Schwerpunkt: Nachhaltiges Bauen

Green Due Diligence: der Substanz auf der Spur

Deutschland gilt europaweit als der stabilste Immobilienmarkt. Die Investitionen für 2012 werden auf 27 bis 30 Milliarden Euro geschätzt. Zum Vergleich sind 2011 etwa 28 Milliarden in Gewerbe- und Wohnimmobilien geflossen, 2010 waren es nur rund 23 Milliarden Euro. Angesichts dieser Volumina ist anzumerken, dass die baulichen und technischen Anforderungen steigen, denn bei Transaktionsobjekten wird zunehmend mehr Wert auf deren Nachhaltigkeit beziehungsweise langfristige Vermarktungsfähigkeit gelegt. Dabei erscheint der Blick auf die Energieeffizienz als verkürzt. Vielmehr gewinnen Substanzfaktoren deutlich an Bedeutung. So bedeutet nachhaltiges Bauen auch, sich präventiv auf künftige Entwicklungen einzustellen. Gebäude, bei deren Bau und Betrieb Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden, haben nicht nur ein gutes Image, sondern auch geringere Lebenszykluskosten und erzielen bessere Vermietungsergebnisse - sowie in guten bis sehr guten Lagen auch überdurchschnittliche Marktwerte.

Seit 2012 ist eine neue europäische Norm bei der Bewertung der ökonomischen Qualität von nachhaltigen Bauwerken zu beachten: DIN EN 15643-4:2012. Sie enthält die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen an die Bewertung der ökonomischen Qualität von Gebäuden unter Berücksichtigung der technischen Eigenschaften und der Funktionalität eines Gebäudes. Mit der ökonomischen Nachhaltigkeitsbewertung wird der Beitrag gemessen, den die bewerteten Bauwerke unter ökonomischen Gesichtspunkten zu nachhaltigen Bauwerken und einer nachhaltigen Entwicklung leisten.

Während Baukosten meist nur 20 bis 30 Prozent der Lebenszykluskosten ausmachen, entfallen die übrigen Kosten auf den Betrieb, die Instandhaltung und den Energieverbrauch. Dies zeigt eindringlich, dass gerade Aspekte der Nachhaltigkeit im Betrieb Schlüsselfaktoren für das Immobilienmanagement und die Vermarktung sind. Doch nicht alle Objekte profitieren gleichermaßen. Auch wenn die Datenbasis mit Transaktionen nachhaltiger Gebäude derzeit noch gering ist, so zeichnet sich ab, dass nachhaltige Gebäude vor allem in Großstädten Wettbewerbsvorteile haben.

Dagegen bedürfen Nachhaltigkeitsbestrebungen außerhalb der Metropolregionen einer differenzierten Strategie. Angesichts des Preisdrucks gilt es dort umso mehr, mit einzelnen kosteneffizienten Maßnahmen einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.

Zuverlässig bewerten

Zur verlässlichen Bewertung der zukünftigen Vermarkungsfähigkeit ist der Zugriff auf vernetzte Erfahrung und Fachkompetenz entscheidend, die sich aus betriebswirtschaftlichem, juristischem und ingenieurswissenschaftlichem Wissen zusammensetzt. Ein praktisches Instrument ist die Green Due Diligence. Sie wird den Immobilien-Due-Diligences zugeordnet und legt ihren Schwerpunkt auf die heutige und zukünftige Nachhaltigkeit der Gebäude.

Im Kern der Green Due Diligence von Tüv Süd steht die Prüfung der Nachhaltigkeit des bestehenden Gebäudes und der in Zukunft anfallenden Maßnahmen und Kosten. Die fundierte Feststellung von Gebäude- und Anlagenqualität unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ermöglicht Investoren und Betreibern das frühzeitige Erkennen, Bewerten und Umsetzen von Chancen sowie das Minimieren von Risiken geplanter Investments. Die vollständige Verwertung der Informationen, die aus der technischen, ökologischen und immobilienwirtschaftlichen Beurteilung gewonnen werden konnten, ergibt letztlich die maximale Investitionssicherheit.

Durch die Vielzahl unterschiedlicher Bestandsgebäude mit ihrer jeweiligen Biografie entstehen sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen für die langfristige Vermarktbarkeit, je nachdem ob das Gebäude bereits saniert, teilsaniert oder unsaniert ist. Eine bedarfsgerechte Ausrichtung der Green Due Diligence auf die jeweilige Zielsetzung des Auftraggebers (ob Käufer- oder Verkäufer-Due-Diligence) und die vielschichtigen Erfordernisse des Objekts kann durch einen modularen Aufbau der Prüfung gesichert werden.

Hierfür betrachtet ein Team aus Experten unter anderem die Gebäudekonzeption, rechtliche und technische Aspekte der Energieeffizienz, den Wasserverbrauch, Lageeigenschaften sowie weitere Faktoren wie Boden und Altlasten. Die Analyse ist nicht nur die Einschätzung des Ist-Zustands. Darüber hinaus können zusätzliche Nachhaltigkeitspotenziale aufgedeckt werden, die sich wirtschaftlich kurz- bis mittelfristig realisieren lassen und so auch die Basis einer möglichen Zertifizierung bilden können.

Nachhaltige Gebäudekonzepte sind technisch auf einem hohen Niveau. Bei der Analyse des Gebäudekonzepts werden unter anderem Basisinformationen wie Konstruktion, Flächeneffizienz und Schallschutz erfasst und Risiken, die durch gefährdende Baustoffe wie Asbest oder künstliche Mineralfasern entstehen können, ermittelt. Das ist besonders bei älteren Bestandsbauten zu beachten. Weiterhin wirken sich gebäudetechnische Faktoren wie Luft- und Lichtverhältnisse, Qualität der Ausstattung, Sicherheit und Instandhaltungsaufwand auf die Bewertung der Immobilien aus.

Ökologische Fragen

Zur Steigerung der Energieeffizienz werden zunehmend anspruchsvolle technische Innovationen eingesetzt. Zusätzlich haben die Minimierung der Vorlauftemperaturen und die Optimierung der Wärmeverteilung durch Heizen und Kühlen sowie hocheffiziente Fenster- und Fassadensysteme zur Wärmedämmung Auswirkung auf den Energieverbrauch, der von Experten verlässlich zu beziffern ist. Erst dann lassen sich Kosten und Nutzen für die Bewertung ableiten.

Seit 2010 ist die europäische Richtlinie für energieeffiziente Gebäude (EPBD 2010) in Kraft. Um sie auf Bundesebene umzusetzen, wird momentan in Deutschland die Energieeinsparverordnung EnEV 2009 novelliert. Die künftige EnEV 2012, die voraussichtlich ab 2013 gelten wird, erlaubt ab 2020, bei öffentlichen Gebäuden bereits ab 2019, nur noch Passivund Nullenergie-Neubauten. Zudem erstreckt sich die EnEV 2012 auch auf energieeffiziente Sanierungen im Bestand.

Fragen des Wassermanagements werden in Zukunft nicht nur für Städte und Gemeinden weitreichende Konsequenzen haben. Neben Energie, die für die Beheizung und, Kühlung des Gebäudes benötigt wird, und dem Stromverbrauch steht auch der Wasserverbrauch bei Immobilien im Fokus der Nachhaltigkeitsbetrachtungen. Geeignete Maßnahmen zur Reduzierung des Frischwasserverbrauchs müssen daher ebenso betrachtet werden wie Maßnahmen zur Steuerung oder Nutzung des Abwassers aus der Immobilie.

Eine bessere Vermarktbarkeit ist nicht allein aus einer höheren Energieeffizienz zu erzielen. Weitere zentrale Faktoren für die Gesamtkosten über die Lebensdauer sind die Qualität der verwendeten Baustoffe und die Umweltqualität des Baugrunds. Dies gilt vor allem für die derzeit rechtlich nicht sanierungspflichtigen Schadstoffe und Verunreinigungen. Ihre künftige rechtliche Relevanz verlässlich einzuschätzen, ist nur durch eine individuelle Prüfung möglich. Standardisierte Zertifikate können dies nicht ersetzen. Gerade die nicht sanierungspflichtigen Schadstoffe stellen schon heute - angesichts der vielfältigen Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit seitens der Immobiliennutzer und Investoren - ein latentes Risiko für die finanzielle Bewertung dar.

Rund 360000 Standorte in Deutschland gelten als belastet oder sind als Verdachtsflächen in den Altlasten-Katastern registriert. Durch den steigenden Platzbedarf und Mangel an geeigneten Bauflächen in Städten und Gemeinden rückt der Fokus verstärkt auf die Wiedernutzbarmachung von ehemaligen Industriestandorten (Recyclingfähigkeit des Baugrunds). Viele langjährig genutzte Industrie- und Gewerbeflächen, die im Laufe ihrer Bewirtschaftungszyklen mehrere Nutzungsänderungen erfahren haben, wie etwa Grundstücke stillgelegter Fabriken oder chemischer Betriebe, sind mit Altlasten behaftet. Aufgrund ihrer bisherigen Nutzung sind solche Grundstücke häufig mit Schadstoffen belastet, die eine Nutzungsänderung nicht ohne Weiteres zulassen oder erheblichen Einfluss auf die Bewertung des Objekts haben können. Das integrierte Altlastenmanagement von Tüv Süd umfasst darum auch die sogenannte historische Erkundung - inklusive Standortuntersuchung, Boden- und Grundwasserprobenahme sowie Untersuchung der Gebäudesubstanz -, die in eine konkrete Sanierungsempfehlung mündet.

Um die Standortfaktoren zu beurteilen, sind nicht nur die Erschließung mit Verkehrsmitteln und die lokale Infrastruktur wichtige Kriterien, sondern vor allem auch das Image und die Sicherheit am Standort. Weitere Lage-Kriterien, die auch bei der Immobilienbewertung eine entscheidende Rolle spielen, sind Georisiken, Immissionen, aber auch die Möglichkeit, am Standort zu erweitern, was die langfristige Nutzung sichert.

Beschleunigung der Transaktionen

In Zeiten hoher Anforderungen an die Informationstransparenz gewinnen nachhaltige Gebäudekonzepte und deren verlässliche Dokumentation an Bedeutung. Durch eine Green Due Diligence können die Stärken und Risiken eines Objekts je nach der individuellen Ausgangssituation modular erfasst werden, was sowohl Eigentümern und Betreibern als auch Investoren eine transparente Bewertungsgrundlage bietet. Eine solche Datenlage hilft, den Transaktionsprozess zu beschleunigen. Gleichzeitig entsteht ein nachhaltiger Einfluss auf die Planung, Bewirtschaftung und Sicherheit des eingesetzten Kapitals. Werden alle Mindestanforderungen erfüllt, kann die Green Due Diligence außerdem in das Tüv Süd eigene Nachhaltigkeitszertifikat Score für Bestandsgebäude münden.

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