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Geoinformationssysteme in der Immobilienwirtschaft

Die Bedeutung von Geodaten beziehungsweise der Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) in der Immobilienwirtschaft hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Brachten Immobilienexperten bis dato zumeist einfache Kartendarstellungen und somit eine rein deskriptive Darstellung von räumlichen Gegebenheiten mit "Geoinformation" in Verbindung, haben sich die Möglichkeiten der Nutzung und Analyse von Geodaten einerseits und die Ansprüche an die Ableitung von Aussagen und Zusammenhängen aus Geodaten andererseits spürbar verändert.

Geoinformationssysteme (GIS) dienen zur Erfassung, Bearbeitung und Organisation sowie zur Analyse und Präsentation räumlicher Daten. GIS speichern diese Art Daten ("Geodaten") in einer oder mehreren Datenbanken. Nahezu alle immobilienspezifischen Daten haben einen Raumbezug und lassen sich daher auf einer oder mehreren Karten verorten, darstellen, miteinander in Bezug setzen und analysieren.

Ergebnisse der Geodatenanalyse

Die entstandenen Geodaten werden daraufhin entweder direkt mittels einer geeigneten Symbolisierung kartografisch dargestellt oder mithilfe eines oder mehrerer (auch teilautomatisierter) Analyseprozesse oder der Kombination mit anderen im GIS vorliegenden Daten weiterverarbeitet. Das Ergebnis kann dann einerseits Kartenmaterial sein, das einen einfachen Sachverhalt grafisch darstellt, zum Beispiel die Anzahl von Mietvertragsabschlüssen pro Teilmarkt.

Oder es wird ein komplexes Analyseergebnis gezeigt, wie zum Beispiel Kaufkraft, Anzahl der Haushalte, Größe der Haushalte und die Wettbewerbssituation im 15-Minuten-Radius eines Einzelhandelsbetriebs. Andererseits sind sämtliche gegebenenfalls berechneten Ergebnisse auch als Datensätze in einer Datenbank gespeichert und können tabellarisch ausgegeben und für weitere Berechnungen zum Beispiel in Excel verwendet werden.

Der erforderliche Datenpool lässt sich grundsätzlich unterteilen in Sekundärdaten, das heißt oftmals zugekauften Geometriedaten, ausgewählte Marktinformationen, und Primärdaten, das heißt manuell erhobene und in eine Datenbank eingepflegte, individuelle Unternehmensdaten.

Sekundärdaten - die zugekauften Geometriedaten

Bei den zugekauften Sekundärdaten gilt es grundsätzlich zwischen Geometriedaten und Sach- oder Marktdaten zu unterscheiden. Geometriedaten sind Punkt-, Linien- oder Flächenelemente (Polygone), also beispielsweise Bundesländer, Landkreise, Postleitzahlengebiete, Gemeinde, Ortsteile, Straßenabschnitte oder Einzelhauskoordinaten.

Als Sach- oder Marktdaten werden die den Geometriedaten hinterlegten Attribute beziehungsweise Marktinformationen bezeichnet. Hier gilt es aus einem außerordentlich großen, ständig wachsenden Datenpool die für den eigenen Bedarf benötigten Informationen auszuwählen. Zu den verfügbaren Sachdaten zählen beispielsweise demografische Daten wie Einwohnerzahlen und Bevölkerungsentwicklungen, einzelhandelsrelevante Daten wie Umsatzkennziffern oder auch spezielle Daten wie Passantenfrequenzen.

Verschiedene Kartenarten

Hintergrundkartenmaterial muss als Grundlage vorliegen, auf dessen Basis (fast) alle kartografischen Darstellungen beruhen. Dabei ist grundsätzlich zwischen dynamischen und anpassbaren Vektorkarten (zum Beispiel Straßenkarten) sowie Rasterkarten (zum Beispiel Luftbilder) zu unterscheiden. Points of interest stehen als Punktinformationen zur Verfügung und liegen unter anderem für die Bereiche Transport und Verkehr, öffentliche Einrichtungen, Gesundheitseinrichtungen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Einzelhandelseinrichtungen vor.

Um Analysen, die auf Routenberechnungen basieren durchführen zu können, sind im System die Navigationsdaten für Deutschland und/oder Europa hinterlegt; im Bedarfsfalle sind auch weltweite Navigationsdaten verfügbar.

Primärdaten - die eingepflegten GIS-Daten

Bei Primärdaten handelt es sich um Daten, die manuell als Punkte, Linien oder Polygone in das GIS eingepflegt werden. Bei größeren Datensätzen kommen hierbei auch Automatisierungen zur Anwendung, wie zum Beispiel bei der Geocodierung ("adressgenaue Ver ortung") umfangreicher Objektlisten. Zu den manuell erstellten Primärdaten gehören beispielsweise Immobilienteilmärkte, die als Flächenelemente im GIS erstellt und anschließend mit relevanten Marktinformationen wie zum Beispiel dem Büroflächenbestand hinterlegt werden.

Als weiteres Beispiel können Abschlussdaten wie Mietvertrags- und Investmenttransaktionen dienen, die aus der unternehmenseigenen Datenbank stammen und im GIS kartografisch als Punktinformationen verortet werden. Auch diese Daten werden mit relevanten Informationen wie dem jeweiligen Nutzungstyp, Volumen oder Mieter hinterlegt. Die Prüfung der Sekundärdaten erfolgt stichprobenartig, da beispielsweise bei aus offiziellen amtlichen Quellen stammenden Demografie- oder Kaufkraftdaten auf deren Qualität vertraut werden kann beziehungsweise aus Kapazitätsgründen auch muss.

Bei den durch das eigene Unternehmen erhobenen Primärdaten ist die Qualitätsprüfung regelmäßiger und essenzieller Bestandteil beim Einpflegen der Daten in das GIS. Hier muss gemäß des "Garbage-In-Garbage-Out-Prinzips" sichergestellt sein, dass die eingegebenen Daten von höchster Qualität sind, da ansonsten auch mit den technisch ausgefeiltesten Mitteln keine hochwertige Ausgabe erreicht werden kann.

Qualitätsprüfung der Daten

Ziel ist es, Daten aus unterschiedlichsten Quellen im GIS unter einem Projekt und einem gemeinsamen Format zu vereinen. Um dies zu erreichen, geschieht die Datenprüfung in der Regel auf mehreren, teilweise vorgelagerten Ebenen. Da die zur Verfügung stehenden Daten aus unterschiedlichen Quellen stammen (eigene Recherche, Datenbank, Auftraggeber/Kunde) und somit die Datenformate und -qualitäten entsprechend heterogen sind, kommen der Vereinheitlichung dieser Informationen auf einen einzigen Standard sowie der Datenintegrität eine entscheidende Bedeutung zu.

Anwendungsbeispiele aus der Beratungspraxis

Die kontinuierliche Qualitätssicherung und Prüfung der Daten nach jedem Arbeitsschritt wird mit zunehmender Komplexität der durchzuführenden Analysen immer wichtiger, da sie unerlässlich für ein brauchbares und kommunizierbares Ergebnis ist.

Das Ergebnis eines Geoanalyseprozesses reicht von rein deskriptiven Kartografien bis hin zu mehrstufigen analytischen Prozessen wie beispielsweise Multikriterienanalysen. Im Rahmen von einfachen, rein deskriptiven Kartografien werden Marktdaten oder beliebige andere Variablen in einer Übersichtskarte dargestellt. Die Symbolisierung ist dabei in fast beliebiger Form möglich. Zudem können beliebige Daten miteinander kombiniert und dargestellt werden. In Abbildung 1 sind die Investmenttransaktionen des Jahres 2013 in München dargestellt, wobei nach der Hauptnutzung unterschieden und verschiedene Kaufpreisgruppen gebildet wurden. Zudem sind im Hintergrund die Teilmärkte abgebildet.

Im Beratungsprozess bei Standortsuchen bilden das Makro- und Mikroumfeld ein wichtiges Entscheidungskriterium. Abbildung 2 zeigt eine Mikroumfeldanalyse, in der für ein Objekt in der Frankfurter Innenstadt die Erreichbarkeit verschiedener Ziele über die Bildung von Gehzeitzonen analysiert wurde. Zudem sind zahlreiche POIs wie die ÖPNV-Haltestellen von S- und U-Bahn, Nahversorgungs- und Parkmöglichkeiten, Gesundheitseinrichtungen und so weiter dargestellt.

Komplexer und so gut wie nicht mehr ohne ein GIS ist eine Multikriterienanalyse zu bewältigen. Dabei handelt es sich um eine Funktion, bei der einzelne, gegebenenfalls vom Kunden vorgegebene und zunächst einzeln betrachtete Kennzahlen durch Faktorenkombination vereint werden. Hierbei sind je nach Bedeutung der Kennzahlen unterschiedliche Faktorengewichte möglich. Zur Anwendung kommt eine Multikriterienanalyse beispielsweise bei der Makrostandortsuche von Unternehmen aus dem Bereich Logistik und Industrie. Für deren Standortwahl sind neben den verfügbaren Grundstücke, die für ihre Zwecke geeigneten sind, Kriterien wie Einwohner- und Arbeitslosenzahlen, Kaufkraft pro Einwohner, Bruttolöhne im verarbeitenden Gewerbe, Baulandkosten sowie vielfach das Hauptkriterium Autobahnnähe von Bedeutung.

Neue Spielfelder des GIS

Die überwiegende Zahl der produzierten Kartografien wird derzeit in 2D ausgegeben. Allerdings zeigt die Entwicklung zunehmend in Richtung 3D-GIS, um einzelne Gebäude oder umfangreiche Projektentwicklungen innerhalb eines bestehenden 3D-Städtemodells schnell und dynamisch modellieren und visualisieren zu können. In der Immobilienberatungspraxis könnten beispielsweise mit einem Projektentwickler oder einem Investor live und vor allem interaktiv alternative Baukörper auf einem Grundstück durchgespielt werden, da sich die 3D-Gebäudemodelle sehr einfach hinsichtlich ihrer Dimension beeinflussen lassen. Ein daran gekoppeltes Live-Reporting ist in der Lage, zu jedem Zeitpunkt Auskunft über entsprechende Baukosten, die Rendite oder sogar Beurteilungen bezüglich der baurechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens zu liefern.

Mobile Daten stellen ein weiteres praktisches Beispiel der Weiterentwicklung von GIS dar. Damit ist die Bereitstellung von Objektdaten und Geoanalysen gemeint, um diese interaktiv an jedem beliebigen Ort mit mobilem Zugang zum Internet konsumieren zu können. Dadurch wird es Immobilienexperten ermöglicht, bei Ortsterminen mit einem Kunden eine 2D- oder sogar 3D-Geoanalysen zum Gebäude und dessen Umgebung interaktiv zu präsentieren. Darüber hinaus besteht sogar die Möglichkeit, einfache Geoanalysen wie Gehzeitzonenberechnungen um ein Objekt direkt vor Ort auszuführen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Geodaten beziehungsweise der Einsatz von Geoinformationssystemen die Immobilienbranche derzeit spürbar verändern. Die neuen und stetig wachsenden Möglichkeiten verbessern die Beratungsleistung mit bisher nicht für möglich gehaltenen Funktionen und stellen daher einen fundamentalen Service- und Beratungsvorteil dar.

Andreas Trumpp , Head of Research Europe , Savills Investment Management, München
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