Schwerpunkt Pfandbriefe und Pfandbriefbanken 2013

Harmonisierung des Covered-Bond-Rechts in Europa

Pfandbriefbanken als traditionelle Anbieter von Langfristfinanzierungen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Kapitalmarkt und Realwirtschaft. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat der Pfandbrief mehr denn je unter Beweis gestellt, dass er zu den stabilsten Refinanzierungsquellen der Kreditwirtschaft zählt. Denn gerade in schwierigen Zeiten können Pfandbriefbanken verlässlich langfristige Kreditmittel zu wettbewerbsfähigen Konditionen für den Wohnungs- und Gewerbebau beziehungsweise für die öffentlichen Haushalte mobilisieren.

Eine der großen Gefahren erwächst Covered Bonds ausgerechnet aus ihrem Erfolg, denn Erfolg schafft bekanntermaßen Nachahmer. Und nicht alle gehen mit dem gleichen Qualitätsanspruch zu Werke. Tatsächlich ist der europäische Markt für gedeckte Schuldverschreibungen heute durch eine Vielzahl von Produkten, die auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen basieren, charakterisiert. Durch den Emissionsboom gedeckter Schuldverschreibungen und den Umstand, dass seit Beginn der Finanzkrise immer mehr Kreditinstitute in Europa am Covered-Bond-Markt debütiert haben, hat die Auseinandersetzung über einheitliche Qualitätsstandards für Covered Bonds deshalb besondere Bedeutung gewonnen.

Historisch gesehen wurden in den Anlagebestimmungen für Investmentfonds in der sogenannten OGAW-Richtlinie sowie in der Capital Requirements Directive, welche wiederum auf die OGAW verweist, erstmals besondere Qualitätsmerkmale von Covered Bonds definiert. Diese Kriterien bilden bis heute die Grundlage aller Privilegierungen von Covered Bonds in der EU. Allerdings sind sie in den Richtlinientexten sehr allgemein gehalten. Und es wurde auch kein gemeinsames Verständnis zwischen den Aufsichtsbehörden entwickelt, wie mit den einzelnen Kriterien umzugehen ist. So fordert die OGAW beispielsweise eine "besondere öffentliche Aufsicht". Bisher gibt es jedoch keinerlei Übereinkunft darüber, was unter einer solchen besonderen öffentlichen Aufsicht im Einzelnen zu verstehen ist.

Im Grünbuch Langfristfinanzierung, das im März dieses Jahres veröffentlicht worden ist, erstmals auch eine mögliche Harmonisierung des Covered-Bond-Rechts in Europa angeregt, um die fragmentierten Märkte für gedeckte Schuldverschreibungen Europas für Anleger besser vergleichbar und damit attraktiver zu machen. Um das Vertrauen der Anleger in die besondere Qualität klassischer gedeckter Bankschuldverschreibungen und ihre Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern, scheint es in der Tat sinnvoll, eine fundierte Diskussion über die Harmonisierung wichtiger Teilbereiche von Covered-Bond-Gesetzen zu führen. Denn jede mögliche Qualitätsverwässerung gefährdet das Vertrauen der Anleger und stellt die gegenwärtige Vorzugsbehandlung von Covered Bonds bei der Eigenkapitalunterlegung von Banken und Versicherungen und in der Liqudity Coverage Ratio im Rahmen von Basel III mittelfristig infrage.

Für eine weiterhin gedeihliche Entwicklung gedeckter Schuldverschreibungen ist es unabdingbar, die gute Reputation des Produkts langfristig zu verankern und die Assetklasse so gegen potenziell schädliche Entwicklungen zu immunisieren. Die Pfandbriefbanken werden die Debatte über eine Harmonisierung deshalb konstruktiv begleiten. Für eine solche Harmonisierung gibt es eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, darunter vor allem die deckungsfähigen Vermögenswerte, die besondere öffentliche Aufsicht, die Transparenzbestimmungen sowie die Abschottung der Deckungsmassen.

Qualität der Deckungswerte

Qualitativ hochwertige Deckungsmassen sind ein zentraler Teil des Sicherheitsnetzes der Pfandbriefgläubiger. Der nachhaltige Erfolg und das in den vergangenen Krisenjahren weiter gewachsene Vertrauen in gedeckte Bankschuldverschreibungen beruhen insbesondere auf konservativen Kreditstandards und der Beschränkung auf eine überschaubare Zahl hochqualitativer Arten von Deckungswerten.

Der Nutzen gedeckter Schuldverschreibungen für die Realwirtschaft könnte nach Ansicht einiger Marktteilnehmer gleichwohl gesteigert werden, wenn weitere Assetkategorien als Deckungswerte zugelassen würden. Tatsächlich müsste jede Ausweitung gründlich geprüft und sorgsam abgewogen werden. Gedeckte Schuldverschreibungen sind ihrer Natur nach kein Allheilmittel für die gesamtwirtschaftlichen Finanzierungserfordernisse. Ihre Stabilität und damit ihr Nutzen als verlässliches Refinanzierungsinstrument stehen und fallen mit der Qualitätswahrnehmung durch den Kapitalmarkt.

Von besonderer Bedeutung ist, dass nur solche Vermögenswerte deckungsfähig sein sollten, die eine längere Lebensdauer aufweisen und damit eine Kongruenz zur langfristigen Refinanzierung erlauben. Das bedeutet auch, dass sie über einen zuverlässig ermittelbaren nachhaltigen Wert verfügen müssen. Auch die Prognosefähigkeit der Wertentwicklung beziehungsweise Performance ist wichtig. Daher sollte die Harmonisierung zulässiger Deckungswerte bestimmte Mindeststandards für die Qualität ihrer Bewertung einschließen.

Öffentliche Aufsicht

Auch die Aufsicht über Covered-Bond-Emittenten wäre ein geeigneter Ansatzpunkt für die Harmonisierung von Covered-Bond-Gesetzen. Denn von einheitlichen Aufsichtsstandards sind wir heute in der Praxis weit entfernt. Es sollte das Ziel sein, nach einer Bestandsaufnahme der nationalen Aufsichtsregime Best-Practice-Standards für die Aufsicht und so einen einheitlichen und qualitätsorientierten Aufsichtsrahmen für Covered Bonds zu definieren. Nicht zuletzt wegen des Themas "Bank Resolution", das für Pfandbrief- und Covered-Bond-Emittenten eine herausgehobene Bedeutung hat, ist eine einheitliche und gleichförmige Aufsichtspraxis entscheidend für die Rechtssicherheit und das Vertrauen der Anleger.

Gerade die Pfandbriefemittenten haben die Bedeutung der Transparenz früh erkannt und hier Maßstäbe gesetzt. Auf europäischer Ebene hat es in Sachen Transparenz bisher die meisten "Konvergenzfortschritte" innerhalb des Covered-Bond-Universums gegeben. Industrieinitiativen wie solche des Covered Bond Investor Council oder die "Label-Initiative" des European Covered Bond Council (ECBC) haben dazu beigetragen, das Informationsangebot der Emittenten auch in vielen anderen Ländern den Bedürfnissen der Anleger anzupassen.

Transparenz

Anlegern und Regulatoren aber reicht das nicht aus. Sie bestehen in zunehmendem Maße auf weiter reichende Transparenz gedeckter Schuldverschreibungen und ihrer Deckungsmassen im Besonderen. Trotz der bis heute erzielten Erfolge der Industrie könnte die umfassende Harmonisierung der Transparenzanforderungen den europäischen Covered-Bond-Markt weiter profilieren und das Vertrauen der Anleger stärken.

Eine der größten Herausforderungen dabei dürfte sein, gemeinsame Definitionen von Kennzahlen zu finden, um nicht Datenkategorien miteinander zu vergleichen, die zwar gleich klingen, de facto aber nicht vergleichbar sind. So gibt es in Europa bis heute keine allgemein akzeptierte Definition des Beleihungsauslaufs (LTV). Lediglich die Veröffentlichung eines (wie auch immer definierten) LTV vorzugeben, reicht deshalb nicht aus, um echte Vergleichbarkeit herzustellen. Die Vielfalt nationaler Gesetze für gedeckte Schuldverschreibungen rückt jede Harmonisierung technischer Details im Bereich der Abschottung der Deckungsmassen im Insolvenzfall des Emittenten und des Vorrechts der Pfandbriefgläu biger in weite Ferne. Der insolvenzrecht liche Kern aller Covered-Bond-Gesetz gebungen ist dafür zu stark durch unterschiedliche Rechtssysteme geprägt. Gleichwohl wäre eine Diskussion über allgemeine Grundsätze der Abschottung der Deckungsmassen sinnvoll, die etwa die Beziehung zwischen der Insolvenzmasse der Bank und den Deckungsmassen und ihren jeweiligen Verwaltern regeln könnten. Ein gemeinsamer europäischer Ansatz könnte schließlich auch die Kriterien für die Überschuldung und Liquiditätsicherung zur pünkt lichen Bedienung der Covered Bonds und die Rechtsfolgen hieraus zum Gegenstand haben.

Covered Bonds bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen Kapitalmarkt und Realwirtschaft. Der Erhalt und die Pflege des Anlegervertrauens in die Assetklasse sind auch für die Wachstumsperspektiven Europas von zentraler Bedeutung. Um das Vertrauen der Investoren langfristig zu wahren, ist die Debatte über eine Mindestharmonisierung von Covered Bonds zu führen. Ein Blick auf das Machbare zeigt, dass sich hierfür manche Regelbereiche mehr eignen als andere. Die Label-Initiative des ECBC ist eine erste Etappe auf dem Weg zu einer Verständigung auf besondere Qualitätsmerkmale. Sie würde durch die Debatte über die Harmonisierung bestimmter Teilbereiche von Covered-Bond-Gesetzen flankiert und in ihrer Wirkung verstärkt.

Eine vollständige Harmonisierung nationaler Covered-Bond-Gesetzgebungen erscheint hingegen schwer durchführbar, etwa wegen der großen Unterschiede im Insolvenzrecht oder auf den Hypothekenmärkten. Und sie wäre sogar eine Bedrohung für die einzigartige Kreditqualität der Assetklasse, wenn sie nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners erfolgen würde. Die deutschen Pfandbriefbanken werden alles dafür tun, damit es dazu nicht kommt.

Jens Tolckmitt , Hauptgeschäftsführer , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
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