschilderten Anpassungen der FbtA so weiterentwickelt werden kann, dass er auch den Herausforderungen der nächsten (beiden) Jahrzehnte gewachsen ist.

Fußnoten

1) Klaus-Friedrich Otto: Bausparen am Ende? In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 35. Jahrgang, Heft 9 vom 1. Mai 1982, Seite 349. Unter anderem heißt es weiter: "Ein Bausparen, das durch sinkende Geldeingänge und rückläufiges Neugeschäft der Auszehrung entgegeneilt. Ein Bausparen, das durch unendliche Wartezeiten gegenüber Banken nicht mehr konkurrenzfähig ist. Ein Bausparen, das zum Selbstbedienungsladen für Konzernmütter mit Inkongruenzschäden denaturiert. Ein Bausparen, das mit Hilfe der Bausparer Selbsthilfe betreibt. Ein Bausparen, um das der Staat sich entweder mehr oder anders kümmern muss. Ein Bausparen fast am Ende."

2) Der damalige Universaltarif U der Bausparkasse Schwäbisch Hall wies - bei einem Bausparhabenzins von 3,0 Prozent - einen Bauspardarlehensnominalzins von 5,0 Prozent und einen entsprechenden Effektivzins von 5,9 Prozent auf.

3) Aufgrund zahlreicher Wahlrechte haben bislang nur wenige Bausparkassen diese Zielgröße auch erreicht.

4) Was allerdings bedeutend einfacher und schneller sein dürfte als das Ausloten der Wirkungsweisen von der "... Kombination von so genannten Out-of-the-money-Payer - und Receiver-Swaptions", wie sie an anderer Stelle auf der Analyse des Grundproblems der Bausparkassen als Konvexitätshedge vorgeschlagen wird. Vergleiche Steffan, Jürgen; Schürle, Josef; Püntmann, Christoph, Schutz für Bausparkassen um geeignete Instrumente ergänzen, In: Bankmagazin vom 31. März 2010, Seite 36.

5) "Es lohnt sich durchaus, darüber nachzudenken, wie die Sicherungsmechanismen des Bausparens noch weiter verbessert werden können. Überlegenswert wäre, einen Ertragspuffer vorzusehen, der zum Beispiel eine Teilmenge des Fonds zur bauspartechnischen Absicherung sein könnte. Damit könnten Ertragsdellen, die aus bauspartechnischen Entwicklungen resultieren, ausgeglichen werden." Thomas Happel, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, in: Immobilien & Finanzierung 07/2010, Seite 211, sowie Pahl, Andreas, Bausparkassen in Zeiten niedriger Zinsen, in Immobilien & Finanzierung 07/2010, Seite 220 - 222, wo es auf Seite 222 heißt: "Angesichts dessen scheint die Weiterentwicklung des FbtA zu einem Stand sinnvoll, auf dem der Fonds den Bausparkassen auch in länger anhaltenden Niedrigzinsphasen ausreichende Zinsspannen sichert. Denn die hier erreichbar scheinende Komplexitätsreduktion bietet einen Vorteil gegenüber der Komplexitätssteigerung durch den Einsatz kapitalmarktähnlicher mathematischer Modelle: Sie bietet bei einem ähnlichen Schutz der Zinsspanne die bessere Nachvollziehbarkeit und hilft so, die Aufwendungen für Risikosteuerung und deren Überprüfung in einem vernünftigen Rahmen zu halten."

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